www.universos-mercatores-de-hansa-theutonicorum.org

Diese Webseite verwendet Cookies, um die  Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Durch die weitere Nutzung der  Webseite stimmen Sie dem zu. Weitere Infos zu Cookies und deren  Deaktivierung finden Sie  hier

Titelregister zu:

Titelregister zu:

Nowgorod - Weliki Nowgorod

Weliki Nowgorod (russ. Вели́кий Но́вгород) oder auch Nowgorod-Weliki (zu deutsch Groß-Nowgorod, bis 1999 offiziell nur Nowgorod (russ. Но́вгород), früher auch deutsch Navgard/Naugard und altnordisch Hólmgarðr) ist eine Großstadt in Russland mit 214.777 Einwohnern (Stand: 2010) und liegt etwa 180 km südsüdöstlich von Sankt Petersburg am Wolchow nördlich des Ilmensees. Sie ist das Verwaltungszentrum der im Föderationskreis Nordwestrussland liegenden Oblast Nowgorod.

Weliki Nowgorod, das im September 2009 sein 1150-jähriges Bestehen feierte, gehört zu den ältesten Städten Russlands. Im Mittelalter war Nowgorod Hauptstadt einer einflussreichen Handelsrepublik und bedeutender Mittler zwischen den Rus und dem Abendland, bevor es Teil des zentralisierten russischen Reichs wurde. Nowgorods architektonisches Erbe ist seit 1992 UNESCO-Weltkulturerbe.[1]

Geographie

Geographische Lage

Nowgorod liegt im Nordwesten des europäischen Teils von Russland und ist 180 Kilometer von St. Petersburg und 524 Kilometer von Moskau entfernt. Von Süden nach Norden durchschneidet der Fluss Wolchow die Stadt. Sie liegt durchschnittlich auf 25 m ü. NN. Das Stadtgebiet hat eine Fläche von 90 Quadratkilometern. Ungefähr 60 Prozent des Umlandes ist bewaldet, vor allem mit Ulmen. Der Süden von Nowgorod in der Nähe des Ilmensees ist sehr reich an Sumpfland. Insgesamt ist Weliki Nowgorod umgeben von weitläufigen Moor- und Waldgebieten, in denen insbesondere Torf abgebaut wird. Die geographische Lage ist verkehrsmäßig günstig, da die Flüsse Lowat, Schelon, Msta und Wolchow, die in den See münden, ideale Transportwege eröffnen. Die Wolchow mündet in den Ladogasee, von welchem man durch St. Petersburg direkt in die Ostsee gelangt. Über die Flüsse im Süden Nowgorods ist eine Verbindung bis ins Schwarze Meer gegeben.[2]

Geologie

Die Stadt liegt in der Osteuropäischen Ebene und im östlichsten Teil des Baltischen Landrückens. Geologisch liegt die Stadt auf der Russischen Tafel, die in der Mehrzahl aus ungefalteten jung-proterozoischen bis känozoischen Sedimenten besteht, die hier weite Gebiete des Urkontinents Fennosarmatia bedecken. Anders als ihre umgebenden Gebirge ist die Russische Tafel trotz ihrer Größe arm an Bodenschätzen.[3] Während der letzten Eiszeiten reichten die skandinavischen Gletscher bis in das Nowgoroder Gebiet. Der flache Ilmensee (nur 2,5 bis 10 Meter tief) ist der Rest eines glazialen Schmelzsees, in dem fluviatile und periglaziäre Sedimente weit verbreitet sind.

Stadtgliederung

Die Stadt gliedert sich grob in die historische Innenstadt und die außerhalb der ehemaligen Stadtmauern angelegte Neustadt. Die Altstadt wird unterteilt in die Sophienseite, benannt nach der Sophienkathedrale, auf dem westlichen Ufer des Wolchow und die Handelsseite auf dem östlichen Ufer. Die Sophienseite besteht aus drei Stadtfünfteln, so genannten konez (= „Ende“), im Norden dem Nerewski-Fünftel, im Westen dem Zagorodski-Fünftel und im Süden dem Ljudin-Fünftel, dem ehemaligen Töpferfünftel. Die Handelsseite besteht im Norden aus dem Plotniki-Fünftel, dem ehemaligen Zimmermanns-Fünftel und im Süden aus dem Slawno-Fünftel. Im östlichen Zentrum auf der Sophienseite befindet sich der Nowgoroder Kreml. Die Verbindung zwischen den Seiten wurde seit dem 11. Jahrhundert über eine große Holzbrücke gewährleistet, die sporadisch durch Feuer, Hochwasser oder Eis zerstört wurde. In der westlichen Mitte der Handelsseite befand sich der mittelalterliche Marktplatz, der Jaroslaw-Hof und die Kontore der fremden Händler, insbesondere der Petershof der Hanse.

Die Neustadt ist auf der westlichen Flussseite deutlich stärker entwickelt als auf der östlichen. An die Sophienseite schließen sich dort von Norden nach Süden die Viertel: Koltowo, Grigorowo, Zapadini, Nowa Melniza, Leschno, Pankowka und Bely Gorod. Auf der Handelsseite ist es im Norden das Viertel Antonowo.

Nachbargemeinden

An den Stadtrajon Nowgorod grenzen innerhalb des Oblast Nowgorod sieben andere Rajons. Dies sind im Uhrzeigersinn von Norden nach Westen: der Rajon Tschudowo, Malaja Wischera, Krestzy, Parfino, Staraja Russa, Schimsk und Batezki. Im Nordwesten grenzt der Rajon an den Oblast Pskow.

Klima

Nowgorod befindet sich mit seinem humiden Klima in der kühlgemäßigten Klimazone mit Einfluss des Kontinentalklimas. In der Klimaklassifikation ist es als DfB eingeordnet, das heißt, (D) der kälteste Monat hat eine Temperatur von weniger als −3 °C, der wärmste Monat liegt über 10 °C, (f) alle Monate sind feucht und (B) die Temperatur liegt unter 22 °C, es gibt aber noch mindestens vier Monate, die wärmer als 10 °C sind. Die durchschnittliche Jahrestemperatur in der Stadt beträgt 4,3 °C. Obwohl der Jahresniederschlag nur bei 561 Millimetern (zum Vergleich Köln: 798 Millimeter) liegt, ist er höher als die Verdunstung, weshalb ein humides Klima vorherrscht. Die wärmsten Monate sind Juni und Juli mit durchschnittlich 15,7 beziehungsweise 17,3 °C, die kältesten Monate sind Januar und Februar mit −9,2 beziehungsweise −8,2 °C im Mittel. Der meiste Niederschlag fällt in den Monaten Juli und August mit durchschnittlich jeweils 72 Millimeter, der geringste im Februar mit durchschnittlich 23 Millimeter.

Geschichte

Vor- und Frühgeschichte

Das Territorium im Nordwesten Russlands ist von vielen Wäldern, Seen und Marschland geprägt, leidet aber einen Mangel an anbaufähigem Land. Über eine lange Periode vom Neolithikum bis zur Bronzezeit wurde dieses Land von Angehörigen finno-ugrischer Sprachgruppen besiedelt, die sich überwiegend von Fischerei und Jagd ernährten. Im 5. und 6. Jahrhundert stießen slawische Stämme in diese Gebiete vor, die vorwiegend Getreide anbauten, ohne dass es zu Konflikten mit den ursprünglich dort siedelnden Gruppen gekommen wäre. Die Herkunft dieser Siedler wird aufgrund der linguistischen Auswertung der Birkenrindenfragmente aus dem Bereich des heutigen Polen und des nördlichen Deutschlands angenommen. Das wichtigste Ereignis für die weitere Stadtentwicklung war aber die Ankunft skandinavischer Siedler, sogenannter Waräger, im 9. Jahrhundert.[6] Etwa zwei Kilometer südlich von Nowgorod lag am rechten Ufer des Wolchow die Siedlung Rurikowo Gorodischtsche („Ruriks befestigtes Städtchen“; skandinavischer Name Hólmgarðr = „Stadt auf dem Hügel“[7]). Die frühmittelalterliche Siedlung der Rus diente bereits vor der Gründung Nowgorods als Handelsplatz, verlor aber mit dem Aufstieg der Stadt ihre Bedeutung.

Kiewer Rus vom 9. bis 11. Jahrhundert

Weliki Nowgorod ist eine der ältesten Städte Russlands. Sie wurde im Jahr 859 erstmals erwähnt.[8] Über ihre Geschichte setzen uns in der Frühzeit mehrere Manuskripte der Nowgoroder Chronik und der Nestorchronik in Kenntnis.

Die Stadt wurde von dem warägischen Fürsten Rurik, dem Gründer des ersten ostslawischen Reichs, von 862 bis 879 regiert. Nowgorod war bereits im Reich der Kiewer Rus ein bedeutendes Zentrum mit vielleicht mehr als zehntausend Einwohnern. Die Stadt übte eine hohe Anziehungskraft auf die benachbarten russischen Prinzenhäuser aus. In den 970er und 980er Jahren erkämpften sich die Söhne des Fürsten von Kiew, Swjatoslaw I. Igorewitsch, Wladimir I. und Jaropolk I., das Recht, den Fürsten von Nowgorod zu stellen, und sandten ihre Gouverneure.

Am Ende setzte sich Wladimir durch, und nachdem er Fürst von Kiew geworden war, wurde unter seiner Herrschaft das Christentum in der Region eingeführt. Wladimirs Sohn, Jaroslaw der Weise, ließ am Ende des 10. Jahrhunderts die ersten Kirchen in Nowgorod errichten – eine Holzkathedrale für die Heilige Sophia und eine für die zwei Heiligen Joachim und Anna, deren Widmung mit dem Namen des ersten Bischofs von Nowgorod, Joachim Korsunianin, verbunden ist.[6] Jaroslaws Herrschaft dauerte bis 1015, als er nach dem Tode seines Vaters die Kontrolle über Kiew anstrebte. Da ihn die Nowgoroder bei diesem erfolgreichen Unternehmen unterstützten, gab er ihnen umfangreiche Rechte, die die Basis für die künftige Bojarenordnung in Nowgorod bildeten.

Die Privilegien, die die Bojaren von Jaroslaw erhalten hatten, führten zu einer strukturellen Teilung der Stadt. Die Gehöfte der Bojaren unterstanden nicht der Gerichtsbarkeit des Prinzen und bildeten die Grundlage für das System der „Enden“ genannten Stadtviertel. Zwischen diesen „Enden“ siedelten dagegen freie Künstler und Händler, die der Jurisdiktion des Prinzen unterstanden. Diese Bereiche wurden in Hundertschaften (sotni) unterteilt und von sogenannten „Tausendschaftsführern“ (tysjazkie) und „Hundertschaftsführern“ (sotskie) verwaltet.[6] Im Jahre 1030, bei einem Besuch in der Stadt, beauftragte Jaroslaw, dass 300 Kinder der Älteren und der Priester gezielt im Lesen unterwiesen werden sollten. Aufgrund archäologischer Befunde lassen sich aber bereits für die vorhergehende Zeit Bildungsbestrebungen nachweisen. In diese Periode fällt auch die Überführung des fürstlichen Hofes von Gorodischtsche nach Nowgorod, wo auf der Handelsseite, gegenüber vom Kreml ein Hof eingerichtet wurde, der den Namen „Jaroslaws Hof“ trägt.[6]

Die soziale Struktur bestand aus drei Schichten: Reiche Kaufleute und Bankiers (gleichzeitig Grundbesitzer) standen an der Spitze; gewöhnliche Kaufleute waren Vertreter der mittleren Schicht; Handwerker und Tagelöhner gehörten der unteren Bevölkerungsschicht an.

Neben dem Handel blühte auch die Kultur. So wirkten berühmte Ikonenmaler wie Theophanes der Grieche und Andrei Rubljow in der Stadt. 1056/1057 wurde die Abschrift des Ostromir-Evangeliums für den Nowgoroder Statthalter Ostromir angefertigt. Der Inhalt der Handschrift ist ein kirchenslawisches Aprakos-Evangelium, das von einer südslawischen Vorlage kopiert wurde.

Nowgorod war im Hochmittelalter neben Konstantinopel die einzige Stadt in Europa, in der nicht nur der Adel und der Klerus, sondern auch das einfache Volk lesen und schreiben konnte. Das bezeugen heute unter anderem die über 1000 bei archäologischen Ausgrabungen gefundenen, auf Birkenrinde in einem Altnowgoroder Dialekt geschriebenen Briefe (sogenannte Birkenrindenurkunden). Diese berichten vom Alltag in der mittelalterlichen Stadt. Am 26. Juli 1951 wurden bei Grabungen von Nina Akulowa in der Welikaja Straße die ersten Birkenrindenfragmente entdeckt.[9] Mittlerweile sind mehr als tausend Birkenrindenfragmente bekannt.[10]

Die Bindung der norwegischen Herrscher an die Stadt lässt sich auch daran erkennen, dass sie Novgorod mehrfach als Zufluchtsort nutzten. So floh vor 1000 Olav I. Tryggvason dorthin, von 1027 bis 1030 Olav II. Haraldsson. Dessen Sohn Magnus I. wurde bis 1035 in Nowgorod erzogen und nach der Ermordung seines Vaters von norwegischen Adligen zurückgeholt. Auch Harald III. suchte in Nowgorod Zuflucht, wenn Gefahr drohte. Olav I. Tryggvason und Magnus I. verbrachten hier ihre Kindheit und Jugend und hatten zeitlebens eine enge Verbindung zu der Stadt.

Republik Nowgorod von 1136 bis 1478

Im Jahre 1136 endete ein allgemeiner Aufstand gegen den Fürsten mit einem Sieg der Bojaren. In der Folge war der Fürst nur noch ein Beamter der Bojarenrepublik. Seine Funktion als Richter konnte der Fürst nur noch wahrnehmen, wenn sein Urteil vom Possadnik, dem Oberhaupt des Bojarenrates, bestätigt wurde, der zunehmend die Außenpolitik leitete und Recht sprach, das Heer führte und die Ämter besetzte, und damit die Rolle des Fürsten einnahm. Als direkte Folge des Aufstandes wurde Fürst Wsewolod II. ausgewiesen und Swjatoslaw Olegowitsch aus Tschernigow eingesetzt.[6][11] Das zweite wichtige Amt führte der Tysjackiy, der Tausendschaftsführer, der das Volksaufgebot führte und für Steuern, Abgaben und für den Markt verantwortlich war. Das 1035 entstandene Bistum stieg 1165 zum Erzbistum auf.

Von den Verwüstungen der Mongolenüberfälle verschont, war Nowgorod zeitweise, vor allem unter Alexander Newski, das Zentrum der Russischen Fürstentümer und der Sitz des Großfürsten. Angefangen mit Alexander Newski wurden die Nowgoroder Fürsten aus den Reihen der Fürsten von Wladimir-Susdal gewählt. Die Stadt wurde zu einem der größten Stadtstaaten und entwickelte ein Territorium von rund 30.000 km² Ausdehnung, weitere etwa 1,5 Millionen km² bis zum Ural standen in einem tributären Verhältnis. Im 14. Jahrhundert begann man den älteren Namensteil weliki als groß zu deuten, um Groß-Nowgorod von anderen Städten abzusetzen. Das Stadtgebiet umfasste im 14. Jahrhundert rund 400 ha, allein die Stadtburg (detinec) 11 ha. Die Einwohnerzahl stieg von etwa 50-60.000 im 13. Jahrhundert auf bis zu 80.000 im 15. Jahrhundert.[12] Damit überbot ihre Einwohnerzahl die Größenordnung der bedeutendsten deutschen Städte wie Köln, Nürnberg oder Lübeck.[13]

Die auf dieser Entwicklung basierende Machtausdehnung ermöglichte es der Stadt militärisch 1240 die Expansion der Schweden und 1242 die des Deutschen Ordens abzuwehren. Insgesamt zog Nowgorod 26 Mal gegen Schweden und 11 Mal gegen den livländischen Schwertbrüderorden in den Krieg. Die Abwehr in den Jahren 1240 und 1242 gelang, obwohl Nowgorods deutsche Gegner, unter Ausnutzung der mongolischen Invasion in Russland, zusammen mit Dänen und Schweden ihre militärischen Operationen auf das Gebiet Nowgorods verlagerten. Ihre Feldzüge scheiterten jedoch in der Schlacht an der Newa und in der Schlacht auf dem Peipussee. Am 12. August 1323 wurde der Vertrag von Nöteborg zwischen Schweden und Nowgorod unterzeichnet, der zum ersten Mal den Grenzverlauf zwischen dem russischen und dem schwedischen Teil Finnlands regulierte.

Im Spätmittelalter war Nowgorod eine von der adligen Kaufmannsschicht beherrschte Stadt, die sich überwiegend aus den großen Landbesitzern rekrutierte, und die in hohem Maße vom Eintreiben der Tribute profitierte. Zu ihnen gesellte sich eine Schicht von hauptberuflichen Fernhändlern, die vor allem im Westhandel tätig waren. Ein Gegengewicht bildete ein Wetsche – einer auf altslawische Traditionen zurückgehende Volksversammlung –, in dem auch nichtadlige Bevölkerungsgruppen rede- und stimmberechtigt waren. Die oligarchische[14] Stadtrepublik, die seit dem 12. Jahrhundert den Fürsten, ab 1156 den Erzbischof und die Possadniks, eine Art Bürgermeister der Stadt, wählte, hatte dabei gute Kontakte zur Hanse, die dort im Peterhof eines ihrer vier Kontore unterhielt.

Nowgorod hatte sich im 14. Jahrhundert endgültig zum Haupthandelsvermittler mit dem Westen aufgeschwungen. Da der Transithandel der russischen Länder und auch der Tataren, die mit Gewürzen und Pelzen handelten, mit Westeuropa über das litauische Hoheitsgebiet durch hohe Zölle und häufige Übergriffe beeinträchtigt wurde, blieb diese Stellung in der Folgezeit unangefochten.

Handel mit Gotländern und Hanse

Bereits im 10. Jahrhundert sind Kontakte ausländischer Händler mit Nowgorod belegt. So trägt der in der Färingersaga erwähnte Ravnur Hólmgarðsfari aus dem norwegischen Tønsberg die nordische Bezeichnung für Nowgorod bereits im Namen, der also Nowgorodfahrer bedeutet.[15]

Nach der Gründung Lübecks im Jahr 1159 begannen die hansischen Kaufleute über die Ostsee nach Gotland zu fahren. Über die dortigen Kaufleute wurden die ersten Kontakte nach Nowgorod vermittelt. Die Kaufleute aus Gotland unterhielten auf der Handelsseite den so genannten Gotenhof, an dessen Nutzung sich die hansischen Kaufleute zunächst beteiligten. Daneben gab es noch einen Gildehof der Gotländer.[16] Im Jahre 1192 errichtete die Hanse einen eigenen Hof, den sogenannten Peterhof. Der Name des Kontors geht auf die in ihm errichtete St.-Peter-Kirche zurück. Der Hof enthielt neben Wohnhäusern auch Wirtschaftseinrichtungen wie Bäckerei, Brauhaus, Krankenstube, Bad und Gefängnis. Die hansischen Kaufleute hatten auf dem Hof eigene Rechtshoheit, mussten aber auch selbst für rechtliche Ordnungsmaßnahmen sorgen. Die Kaufleute hatten nach der Nowgoroder Schra jedoch nicht das Recht, sich dauerhaft in Nowgorod aufzuhalten. Nach den Jahreszeiten unterschied man Winter- und Sommerfahrer. Die Händler transportierten überwiegend Rohprodukte nach Westeuropa, insbesondere Pelze, Wachs, Honig und Holz. Im Gegenzug brachten sie vor allem Fertigprodukte nach Nowgorod wie Wein, Bier, Tuch, Waffen und Glas, aber auch Salz, Hering, Metall (Silber), Gewürze, Südfrüchte, Pferde und Bernstein. Als 1230 in Wolchow eine große Hungersnot ausbrach, transportierten sie überwiegend Getreide. Mit dem Niedergang des gotländischen Olafshofes im 14. Jahrhundert, der in der Folge von der Hanse gepachtet wurde, gewann die Hanse eine Monopolstellung im Handel mit Nowgorod. Auch der Schiffstyp der Kogge trug zur Stärkung dieses Monopols bei. Zwischen 1396 und 1462 lässt sich der Import von Glasprodukten wie Fingerringe und Fensterglas archäologisch belegen. Im 15. Jahrhundert ging der Handel langsam zurück, da der Warenumtausch immer stärker auf die livländischen Städte verlegt wurde.[17] Der Peterhof in Nowgorod wurde nach der Eroberung der Stadt durch den Moskauer Großfürsten Iwan III. 1478 nicht geschlossen. Im Gegenteil, die Vorrechte der Hanse wurden 1487 erneut bestätigt. Im Zuge seiner Streitigkeiten mit Maximilian von Habsburg ließ Iwan III. den Hof aber am 6. November 1494 schließen. Die Beschlagnahmung brachte dem Großfürsten 96.000 Mark ein.[18] 1514 wurden der Gotenhof und der Peterhof wieder eröffnet und noch bis 1560 scheinen die Höfe genutzt worden zu sein. Im 17. Jahrhundert wurde der Schwedenhof an der Slavnaja-Straße nordöstlich vom alten Platz errichtet.[19]

Münzwesen und Fernhandel

Die Stadt Nowgorod war, aufgrund ihrer starken Handelsbeziehungen mit ausländischen Kaufleuten, Ausgangspunkt der Entwicklung des Münzwesens in Russland. Seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurde es üblich, Silberbarren als Währungseinheit zu verwenden. Das Gewicht dieser Stangenbarren betrug 205 Gramm, entsprechend der alten russischen Gewichtseinheit Griwna. Bei kleineren Handelsgeschäften wurden von den größeren Barren kleinere Silberstücke, sogenannte Rubel, abgetrennt. Im 13./14. Jahrhundert wurden in Nordwestrussland erstmals Münzen geprägt; anfangs in Nowgorod und Pskow, später auch in Moskau, Nischni Nowgorod und Susdal.

Als sich Anfang des 15. Jahrhunderts der Geldumlauf verstärkte und alle Großfürsten Geld zu prägen begannen, ging Nowgorod ab 1420 dazu über, eigene Münzen zu prägen. Nowgorod hatte zuvor für eine kurze Zeit die Livländische Währung übernommen.[21]

Vom 10. bis zum 13. Jahrhundert gelangten aus dem byzantinischen Reich vor allem Amphoren, Glaserzeugnisse, schieferne Spinnwirtel und Walnüsse in die Stadt. Aus dem Dnjepr-Gebiet wurden zudem Bernsteine, die dort in geologischen Schichten anstehen, importiert. Um 1100 erfuhr der Import eine kurze Unterbrechung, der mit einem Konflikt zwischen den Städten Kiew und Wolchow begründet werden kann. Mit der Zerstörung Kiews im Jahre 1240 durch die Mongolen verlor der Dnjepr-Weg überwiegend seine Bedeutung, wogegen über den Wolga-Weg der Import von Buchsbaumholz für die Kammherstellung fortgesetzt wurde. Insbesondere im 14. Jahrhundert gelangte über diesen Weg glasierte Keramik aus dem Tatarenchanat der Goldenen Horde nach Nowgorod.[22]

Moskauer Periode vom 15. bis 19. Jahrhundert

Lange Zeit stand Nowgorod in Konkurrenz zum Großfürstentum Moskau, wobei Nowgorod die oligarchisch-stadtadlige Gesellschaftsordnung repräsentierte, Moskau die autokratisch-fürstliche. Zu diesem Gegensatz kam die Bekämpfung der Nowgoroder Flusspiraterie (Uschkuiniki), die Moskau bereits 1397 veranlasste, einen Aufstand gegen die Herrschaft Nowgorods zu entfesseln. Entscheidend war, dass es Nowgorod nicht mehr gelang, seine Schaukelpolitik zwischen Moskau, Twer und Litauen fortzusetzen, da Twer immer mehr an Bedeutung verlor, und sich Litauen ab etwa 1400 aus dem Nordosten zurückzog. Auch gelang es nicht, sich von der Oberhoheit des Moskauer Metropoliten zu lösen. 1441 leistete Nowgorod erstmals Tributzahlungen an Moskau.

1456 gelang es Moskau nach einem Angriff, stärkeren Einfluss auf die Außen- und Innenpolitik Nowgorods zu nehmen. Das Wetsche durfte nicht mehr in eigenem Namen urkunden. Nach dieser Niederlage musste die Nowgoroder Bojarenoligarchie 1458 erkennen, dass die Voraussetzungen ihrer früheren Schaukelpolitik zwischen Moskau, Litauen und Twer nicht mehr gegeben waren, weil Moskau in der Zwischenzeit ein eindeutiges Übergewicht erlangt hatte und Polen-Litauen mit Auseinandersetzungen in Böhmen, Ungarn und mit dem Deutschen Orden beschäftigt war. Moskau siegte 1471 über Nowgorod in der Schlacht am Schelon, und nach neuerlichen antimoskowitischen Strömungen folgte 1478 die endgültige Eingliederung in das Großfürstentum, wobei Moskau vorgab, ein Kirchenschisma in Russland zugunsten der litauischen Katholiken verhindern zu wollen. Zahlreiche Nowgoroder Bojaren, ihre Klientel und die Kaufleute wurden nach Moskau umgesiedelt, wo in der Nähe des Kremls ein eigenes Nowgoroder Stadtviertel entstand. Im Gegenzug übernahmen Moskauer Dienstmannen die Güter der Enteigneten. Die Abschaffung der Wetsche-Glocke symbolisierte das Ende des Nowgoroder Stadtstaats.

Während des Livländischen Krieges wurde die Stadt 1570 durch die Truppen des Zaren Iwan des Schrecklichen zerstört, nachdem dieser den Verdacht schöpfte, dass sich die Bürger Nowgorods mit Polen-Litauen zu verbünden suchten. Am 15. Januar 1582 wurde der Vertrag von Jam Zapolski (Waffenstillstand) im Dorf Jam Zapolski nahe Nowgorod zwischen Polen-Litauen und Russland geschlossen.[6] Während der Zeit der Wirren im Polnisch-Russischen Krieg 1609-1618 wurde Nowgorod zwischen 1611 und 1617 von den Schweden besetzt und zerstört. Die genannten Kriege und Ereignisse führten dazu, dass die Einwohnerzahl Nowgorods auf 8.000 absank, in gleichem Maße sank auch die politische und wirtschaftliche Bedeutung.

Die Stadt erlebte danach einen Aufschwung, doch nach der Gründung von Sankt Petersburg im Jahr 1703 sank ihre wirtschaftliche und strategische Bedeutung als Russlands Vorposten im Nordwesten. Eine gravierende Veränderung erfuhr die Stadtstruktur nach 1778, als der von Nikolai Tschitscherin (Николаи Чичерин) erstellte neue Generalbebauungsplan von Kaiserin Katharina II. unterschrieben wurde. Während die halbrunde Stadtmauer auf der Sophienseite erhalten wurde, sah der Plan ansonsten rechtwinklige Straßenzüge vor. Dafür wurden die über Jahrhunderte gewachsenen Straßenstrukturen zerstört.[23]

1859 gewann der Entwurf von Michail Ossipowitsch Mikeschin (1835–1896) den von der Öffentlichkeit mit großem Interesse verfolgten Wettbewerb für das Nowgoroder Denkmal Russlands Jahrtausend.

Sowjetunion, Zweiter Weltkrieg

In der Sowjetunion gehörte Nowgorod zum Leningrader Gebiet, zu dem die Rayons bzw. Kreise Murmansk, Pskow und Tscherepowez zählten. Zwar hatten sich die Nowgoroder Ende 1918 der Ratsbewegung in Russland angeschlossen, doch neigten sie eher den gemäßigten sozialistischen Parteien zu.[24]

Im Deutsch-Sowjetischen Krieg (1941–1945) war Nowgorod vom 15. August 1941 bis zum 20. Januar 1944 unter deutscher Besatzung und erlitt dadurch große Schäden. Unter anderem vernichtete Bolko von Richthofen im Auftrag des Auswärtigen Amtes während des Russlandfeldzuges die Bibliothek der Nowgoroder Altertums-Gesellschaft und das Museum in Staraja Russa.[25] Nach der Befreiung im Zuge der Leningrad-Nowgoroder Operation wurde bereits zu Anfang des Jahres 1944 mit dem Wiederaufbau der Stadt begonnen. Am 5. Juli 1944 wurde der Oblast Nowgorod gegründet.

Jüngste Geschichte

1999 erhielt die Stadt ihren historischen Namen Weliki Nowgorod zurück. Am 13. Juli 2000 wurde bei Ausgrabungen der sogenannte Nowgoroder Kodex entdeckt, ein Wachstafelbuch aus dem ersten Viertel des 11. Jahrhunderts, das aus drei gebundenen Lindenholzplatten mit insgesamt vier mit Wachs ausgefüllten Seiten besteht. Im September 2004 fand in Weliki Nowgorod das erste Treffen des Waldai-Klubs statt, einer jährlichen Diskussionsrunde von Experten der Außen- und Innenpolitik Russlands. Teilnehmer war auch Wladimir Putin. Am 28. Oktober 2008 erhielt Weliki Nowgorod die Auszeichnung „Ruhmreiche Kampfstadt“ von Präsident Dmitri Medwedew für die „Courage, Ausdauer und Massenheldentum bei der Verteidigung der Stadt im Kampf um Freiheit und Unabhängigkeit des Vaterlandes.“ [26] Im Jahr 2009 wurde in der Stadt das 1150-jährige Jubiläum der ersten schriftlichen Erwähnung gefeiert. Vom 18. bis 21. Juni 2009 fanden in Nowgorod die XXIX. Internationalen Hansetage Neuer Zeit statt.[27]

Bevölkerungsentwicklung und -struktur

Die Einwohnerzahl Weliki Nowgorods lag 2010 bei 214.777 Einwohnern, womit die Stadt Platz 86 unter den größten Städten Russlands belegt. Die höchste Bevölkerungszahl seiner Geschichte mit über 229.116 Einwohnern erreichte Nowgorod Anfang der 1990er-Jahre, in den nachfolgenden Jahren schrumpfte die Zahl erheblich, wie es in den meisten Städten Russlands während der Wirtschaftskrisen der 1990er-Jahre der Fall war. Die folgende Tabelle zeigt die Entwicklung der Einwohnerzahl der Stadt Nowgorod seit etwa 1825 an. Von 1959 bis 1979 hat sich die Einwohnerzahl mehr als verdreifacht. Ein signifikanter Bevölkerungsrückgang ist hingegen in den Jahren des Zweiten Weltkrieges zu verzeichnen.[28]

  • Jahr Einwohner
  • 1825    5.445
  • 1833    8.634
  • 1840   16.781
  • 1856   12.758
  • 1863 17.665
  • 1867   16.722
  • 1870   17.093
  • 1885   23.980
  • 1898   25.736
  • 1910   23.841
  • 1917   28.807
  • 1920   24.831
  • 1923   27.709
  • 1926 32.764
  • 1937   37.059
  • 1939 39.758
  • 1944         53[29]
  • 1959   60.669
  • 1970 127.944
  • 1979 186.003
  • 1989 229.126
  • 2002 216.859
  • 2007 216.700
  • 2010 214.777

Religionen

Der überwiegende Teil der Bevölkerung, die sich zu 93,9 Prozent aus Russen, 1,5 Prozent aus Ukrainern und 4,9 Prozent aus anderen Nationalitäten zusammensetzt, gehört zum russisch-orthodoxen Christentum.[30] Die Stadt bildet eine eigene Eparchie der Russisch-Orthodoxen Kirche unter der Leitung von Erzbischof Lew Zerpizkij. Bis 1165 war die Stadt Sitz eines Bischofs, seitdem aber eines Erzbischofs. Daneben gibt es einen eignen Leiter der Klöster, den Archimandriten, der im Juriew-Kloster residiert.[31]

Über 70 Jahre wurde von offizieller Seite Atheismus verordnet. Die derzeitigen Angaben zur Religion schwanken. Laut Statistik von Interfax im Jahr 2010 mit 1600 Befragten sind in Gesamtrussland 75 Prozent der Russen orthodox, 5 Prozent muslimisch und jeweils ein Prozent oder weniger protestantisch, buddhistisch, katholisch oder jüdisch.[32]

Im 15. und 16. Jahrhundert bildete sich in der Russisch-Orthodoxen Kirche eine Gruppe von „Judaisierenden“ als Sekte. Obwohl sie nicht zum Judentum konvertierten, hatten sie ein großes Interesse am Alten Testament und an den Hebräischen Briefen. Die Sekte bildete eine Mischung aus spätmittelalterlichem Kabbalismus und frühem neuplatonischem Humanismus.[33]

1990 wurde die Jüdische Kulturelle Gesellschaft von Nowgorod unter der Leitung von Grigory Fainberg, Tamara Chorewa und Ljubow Tintarewa gegründet. Bis 1990 gab es keine jüdische Religionsausübung in der Stadt, nur Hebräisch-Unterricht, den Arkadi Freikman gab, bevor er 1990 nach Israel emigrierte. Im Mai 1993 wurde die Gemeinde offiziell zugelassen. Seit 2000 ist sie volles Mitglied der Föderation Jüdischer Gemeinden Russlands (russ. Федерация еврейских общин России, ФЕОР). Spiritueller Leiter der Gemeinde ist seit 2002 der aus St. Petersburg stammende Rabbi Gershon Paley. 2003 organisierte die Gemeinde ihr erstes Jüdisches Kulturfestival.[34] Die Gemeinde besteht aus ungefähr 1500 Personen.[35]

Politik

Verwaltung

Weliki Nowgorod ist Verwaltungssitz der Oblast Nowgorod. Die Stadtverwaltung Weliki Nowgorods besteht aus dem Bürgermeisteramt, dessen Chef der Bürgermeister, das Oberhaupt der Stadt ist, sowie aus der Munizipalität (муниципалитет), dessen Mitglieder im Zuge der Kommunalwahlen bestimmt werden. Der Gemeinderat, die Duma der Stadt Nowgorod besteht aus 25 Abgeordneten.[36]

Heraldik

Nowgorod verfügt mit einem Stadtwappen und einer Stadtflagge über zwei eigene heraldische Symbole. Beiden sind die Motive des Bären und des erzbischöflichen Throns gemein. Das erste Wappen Nowgorods wurde am 16. August 1781 zum offiziellen Stadtsymbol erhoben.[39] Es wurde am 12. September 1991 in einer veränderten Fassung zugelassen.[40]

Blasonierung: In Silber zwei profilierte schwarze Bären links und rechts eines goldenen Erzbischofthrons, darauf ein rotes Kissen und gekreuzt darüber zwei goldene Vortragekreuze sowie ein dreiarmiger goldener Kerzenständer mit rot brennenden silbernen Kerzen.

In der älteren Fassung von 1781 stand der erzbischöfliche Thron und die beiden Bären über einer blauen Wasserfläche, in der vier silberne Fische, je zwei übereinander, zur Mitte hin gewandt waren.

Die Stadtflagge von Weliki Nowgorod war horizontal weiß-blau-weiß gestreift mit dem Stadtwappen in der Mitte. Diese Fahne wurde am 14. April 1994 offiziell zugelassen.[41] Am 29. April 2008 wurde sie geändert und ist seitdem nur noch weiß mit dem Wappen mittig.

Städtepartnerschaften

Weliki Nowgorod ist Mitglied des Städtebundes der Neuen Hanse. Insgesamt unterhält Weliki Nowgorod Städtepartnerschaften mit sieben Orten:

  • Uusikaupunki, Finnland (seit 1965)
  • Moss, Norwegen (seit 1970)
  • Nanterre, Frankreich (seit 1974)
  • Watford, Vereinigtes Königreich (seit 1984)
  • Bielefeld, Deutschland (seit 1987)
  • Rochester, USA (seit 1990)
  • Zibo, Volksrepublik China (seit 1995)

Weiterhin unterhält die Stadt administrative Partnerschaften mit drei Städten, insbesondere eine enge Zusammenarbeit auf kulturellem Gebiet:

  • Straßburg, Frankreich (seit 1997)[42]
  • Polazk, Weißrussland
  • Kohtla-Järve, Estland

Bielefeld nahm als Folge eines Beschlusses des Bundestages zur militärischen Nachrüstung im Winter 1983/84 Kontakt zu Weliki Nowgorod auf. Aus dem anfänglichen Briefkontakt entwickelte sich bis 1987 eine Städtepartnerschaft. In den 1990er-Jahren unternahmen die Bielefelder viele Hilfstransporte in die russische Partnerstadt, und noch heute werden soziale Projekte in Weliki Nowgorod finanziell unterstützt.[43]

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Museen

Die „Staatliche vereinigte Museumsanlage“ wurde am 4. Mai 1865 von Nikolai Gawrilowitsch Bogoslowski gegründet und 1992 in die Liste des Weltkulturerbes eingeschlossen. Sie umfasst Ausstellungen, Ausstellungssäle, Denkmäler und Museen in Nowgorod und im Nowgoroder Umland. Folgende Ausstellungen werden in Nowgorod zur Zeit überwiegend in den alten Verwaltungsgebäuden des Kremls gezeigt. In der Ausstellung Die Geschichte Nowgorods und Nowgoroder Landes seit uralten Zeiten bis heute werden Arbeitszeug, Haushaltsgegenstände, Rüstung und Birkenrindenfragmente ausgestellt, aber auch die ältesten russischen Musikinstrumente, Schachfiguren und Kinderspielzeug.

Die Ausstellung Russische Ikonen des 11. bis 19. Jahrhunderts in der Sammlung des Nowgoroder Museums zeigt in 14 Sälen 268 Ikonen in chronologischer Reihenfolge. Besonderheiten sind zum einen die älteste russische Ikone „Petrus und Paulus“ aus dem 11. Jahrhundert oder zum anderen „Der heilige Nikolai“ von 1294 des Meisters Alexei Petrow. In der Ausstellung Das altrussische geschnitzte Holz werden die vielfältigen geschnitzten Gebrauchsgegenstände, Möbel- und Schlittenstücke und Aufbauten der Häuser gezeigt. Eines der ältesten Denkmäler russischer Holzskulptur ist das Ludogoschtschenski Kreuz, das im Jahre 1359 von Bewohnern der Ljudogoschtscha-Straße gestiftet wurde. Weitere Ausstellungen befinden sich im Bischofspalast und im Johannes-Gebäude. In letzterem wird eine Sammlung von altrussischen ornamentalen Stickereien ausgestellt. Das Museum der bildenden Künste präsentiert die Werke der bildenden und dekorativ-angewandten Kunst des 18. bis 20. Jahrhunderts.

Ein Freilichtmuseum für Holzarchitektur Witoslawlizy veranschaulicht die Holzarchitektur Russlands. Es steht in der Nähe des Jurijew-Klosters und ist einer der beliebtesten Erholungsorte der Nowgoroder. Das 1964 gegründete Museum hat eine Fläche von 33,4 Hektar. Bis 2005 waren 20 bemerkenswerte Bauten aus Russland auf das Museumsgelände umgezogen und so vor dem Zerfall gerettet worden. Hier befindet sich auch einer der ältesten Holzbauten im Nowgoroder Gebiet, die Mariä-Geburts-Kirche von 1531 aus dem Dorf Perjodki.[44]

Bauwerke

Nowgoroder Kreml

Sehenswert ist die gesamte Altstadt zu beiden Seiten des Wolchow, im Westen unter anderem mit dem Nowgoroder Kreml, der erstmals 1044 erwähnt wurde. Der Kreml wurde von dem Fürst Jaroslaw dem Weisen in Auftrag gegeben. Der Kreml steht auf einem Hügel etwa zehn Meter über dem Wolchow und ist von einer 1487 Meter langen Mauer umfriedet. Diese war mit zwölf Türmen bewehrt, von denen neun Türme erhalten sind. Die Gesamtfläche des Kremls mit 565 Meter Nord-Süd-Ausdehnung und 220 Meter Ost-West-Ausdehnung beträgt 12,1 Hektar. Die Mauern bestehen aus Ziegelsteinen und Kalksteinbrocken. Die Mauerstärke variiert zwischen 3,6 und 6,5 Metern; die Höhe schwankt zwischen 8 und 15 Metern. Besonderes Merkmal des Nowgoroder Kremls sind oberhalb der Toreingänge errichtete Kirchen. Größten Anteil bei der Errichtung des Kremls hatten die Nowgoroder Erzbischöfe, während die gewählten Fürsten kaum Einfluss nahmen. In den 1950/60er-Jahren wurde unter Leitung von A. Worobjow das Mauerwerk restauriert und repräsentiert derzeit den Zustand des 15. Jahrhunderts.

Sophienkathedrale

Die Sophienkathedrale (russ. Собор Святой Софии) im Kreml von Weliki Nowgorod ist die Kathedrale des Erzbischofs von Nowgorod und die Mutterkirche der Nowgoroder Eparchie. Sie wurde erstmals 989 aus Holz gebaut, verfügte über 13 Kuppeln und war von Bischof Ioakim Korsunjanin geweiht worden, ist dann aber abgebrannt. Zwischen 1045 und 1050 ließ Wladimir von Nowgorod die 38 Meter hohe Steinkirche mit fünf Kuppeln erbauen. Sie wurde von Bischof Luka Schidjata (1035–1060) am 14. September 1050 (oder 1052) geweiht und sollte an den Sieg über den Nomadenstamm der Petschenegen erinnern. Die Wahl der Hauptheiligen orientierte sich an der Sophienkirche in Kiew und besonders an der Hagia Sophia in Konstantinopel. Die berühmten Bronzetüren wurde zwischen 1152 und 1156 in Magdeburg gegossen. Ursprünglich wurden die Türen für die Kathedrale Mariä Himmelfahrt in Płock geschaffen. Sie gelangten im 13. oder 14. Jahrhundert unter ungeklärten Umständen nach Weliki Nowgorod. 1981 wurden Kopien für die Kathedrale in Płock geschaffen und dort aufgestellt.[45][46][47] An der Rückseite der Kathedrale befindet sich eine Glockenwand. Die im 15. Jahrhundert erstmals erwähnte Wand wurde mehrfach umgebaut und stammt heute aus dem 17. Jahrhundert. Glocken, die im 16. und 17. Jahrhundert gegossen wurden, stehen auf kleinen Podesten vor der Wand, die im Sommer von Touristen erstiegen werden kann.

Der Jaroslaw-Hof am alten Marktplatz

Der Standort des Jaroslaw-Hofes liegt am rechten Ufer des Wolchow gegenüber dem Kreml. Der Legende nach hatte Fürst Jaroslaw der Weise im 11. Jahrhundert auf diesem Platz einen Palast erbauen lassen. Im 17. Jahrhundert wurde der größte Teil der heute hier stehenden Baulichkeiten eines Handelshofs errichtet. Der Komplex besteht aus Baudenkmälern des 12. bis 18. Jahrhunderts. Älteste Kirche ist die Nikolaus-Kathedrale, die von 1113 bis 1136 erbaut wurde.

Monument Russlands Jahrtausend

Das Monument Russlands Jahrtausend vor der Sophienkathedrale im Nowgoroder Kreml, das im Jahr 1862 eingeweiht wurde, markierte das tausendjährige Jubiläum des Beginns der Herrschaft Ruriks in Nowgorod, die gemeinhin als der Beginn der russischen Geschichte und der russischen Staatlichkeit gilt. Der Urheber des Projekts war Michail Ossipowitsch Mikeschin, der eine 1859 erfolgte Ausschreibung gegen 40 Bildhauer und Architekten gewann. Der von dem unerwarteten Zuschlag und dem verantwortungsvollen Auftrag inspirierte Mikeschin zog viele bekannte Bildhauer seiner Zeit heran, darunter Wiktor Hartmann, Schreder, Tschischow, Saleman, Opekuschin, Ljubimow und Michailow. Bei der Erstellung des Denkmals war die Geschichte Russlands aber auch die Rolle des herrschenden Hauses Romanow zu beachten. So mussten die Figuren auf dem Monument während der Planungsphase von Zar Alexander II. höchstpersönlich akkreditiert werden. Den zeitgenössischen Übergang vom Klassizismus zum Realismus spiegelt das Projekt wider, indem der obere Teil mit dem Engel und der allegorischen Personifizierung Russlands noch klassizistisch geprägt ist, der untere Teil aber von realistisch dargestellten Personen. Die Eröffnung des Denkmals fand am 8. September 1862 im Beisein des Zaren statt. Nach der Oktoberrevolution kam im Jahr 1925 aus Moskau die Anordnung, das „Denkmal für Orthodoxie und Zarentum“ abzureißen. Doch die Lokalbehörden entschieden, das Monument zu „verstecken“. Es wurde mit Holzbrettern eingeschalt, auf denen revolutionäre Plakate und Transparente hingen. So überdauerte das Denkmal bis zum Beginn des Großen Vaterländischen Krieges. Obwohl bereits am 15. August 1941 von der Wehrmacht besetzt, begannen die Deutschen erst im Dezember 1943 das Monument zu zersägen, bis die Stadt am 20. Januar 1944 von der Roten Armee befreit wurde. Das Denkmal war so beschädigt, dass 1500 fehlende Details neu gefertigt werden mussten. Am 2. November 1944 fand die zweite feierliche Eröffnung statt.

Kirchen und Klöster

Die gesamte Altstadt mit Kirchen, Klöstern und Kreml gehört seit 1992 zum Weltkulturerbe der UNESCO. In einer Aufstellung des 15. Jahrhunderts wurden 81 Kirchen in Nowgorod gezählt, von denen jedoch nicht alle aus Stein erbaut waren. Die Reihe der erhaltenen Kirchen ist mit 52 vergleichsweise groß. Die bekanntesten sind die St.-Boris-und-Gleb-Kirche in Plotniki, die St.-Demetrius-Kirche, die St.-Nikolai-Kirche und die Mariä-Himmelfahrts-Kirche von Volotovo.[48]

Der Grundstein für die St.-Nikolai-Kirche im Jaroslaws-Hof wurde 1113 von Fürst Mstislaw in Auftrag gegeben, nachdem er einen Feldzug gegen die Tchuds, einen finno-ugrischen Stamm erfolgreich beendet hatte. Insbesondere der Nikolai-Ikone sei dabei eine überragende Rolle zugekommen.[49]

Die St.-Peter-und-Paul-Kirche in Koschewniki wurde 1406 errichtet und 1950 restauriert.[50]

Die Kirche der zwölf Apostel wurde erstmals 1230 erwähnt. Diese erste bekannte Holzkirche brannte ab und wurde 1358 neu errichtet. Dieser ebenfalls durch Feuer zerstörte Bau wurde 1432 durch eine von Erzbischof Euphymius beauftragte Kirche ersetzt. 1453 wurde anstelle der Holzkirche der Steinbau errichtet.[51]

Die Kirche Boris und Gleb wurde 1536 auf den Fundamenten eines älteren Holzbaus von 1377 errichtet. Anstelle der seit dem 12. Jahrhundert verwendeten Einzelkuppel besteht der neue Bau aus fünf Kuppeln.[52]

Das Jurjewkloster (russ. Юрьев монастырь) mit der St.-Georgs-Kirche ist eines der ältesten Klöster Russlands. Es wurde zwar erstmals 1119 in den Chroniken erwähnt, die Gründung wird aber schon auf Jaroslaw den Weisen im 11. Jahrhundert zurückgehen. Es steht südlich von Nowgorod an der Flussbank des Wolchow in der Nähe des Ausflusses aus dem Ilmensee. Das Kloster war das wichtigste Zentrum der Republik Nowgorod. Es ist eine bedeutende Quelle für die Geschichte Nowgorods, da in seinen Mauern Teile der Chronik von Nowgorod (1016–1471) geschrieben wurden. Die St.-Georgs-Kirche ist die größte in ganz Nowgorod und Umgebung. Sie ist 33 Meter hoch, 28 Meter lang und 25 Meter breit mit drei silbernen Kuppeln (was ungewöhnlich ist, da russisch-orthodoxe Kirche normalerweise fünf Kuppeln besitzen; eine repräsentiert Christus und die vier anderen die Evangelisten). Zu Sowjetzeiten wurde das Kloster 1928 geplündert und fünf seiner sechs Kirchen zerstört. 1929 wurde es geschlossen und während des Zweiten Weltkrieges von deutschen und spanischen Truppen besetzt und ernsthaft zerstört. Erst 1991 wurde es der russisch-orthodoxen Kirche zurückgegeben und seither teilweise renoviert. Trotzdem sind der westliche Teil mit einer dort liegenden Kirche immer noch Ruinen.[53]

Das Antoniuskloster (russ. Антониев монастырь), im Norden von Nowgorod am Wolchow gelegen, war der größte Konkurrent des Jurjewkloster in Bezug auf die Bedeutung. Das Kloster wurde 1106 von Antonii Rimlianin, der der Legende nach aus Rom auf einem Felsen nach Nowgorod floh, gegründet und 1131 von Erzbischof Nifont (1130-1156) geweiht. Die wichtigste Kirche des Klosters ist die der Geburt der heiligen Gottesmutter, ein Bau mit drei Kuppeln wie die St.-Georgs-Kirche im Jurijewkloster. Sie wurde 1117 von Antonii Rimlianin begonnen und 1119 fertig gestellt. Der Fels auf dem Rimilianin geflohen sein soll, ist in der Kirche zu sehen. Einige Freskos aus dem Mittelalter (1125) sind im Altarraum erhalten geblieben, der überwiegende Teil stammt jedoch aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Ein Teil der Freskos wurde bei Restaurierungsarbeiten ernsthaft beschädigt. Das Kloster ist derzeit im Besitz der Vereinigten Nowgoroder Museen und nicht an die russisch-orthodoxe Kirche zurückgegeben.[54][55]

Das Arcadiuskloster (russ. Аркажский монастырь) war eines der wichtigsten Klöster des mittelalterlichen Nowgorods. Es steht vier Kilometer südlich der Stadt, westlich des Jurijewklosters. Derzeit bezeugt nur noch die Kirche Mariä-Himmelfahrt den Klosterstandort. Die Grundmauern des Klosters wurden 1961 archäologisch freigelegt. Das Kloster war 1153 von Arkadius gegründet worden, bevor dieser zum Bischof von Nowgorod (1156–1165) erwählt wurde. Die zunächst in Holz gebaute Kirche wurde 1188 durch einen Steinbau von Simeon Dibakevits ersetzt und von Erzbischof Gawriil (1186–1192) im folgenden Jahr geweiht. Viele Possadniks unterstützten das Kloster im Laufe der Zeit. Im Jahre 1206 ließ Possadnik Twerdislaw Michailowich die Kirche Simeon Stylites über dem Tor errichten. Die Kirche des Erzengels Michael ließ 1395 Isaak Onkifow in Stein ausführen und 1407 von Possadnik Juri Dmitriewich und seinem Cousin Jakob erneuern. 1764 wurde das Kloster zerstört.[56]

Das Chutynkloster (russ. Хутынский Спасо-Преображенский Варлаамиев монастырь) war eines der heiligsten Klöster der Republik Nowgorod. Das Kloster liegt auf der rechten Bank des Wolchow, etwa zehn Kilometer nordöstlich von Nowgorod im Dorf Chutyn (chudoi [худой], „schlecht, arm“). Das Kloster wurde 1192 vom ehemaligen Nowgoroder Bojaren Oleksa Michailowitsch gegründet, dessen Klostername Varlaam wurde. Die Kirche wurde von Erzbischof Gawril im folgenden Jahr geweiht. Den neoklassischen Glockenturm ließ Katharina die Große errichten. Das Kloster wurde 1925 geschlossen. 1993 wurde das Kloster mit einem Frauenkonvent wiederbegründet, obwohl es die längste Zeit einen Männerkonvent beherbergt hatte.

Sport

  • Der Nowgoroder Fußballklub spielt im Zentralstadion im Sportkomplex Dynamo im Nordosten der Stadt.[57] Weiterhin liegt im Nordwesten das „Wolna Stadion“.
  • Die Region um Nowgorod ist eines der besten Gebiete für Rafting in Russland.[58]
  • Bei den internationalen Schachturnieren 1994, 1995 und 1997 in Nowgorod gewann jeweils Garri Kasparow.
  • Im Südwesten der Stadt liegen ein Autodrom und ein Kartodrom.

Regelmäßige Veranstaltungen

Auf das Neujahr in Weliki Nowgorod folgt vom 6. bis 18. Januar das Programm „Weihnachtsstern“ mit dem Volkskunsttheater „Kudesy“. Im Februar oder März folgen Veranstaltungen zum „Fasching“. Jährlich ebenfalls im Februar oder März findet das Mode- und Designfestival statt. Im März folgt das Kunstfestival „Russische Musik“ mit den Preisträgern russischer und internationaler Wettbewerbe. Vom 20. März bis 8. April finden die Gedenktage für S. W. Rachmaninow statt. Jährlich im April wird das Brauchtumsfest „Sauberer Donnerstag“ veranstaltet, ein spezielles Mädchenfest mit traditionellen Waschbräuchen und Zopfflechten. Am 18. April wird die Schlacht auf dem Peipussee nachgestellt, die Reenactmentveranstaltung zu Ehren des Sieges von Alexander Newski. Im Juni folgen das Internationale Festival der Volkskunstes „Sadko“ und der sogenannte „CITY DAY“. Der August steht im Zeichen des Interregionalen Sommerfestivals des Autorenliedes „Nord-West“ und endet mit dem Reiterfest in Borowitschi am 30./31. August. Am dritten Septembersamstag lädt das Volksfest „Waldajskije Baranki“ ein und am 17./18. September das Glockenkunstfestival „Slatosarnye swony“. Das Jahr endet mit Konzerten, zunächst dem „Festival der westeuropäischen Musik“ am 1. Oktober, dem Konzert der Gouverneursstipendiaten des Nowgoroder Gebiets in der letzten Novemberwoche und dem Konzert der Stipendiaten des föderalen Kultur-und Filmkunstamtes in der dritten Dezemberwoche. Der Neujahrsjahrmarkt der Volkskunstgewerbe und Handwerke „Nowgorodskaja jarmarka“ findet in der zweiten Dezemberwoche statt, und das Kunstfestival „Roschdestwenski podarok“ (Weihnachtsgeschenk) am 25. Dezember.[59]

Wirtschaft und Infrastruktur

Wirtschaftsbereiche

Das Bruttoregionalprodukt des Gebietes Nowgorod liegt bei 87,6 Milliarden Rubel, was etwa 0,3 Prozent des BRP von ganz Russland ausmacht. Etwa 91,8 Prozent entfallen auf die verarbeitende Industrie, davon 31,1 Prozent auf die chemische Industrie , 20,1 Prozent auf die Lebensmittelproduktion und 12,3 Prozent auf die holzverarbeitende Industrie. 7,9 Prozent macht der Bereich der Energieerzeugung (Strom- und Gaserzeugung sowie Wasserverteilung) aus und 0,3 Prozent der Rohstoffabbau (Ton, Kalkstein, Quarzsand, Torf). Weitere Industriezweige sind der Maschinenbau, Zellulose- und Papierindustrie, Schwarzmetallurgie und Brennstoffindustrie. Die Arbeitslosenquote liegt bei 1,2 Prozent und ist damit niedriger als im sonstigen Russland (2 Prozent).[30] Weliki Nowgorod ist Sitz eines der größten Düngemittelhersteller der Welt, der Akron-Gruppe. Die deutsche Pfleiderer AG, spezialisiert auf die Herstellung von Holzwerkstoffen, betreibt einen Standort in der Weliki Nowgorod.

Tourismus

Etwa 30.000 Touristen aus 60 Ländern und 200.000 aus Russland besuchen jedes Jahr die Stadt. Trotz eines beständigen Wachstums ist das touristische Potential der Region noch nicht ausgeschöpft.[30]

Theater, Kino und Musik

Nowgorod besitzt zwei Kinos: das „Nowgorod“ und das „Kinozentr“ mit jeweils drei Sälen. Daneben besitzt es drei Theater: das 1853 gegründete Nowgoroder Akademietheater Fjodor Michailowitsch Dostojewski,[60] das 1924 entstandene Dramentheater und das 1990 eröffnete Nowgoroder Stadttheater für Kinder und Jugendliche „Mali“.[61] Auch über ein Philharmonieorchester verfügt die Stadt. Eine Besonderheit ist das Folkloretheater „Kudessy“. Es existiert seit 20 Jahren und wurde mit zehn anderen Volkskulturtheatern Russlands von der UNESCO als „Welterbe der nationalen Kultur“ anerkannt. Jährlich finden rund 2700 Konzerte[62] und Theateraufführungen in Nowgorod statt, mit über 400.000 Zuschauern.[63]

Verkehr

Die Stadt liegt an der russischen Fernstraße M 10, die ein Teil der Europastraße 105 ist. Diese verbindet Moskau mit St. Petersburg und führt weiter bis zur Grenze nach Finnland.

Am 18. Mai 1871 wurde die 73 Kilometer lange Bahnstrecke von Tschudowo nach Nowgorod eröffnet. Sie war zunächst als Schmalspurbahn in Kapspur mit 1067 Millimeter Spurweite ausgelegt und wurde 1878 bis nach Staraja Russa (95 Kilometer) verlängert. Während des Ersten Weltkrieges wurde 1916 die gesamte Strecke auf Breitspur mit 1524 Millimeter umgespurt. Dabei wurde das Teilstück zwischen Tschudowo und Nowgorod teilweise neu trassiert. Ein Jahr später, 1917 wurde die Strecke von Nowgorod nach Batezkaja errichtet und 1923 nach Luga verlängert. Von der Strecke Nowgorod – Waldai, der östlichen Umgehung des Ilmensees, wurde 1916 nur das Teilstück von Krestzy nach Waldai (58 Kilometer) fertiggestellt. Mit der 1926 erfolgten Eröffnung der Strecke von Nowgorod nach Pawlowsk gab es erstmals eine Direktverbindung nach Leningrad. Im Laufe des Zweiten Weltkriegs wurde die Strecke von Nowgorod nach Staraja Russa zerstört und danach nicht wieder aufgebaut. 1991 wurde die Strecke von Nowgorod nach Tschudowo elektrifiziert. Die Stadt hat Direktverbindungen nach Moskau (Nachtzüge), St. Petersburg und anderen wichtigen Städten des Nordwestens wie Pskov und Murmansk.

Neben der Bahnanbindung gibt es ein Netz von Bussen[64] und Oberleitungsbussen. Das Oberleitungsbusnetz verfügt über fünf Linien und wurde 1995 als erstes Oberleitungsbussystem Russlands nach dem Fall der Sowjetunion eingerichtet. Das Busnetz hat Direktbusse in verschiedene Städte, darunter St. Petersburg.

Die beiden Flughäfen der Stadt sind in Jurjewo und Kretschewizy. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion gibt es allerdings kaum noch Flugbewegungen. Der Nowgoroder Flughafen Jurjewo (IATA: NVR, ICAO: ULNN) liegt vier Kilometer südwestlich des Ortes Jurjewo. Vor 1991 gab es mehrere reguläre Flüge nach Minsk, Moskau und Krasnodar. Die 1320 Meter lange asphaltierte Startbahn wird zur Zeit kaum für Flugbewegungen benutzt, sondern für Autorennen. Der zweite Flughafen Kretschewizy befindet sich elf Kilometer nordöstlich von Nowgorod. Der ehemalige Militärflughafen mit einer 2000 Meter langen Startbahn aus Beton wurde 2009 für den 1150. Jahrestag Nowgorods zu einem zivilen Internationalen Flughafen ausgebaut und im Frühjahr 2010 für den Flugverkehr geöffnet. Der nächste internationale Flughafen ist der Flughafen Sankt Petersburg (IATA: LED) etwa 180 Kilometer nordwestlich von Nowgorod.

Medien

In Weliki Nowgorod gibt es einen Sender der Autonome nichtkommerziellen Organisation „Nowgoroder Oblast Fernsehen“ (russ. Новгородское областное телевидение). Weiterhin befinden sich in der Stadt eine Filiale des russischen Mediennetzwerkes WGTRK mit Namen „Slawja“ (russ. Славия) und der Fernsehkanal „Triada“ (russ. Триада).

Bildung

Die Bildung breiterer Bevölkerungsschichten wurde in Nowgorod sehr früh betrieben. Bereits Jaroslaw der Weise hat den Auftrag gegeben, 300 ausgewählten Kindern das Lesen und Schreiben beizubringen. Dies scheint eine der Grundlagen für die ausgesprochen hohe Literalität der Nowgoroder Bevölkerung im Mittelalter gewesen zu sein. Diese beschränkte sich nicht etwa auf Männer, sondern galt ebenso für Frauen, wie einige von Frauen verfasste Birkenrindenfragmente belegen.[65]

Schulbildung

Heute besteht die Bildungsinfrastruktur in der Stadt aus 64 Vorschulen für 8800 Kinder, 40 Hauptschulen für 32.636 Schüler, 30 weiterführende Schulen, 6 Gymnasien und 1 Lyzeum für insgesamt 29.723 Schüler.[66] Die Schule Nr. 14 in Nowgorod hat eine Schulpartnerschaft mit der Marienschule in Bielefeld.[67] Weliki Nowgorod ist weiterhin ein Hochschulstandort und zählt vier eigenständige weiterführende Bildungseinrichtungen.

Weiterführende Bildungsmöglichkeiten

Die Staatliche Jaroslaw-der-Weise-Universität Nowgorod (NovSU) wurde 1993 durch den Zusammenschluss der pädagogischen und der polytechnischen Hochschule gegründet, in die später die Landwirtschaftliche Akademie integriert wurde. Die Universität besteht aus 20 Fakultäten, die sich auf sieben Hochschulen und vier Berufskollegs verteilen. Es gibt eine Hochschule für Geisteswissenschaft, eine für Wirtschaftswissenschaft und Management, eine für Lehrerbildung und die Polytechnische Hochschule. Die 14.000 Studierenden können unter 64 Diplom-, 19 Bachelor- und 11 Masterstudiengängen wählen und werden von 896 Lehrenden betreut, von denen 115 habilitiert sind. Zur Zeit studieren 335 Gaststudenten aus 41 Ländern an der NovSU. Die Universität unterhält Kooperationsprogramme mit 36 Universitäten in 14 Ländern. 2006 belegte die NovSU Platz 63 unter den 215 klassischen Universitäten Russlands.[68]

  • Abteilung der Nordöstlichen Akademie für Staatsdienst Nowgorod
  • Abteilung Nowgorod für Fernausbildung der St. Petersburger Akademie des Innenministeriums Russlands
  • Abteilung der Staatlichen Universität für Wirtschaft und Finanzen Sankt Petersburg.
  • Staatliche Landwirtschaftliche Akademie Nowgorod

Persönlichkeiten

Ehrenbürger

  • Seit 1992 ist Erzbischof Lew Zerpizki Ehrenbürger der Stadt.
  • Walentin Lawrentjewitsch Janin (* 1929), Historiker und Archäologe[69]

Söhne und Töchter der Stadt

  • Sophie von Nowgorod (1141−1198), Gattin des dänischen Königs Waldemar I. des Großen (1131−1182)
  • Anton Stepanowitsch Arenski (1861–1906), Komponist
  • Alexei Petrowitsch Bogoljubow (1824–1896), Landschaftsmaler
  • Mstislaw Walerianowitsch Dobuschinski (1875–1957), Maler, Kunstkritiker und Memoirenschriftsteller
  • Iwan Logginowitsch Goremykin (1839–1970), Staatsmann
  • Boris Tichonowitsch Koschewnikow (1906–1985), Komponist und Professor
  • Wsewolod Anissimowitsch Kotschetow (1912–1973), Schriftsteller und Kulturfunktionär
  • Michail Matjoesjin (1861–1934), Komponist
  • Boris Wassiljewitsch Numerow (1891–1941), Astronom und Geophysiker
  • Sergei Wassiljewitsch Rachmaninow (1873–1943), Komponist
  • Johann Daniel Schade (1730–1798), in Dresden wirkender Baumeister
  • Jurij Striedter (*1926), deutscher Slavist und Komparatist

Weitere Persönlichkeiten mit Verbindungen zur Stadt

  • Theophana von Nowgorod (*941)[70]
  • Kirik von Nowgorod (1110–1156), russischer Mönch und Chronist
  • Pachomi Serb († 1484), Biograph und Hagiograph der russischen Aristokratie
  • Silvester (Protopope) (Ende 15. Jahrhundert–1565), war ein russischer orthodoxer Geistlicher, Autor und Beichtvater Iwans des Schrecklichen.
  • Wassili Wassiljewitsch Schuiski (vor 1500–1538), war 1500–1506 moskowitischer Statthalter von Nowgorod
  • Albert Burgh (1593–1647), Bürgermeister von Amsterdam
  • Theophan Goworow (1815–1848), wurde 1842 Inspektor und Dozent am Geistlichen Seminar in Nowgorod
  • Anna Haava (1864–1957), estnische Lyrikerin und Übersetzerin.
  • Weniamin Innokentjewitsch Sosin (1895–1956), sowjetischer Schachmeister und bedeutender Theoretiker.
  • Nikolai Grigorjewitsch Wassiljew (1908–1943), sowjetischer Oberstleutnant und Partisanenkommandeur, war Leiter des Hauses der Roten Armee in Nowgorod
  • Nikodim (Rotow) von Leningrad (1929–1978), russisch-orthodoxer Metropolit, Ökumeniker und Friedensaktivist.

Medien, Literatur und Filmographie

Die Handlung einiger literarischer Texte ist in Nowgorod und Umgebung angesiedelt:

  • 13./14. Jahrhundert: Das Leben des Alexander Newski (russ. Житие Александра Невского)
  • 1803: Marfa, die Statthalterin oder die Unterwerfung Nowgorods, Novelle von Nikolai Michailowitsch Karamsin.
  • 2010: Andrew Drummond: Novgorod the Great. A Novel. ISBN 978-1-84697-101-3

Aufgrund der historischen Bausubstanz bietet sich Weliki Nowgorod als Hintergrund für verschiedene Film- und Fernsehprojekte an. Die folgende Liste zeigt eine Auswahl von teilweise in Weliki Nowgorod gedrehten Filmen. Die archäologischen Pläne Nowgorods bildeten auch eine Grundlage für die Anlage eines hölzernen Filmsets in der Nähe von Moskau.[71]

  • 1987: Portrait of the World USSR, Fernsehfilm USA, mit Roy Schneider, Regie: John Purdie[72]
  • 1997: Transit Brügge – Nowgorod. 4000 km europäische Geschichte, Regie: Ulla Lachauer
  • 2001: DR-Explorer: Rusland, Dokumentation (28 Minuten) Dänemark, Regie: Per Bjørn Rasmussen [73]
  • 2004: Novgorod, lettres du moyen âge, Dokumentation (52 Minuten) Frankreich, Regie: Marc Jampolsky[74]
  • 2008: 1-2-3 Moskau!, Fernsehserie (163 Minuten) Deutschland, mit Katrin Bauerfeind, Regie: Irina Enders[75]

Sonstiges

Der Fünf-Rubelschein, der 1997 im Umlauf gebracht wurde, zeigt Motive der Stadt Weliki Nowgorod. Damit gehört Nowgorod zu den sieben Städten Russlands, die auf nationalen Banknoten verewigt wurden. Auf der Vorderseite des Geldscheins ist die Sophienkathedrale und das Denkmal Russlands Jahrtausend zu sehen, auf der Rückseite ein Ausschnitt der Mauer des Nowgoroder Kremls.

Der Zwergplanet, (3799) Novgorod, der am 22. September 1979 von dem sowjetischen Astronomen Nikolai Stepanowitsch Tschernych entdeckt wurde, ist nach der Stadt benannt.[76][77]

Quellen-, Literatur- und Kartenverzeichnis

Quellen

  • Joachim Dietze: Die erste Novgoroder Chronik nach ihrer ältesten Redaktion (Synodalhandschrift) 1016–1333/1352: Edition des altrussischen Textes und Faksimile der Handschrift im Nachdruck, in dt. Übers. hrsg. und mit einer Einleitung versehen von Joachim Dietze. München 1971.
  • Robert Michell: The chronicle of Novgorod: 1016–1471. London 1914.
  • Ludolf Müller (Hrsg.): Handbuch zur Nestorchronik. München 1978 ff. (bisher erschienen: Band I-IV)
  • Die Nowgoroder Schra: in sieben Fassungen vom 13. bis 17. Jahrhundert,̤ hrsg. von Wolfgang Schlüter. Lübeck 1916.
  • A Source Book for Russian History from Early Times to 1517, Band 1, New-Haven 1972.

Literatur

  • Norbert Angermann und Klaus Friedland (Hrsg.): Nowgorod. Markt und Kontor der Hanse. Böhlau, Köln u. a. 2002, ISBN 3-412-13701-4.
  • Groß Nowgorod in der mittelalterlichen Geschichte. Festschrift zum 70. Geburtstag von Walentin Lawrentjewitsch Janin. Moskau 1999.
  • Valentin Lavrent’evič Janin: Medieval Novgorod, in: The Cambridge History of Russia. Vol. 1: From Early Rus’ to 1689, ed. by Maureen Perrie. Cambridge 2006, S. 188–212. ISBN 978-0-521-81227-6
  • Jörg Leuschner: Novgorod: Untersuchungen zu einigen Fragen seiner Verfassungs- und Bevölkerungsstruktur (Osteuropastudien der Hochschulen des Landes Hessen, 107). Berlin 1980. ISBN 3-428-04722-2
  • Michael Müller-Wille [Hrsg.]: Novgorod. Das mittelalterliche Zentrum und sein Umland im Norden Russlands. Studien zur Siedlungsgeschichte und Archäologie der Ostseegebiete. Band 1. Neumünster: Wachholtz Verlag 2001. ISBN 3-529-01390-0
  • Konrad Onasch: Groß-Nowgorod und das Reich der Heiligen Sophia. Kirchen- und Kulturgeschichte einer alten russischen Stadt und ihres Hinterlandes. Leipzig 1969.
  • Donald O'Reilly: Alexsandr Nevsky – Russias Savior. In: Military History 4 (2004), S. 58–80.
  • Thomas Stiglbrunner: Novgorod im Hochmittelalter. Einige Aspekte der Kultur- und Alltagsgeschichte (pdf). Diplomarbeit Wien 2007. 135 S.
  • Michael W. Thompson: Novgorod the Great: excavations at the medieval city, directed by A. V. Artikovsky and B. A. Kolchin. London 1967.

Karten[78][79]

  • Novgorod: Turistskij plan (Maßstab: 1:20.000), Leningrad 1990.
  • Henrik Birnbaum: Lord Novgorod the Great; Essays in the History and Culture of a Medieval City-State. Part One: The Historical Background (UCLA Slavistic Studies 2). Los Angeles 1981. [enthält viele Pläne zu historischen Phasen]

Einzelnachweise

  1. ↑ Welterbeliste Nr. 604 (englisch)
  2. ↑ Nowgorod – das Kontor im Osten
  3. ↑ Jörg Stadelbauer: Raum, Ressourcen und Bevölkerung. Informationen zur politischen Bildung (Heft 281)
  4. ↑ Klimadiagramme.de
  5. ↑ Alternative Daten bei weatherclimat.com
  6. ↑ a b c d e f Valentin Lavrent’evič Janin: Medieval Novgorod, in: The Cambridge History of Russia. Vol. 1: From Early Rus’ to 1689, ed. by Maureen Perrie. Cambridge 2006, ISBN 978-0-521-81227-6, S. 188–212. (englisch)
  7. ↑ T. N. Jackson; A. A. Molchanov: The old Scandinavian name of Novgorod in the toponymy of the way “from the Varangians to the Greeks”, in: Vspomogatel'nye istoriceskie discipliny 21 (1990), S. 226–237. (russisch)
  8. ↑ Die sogenannte Sofiachronik erwähnt Nowgorod zum Jahr 859; die Nowgoroder Chronik dagegen zum Jahr 862.
  9. ↑ Datenbank der Birkenrindenfragmente (russisch)
  10. ↑ 999 Birchbark Manuscripts Discovered in Novgorod (englisch)
  11. ↑ Michael C. Paul: Was the Prince of Novgorod a 'Third-rate bureaucrat' after 1136?, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 56 (2008), H. 1, S. 72–113.
  12. ↑ A. Poppe: Novgorod, in: Lexikon des Mittelalters, Sp. 1306.
  13. ↑ Goehrke/Hellman/Lorenz/Scheibert: Weltgeschichte Russland, Band 31, Augusburg 1998, ISBN 3-596-60031-6, S. 107, sind hingegen der Ansicht, die Stadt habe nur 30.000 Einwohner gehabt, was sie aber immer noch zu einer der größten in Nordeuropa macht.
  14. ↑ So etwa Hans-Joachim Torke: Einführung in die Geschichte Russlands, München: Beck 1997, S. 43.
  15. ↑ Gottlieb Christian Friedrich Mohnike (Übers.): Faereyinga Saga oder Geschichte der Bewohner der Färöer : im isländischen Grundtext mit färöischer, dänischer und deutscher Übersetzung, Kopenhagen 1833.
  16. ↑ L. K. Goetz: Deutsch-russische Handelsverträge des Mittelalters, Hamburg 1916, S. 86, 159 f.
  17. ↑ Lasse Nitz, Berend Schulte: Nowgorod – das Kontor im Osten
  18. ↑ Marina Bessudnova: Die Schließung des hansischen Kontors in Novgorod im Jahre 1494 im Kontext der Beziehungen des Grossfürsten von Moskau zu Maximilian von Habsurg, in: Hansische Geschichtsblätter 127 (2009), S. 69–99.
  19. ↑ Norbert Angermann: Der Hansehandel mit Novgorod nach dem Zeugnis archäologischer Quellen. Bericht über eine sowjetische Publikation, in: Hansische Geschichtsblätter 98 (1980), 76–84, hier S. 82.
  20. ↑ Beschreibung auf gramoty.ru (russisch)
  21. ↑ Goehrke/Hellman/Lorenz/Scheibert: Weltgeschichte Russland, Band 31, Augusburg 1998, S. 103.
  22. ↑ Norbert Angermann: Der Hansehandel mit Novgorod nach dem Zeugnis archäologischer Quellen. Bericht über eine sowjetische Publikation, in: Hansische Geschichtsblätter 98 (1980), 76–84, hier S. 77 f.
  23. ↑ Über die Geschichte Nowgorods
  24. ↑ Oskar Annweiler: Die Ratsbewegung in Russland 1905-1921, Leiden: Brill 1958, S. 230.
  25. ↑ Gerhard Ziegengeist, Wissenschaft am Scheidewege. Kritische Beiträge über Slawistik, Literaturwissenschaft und Ostforschung in Westdeutschland, Akademie-Verlag 1964, S. 34.
  26. ↑ President of Russia. Ukaz #1533 of 28 October 2008 On the assignment to Veliky Novgorod of the Honorary title of the Russian Federation "City of Military Glory" (russisch)
  27. ↑ Programm für Feierlichkeiten der XXIX. Hansetage Neuer Zeit
  28. ↑ Einwohnerzahlen Novgorod
  29. ↑ Die Quelle lautet nach ru-Wiki: ЦГА СПб., ф. 1684, оп. 4, д. 177, л. 114.
  30. ↑ a b c Informationen nach Handelskammer Hamburg
  31. ↑ Henrik Birnbaum: Novgorod and Dubrovnik. Two Slavic City Republiks and Their Civilization. Zagreb 1989, S. 11.
  32. ↑ Interfax-Statistik für Gesamtrussland
  33. ↑ Henrik Birnbaum: Novgorod and Dubrovnik. Two Slavic City Republiks and Their Civilization. Zagreb 1989, S. 25.
  34. ↑ Webseite des FJC (englisch) vom 29. September 2010.
  35. ↑ Webseite des FJC (englisch) vom 29. September 2010.
  36. ↑ Administration Weliki Nowgorods (russisch)
  37. ↑ Bürgermeister von Nowgorod (russisch)
  38. ↑ geraldika.ru: Stadtwappen von Weliki Nowgorod; überprüft am 24. September 2010
  39. ↑ geraldika.ru: Stadtwappen von Weliki Nowgorod; überprüft am 24. September 2010
  40. ↑ geraldika.ru: Stadtwappen von Weliki Nowgorod; überprüft am 24. September 2010
  41. ↑ Novgorod Region (Russia) Flags (englisch)
  42. ↑ Jumelage strasbourg.eu (französisch) vom 30. September 2010.
  43. ↑ Kuratorium Städtepartnerschaft Bielefeld - Welikij Nowgorod e. V.
  44. ↑ Sehenswürdigkeiten und Museen vom 29. September 2010
  45. ↑ Irena Daniec Jadwiga: An Enigma: The Medieval Bronze Church Door of Płock in the Cathedral of Novgorod, in: Dies (Hg.): The Message of Faith and Symbol in European Medieval Bronze Church Doors. Danbury 1999, S. 67-97. (englisch)
  46. ↑ Ursula Mende: Die Bronzetüren des Mittelalters. 800-1200. München 1983.
  47. ↑ Hans-Joachim Krause, Ernst Schubert: Die Bronzetür der Sophienkathedrale in Nowgorod. Leipzig 1968.
  48. ↑ Zerstörte russische Kirche mit Hilfe Deutschlands aufgebaut, aus: Orthodoxie aktuell 09/2003
  49. ↑ Cathedral of St Nicholas (englisch)
  50. ↑ Church of Sts Peter and Paul (englisch)
  51. ↑ Church of the Twelve Apostles (englisch)
  52. ↑ Church of Sts Boris and Gleb (englisch)
  53. ↑ St George Cathedral (englisch)
  54. ↑ Antoninewkloster (russisch)
  55. ↑ Church of the Nativity of Our Lady (englisch)
  56. ↑ Arkadius Kloster (russisch)
  57. ↑ Webseite von Nowgorod FK (russisch)
  58. ↑ What is Novgorod (englisch)
  59. ↑ Veranstaltungskalender vom 29. September 2010
  60. ↑ Webseite des Theaters (russisch)
  61. ↑ Webseite des Theaters (russisch)
  62. ↑ Beispiel für Musikaufführungen (Videos von 2009), vom 29. September 2010.
  63. ↑ Kulturleben vom 29. September 2010
  64. ↑ Busunternehmen von Nowgorod (russisch)
  65. ↑ Valentin Lavrentévic Janin: Novgoroder Birkenrindenurkunden, in: Archiv für Diplomatik 41 (1995), S. 211–238.
  66. ↑ Bildungssystem von Nowgorod (russisch)
  67. ↑ Etappen der Schulpartnerschaft
  68. ↑ Webseite der Universität
  69. ↑ Yanin's Biographie (russisch)
  70. ↑ Andrzej Poppe: Theophana von Novgorod, in: Byzantinoslavica 58 (1997), S. 131-158; Andrzej Poppe: Theophana von Novgorod, in: Byzanz und das Abendland im 10. und 11. Jahrhundert, hrsg. von Evangelos Konstantinou. Köln 1997, S. 319–350. ISBN 3-412-13595-X
  71. ↑ Medieval Architecture (englisch)
  72. ↑ Portrait of the World USSR in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database
  73. ↑ DR-Explorer: Rusland in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database
  74. ↑ Novgorod, lettres du moyen âge in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database
  75. ↑ 1-2-3 Moskau! in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database
  76. ↑ Lutz D. Schmadel: Dictionary of Minor Planet Names, 5th, S. 321, New York: Springer Verlag 2003, ISBN 3540002383 (englisch)
  77. ↑ Bahndaten der NASA (englisch)
  78. ↑ Digitale Karte von Nowgorod (russisch)
  79. ↑ Digitale Themenkarten zu Nowgorod

    xxx – Entsprechend unserer Statuten werden uns unbekannte Webadressen nicht veröffentlicht .Für eine weiterführende Recherche gehen Sie bitte auf die entsprechende Wikipediaseite. Mehr Informationen lesen Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Republik Nowgorod

Die Nowgoroder Republik (russisch Новгородская республика, deutsch veraltet Republik Navgard/Naugard) war ein einflussreicher russischer Staat des Mittelalters mit Zentrum in Nowgorod (heute Weliki Nowgorod). Sie existierte zwischen dem 12. und dem 15. Jahrhundert und erstreckte sich von der Ostsee bis zum Uralgebirge.

Anfänge und Grundlagen der Unabhängigkeit

Die ersten Bestrebungen Nowgorods, sich von der Kiewer Rus abzuspalten, zeigten sich bereits im 11. Jahrhundert. Träger dieser Bestrebungen waren die Nowgoroder Bojaren, unterstützt von der städtischen Bevölkerung, die Abgaben an Kiew bezahlen und Soldaten für dessen Feldzüge stellen musste. Seit dem frühen 12. Jahrhundert wählten die Nowgoroder wechselnde Fürsten zu Regenten, ohne die Großfürsten von Kiew zu konsultieren. Im Jahr 1136 erreichten die Bojaren und führenden Kaufleute die politische Unabhängigkeit Nowgorods. Städte wie Staraja Russa, Ladoga, Torschok und Oreschek, in denen mächtige Statthalter, Posadniks, herrschten, wurden zu Vasallen und hatten den Status von Nowgoroder Vorstädten. Auch Pskow war zunächst Teil der Nowgoroder Republik, begann aber Mitte des 13. Jahrhundert sich aus der politischen Abhängigkeit zu lösen. Formell wurde die Unabhängigkeit der Republik Pskow jedoch erst 1348 im Vertrag von Bolotowo anerkannt.

Bis zum 15. Jahrhundert expandierte Groß-Nowgorod nach Osten und Nordosten. Die Nowgoroder erforschten Gebiete um den Onegasee, entlang der Nördlichen Dwina und der Küste des Weißen Meeres (siehe Pomoren). Im frühen 14. Jahrhundert erforschten sie das Nordpolarmeer, die Barentssee, die Karasee und den westsibirischen Strom Ob. Die ugrischen Stämme, die den nördlichen Ural bewohnten, mussten ihnen Tributzahlungen leisten (siehe Jugorien). Die Gebiete nördlich der Stadt waren reich an Pelztieren, Meeresfauna, Salz und anderen Ressourcen. Diese waren von großer ökonomischer Bedeutung, da sie die Grundlage für den Handel der Nowgoroder Republik bildeten.

Politische Organisation

Das Wetsche, eine auf altslawische Tradition zurückgehende Volksversammlung, war die höchste politische Autorität in der Republik während der Epoche der Zugehörigkeit zur Kiewer Rus. Dieses Regierungsorgan hatte die Kompetenz, Possadniks, Militärführer und ab 1156 sogar Erzbischöfe zu wählen. Diese entstammten meistens dem Bojarenstand. Der Erzbischof war das Oberhaupt der Exekutivgewalt der Regierung und der reichste Feudalherr Nowgorods, der die meisten Ländereien und Einkommensquellen besaß, die ihm vom Kiewer Fürst übertragen wurden. Der Erzbischof verwaltete die republikanische Staatskasse, leitete die Außenbeziehungen und hatte das Recht, Strafurteile zu fällen. Auch gewöhnliche Kaufleute und Handwerker nahmen am politischen Leben der Nowgoroder Republik teil. Sie bildeten ihre eigenen Verbände, die als Vorläufer politischer Parteien betrachtet werden können.

Ab dem 12. Jahrhundert begannen die Verbandsführer ihre Rechte, die wichtigsten republikanischen Dokumente zu ratifizieren, auszuüben. Herrscher wurden vom Wetsche aus anderen Fürstentümern eingeladen, mit denen ein Vertrag namens Rjad unterzeichnet wurde. Dieser Vertrag schützte die Interessen der Nowgoroder Bojaren. Die Pflichten des Herrschers der Nowgoroder Republik waren begrenzt. Er wurde in erster Linie als militärischer Führer angesehen, konnte jedoch gegen niemanden Strafverfolgung ausüben. Das Leben in der Stadt wurde von gewählten Possadniks verwaltet, der auch als Vermittler zwischen der Stadtbevölkerung und dem Nowgoroder Fürst fungierte. Die Residenz des Fürsten wurde aus dem Nowgoroder Kreml (genannt Detinez) in eine Vorstadt namens Gorodistsche verlegt. Angefangen mit Alexander Newski wurden die Nowgoroder Fürsten aus den Reihen der Fürsten von Wladimir-Susdal gewählt.

Wirtschaft

Die Wirtschaft der Nowgoroder Republik basierte auf Landwirtschaft und Tierzucht (unter anderem Pferdezucht), Jagd, Bienenhaltung und Fischerei. An der Küste des Finnischen Meerbusens wurde Eisen gefördert. Städte wie Staraja Russa und andere Orte waren für ihre Salzgewinnung bekannt. Eine große Rolle, auch bei der Ausbreitung der Nowgoroder Siedler bis in den Ural, spielte aber vor allem die Pelzjagd.

Nowgorod verfügte seit der Mitte des 13. Jahrhunderts über ein Hansekontor, den Peterhof, und exportierte Güter wie Pelze, Bienenwachs und Honig in den ganzen Ostseeraum. Eine strategische Bedeutung hatte daher Nowgorods kleiner Streifen der Ostseeküste, den viele andere Staaten, vor allem Schweden, zu erobern suchten, um den Handel Nowgorods zu kontrollieren.

Kultur

Die Nowgoroder Republik gehörte zu den führenden Kulturstaaten Europas. Während in Westeuropa noch viele Monarchen Analphabeten waren, war die Bevölkerung Nowgorods durch die vergleichsweise sehr hohe Alphabetisierung bekannt. Die Bürger Nowgorods kommunizierten miteinander mithilfe von Birkenrindenurkunden (russisch Берестяные грамоты), die heute oft bei archäologischen Ausgrabungen gefunden werden und für Aufsehen sorgen. Es handelt sich dabei meistens um private Briefe, Mitteilungen oder Rechnungen, die Einblick in das Alltagsleben unterschiedlicher Bevölkerungsschichten bieten.

Die Nowgoroder waren für ihren eigenständigen Stil in der Architektur und Ikonenmalerei bekannt. Vorherrschende Religion war orthodoxes Christentum. Die Sprache, die die Nowgoroder sprachen, unterschied sich vom Russischen im zentralrussischen Fürstentum Wladimir-Susdal und wird heute als Altnowgoroder Dialekt als separate ausgestorbene ostslawische Sprache angesehen.

Außenbeziehungen

Die Republik Nowgorod kämpfte gegen den aggressiv expandierenden schwedischen und deutschen Feudalismus. Während der Schwedisch-Nowgorodischen Kriege fiel Schweden in Finnland ein, dessen einige Gebiete Nowgorod gegenüber tributpflichtig waren. Die Ritter des Deutschen Ordens versuchten ab dem späten 12. Jahrhundert, die baltische Region unter ihre Kontrolle zu bringen. Insgesamt musste Nowgorod 26 Mal gegen Schweden und 11 Mal gegen den livländischen Schwertbrüderorden in den Krieg ziehen. Unter Ausnutzung der mongolischen Invasion in Russland, versuchten die deutschen Ritter zusammen mit den Dänen und den Schweden vor allem in den Jahren 1240-1242 ihre militärischen Operationen auf das Gebiet Nowgorods zu verlagern. Ihre Feldzüge scheiterten jedoch in der Schlacht an der Newa und in der Schlacht auf dem Peipussee. Am 12. August 1323 wurde der Vertrag von Nöteborg zwischen Schweden und Nowgorod unterzeichnet, der zum ersten Mal den Grenzverlauf zwischen dem russischen und dem schwedischen Teil Finnlands regulierte.

Aufgrund seiner Lage im äußersten Nordwesten Russlands entging Nowgorod den Schrecken der mongolischen Invasion, wenn auch die Republik dem Khan der Goldenen Horde Tributleistungen entrichten musste, um die Unabhängigkeit zu bewahren. Im 14. Jahrhundert reichten die Feldzüge der Nowgoroder Flussflotte (Uschkuiniki) bis nach Kasan und Astrachan und trugen zum Niedergang der Goldenen Horde bei.

Niedergang der Republik

Die Fürstentümer Twer, Moskau und Litauen versuchten ab dem 14. Jahrhundert, Nowgorod zu unterwerfen. Nach der Erlangung des Titels des Großfürsten von Wladimir, entsandte Michail Jaroslawitsch von Twer seine Gouverneure nach Nowgorod, ohne vorherige Absprachen mit den Bürgern. Dieses Ereignis bewog Nowgorod zu engeren Beziehungen mit Moskau, das sich damals in scharfer Rivalität mit Twer befand. Je mehr Moskaus Macht zunahm, gedachten seine Herrscher Iwan Kalita, Simeon der Stolze und andere, die Unabhängigkeit Nowgorods einzuschränken. Im Jahre 1397 ereignete sich ein entscheidender Konflikt zwischen Moskau und Nowgorod, in dessen Folge Moskau die Gebiete entlang der Nördlichen Dwina annektierte.

Um dem Druck Moskaus zu widerstehen, suchte Nowgorod eine Allianz mit Litauen und wurde zum Hindernis für Moskaus Bestrebungen, die feudale Spaltung Russlands zu beseitigen. Die meisten Nowgoroder Bojaren wünschten die Erhaltung der Republik. Eine prolitauische Partei, angeführt von der Statthalterin Marfa Borezkaja, beeinflusste das Wetsche zu prolitauischen Schritten. Borezkaja lud den litauischen Fürstensohn nach Nowgorod ein, um sie zu heiraten und der Herrscher über Nowgorod zu werden. Sie schloss auch eine Allianz mit Kasimir IV. Die Perspektive, einer Ausdehnung der katholischen Macht über Nowgorod verursachte jedoch große Unruhen unter der Nowgoroder Bevölkerung.

Moskau zog den Vorteil aus den bürgerlichen Unruhen in der Stadt und zog unter Verletzung des Vertrags von Jaschelbizy gegen Nowgorod in den Krieg. In der Schlacht von Schelon im Jahr 1471 konnten 5000 Moskauer ungefähr 15000 Nowgoroder besiegen und die Grundlage für die konsequente Beseitigung der Nowgoroder Unabhängigkeit legen. 1478 sandte Iwan III. eine Armee zur Belagerung Nowgorods und annektierte schließlich die ganze Republik zugunsten eines zentralisierten russischen Staates. Das Nowgoroder Patriziat wurde zur Umsiedlung nach Moskau gezwungen.

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Liste der Erzbischöfe von Nowgorod

Die folgenden Personen waren Bischöfe, Erzbischöfe und Metropoliten von Nowgorod (Russland):

Bischöfe

  • Ioakim Korsunianin (ca. 989 – 1030)
  • Efrem (1030 – 1035)
  • Luka Schidjata (1035 – 1060)
  • Stefan (1060 – 1068)
  • Feodor (1069 – 1077)
  • German (1078 – 1095)
  • Nikita (1096 – 1108)
  • Johann Pop'ian (1110 – 1130) († 1144)
  • Nifont (1130 – 1156)
  • Arkadi (1156 – 1163)

Erzbischöfe von Nowgorod und Pskow

  • Ilja (Johann II.) (1165 – 1186)
  • Gabril (Grigory) (1186 – 1193)
  • Martirij Ruschanin (1193 – 1199) - nur Bischof
  • Mitrofan (1199 – 1211)
  • Antonij (1211 – 1219)
  • Mitrofan (1219 – 1223) - erneut
  • Arsenij (1223 – 1225)
  • Antonij (1226 – 1228) - erneut
  • Arsenij (1228 – 1229) - erneut
  • Spiridon (1229 – 1249)
  • Dalmat (1249 – 1274)
  • Kliment (1274 – 1299)
  • Feoktist (1299 – 1308) († 1310)
  • David (1309 – 1325)
  • Moisej (1325 – 1330) († 1363)
  • Wasilij Kalika (1331 – 1352)
  • Moisei (1352 – 1359) († 1363) - erneut
  • Aleksej (1359 – 1388) († 1390)
  • Johann II. (1388 – 1415) († 1417)
  • Simeon (1415 – 1421)
  • Feodosij I. (1421 – 1423) († 1425)
  • Ewfimij I. (1423 – 1429)
  • Ewfimij II. (1429 – 20. März 1458)
  • Iona (1458 – 5. November 1470)
  • Feofil (1470 – 1480) († 1482/84?)
  • Sergij (1483 – 1484)
  • Gennadij (1484 – 1504)
  • Serapion I. (1506 – 1509)
  • Makarij I. (1526 – 1542) (auch Patriarch von Moskau)
  • Feodosij II. (1542 – 1550)
  • Pimen (1552 – 1570)
  • Leonid (1571 – 1575)

Metropoliten von Nowgorod und Welikije Luki

  • Aleksandr (1576 – 1591)
  • Warlaam (1592 – 1601)
  • Isidor (1603 – 1619)
  • Makarij II. (1619 – 1626) (vorher Bischof von Wologda)
  • Kiprian (1626 – 1634)
  • Afonij (1635 – 1649)
  • Nikon (1649 – 1652)
  • Makarij III. (1652 – 1662)
  • Pitirim (1664 – 1672)
  • Ioakim (1672 – 1674)
  • Kornilij (1674 – 1695)
  • Ewfimij III. (1695 – 1696)
  • Iow (1697 – 1716)
  • Feodosij III. Janowskij (1720 – 1725)
  • Theophan Prokopowitsch (1725 – 1736)
  • Amwrosij Juschkewitsch (1740 – 1745) (vorher Bischof von Wologda)
  • Stefan Kalinoskij (1745 – 1753) (vorher Bischof von Pskow)
  • Dmitrij Setschenow (1757 – 1767)
  • Gabril Petrow (1799 – 1800) (vorher Bischof von St. Petersburg)
  • Ambrosij Pogobegow (1818) (vorher Bischof von St. Petersburg)
  • Feognost Lebedew (1892 – 1900) (danach Bischof von Kiew)
  • Gurij Ochotin (1900 – 1910) (davor Bischof von Smolensk)
  • Arsenij Staginzkij (1910 – 1933) (vorher Bischof von Pskow und danach Bischof von Taschkent)
  • Aleksij Simanskij (1933) (danach Bischof von St. Petersburg)
  • Benedikt Plotinkow (1933 – 1936) (vorher Bischof von Wologda und danach Bischof von Kasan)
    • Nikolaj Jaruschewitsch (1936 – 1940)
  • Sergij Golubzow (1959 – 1967) (vorher Bischof von St. Petersburg)
  • Aleksij (1986 – 1990)
  • Lev Zerpizkij (1990 – heute)

Literatur

  • Michael C. Paul, A Man Chosen by God: The Office of Archbishop in Novgorod, Russia 1165-1478. Dissertation Universität Miami 2003. Anhang, S. 320.

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Russland

Russland (russ. Россия, Transkription Rossija; beziehungsweise amtlich Russische Föderation oder seltener Russländische Föderation, russisch Российская Федерация, Transkription Rossijskaja Federazija) ist ein Staat im nördlichen Eurasien und flächenmäßig der größte der Erde. Russland entwickelte sich aus der Expansion des Großfürstentums Moskau, später des Russischen Zarenreiches zu einem von ethnischen Russen dominierten Vielvölkerstaat. Seine größte territoriale Ausdehnung hatte Russland im 19. Jahrhundert.

Die Russische Föderation ist „Fortsetzerstaat“[5] der Sowjetunion in internationalen Organisationen, Atommacht und ständiges Mitglied des Weltsicherheitsrates. Das Land gilt nach der partiellen Erholung von den verschiedenen Transformationskrisen insbesondere wegen des Reichtums an natürlichen Ressourcen als wichtige Industrienation und wurde deshalb in die G8 aufgenommen.

Geographie

Angrenzende Staaten und Meere

Im Folgenden sind die an Russland angrenzenden Nachbarländer und Meere entgegen dem Uhrzeigersinn aufgeführt. Die Grenzlänge ist hinter den jeweiligen Staaten in Klammern angegeben.

Russland und die Volksrepublik China haben mit jeweils vierzehn die größte Anzahl von Nachbarstaaten mit einer Landgrenze.

Das russische Kernland grenzt an die Staaten Norwegen (196 Kilometer) und Finnland (1.340 Kilometer), gefolgt von einem kurzen Küstenstreifen zur Ostsee. Danach teilt sich Russland eine Grenze mit den baltischen Ländern Estland (334 Kilometer) und Lettland (217 Kilometer), weiter südlich gefolgt von Weißrussland (959 km) und der Ukraine (1.576 Kilometer).

Das Schwarze Meer trennt die europäischen Grenzen Russlands von den asiatischen. Im Kaukasus grenzen Georgien (723 Kilometer) und Aserbaidschan (284 Kilometer) an. Es folgt ein Küstenstreifen am Kaspischen Meer und eine lange gemeinsame Grenze mit Kasachstan (6.846 Kilometer).

In Ostasien grenzt Russland erstmals an die Volksrepublik China (etwa 40 Kilometer) und dann an die Mongolei (3.485 Kilometer). Danach trifft das russische Hoheitsgebiet zum zweiten Mal mit dem der Volksrepublik China zusammen (3.605 Kilometer). Mit Nordkorea (19 Kilometer) besteht die letzte Landverbindung zu einem anderen Staat. Danach folgen die Küstenlinien zum Japanischen Meer, dem Ochotskischen Meer, zum Pazifischen Ozean und schließlich zur Beringsee. Über die nur etwa 85 Kilometer schmale und 30 bis 50 Meter tiefe Beringstraße ist Russland im äußersten Osten von Alaska getrennt. Die inmitten der Beringstraße befindliche russische Große Diomedes-Insel liegt nur vier Kilometer von der US-amerikanischen Kleinen Diomedes-Insel entfernt.

Der gesamte nördliche Teil des Landes grenzt an den Arktischen Ozean. Dort liegen verschiedene zu Russland gehörende Inseln, als nördlichste Franz-Josef-Land. Russland betrachtet zudem noch weitere Gebiete der Arktischen Ozeans und der Eisfläche als Teil seines Hoheitsgebietes.

Neben dem Kernland besitzt Russland noch eine Exklave, den nördlichen Teil des ehemaligen Ostpreußens, die heutige Oblast Kaliningrad. Die Exklave grenzt an Litauen (227 Kilometer) und Polen (206 Kilometer) und gehörte bis 1945 zu Deutschland.

Die Gesamtlänge der Landesgrenzen beträgt 20.017 Kilometer, die Küstenlinie umfasst 37.653 Kilometer.

Das Land ist in neun (bis 28. März 2010, 2:00 Uhr Normalzeit: in elf) Zeitzonen eingeteilt, genaueres siehe unter Zeitzonen in Russland

Großlandschaften

Russland gliedert sich geografisch betrachtet hauptsächlich in die folgenden Großlandschaften (etwa in West-Ost-Richtung):

  • Osteuropäische Ebene – westlich des Uralgebirges
  • Westsibirisches Tiefland – östlich des Uralgebirges
  • Nordsibirisches Tiefland – südlich des Arktischen Ozean
  • Mittelsibirisches Bergland – zwischen Jenissei und Lena
  • Südsibirische Gebirge – Gebirge im Süden Russlands (beziehungsweise Sibiriens)
  • Mitteljakutische Niederung – in der Fluss-Niederung der Lena
  • Ostsibirisches Bergland – Gebirge östlich der Lena
  • Ostsibirisches Tiefland – südlich der Ostsibirischen See

Flüsse

Im europäischen Teil Russlands ist der wichtigste Fluss die Wolga. Sie ist der längste Fluss Europas und verläuft ausschließlich in Russland. Nach 3.534 Kilometern mündet sie schließlich ins Kaspische Meer. Als Wasserweg erfährt die Wolga besondere Bedeutung, da sie Nordeuropa mit Zentralasien verbindet. Eine große Bedeutung für die slawischen Staaten besitzt auch der Dnepr (auch Dnjepr genannt). Der Strom entsteht westlich von Moskau und fließt anschließend durch Weißrussland und die Ukraine, wo er ins Schwarze Meer mündet. Über den Dnepr-Bug-Kanal ist er mit dem polnischen Fluss Bug und mit Weichsel und Memel verbunden, was den Dnepr zu einer wichtigen Wasserstraße macht.

Flüsse, die in das Kaspische Meer münden:

  • Die Wolga entspringt in den Waldaihöhen beim Dorf Wolgowerchowe (228 m ü. NN) und mündet ins Kaspische Meer (-28 m), hat also ein Gefälle von 256 Metern und ist mit 3.534 Kilometer Länge der längste Fluss Europas.
    • Die Kama ist ein 1.805 Kilometer langer, linker und der größte Nebenfluss der Wolga im europäischen Teil von Russland.
      • Die Wjatka ist ein 1.314 Kilometer langer Zufluss der Kama im Osten des europäischen Teils von Russland.
    • Die Oka ist ein rechter, 1.480 Kilometer langer Nebenfluss der Wolga im europäischen Teil Russlands.
      • Die Moskwa entspringt in den Smolensker Höhen, fließt von dort durch die zentralrussischen Oblaste Smolensk und Moskau und mündet in die Oka.
  • Der Ural entspringt im gleichnamigen Gebirge und verläuft in Richtung Süden nach Kasachstan. Da er erst jenseits der kasachischen Grenze schiffbar wird, hat er für Russland nur geringe wirtschaftliche Bedeutung, jedoch wird er allgemein als Teil der Innereurasischen Grenze angesehen.

Flüsse, die in den Atlantik münden:

  • Die Newa durchquert Sankt Petersburg und mündet in die Ostsee.
    • Der Wolchow entspringt aus dem Ilmensee und mündet bei Sjasstroi in den Ladogasee.
  • Die Düna ist ein in die Ostsee mündender, 1.020 Kilometer langer Strom in Russland, Weißrussland und im Baltikum.
  • Der Pregel mündet hinter Kaliningrad (Königsberg) in das Frische Haff.
  • Die Memel, russ. Neman, ist ein 937 Kilometer langer Strom, der durch Weißrussland und Litauen fließt und vor der Mündung ins Kurische Haff und die Ostsee fließt, Grenzfluss zwischen der Kaliningrader Oblast und Litauen ist.
  • Der Don mündet in das Asowsche Meer, ein Binnenmeer des Schwarzen Meeres.
  • Der Kuban fließt vom Elbrus aus 906 km durch das Hochland von Stawropol bis zum Asowschen Meer. Der Fluss ist wirtschaftlich bedeutend, da er schiffbar ist.

Flüsse, die in das Polarmeer münden:

  • Die Petschora (Fluss) ist ein 1.809 Kilometer langer, zum Nordpolarmeer fließender Strom im nördlichen, europäischen Teil Russlands.
  • Der Ob entwässert 2.430.000 km² mit etwa 13.070 m³/sec (Jahresdurchschnitt 1994). Er fließt aus dem Altai in den Arktischen Ozean.
    • Der Tschulym ist ein 1.799 km langer Nebenfluss des Ob. Mit seinem rechten Quellfluss Weißer Ijus ist er 2.023 Kilometer lang.
    • Der Irtysch ist mit 4.248 Kilometer der längste Nebenfluss des Ob.
      • Der Tobol ist ein 1.591 Kilometer langer Zufluss des Irtysch in Kasachstan und Russland.
  • Der Jenissei entwässert 2.440.000 km² mit etwa 20.022 m³/sec (Jahresdurchschnitt 1995) und fließt aus dem Sajangebirge in den Arktischen Ozean.
    • Die Angara ist der einzige Abfluss des Baikalsees und mündet in den Jenissei.
      • Die Selenga ist ein Zufluss des Baikalsees und damit der Angara. Sie entspringt in der Mongolei.
    • Die Steinige und die Untere Tunguska münden in den Jenissei.
  • Die Lena entwässert 2.460.000 km² mit etwa 16.440 m³/sec (Jahresdurchschnitt 1994) und entspringt im Baikalgebirge. Sie mündet bei Tiksi.
    • Die Indigirka entspringt südwestlich des Tscherskigebirges und mündet bei Poljarnoje.
  • Die Kolyma entwässert 526.000 km² mit etwa 2.728 m³/sec (Jahresdurchschnitt 1994) und fließt vom Tscherskigebirge nach Tscherski, wo sie mündet.

Flüsse, die in den Pazifik münden:

  • Der Amur, 2.824 km, mit Quellflüssen sogar 4.411 km lang, bildet oberhalb der Ussurimündung seit 1858/1860 einen Teil der Grenze zwischen Russland und China.
    • Der Ussuri ist ein rechter Nebenfluss des Amur in Russland und China. Der 588 Kilometer lange Fluss entspringt in Russisch-Fernost nordöstlich von Wladiwostok im Süden des Sichote-Alin-Gebirges.
    • Die Seja (russisch Зея) ist ein linker und etwa 1.200 Kilometer langer Nebenfluss des Amur in der Oblast Amur.

Gebirge und Berge

Die russische Topografie ist sowohl von vielen Gebirgen und Gebirgszügen als auch von Senken geprägt.

Die bedeutendsten Gebirge in Russland sind (alphabetisch):

Altai, Baikalgebirge, Chibinen, Kaukasus, Kolymagebirge, Putoranagebirge, Sajangebirge, Stanowoigebirge, Stanowoihochland, Tannu-ola-Gebirge, Tscherskigebirge, Ural, Werchojansker Gebirge.

Der höchste Berg in Russland ist der Elbrus (5.642 Meter) im Kaukasus.

Städte

Die 10 größten Städte Russlands (ehemalige Namen aus sowjetischer Zeit in Klammern):

  1. Moskau – Zentralrussland (10,51 Millionen Einwohner)
  2. Sankt Petersburg (Leningrad) – Nordwestrussland (4,58 Millionen Einwohner)
  3. Nowosibirsk – Sibirien (1,40 Millionen Einwohner)
  4. Jekaterinburg (Swerdlowsk) – Ural (1,33 Millionen Einwohner)
  5. Nischni Nowgorod (Gorki) – Wolga (1,27 Millionen Einwohner)
  6. Samara (Kuibyschew) – Wolga (1,13 Millionen Einwohner)
  7. Kasan – Wolga (1,13 Millionen Einwohner)
  8. Omsk – Sibirien (1,13 Millionen Einwohner)
  9. Tscheljabinsk – Ural (1,09 Millionen Einwohner)
  10. Rostow am Don – Südrussland (1,04 Millionen Einwohner)

Für weitere Städte siehe Liste der Städte in Russland.

Klima

Große Teile des Landes sind vom Kontinentalklima mit heißen Sommern und sehr kalten Wintern geprägt. Die vier Klimastationen Moskau, Jekaterinburg, Nowosibirsk und Bomnak liegen alle etwa auf 55° nördlicher Breite von West nach Ost. An ihnen lässt sich die zunehmende Kontinentalität mit immer ausgeprägteren Differenzen zwischen dem wärmsten und dem kältesten Monat des Jahres gut erkennen. Im Nordosten Sibiriens – beim Ort Oimjakon – liegt der Kältepol der Nordhalbkugel.

Bevölkerung

Völker und Sprachen

Russland ist ein Vielvölkerstaat. So leben neben den Russen, die mit 79,8 Prozent die Mehrheit der Bevölkerung stellen, noch fast 100 andere Völker auf dem Gebiet des Landes. Größere Minderheiten sind die Tataren (4,0 Prozent), die Ukrainer (2,2 Prozent), die Armenier (1,9 Prozent), die Tschuwaschen (1,5 Prozent), die Baschkiren (1,4 Prozent), die Deutschen (0,8 Prozent) und andere. Zu den kleineren Minderheiten zählen beispielsweise die Mescheten und verschiedene Minderheiten jüdischen Glaubens. Sie sprechen meistens Sprachen aus dem Kreis der uralischen Sprachen (samojedische Sprachen), altaische Sprachen und paläosibirische Sprachen. Für viele nichtrussische Völker wurden Republiken mit weitgehender Autonomie errichtet.

Seit dem Zerfall der Sowjetunion erlebt Russland einen deutlichen Bevölkerungsrückgang, der zeitweise 750.000 Einwohnern pro Jahr erreichte. In den letzten Jahren verlangsamte sich dieser Trend jedoch stark, dank der neuen Demographie-Politik der Regierung.[6] Zugleich ist Russland das zweitwichtigste Einwanderungsland der Welt. Herkunftsländer sind hierbei vor allem die ärmeren, südlichen ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens und des Kaukasus, aber in zunehmender Zahl auch Afrika und Südostasien. Die Mehrheit der Einwanderer stellen bisher jedoch die Russen, die während der Sowjetzeit in anderen Teilrepubliken angesiedelt wurden und nun großenteils mit ihren Familien nach Russland zurückkehren. 141.927.000 Menschen lebten 2009 in Russland, womit die Bevölkerung erstmal seit 15 Jahren wieder zunahm. Dies ist sowohl auf die gestiegene Geburtenrate als auch auf eine im Jahr 2009 um 1,2 Jahre gestiegene Lebenserwartung zurückzuführen.[7]

Russisch ist die einzige überall geltende Amtssprache, parallel dazu wird in den einzelnen autonomen Republiken oftmals die jeweilige Volkssprache als zweite Amtssprache verwendet. Das kyrillische Alphabet ist die mit der Ausnahme Tatarstans einzige offizielle Schrift, und es besteht die Richtlinie, dass alle jeweiligen Sprachen kyrillisch zu schreiben sind. Tatarisch wurde als einzige Ausnahme ab 2001 gegen den Widerstand der in Tatarstan ansässigen russischsprachigen Bevölkerung ausschließlich in lateinischer Schrift geschrieben. Diese Praxis verbot das russische Verfassungsgericht jedoch im November 2004 mit der Begründung, dass für die Einigkeit Russlands eine einheitliche Schrift notwendig sei.[8]

Mehr als 80 Prozent der Russen leben in den westlichen Gebieten des Landes sowie im Süden Russlands.

Während manche Minderheiten wie etwa Armenier und Deutsche auf die verschiedensten Regionen Russlands verteilt sind, gibt es auch auf europäischem Boden, also zwischen dem traditionellen russischen Siedlungsgebiet und dem Ural, mehrere indigene Völker. Groß ist die Zahl der Ethnien im Kaukasusgebiet, das erst im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts zu Russland kam.

Die unter „Nationalität“ genannten Zahlen steht für die Identifikation, also wie viele Bürger Russlands und seiner Gliederungen sich bei der Volkszählung von 2002[9] zu der jeweiligen Nationalität bekannt haben. In der amtlichen Statistik sind Mordwinen und Osseten sind jeweils zwei, bei den Komi eine Splittergruppe getrennt aufgeführt, die aber jeweils mehrheitlich in derselben Teilrepublik wohnen.

Religionen

Die in Russland am weitesten verbreiteten Religionen sind das Christentum – vor allem der russisch-orthodoxe Glaube – sowie der Islam (siehe Islam in Russland). Vertreten sind darüber hinaus zahlreiche andere Konfessionen wie Judentum, Buddhismus sowie traditionelle Glaubensrichtungen bei einigen Volksgruppen. Mindestens ein Drittel der Bevölkerung bezeichnet sich jedoch als Atheisten oder Konfessionslose.[10]

Christentum

Als entscheidendes Ereignis der Christianisierung Russlands gilt die Taufe des Kiewer Großfürsten Wladimir im Jahre 988. Schon 957 hatte sich zumindest die Fürstinmutter Olga taufen lassen, seit dem gescheiterten Angriff auf Konstantinopel waren ab 911 verstärkt orthodoxe Missionare ins Land gekommen. Angeblich sollen bereits Waräger und Russen des ersten gescheiterten Angriffs auf Konstantinopel (860) getauft zurückgekehrt sein.

Russisch-Orthodoxe Kirche

Nach der Vernichtung der Kiewer Rus durch die Mongolen übersiedelte der Kiewer Metropolit im 14. Jahrhundert zunächst nach Wladimir, dann 1328 nach Moskau. Im 15. Jahrhundert löste sich die Russisch-Orthodoxe Kirche endgültig vom Griechisch-Orthodoxen Patriarchat in Konstantinopel und errichtete 1589 ein eigenes Patriarchat. Zar Peter der Große hob das Patriarchat auf und setzte 1721 statt dessen einen Synod an die Spitze der Kirche, erst 1917 stellten ausgerechnet die Sowjets das Patriarchat wieder her.

Im Zarenreich gab es strenge Vorschriften für die Anhänger der Russisch-Orthodoxen Kirche. Sie durften beispielsweise nicht zu einer anderen Konfession, auch wenn sie christlich war, hinübertreten, sie durften „Nichtchristen“ nicht heiraten. Der Russisch-Orthodoxen Kirche war es als einziger Religion erlaubt zu missionieren. Erst mit der Revolution von 1905 wurden die Gesetze gelockert. Nach der Herrschaftsübernahme der Kommunisten wurden hauptsächlich Mitglieder dieser Kirche unterdrückt, da sie als Symbol für die zaristische Monarchie galt. Zwischen 1918 und 1939 wurden ca. 40.000 orthodoxe Geistliche hingerichtet. Während es 1917 noch 77.800 Gemeinden gab, wurden 1941 nur noch etwa 3.100 gezählt.

Heute erlebt die Russisch-Orthodoxe Kirche eine Art Wiederbelebung, insbesondere in ländlichen Gebieten. Viele Klöster wurden gegründet oder wiedererrichtet. Die Kirche zählt gegenwärtig etwa 100 Millionen Mitglieder, von denen jedoch nur 5 bis 10 Prozent regelmäßige Gottesdienstbesucher sind. Auch in der Politik spielt die Russisch-Orthodoxe Kirche wieder vermehrt eine Rolle. Religionsunterricht an Schulen wurde 2006 wieder eingeführt. 2007 wurde Boris Jelzin nach russisch-orthodoxem Ritus beerdigt. Es war das erste Staatsbegräbnis nach russisch-orthodoxem Ritus seit mehr als 100 Jahren.[11]

Abspaltungen von der Russisch-Orthodoxen Kirche

Die älteste Abspaltung dürften die sogenannten Altorthodoxen oder Altgläubigen sein, die von der offiziellen Hierarchie auch Raskolniki (deutsch: Abspalter) genannt werden. Weitere aus der Orthodoxie hervorgegangene Glaubensrichtungen sind die Molokanen. Aus ihnen gingen wiederum die Duchoborzen hervor. Beide Religionsgemeinschaften lehnen Reichtum ab, versuchen ein Leben in Bescheidenheit zu führen und suchen nach einer wahrhaft biblischen Gemeinschaft. Von einigen Leibeigenen wurde die Gemeinschaft der Subbotniki gegründet. Diese berufen sich in erster Linie auf das Alte Testament. Viele dieser Sekten oder Gruppierungen waren im Zarenreich willkürlichen Verfolgungen ausgesetzt und wurden zu großen Teilen nach Sibirien oder in den Kaukasus verbannt, wo sie Zwangsarbeit leisten mussten.

Römisch-Katholische Kirche

Die Römisch-katholische Kirche war im Zarenreich von jeher verhasst, da die Regierung eine Einflussnahme des Papstes über das katholische Königreich Polen befürchtete. Peter I. erlaubte im Jahre 1705 erstmals den Bau einer römisch-katholischen Kirche. Die Katholiken waren während der Herrschaft der Zaren sehr strengen staatlichen Kontrollen unterstellt.

Im Laufe der Jahre nach der Oktoberrevolution wurden die Katholiken wieder mehr beobachtet (einige Zeit kümmerten sich die Bolschewiki in erster Linie um die Kontrolle der orthodoxen Kirche). Bis 1930 waren alle kirchlichen Strukturen der Kirche zunichte gemacht. Nach 1945 gab es im russischen Teil der Sowjetunion nur 20 Gemeinden, denen es allerdings untersagt war, Verbindungen untereinander aufzubauen. Heute existieren ungefähr 200 katholische Gemeinden in Russland. Die Kathedrale der Unbefleckten Empfängnis (Moskau) wurde restauriert und wieder ihrer Bestimmung zugeführt. Seit 2010 gibt es wieder einen Apostolischen Nuntius in Moskau.

Evangelisches Christentum

Das evangelische Christentum war früher fast nur unter den Russlanddeutschen und in ihren Kolonien verbreitet. Erst nach der Revolution von 1905 wurden auch für Russen und Ukrainer andere Konfessionen legalisiert. Jedoch gab es auch durch die russlanddeutschen Adventisten und Baptisten erfolgreiche Missionierungsversuche unter der einheimischen Bevölkerung vor der Lockerung der Religionsgesetze.

Der Protestantismus erlebte in den 1920er Jahren trotz des Atheismus der Regierung der Sowjetunion eine Blütezeit (insbesondere die Baptisten, Siebenten-Tags-Adventisten und die Pfingstler). Jedoch wurden die Baptisten, Evangeliumschristen und die Pfingstler zu zentralistischen Ordnungen gezwungen, um sie besser kontrollieren zu können. Mit den Siebenten-Tags-Adventisten und den Mennoniten geschah dasselbe im Jahr 1963. In der Zeit des Stalinismus wurden viele evangelische Christen aller Strömungen hingerichtet und verfolgt.

Neuapostolische Kirche

Wie den meisten Konfessionen war es auch der Neuapostolischen Kirche (NAK) unmöglich vor dem Fall der Berliner Mauer (1989) und des eisernen Vorhangs, der das kommunistische Osteuropa strikt vom Westen trennte, in Russland zu missionieren. Seitdem Stammapostel Richard Fehr jedoch zum Mauerfall Mission anordnete wächst die Zahl der neuapostolischen Christen in Russland stetig. Während es um die Jahrtausendwende 23.500 waren, zählt die Neuapostolische Kirche heute beinahe 40.000 Gläubige. Auch ist sie seit Beginn der 90er Jahre staatlich anerkannt. Bisher wurde fast nur westlich vom Ural missioniert.[12][13]

Zeugen Jehovas

Derzeit gibt es etwa 150.000 aktive Zeugen Jehovas in Russland.

Erste Aktivitäten der Gemeinschaft sind für das späte 19. Jahrhundert nachgewiesen. In der Sowjetunion, insbesondere der Stalinzeit, wurde die Glaubensgemeinschaft heftig verfolgt. Vom Ausbruch des Zweiten Weltkrieges bis 1965 wurden viele Zeugen Jehovas inhaftiert und nach Sibirien deportiert. Danach entspannte sich die Situation für die Gläubigen. Im März 1991 erfolgte die gesetzliche Anerkennung.[14] In den letzten Jahren mehren sich jedoch wieder die Repressalien. Ein exemplarischer Fall wurde 2007 vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verhandelt und zugunsten der Glaubensgemeinschaft entschieden.[15]

Islam

Der Islam ist im Nordkaukasus schon seit dem 7. Jahrhundert verbreitet und damit auf dem heutigen russischen Staatsgebiet älter als die erste russische Staatsgründung und die Christianisierung des Landes. Im Jahr 922 traten auch die Wolgabulgaren zum Islam über und gaben ihn im 13. Jahrhundert an die Tataren weiter. Die einheimischen Völker des Kaukasus und die Turkvölker sind zumeist sunnitische Gläubige. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts waren im Russischen Reich 11,1 Prozent der Gesamtbevölkerung muslimischer Herkunft. Im heutigen Russland ist der Anteil der Muslime mit rund 14 Prozent etwa ebenso groß wie er einst in der Sowjetunion war.

Seit 1990 existiert in Russland eine islamische Partei, die sich Wiedergeburt nennt. Sie gibt es auch in den übrigen Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Seitdem sind zahlreiche weitere Organisationen und Abspaltungen entstanden. Zentren des Islam in Russland sind heute neben Kasan und Moskau auch Ufa und Dagestan.

Judentum

Seit dem 4. Jh. lassen sich Juden in Armenien und auf der Krim nachweisen. Im späten 8. oder frühen 9. Jh. konvertierten die Chasaren zum Judentum. Nach der Vernichtung des Chasaren-Reiches durch Swjatoslaw I. (969) beschränkt sich das Judentum im Wesentlichen auf Kiew, die Krim und den Kaukasus. Im Großfürstentum Moskau werden Juden 1471 das erste Mal erwähnt. Bis zur Zeit Iwan des Schrecklichen (1533–84) wurden Juden bis auf einige gegen sie gerichtete Gesetze toleriert. Ab 1721 wurden Juden aus dem Russischen Reich ausgewiesen, bis dies durch die Eingliederung der östlichen Teile Polens (1793 und 1795) (siehe auch Geschichte der Juden in Polen) unmöglich wurde. Die Juden mussten jedoch weiterhin innerhalb des Ansiedlungsrayons leben, der sich auf dem heutigen Gebiet der Ukraine, Weißrusslands und des Baltikums befand.

Im 19. Jahrhundert unterstützten die zaristischen Beamten antisemitische Strömungen in der Bevölkerung. So kam es im südlichen Russland 1881 zu vielen Pogromen, nachdem den Juden fälschlich der Anschlag auf Alexander II. unterstellt wurde. Die Gesetzgebung vertrieb die Juden selbst im Ansiedlungsrayon aus den ländlichen Gebieten, und begrenzten mit Quoten die Anzahl der Juden, die zu höherer Bildung zugelassen wurden, auf 3 bis 10 Prozent. Zwischen 1880 und 1920 flohen mehr als zwei Millionen Juden aus Russland, besonders nach Amerika. 1903 brachen neue Pogrome aus, die sich in der Russischen Revolution nochmals verstärkten und zu zwischen 70.000 und 250.000 Opfern in der jüdischen Zivilbevölkerung führten. Während des Stalinismus wurde die Jüdische Autonome Oblast in Russisch-Fernost gegründet, wo sich allerdings nur wenige Juden ansiedelten, da dort bis in die 1920er Jahre kein Jude gelebt hatte.

Im Vergleich zu den Jahrzehnten davor, gibt es heute nur noch wenige Juden, da viele von ihnen nach Deutschland oder nach Amerika, die meisten aber nach Israel ausgewandert sind. Heute gibt es in ganz Russland 87 Synagogen, die meisten davon in Sankt Petersburg und in Moskau, darunter die Moskauer Gedenksynagoge. Fast alle in Russland lebenden Juden sind Aschkenasim, aber es gibt auch noch einige wenige Bergjuden und Bucharische Juden.

Buddhismus

Ursprünglich war der Buddhismus nur unter asiatischen Völkern verbreitet (Kalmücken, Tuwiner). Auch buddhistische Mönche wurden während der kommunistischen Herrschaft verfolgt und unterdrückt, wie jede Religion in der Sowjetunion. Seit der politischen Wende in Russland und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion verzeichneten die buddhistischen Gemeinschaften Mitgliederzuwachs von den Angehörigen der traditionell buddhistischen Völker, aber auch von Russen und anderen Nationalitäten. In Russland ist die tibetische Form des Buddhismus verbreitet.

Schamanismus

Der Schamanismus ist unter der indigenen Bevölkerung in Sibirien wieder weit verbreitet. In vielen Gebieten und autonomen Republiken werden die schamanistischen Feiertage von vielen Menschen begangen. Zwar sind heute die meisten Bewohner Sibiriens Christen, dennoch sehen sie es nicht als Widerspruch die Rituale ihrer Vorfahren zu praktizieren.

Situation heute

Was die Zugehörigkeit zu einzelnen Religionsgruppen angeht, gibt es keine zuverlässigen Zahlen, da die Mitglieder von Kirchen und Gemeinden in Russland nicht registriert werden. 2007 bezeichneten sich 51 Prozent der Befragten als Anhänger der Russisch-Orthodoxen Kirche,[16] Sieben Prozent bekannten sich zum Islam, ein Prozent zu anderen Konfessionen. 11 Prozent glaubten an eine übernatürliche Kraft, ohne sich an eine Glaubensrichtung gebunden zu fühlen. 30 Prozent bezeichneten sich als Atheisten.[17]

Das CIA-World-Factbook geht für das laufende Jahr von folgenden groben Schätzungen für praktizierende Gläubige aus, also von solchen die ihren Glauben aktiv ausüben: 15 bis 20 Prozent Russisch-Orthodoxe, 10 bis 15 Prozent Muslime, 2 Prozent übrige christliche Konfessionen.[18] Der Fischer Weltalmanach gibt 14 % Muslime an, Meyers online bis zu 15 %[19]

Bevölkerungsentwicklung

Russland Bevölkerungszahl sank von 147,0 Millionen bei der Volkszählung im Januar 1989 auf 145,2 Millionen bei der Volkszählung im Oktober 2002. In den Folgejahren bis 2007 verringerte sich die Einwohnerzahl um jährlich mehr als 500.000 bis auf 142,2 Millionen. Seither verlangsamte sich der Bevölkerungsrückgang: 2008 hatte das Land 142,0 Millionen Einwohner, 2009 141,9 Millionen. Die Bevölkerungsdichte sank somit zwischen 1989 und 2009 von 8,6 auf 8,3 Einwohner pro Quadratkilometer. Der Anteil der Stadtbevölkerung lag in diesem Zeitraum konstant bei 73 %.[20] Zum 1. Mai 2010 ermittelte die Statistikbehörde eine Bevölkerungszahl von 141,9 Millionen. Demnach nahm die Landesbevölkerung seit Jahresbeginn um etwa 41.700 Einwohner ab.[21]

Geschichte

Etymologie

Der alte ostslawische Name für das Gebiet des von Slawen bewohnten Teils des europäischen Russlands, Weißrusslands und der Ukraine war Rus (siehe auch Kiewer Rus), auf Griechisch Rossia. Auf diese Form geht der heutige russische Landesname Rossija zurück.

Streng genommen würde Rossijskaja Federazija wörtlich übersetzt ‚Russländische Föderation‘ (von Rossija ‚Russland‘) und nicht ‚Russische Föderation‘ heißen. Man hat bewusst nicht Russkaja Federazija (‚Russische Föderation‘) als Staatsbezeichnung gewählt, um auch die nicht-russischen Ethnien einzubeziehen. Ist von dem russischen Volk oder der russischsprachigen Kultur die Rede, spricht man daher im Russischen von russkij (‚russisch‘). Ist dagegen von den Staat Russland betreffenden Sachverhalten die Rede, verwendet man das Adjektiv rossijskij (‚russländisch‘). Trotzdem wird im Deutschen in beiden Fällen zumeist das Adjektiv ‚russisch‘ verwendet. Der Gebrauch des Wortes ‚russländisch‘ beschränkt sich weitgehend auf Fachpublikationen. Auch die amtliche Übersetzung der Staatsverfassung verwendet diese Variante.

Entstehung

Die früheste Geschichte des europäischen Russlands (für die Geschichte des asiatischen Teils, siehe Geschichte Sibiriens) ist im Norden geprägt von finno-ugrischen Völkern und Balten, und im Süden von den indogermanischen Steppenvölkern des Kurganvolks, der Kimmerer, Skythen, Sarmaten und Alanen; später kamen hier noch Griechen, Goten, Hunnen und Awaren hinzu. In die Mitte, zwischen Dnepr und Bug, kamen die slawischen Völker, die sich ab dem 6. Jahrhundert auch nach Norden und Osten auszudehnen begannen.

Ab dem 8. Jahrhundert befuhren schwedische Wikinger die osteuropäischen Flüsse und vermischten sich später mit der slawischen Mehrheitsbevölkerung. Diese auch Waräger oder Rus genannten Kriegerkaufleute waren maßgeblich an der Gründung des ersten ostslawischen Staates, der Kiewer Rus mit Zentren in Kiew und Nowgorod, beteiligt. Im südlichen Steppengebiet und an der Wolga waren hingegen Reiche der aus Asien eingeströmten Turkvölker der Chasaren und Wolgabulgaren entstanden, mit denen die Rus Handel trieben, aber auch mehrfach Kriege führten. Intensive Kontakte mit dem Byzantinischen Reich führten schließlich 988 zur orthodoxen Christianisierung der Kiewer Rus.

Aufgrund des ungünstigen Senioratsprinzips bei der Regelung der Erbfolge begann die Kiewer Rus im 12. Jahrhundert zu zerfallen, was es den ab 1223 einfallenden Mongolen erleichterte, die zerstrittenen russischen Fürstentümer zu unterwerfen. Die Goldene Horde beherrschte nun für zwei Jahrhunderte einen großen Teil der Rus, ein anderer Teil wurde dem Großfürstentum Litauen und später Polen-Litauen eingegliedert. Das Großfürstentum Moskau, das sich als politischer Nachfolger von Wladimir-Susdal etablieren konnte, konnte sich schließlich von der mongolischen Fremdherrschaft befreien und einen zentralisierten Staat erschaffen, indem es die Herrschaft über die meisten benachbarten russischen Fürstentümer erlangte. Großfürst Iwan IV. ließ sich 1547 zum ersten „Zar der ganzen Rus“ krönen, obwohl weite Teile der westlichen Rus noch lange unter polnisch-litauischer Herrschaft standen, was eine lange Rivalität um diese Gebiete bedingte. Unter der Herrschaft Iwans IV. begann auch die Eroberung Sibiriens, die russische Kosaken erstmals im 17. Jahrhundert bis an den Pazifik brachte.

Öffnung Russlands unter Peter dem Großen

An der Wende zum 18. Jahrhundert öffnete Zar Peter der Große das teilweise in mittelalterlichen Strukturen erstarrte Zarentum Russland westeuropäischen Einflüssen und förderte Wissenschaft und Kultur. 1703 gründet er die Stadt Sankt Petersburg, die – seit 1710 als neue Hauptstadt – das Symbol für den russischen Fortschritt werden sollte. Mit dem Sieg gegen Schweden im über 20 Jahre währenden Großen Nordischen Krieg und der damit erlangten Vormachtstellung im Ostseeraum machte er Russland zu einer gesamteuropäischen Großmacht.

Zarin Katharina die Große ging Peters Weg weiter und betrieb konsequent Expansionspolitik, im Laufe derer sie die Schwarzmeerküste vom Osmanischen Reich eroberte (Neurussland) und sich an den Teilungen Polens beteiligte. 1812 fielen Napoleons Truppen in Russland ein und eroberten Moskau, wurden schließlich jedoch vernichtend geschlagen. Bald darauf zog Zar Alexander I. als „Retter Europas“ in Paris ein. Russland gehörte nun zu den führenden Mächten in Europa und erlebte ein goldenes Zeitalter.

Ab 1825 gab es im unzufriedenen Volk, in den annektierten Gebieten (Polen, Litauen etc.) und bei der Intelligenzija immer wieder Aufstände, Unruhen und Attentate (siehe Dekabristen), und in den 1860er Jahren kam es zur Aufhebung der Leibeigenschaft. Trotz erheblicher Industrieproduktion (Stahl, Kohle, Öl, Militärbedarf) geriet Russland immer mehr ins Hintertreffen gegenüber den westeuropäischen Großmächten. Der Grund hierfür war die Ineffizienz des staatlich kontrollierten Aufbaus der Industrie, der nur in den städtischen Ballungszentren vorangetrieben wurde. Während in den großen Städten wie Moskau und St. Petersburg aufgrund der Landflucht ein Industrieproletariat entstand, verharrte das übrige Land in Armut und der Rechts- und Sozialordnung der Feudalgesellschaft.

Die Industrialisierung drang nicht in die ländlichen Provinzen des Riesenreichs vor, sondern beschränkte sich hauptsächlich auf Moskau, Sankt Petersburg, Warschau und Łódź. Mangelnde Infrastruktur, die Armut der Arbeiter und Bauern und die fehlende Demokratisierung bereiteten große Probleme, wie das Zarenreich erstmals im Krimkrieg und schließlich 1905 bei der Niederlage gegen Japan schmerzlichst erfahren musste. Allerdings war Zar Nikolaus II. nicht bereit, grundlegende Reformen einzuleiten. So ließ er ein weitgehend funktionsloses Parlament, die Duma, das er notgedrungen genehmigt hatte, nur kurze Zeit später wieder auflösen.

Russische Revolution

Als im Jahre 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, erfasste das zaristische Russlands neuerlich eine patriotische Welle, wie es sie nach dem verlorenen Russisch-Japanischen Krieg von 1904/1905 nicht mehr gegeben hatte. Die anfänglichen Erfolge, vor allem gegen Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich, wurden jedoch bald abgelöst von einem zermürbenden Stellungskrieg, bis schließlich 1917 die Moral der russischen Soldaten nachgab und die Front zusammenbrach. Im russischen Reich gab es 1916/1917 einen langen Winter und dazu Ernteausfälle, die eine Hungersnot zur Folge hatten. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung und die trostlose Versorgungslage waren die Ursachen, dass es in der damaligen Hauptstadt Petrograd (Sankt Petersburg) zu Demonstrationen der Arbeiter und Bauern kam. Nach blutiger Niederschlagung der Demonstranten auf Befehl des Zaren kochte die Stimmung in Gewalt über: Die Masse stürmte den Winterpalast − den damaligen Sitz des Zaren Nikolaus − und der Zar wurde zum Abdanken gezwungen.

Eine Doppelregierung von provisorischer bürgerlicher Regierung unter Alexander Kerenski mit der Beteiligung von Wladimir Dmitrijewitsch Nabokow (dem Vater von Vladimir Nabokov) einerseits und den Arbeitersowjets andererseits kam an die Macht. Dieser republikanischen Herrschaft machte kurz darauf die von Lenin, Leo Trotzki und den Bolschewiki initiierte Oktoberrevolution ein Ende.

Russischer Bürgerkrieg

Aus dem der Oktoberrevolution folgenden Bürgerkrieg zwischen „roten“ kommunistischen und „weißen“ monarchistischen, republikanischen und anderen anti-kommunistischen Kräften gingen die Kommunisten im russischen Kernland als Sieger hervor. Nachdem die Roten ihre Macht im Kerngebiet des ehemaligen Zarenreiches politisch und militärisch gefestigt hatten, war es nun naheliegend, diese Macht auch an der Peripherie zu sichern. Hierbei ergaben sich bereits erste Widerstände gegen den Umsturz, die die Konfliktlinien des Bürgerkriegs vorzeichneten. Sie verliefen entlang sozialen, regionalen und nationalen Grenzen innerhalb des Vielvölkerstaats. Diese Periode des Bürgerkrieges wird als „Eisenbahnkrieg“ bezeichnet, da sich die militärischen Aktionen der Roten vor allem auf Verschiebung von revolutionären Verbänden über das auf Petrograd (Sankt Petersburg) und Moskau zentrierte Eisenbahnnetz an die verschiedenen Krisenherde stützten.

Durch die Abwehr der kommunistischen Roten Armee erkämpften so die baltischen Staaten Estland und Lettland ihre Unabhängigkeit von Russland. Im Laufe dieses Bürgerkriegs, sowie des darauf folgenden polnisch-russischen Kriegs, verlor Russland ebenso 1920 Teile Weißrusslands und der Ukraine („Ostpolen“) an Polen. 1921 wurde dann die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik (RSFSR) ausgerufen, die den wichtigsten Teil der späteren Sowjetunion darstellte.

Die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken

Am 30. Dezember 1922 wurde der Zusammenschluss aller Sowjetischen Sozialistischen Republiken zur Sowjetunion beschlossen und eine staatlich kontrollierte Wirtschaftspolitik ausgerufen. Die Sowjets wurden als Eigentümer von Boden und Produktionsmitteln erklärt. Lenins Tod am 21. Januar 1924 führte zu einem erbitterten Nachfolgekampf, in dem sich Josef Stalin gegen Leo Trotzki durchsetzte. Stalin festigte seine Macht durch gezielten Terror gegen seine Widersacher von „rechts“ (u. a. Bucharin) und „links“ (Leo Trotzki, später Sinowjew und Kamenew) sowie jeden, der im Verdacht stand, mit ihnen zu sympathisieren. Seit 1928 wurde die staatliche Wirtschaft Fünfjahresplänen unterworfen, die Industrialisierung und Infrastruktur, speziell im asiatischen Teil des Landes, vorangetrieben und die Landwirtschaft kollektiviert.

Der Zweite Weltkrieg

Im August 1939 schloss die Sowjetunion einen Nichtangriffspakt mit Deutschland und sicherte sich in einem geheimen Zusatzabkommen die Wiedereingliederung der infolge des Polnisch-Sowjetischen Krieges verlorenen ostpolnischen Gebiete, des Baltikums und Bessarabiens. Nach der Besetzung genannter Gebiete und Länder durch die Rote Armee wurden diese in die Sowjetunion eingegliedert.

Nach dem Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 trat diese an der Seite der Alliierten in den Zweiten Weltkrieg ein (in der Sowjetunion Großer Vaterländischer Krieg genannt). In den ersten Kriegsmonaten verlor die Rote Armee Millionen von Soldaten, große Teile der westlichen Landesteile wurden verwüstet, später verhungerte bei der Belagerung Leningrads über eine Million Zivilisten. Bei Moskau (Winter 1941/1942), Stalingrad (Winter 1942/1943) und Kursk (Sommer 1943) fügte die Rote Armee den deutschen Truppen schwere Niederlagen zu und eroberte schließlich im Mai 1945 Berlin. Insgesamt kamen zwischen 1941 und 1945 auf sowjetischem Gebiet mindestens 20 Millionen Menschen ums Leben, davon fast die Hälfte Zivilisten.

Gegen Ende des Krieges eroberten und besetzten sowjetische Truppen schließlich japanisches Gebiet im Fernen Osten (Mandschurei, Süd-Sachalin, Korea und die Kurilen). 1945 bekam die RSFSR nach dem Potsdamer Abkommen das nördliche Ostpreußen, die heutige Oblast Kaliningrad, daneben gewann sie das südliche Sachalin und die Kurilen von Japan.

Der Kalte Krieg

Nach Ende des Krieges, aus dem die Sowjetunion als Siegermacht hervorging, traten die Spannungen zwischen Stalin und den Alliierten zunehmend hervor. Im Laufe der Friedensverhandlungen sicherte sich die Sowjetunion großen Einfluss auf die angrenzenden Länder Polen, Tschechoslowakei, Ungarn und Rumänien sowie auf Bulgarien und die DDR, zeitweise auch auf Albanien. In diesen Ländern blieben Hunderttausende sowjetische Soldaten stationiert. Der Kalte Krieg dominierte bis 1989 die Weltpolitik.

Zerfall der Sowjetunion

Nach der Perestroika, dem vom sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow eingeleiteten Prozess zum Umbau des politischen und wirtschaftlichen Systems in der Sowjetunion 1987, und Glasnost, der ebenfalls von Gorbatschow eingeführten Politik einer größeren Transparenz und Offenheit der Staatsführung gegenüber der Bevölkerung 1985, entwickelten sich Unabhängigkeitsbestrebungen in den einzelnen Unionsrepubliken. Kurz vor der bevorstehenden Unterzeichnung eines neuen Unionsvertrages putschten konservative Kommunisten im Augustputsch in Moskau 1991 gegen Gorbatschow, um die Unterzeichnung des Unionsvertrages sowie weitere Reformen zu verhindern. Nach dem misslungenen Putschversuch beschlossen der russische Präsident Boris Jelzin und Vertreter der Sowjetrepubliken die Auflösung der Sowjetunion zum 31. Dezember 1991. Die Russische Föderation übt seit 1992 als größte ehemalige Sowjetrepublik (siehe RSFSR) die völkerrechtlichen Rechte und Pflichten der UdSSR aus.[22]

In der russischen Verfassungskrise 1993 löste Jelzin per Ukas den – zu Sowjetzeiten gewählten – Volksdeputiertenkongress sowie den Obersten Sowjet Russlands auf, die sich seinen Bemühungen widersetzt hatten, unpopuläre neoliberale Reformen durchzusetzen. Jelzin ordnete eine gewaltsame Stürmung des Parlamentsgebäudes (Weißes Haus) an, in dem sich etwa 100 Parlamentarier und weitere Anhänger verbarrikadiert hatten. Bei der gewaltsamen Niederschlagung eines weiteren Aufstandes gegen ihn am 3. und 4. Oktober, gab es in Moskau 190 Tote. Im Dezember billigte die russische Bevölkerung per Volksabstimmung die neue Verfassung der Russischen Föderation (Zweikammersystem, Präsidialverwaltung). Bei den Wahlen zur wiedereingeführten Duma (die letzte wurde 1917 aufgelöst) im Dezember 1993 erstarkten die nationalistische Liberaldemokratische Partei sowie die kommunistische KPRF.

1996 zählte Russland zu den Gründungsmitgliedern der Shanghai Five, der heutigen Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO).

Russland seit 1992

Unter Boris Jelzin wurden in Russland Teile der Wirtschaft privatisiert und demokratische Reformen durchgeführt. Beide verfehlten jedoch ihr Ziel und führten zum Zusammenbruch der Wirtschaft, hoher Inflation und politischer Destabilisierung. Nach Ansicht vieler Russen hat sich sowohl die politische als auch wirtschaftliche Lage des Landes nach dem Amtsantritt Wladimir Putins 2000 deutlich verbessert. Die hohen Rohstoffpreise (Öl, Gas, Stahl), Steuerreform und Kapitalrückfluss fördern diese Entwicklung.

Ein international beachteter Konfliktherd bleibt jedoch die Situation in der abtrünnigen Republik Tschetschenien, siehe Kapitel Politik. Der Krisenherd veranlasste Präsident Putin, Maßnahmen zur Stärkung der Terrorabwehr einzuleiten, die demokratische Mechanismen einschränken.

Im August 2008 brach ein bewaffneter Konflikt mit Georgien aus, als im Rahmen eines georgischen Versuchs zur militärischen Wiedereingliederung der nach Unabhängigkeit strebenden georgischen Region Südossetien russisches Militär in die Kämpfe eingriff, nachdem gemäß russischen Angaben südossetische Zivilisten mit russischer Staatsbürgerschaft sowie Angehörige russischer Friedenstruppen getötet worden waren. In den Folgetagen griff der Konflikt auf das georgische Kernland über.[23]

Politik

Politisches System

Nach der russischen Verfassung vom 12. Dezember 1993 ist das Staatsoberhaupt der Präsident Russlands, der vom Volk für jeweils sechs Jahre direkt gewählt wird. Die Legislative wird durch die Föderationsversammlung ausgeübt, die aus zwei Kammern besteht, dem Föderationsrat als dem Vertreter der Föderationssubjekte und der Staatsduma, die aus gewählten Abgeordneten besteht. Die exekutive Gewalt liegt bei der Regierung der Russischen Föderation, deren Ministerien aber teilweise dem Präsidenten direkt unterstellt sind. Der Ministerpräsident von Russland, auch als Ministerpräsident bezeichnet, wird vom Präsidenten vorgeschlagen und muss von der Duma bestätigt werden.

Unter Präsident Putin (2000 bis 2008) ist die Macht des Staatsoberhaupts ausgebaut worden. Er schlägt (seit Ende 2004) die Gouverneure vor – die Regionalparlamente können diese nur noch bestätigen. Die Gouverneure wiederum ernennen (seit 2002) die Vertreter für den Föderationsrat.

Strittige Gebiete

Südlich der russischen Halbinsel Kamtschatka liegt die Inselgruppe der Kurilen. Die Kette von etwa 30 Inseln erstreckt sich bis 4 Kilometer vor die Küste Japans. Die südlichen Inseln standen seit 1855, die nördlichen seit 1875 unter japanischer Hoheit, als das sowjetische Russland sie 1945 im Zweiten Weltkrieg eroberte. Diese südlichen Kurilen werden bis heute von Japan beansprucht. Seit 2005 laufen wieder Verhandlungen zwischen den beiden Staaten, die den Gebietsstreit beenden sollen. Siehe auch: Kurilenkonflikt

In der russischen Teilrepublik Tschetschenien versuchen islamische Unabhängigkeitsbewegungen, einen souveränen Staat zu errichten. De facto herrscht in der kaukasischen Republik seit 1994 permanenter Kriegszustand, das Ausmaß der Kontrolle russischer Kräfte über das Gebiet ist schwer feststellbar.

Umbruch nach der Auflösung der Sowjetunion

Russland ist seit Dezember 1991 ein unabhängiger Staat. Die heute gültige Verfassung der Russischen Föderation wurde am 12. Dezember 1993 durch eine allgemeine Volksabstimmung angenommen und trat am 25. Dezember 1993 in Kraft.

Außenpolitisch stand die russische Führung nach Auflösung der Sowjetunion vor der Aufgabe, das Verhältnis Russlands gegenüber den übrigen früheren Sowjetrepubliken neu zu gestalten. Dies erfolgte u. a. durch Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (siehe nächsten Abschnitt) und einiger Verträge zu vertiefter Kooperation, vor allem mit Weißrussland, Ukraine und Kasachstan.

Im Inneren stand und steht die Regierung vor der Herausforderung, die Grundlagen der politischen und wirtschaftlichen Ordnung Russlands neu zu bestimmen. Russland war vor der Auflösung des Sowjetunion ein von der Kommunistischen Partei beherrschter Staat mit einer zentral verwalteten Planwirtschaft, die kein Privateigentum an Produktionsmitteln kannte. Die Wahl von Boris Jelzin zum Staatspräsidenten bedeutete das Ende der KP-Herrschaft in Russland. Privateigentum an Unternehmen wurde zugelassen, die zentrale Planung der Wirtschaft aufgegeben.

Dieser Umbruch brachte für die Bürger Russlands zweifellos mehr persönliche politische Freiheit. Die Entwicklung des politischen Systems unter Jelzin wurde von vielen jedoch eher als Auflösung einer gesicherten und berechenbaren staatlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ordnung empfunden. Die politische Entscheidungsfindung im Geflecht des Familienclans Jelzins und seiner Hintermänner aus dem Kreis der Oligarchen, die durch die Privatisierungspraktiken der Regierung Jelzin innerhalb weniger Jahren zu immensen Vermögen gekommen waren, blieb intransparent, der Einfluss des Parlaments eng begrenzt.

Politische Kooperation der Nachfolgestaaten

Die Auflösung der Sowjetunion stellte Russland vor die Aufgabe, das Verhältnis zu deren Nachfolgestaaten neu zu gestalten. Im Ergebnis ist Russland jetzt im Vergleich zum engen Verbund in der Sowjetunion nur noch locker mit einigen früheren Sowjetrepubliken verbunden. Die bekannteste gemeinsame Organisation ist die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Diesem 1991/1992 vereinbarten Zusammenschluss gehören 12 der 15 Nachfolgestaaten an; nur die 3 baltischen Staaten traten nicht bei.

Mit Weißrussland hat sich Russland in der Russisch-Weißrussischen Union zusammengeschlossen, auf die sich Jelzin mit Aljaksandr Lukaschenka (weißrussischer Präsident seit 1994) verständigte. Sie wird jedoch von Kritikern als „kaum funktionierend und halb-illegal“ bezeichnet. Von ihr wurde lediglich die Verteidigungs- und vorübergehend die Zollunion umgesetzt.

Als nach Jelzin 1999 Wladimir Putin russischer Präsident wurde, kühlte sich das Verhältnis zu Weißrussland ab, dem Putin aber später den Beitritt in die Russische Föderation vorschlug. Lukaschenka lehnte dies ab, doch vereinbarte man 2004/2005 eine Währungsunion. Sie sollte zwar Anfang 2005 in Kraft treten, allerdings wurde dieser Schritt aufgrund offener Fragen bisher nicht vollzogen. Insgesamt ist die Integration Weißrusslands mit Russland von schwankendem Interesse geprägt und hat an Dynamik verloren. Im Mai 2009 trat Weißrussland mit fünf weiteren GUS-Staaten der von der EU initiierten Östlichen Partnerschaft bei, der Russland überwiegend ablehnend gegenübersteht.

Etwas beständiger ist demgegenüber das militärische Defensivbündnis Russlands mit Weißrussland, Armenien, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan, die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (sogenannter Rat für kollektive Sicherheit). Ein neues Bündnis in Asien deutet sich mit der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit an, zu dem auch China gehört. Russland hat bereits im August 2005 ein gemeinsames Manöver mit den chinesischen Streitkräften durchgeführt.[24]

Menschenrechte

Unter Staatspräsident Putin fand Russland zu mehr politischer und wirtschaftlicher Stabilität, allerdings auf Kosten der Meinungs- und Pressefreiheit und mittels einer weitreichenden Konzentration der Macht beim Präsidenten. Am brisantesten ist die Menschenrechtslage seit Jahren im Kaukasus, namentlich in Tschetschenien.

In westlichen Medien und von internationalen Bürgerrechtsorganisationen werden immer wieder Einschränkungen der Pressefreiheit in Russland kritisiert. Verwiesen wird z. B. auf mehrjährige Gefängnisstrafen von Kritikern wie Grigori Pasko und Igor Sutjagin. Das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland berichtet in seinen Länder-Informationen zu Russland zu den Einschränkungen der Pressefreiheit: Am deutlichsten ist die staatliche Einflussnahme im Bereich des Fernsehens. Alle drei landesweit sendenden TV-Stationen sind entweder direkt in staatlichem Besitz oder unter staatlicher Kontrolle. Im Radiobereich ist die Situation ähnlich.

Die Überprüfung von Bürgerrechten, z. B. bei Verstößen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, findet vor dem Obersten Gerichtshof Russlands' statt. Inwieweit deren Entscheidungen aber von den allgemeinen Gerichten maßgeblich beachtet werden, sei dahingestellt (siehe z. B. Yukos-Verfahren).

Fremdenfeindlichkeit

Amtlichen Angaben zufolge wurden im Jahr 2005 bei fremdenfeindlichen Übergriffen 26 Menschen getötet. Die meisten Todesopfer gab es dabei in Sankt Petersburg, gefolgt von Moskau. Vor allem Angehörige der aus dem Kaukasus stammenden Volksgruppen wurden zu Zielen von rassistisch motivierten Angriffen, ferner auch ausländische (vor allem afrikanische) Studenten an russischen Universitäten (z. B. in Woronesch). Der Menschenrechtsbeauftragte der russischen Regierung, Wladimir Lukin, kritisierte im Juni 2006 die russische Justiz für ihre Inaktivität bei der Verfolgung von rassistischen und extremistischen Straftaten.

Militär

Der Russische Staat besitzt noch immer den zu den Zeiten der Sowjetunion, seit dem Jahre 1949, erlangten Status als Atommacht und verfügt heute mit 5200 Stück über die weltweit größte Anzahl an nuklearen Sprengköpfen, noch vor den USA mit 4100 Atomsprengköpfen.[25]

In Russland gilt eine allgemeine Wehrpflicht von 12 Monaten für wehrfähige Männer ab 18 bis maximal 27 Jahren. 2007 wurde sie von 24 auf 18, 2008 dann auf 12 Monate verkürzt. Da die wehrpflichtigen Soldaten früher auch in Krisengebieten wie Tschetschenien eingesetzt wurden, gibt es in der Bevölkerung, besonders durch die Mütter Wehrpflichtiger, immer wieder Kritik an der Wehrpflicht.

Insgesamt hat sich die Lage in den Streitkräften stabilisiert. Die Probleme aus den 90er Jahren wurden bereinigt. Es werden seit dem Jahr 2000 wieder mehr Manöver und Übungen durchgeführt. Auch viele soziale Probleme wie der Wohnungsmangel für Offiziere werden nach und nach gelöst. Die Rüstungsindustrie ist wieder im Stande hochmoderne Waffen, Kampfflugzeuge, Schiffe, U-Boote oder strategische Atomraketen, wie die durch Raketenabwehrsysteme schwer zu bekämpfende Topol-M, zu produzieren.

Die Stärke der Streitkräfte betrug 2001 1.183.000 Mann, davon 321.000 Landstreitkräfte, 171.500 Marine, 184.600 Luftstreitkräfte, 149.600 Atomstreitkräfte. 40.000 dienen in Staaten der GUS als Friedenstruppen und 316.900 werden als „sonstige Militärs“ geführt. Dazu kommen noch diverse paramilitärische Einheiten, wie 410.000 Soldaten des Innenministeriums, des Grenzschutzes oder Notstandstruppen. Allein bei den Eisenbahntruppen dienen 48.000 Mann.

Russland gibt heute ca. 3,6 Prozent seines BIP für das Militär aus.[26] Die Militärausgaben liegen in absoluten Zahlen mit 44 Mrd. US-Dollar (2001) weit unter denen der USA.

Für die Modernisierung der Armee und die Instandsetzung von Waffen und Militärtechnik bis ins Jahr 2015 stellt die Regierung in den nächsten Jahren ca. fünf Billionen Rubel (ungefähr 144 Milliarden Euro) bereit.

Seit Juli 2007 fliegen die strategischen Langstreckenbomber, erstmals seit Ende des Kalten Krieges, auch wieder Einsätze über das russische Territorium – wie zur Zeit der Sowjetunion – hinaus. Eine Tupolew Tu-95 (NATO-Code Bear) flog u. a. von Blagoweschtschensk bis zum US-Luftwaffenstützpunkt Guam im Pazifik.

Verwaltungsgliederung

Artikel 65 der Verfassung Russlands nennt die 83 Subjekte, aus denen die Russische Föderation besteht: 21 Republiken, 9 Regionen (Kraj), 46 Gebiete (Oblast), 2 Städte föderalen Ranges (Moskau und Sankt Petersburg), 1 Autonomes Gebiet und 4 Autonome Kreise.

Im Jahr 2000 schuf Präsident Putin per Dekret sieben Föderationskreise, welche jeweils mehrere Föderationssubjekte zu einer größeren Einheit zusammenfassen. Ziel dieser Reform war die Stärkung der Vertikalen der Macht und eine Verschärfung der Kontrolle über die regionalen Machthaber. Die Einwohnerzahlen in der folgenden Tabelle beziehen sich auf die Volkszählung vom 9. Oktober 2002. Im Jahr 2010 wurde zudem der Föderationskreis Nordkaukasus, durch Ausgliederung aus dem Föderationskreis Südrussland, als achter Föderationskreis geschaffen.

Infrastruktur

Eisenbahn

Das Streckennetz in Russland wird von der staatlichen Bahngesellschaft Rossijskije schelesnyje dorogi betrieben.

Die berühmteste Verkehrsachse ist die Transsibirische Eisenbahn (Transsib, rote Linie in der Grafik) von Moskau nach Wladiwostok. Parallel dazu wurde Ende des 20. Jahrhunderts zur Erschließung des fernen Ostens Sibiriens die Baikal-Amur-Magistrale (BAM, grüne Linie in der Grafik) vom Baikalsee zum Fluss Amur gebaut. Durch diese beiden und die abzweigenden Strecken wird das Land in west-östlicher Richtung erschlossen. Insgesamt umfasst das Eisenbahnnetz (1.524 Millimeter Spurbreite) rund 87.000 Kilometer, davon ist knapp die Hälfte (40.000 Kilometer) elektrifiziert. Auf der Insel Sachalin existieren fast 1.000 Kilometer in 1.067 Millimeter Breite. Daneben gibt es zusätzlich 30.000 Kilometer nicht öffentlicher Industriebahnen (alle Angaben 2004).

Straßennetz

Der Straßenverkehr hat vor allem im europäischen Teil Russlands Bedeutung für den Regionalverkehr.

Das Fernstraßennetz umfasst etwa 540.000 Kilometer (2001), davon sind zwei Drittel befestigt. Erst seit 2003 existiert eine räumlich und saisonal durchgehende Straßenverbindung von der Ostsee zum Pazifik. Die Fernstraßen sind außerhalb der Ballungsgebiete in der Regel nicht als Autobahnen oder Schnellstraßen ausgebaut und auch bei größeren breiten Straßen sind die Richtungsfahrbahnen nicht durch Leitplanken voneinander getrennt. Die wichtigste Fernstraße in Russland ist die Europastraße 30, die in Sibirien endet.

Wasserstraßen

72.000 Kilometer Wasserwege verbinden im europäischen Teil Russlands die Ostsee, das Schwarze Meer, die Binnenseen und das Weiße Meer miteinander. Wichtige Wasserstraßen dabei sind die Wolga, die Kama, die Nischni Nowgoroder Oka, die Wjatka, der Don und die Kanäle, die diese Flüsse miteinander verbinden.

Für den Güterverkehr zwischen dem russischen Kernland und der Exklave Kaliningrad ist der Fährverkehr von Bedeutung.

In Sibirien sind 24.000 Kilometer schiffbar. Durch die Entwässerung der großen Flüsse Ob, Jenissei und Lena in das Polarmeer fehlt eine Ost-West Erschließung auf dem Wasserweg und durch Eisbildung ist die Polarroute nur wenige Monate im Sommer möglich.

Flugverkehr

In Russland und der Sowjetunion kam der Luftfahrt schon immer eine große Bedeutung zu, nicht nur dank der technischen Errungenschaften vieler russischer Flugzeugkonstrukteure, wie z. B. Andrei Tupolew. Besonders wichtig ist der nationale Flugverkehr in entlegenen Gebieten, deren Erschließung auf dem Landweg sehr beschwerlich wäre und sich auch größtenteils nicht lohnen würde.

Mehrere internationale Fluggesellschaften fliegen außer Moskau auch andere russische Städte direkt an. Neben der Aeroflot fliegen als größere Gesellschaften noch Rossija, S7 Airlines oder UTair. Ca. 2500 Flughäfen und Flugplätze gibt es in der Russischen Föderation, davon 55 mit einer befestigten Piste über 3000 m Länge.

Die größten und wichtigsten Flughäfen sind Scheremetjewo-2 und Domodedowo in der Nähe von Moskau.

Nahverkehr

Der öffentliche Nahverkehr galt zu sowjetischen Zeiten als gut ausgebaut: Straßenbahnen, Obusse und Vorortzüge existierten in allen größeren Städten. In Metropolen ab einer Million Einwohner wurde eine U-Bahn errichtet, wobei nicht alle Netze vollendet wurden. In den 1990er Jahren verfielen viele der guten Nahverkehrsnetze und wurden zunehmend durch private Bus- oder Linientaxibetriebe ergänzt oder ersetzt. Auch in jüngster Zeit wurden in mehreren Großstädten Straßenbahn- oder Obussysteme zugunsten von Bussen stillgelegt (so 2008 der Obus in Archangelsk und die Straßenbahn in Iwanowo oder 2009 die Straßenbahn in Woronesch).

Medien

Telekommunikation und Post

Der überwiegende Teil des russischen Postwesens wird vom staatlichen Unternehmen Potschta Rossii abgewickelt. Dieses wurde 2002 aus dem zugleich aufgelösten föderalen Post- und Telekommunikationsministerium ausgegliedert, das auch zu Sowjetzeiten für den Postverkehr zuständig war. Heute bietet die Potschta Rossii ihre Dienstleistungen in insgesamt über 42.000 Postämtern an, die flächendeckend über ganz Russland verteilt sind. Die Zahl der Beschäftigten im Unternehmen beläuft sich russlandweit auf rund 415.000. [27] In vielen Städten bieten Postfilialen seit Anfang des 21. Jahrhunderts neben grundlegenden Postdienstleistungen – wie etwa dem Versenden und Empfangen von Briefen, Paketen und Telegrammen sowie dem Postgiro – auch ergänzende Dienste an, darunter öffentliche Computerarbeitsplätze mit Internetzugang.

Im Briefzustellungsbereich ist Potschta Rossii in Russland Monopolist. Im Bereich der Paketpost sind seit den 1990er-Jahren auch international tätige Kurierunternehmen wie DHL oder TNT in Russland tätig.

Für die Telekommunikation im Festnetzbereich gibt es je nach Region verschiedene Anbieter. Der größte russische Telekommunikationskonzern ist Svyazinvest, zu dem sieben große regionale Anbieter als Tochterunternehmen gehören. Den Mobilfunkmarkt teilen sich landesweit im Wesentlichen die drei größten Anbieter des Landes Mobile TeleSystems, Beeline und MegaFon, ferner einige kleinere regionale Anbieter. Diese Branche erlebte in Russland in den 2000er-Jahren einen rasanten Wachstum: Besaß noch im Jahr 2000 weniger als ein Prozent der russischen Bevölkerung ein Mobiltelefon, überschritt 2006 die landesweite Anzahl von Handys bereits die Bevölkerungszahl und betrug mit dem Stand vom 31. März 2007 gut 155 Millionen. [28]

Wirtschaft

Die russische Währung ist der russische Rubel (Рубль; Kürzel RUB) zu 100 Kopeken (Копейка). Ein Euro entspricht gegenwärtig 40,5 Rubel. Nach starker Inflation in der 1990er Jahren wurde im Jahr 1998 eine Währungsreform durchgeführt, bei der 1.000 alte Rubel (RUR) durch je einen neuen Rubel (RUB) ersetzt wurden, seitdem war der Rubel bis 2008 gegenüber US-Dollar und Euro im wesentlichen stabil. Im Zuge der Internationalen Wirtschaftskrise verlor der Rubel seit dem zweiten Halbjahr 2008 allerdings rund 20 Prozent seines Wertes gegenüber dem Euro.[29]

Neben dem Rubel finden im Alltag auch US-Dollar Verwendung. Durch die Dollarschwäche übernimmt aber zunehmend der Euro dessen Bedeutung. Bis zum Januar 2007 wurden Preise auch oft in Verrechnungseinheiten angegeben, die je einem US-Dollar entsprachen. Da die Verwendung von Drittwährung in Russland nicht erlaubt ist, wurde dennoch in Rubel gezahlt. Diese Praxis ist aber seit Januar 2007 verboten.

Wegen häufiger Bankeninsolvenzen und Finanzkrisen sind viele Russen dazu übergegangen, ihre Ersparnisse als Bargeld in Euro- und Dollar- Scheinen oder in Immobilien anzulegen.

Bruttoinlandsprodukt und Produktionsstruktur

Der Wert des russischen Bruttoinlandsprodukts wurde vom Internationalen Währungsfonds für das Jahr 2008 mit 1.698,647 Milliarden US-Dollar angegeben, was einem BIP pro Kopf in Höhe von $ 12.012,448 entspricht. Bei Berücksichtigung der Kaufkraftparität ist der Wert des russischen Bruttoinlandproduktes jedoch um gut ein Drittel höher: Nach IWF-Angaben für 2008 beträgt es 2.274,584 Milliarden Dollar (pro Kopf $ 16.085,349).[30]

Nach Angaben der russischen Statistikbehörde Rosstat steuerte der Handels- und Dienstleistungssektor 2004 knapp 60 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Auf die Industrie entfielen rund 30 Prozent, auf die Bauwirtschaft und die Landwirtschaft jeweils rund 6 Prozent. Nach Einschätzung der Weltbank dürfte die amtliche Statistik den Anteil der rohstofffördernden Industrien (2004: 7,7 Prozent) jedoch zu niedrig und den Anteil des Handels (2004: 21,3 Prozent) zu hoch ausgewiesen haben, da die russischen Rohstoffkonzerne durch Anwendung interner Verrechnungspreise Wertschöpfung aus dem Rohstoffbereich auf den Handelsbereich verlagern – insbesondere um Steuern zu sparen. Die Weltbank schätzt, dass tatsächlich rund ein Viertel der gesamtwirtschaftlichen Produktion vom Rohstoffsektor gestellt wird.

Energie und Rohstoffe haben deswegen für die russische Wirtschaft herausragende Bedeutung, insbesondere Erdöl und Erdgas. Russland verfügt aber auch über bedeutende Vorkommen an Metallen (Nickel, Platin, Gold unter anderem) sowie Kohle, Uran, Cobalt und Diamanten.

Mit der kräftigen Erholung der Erdölförderung und der Zunahme der Ölexporte bei steigenden Ölpreisen ist die Bedeutung der Energiewirtschaft seit Ende der 1990er Jahre weiter gewachsen. Der Export von Energieträgern und Elektrizität erreichte nach Angaben der russischen Zollbehörde 2005 am Gesamtvolumen der russischen Ausfuhren über die Grenzen der GUS hinaus einen Anteil von rund 67 %.

2004 nahm die Produktion von Brennstoffen um insgesamt 7,1 Prozent zu (Erdöl und Gaskondensat: +8,9 Prozent auf 459 Mio. t; Erdgas: +1,9 Prozent auf 632 Mrd. m³; Kohle: +1,3 Prozent). Die Stromproduktion wächst seit 1999 ebenfalls wieder. Mit Öl-, Erdgas- oder Kohle betriebene Wärmekraftwerke stellte 2003 rund 63 Prozent der gesamten Stromproduktion von rund 851 Mrd. Kilowattstunden. Auf Wasserkraftwerke entfielen 21 Prozent, auf Kernkraftwerke 16 Prozent. Die russische Regierung plant, den Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung bis 2020 auf etwa ein Drittel zu verdoppeln, um noch mehr Erdöl und Erdgas exportieren zu können. Schon heute ist Russland weltweit zweitgrößter Exporteur von Rohöl und weltweit größter Exporteur von Erdgas.

Die verarbeitende Industrie (Maschinenindustrie, Autoindustrie) fiel nach dem Zerfall der Sowjetunion in eine tiefe Krise. Die Produktion ging stark zurück. In den 2000er-Jahren ging es aber auch in der verarbeitenden Industrie wieder bergauf. Vor allem auf Märkten in der GUS konnten Marktanteile zurückgewonnen und neue Märkte in Asien gefunden werden, weil sich einige russische Erzeugnisse als einfacher und preiswerter als westliche Konkurrenzprodukte profilieren konnten.

Außenwirtschaft

Von der Lieferstruktur her wichtigster Handelspartner Russlands ist Deutschland, das vor allem industrielle Fertigerzeugnisse wie Maschinen, Anlagen und Spitzentechnologie nach Russland liefert. Russland ist im Gegenzug Deutschlands größter Rohöllieferant und deckt rund ein Drittel des deutschen Erdgasbedarfs. Im Jahre 2005 betrug das gemeinsame Handelsvolumen 35 Milliarden Euro. Die VR China ist seit der Wirtschaftskrise der größte Exporteur vor allem von Konsumgütern, ebenfalls von Bedeutung sind die USA.

Russlands Anteil am weltweiten Warenhandel ist trotz seiner bedeutenden Stellung als Rohstofflieferant jedoch vergleichsweise gering. Er beträgt nur etwa 2 Prozent, knapp ein Drittel des Anteils Deutschlands.

Gesamtwirtschaftliche Entwicklung von 1998 bis 2008

Die russische Wirtschaft hat sich vom Produktionseinbruch im Zuge der Finanzkrise des Jahres 1998 rasch erholt. Der Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um rund 5 Prozent wurde schon 1999 aufgeholt. Von 1999 bis 2005 ist die gesamtwirtschaftliche Produktion pro Jahr um durchschnittlich rund 6,5 Prozent gewachsen.

Die 1998 eingetretene deutliche Abwertung des Rubels hat der russischen Wirtschaft Auftrieb verschafft. Durch die Abwertung wurden ausländische Güter verteuert. In Russland hergestellte Produkte wurden auf dem Inlandsmarkt wettbewerbsfähiger. Die russischen Exporteure konnten von der Abwertung allerdings nur wenig profitieren, weil ihre Produkte auf den westlichen Märkten qualitativ mangelhaft und damit nicht wettbewerbsfähig waren.

Ab Mitte 1999 gaben dann die kräftig steigenden Preise für die russischen Energieexporte der Wirtschaft einen weiteren Wachstumsschub. Steigende Gewinne führten zu höheren Investitionen. Mit wachsenden Steuer- und Zolleinnahmen kam es zu Überschüssen in den öffentlichen Haushalten.

Die bis Mitte der 1990er Jahre deutlich zurückgegangene Ölproduktion erholte sich.

Das Pro-Kopf-Einkommen hat sich seit 2001 vervielfacht und im Jahr 2008 im Landesdurchschnitt 14.425 Rubel pro Monat[31] (umgerechnet rund 400 Euro) erreicht. Eine ähnliche Entwicklung gab es beim Durchschnittslohn, der 2008 mit 17.112 Rubel berechnet wurde.[32] Allerdings verbesserte sich der Lebensstandard regional sehr unterschiedlich. Während besonders in Moskau und St. Petersburg heute einige Viertel in neuem Glanz erstrahlen, ist in anderen Regionen die Armut nach wie vor groß. Insgesamt konnte der Anteil der „Armen“ zwar deutlich gesenkt werden, noch immer lebt aber etwa ein Sechstel der russischen Bevölkerung unter der offiziellen Armutsgrenze. Zudem gibt es große Einkommensdifferenzen. So liegen die Löhne in der Ölindustrie inzwischen über 50.000 Rubel pro Monat, während Beschäftigte in der Landwirtschaft im Schnitt nur auf rund 7800 Rubel kommen.[33]

Weiter zweistellig steigende Verbraucherpreise erschweren allerdings die Lebensbedingungen jener Bevölkerungskreise, die bisher nicht am Rohstoffboom teilhaben. Der jährliche Preisanstieg, der in der Regel nicht wie international üblich als Veränderung des Indexes der Verbraucherpreise im Jahresdurchschnitt, sondern als Veränderung der Jahresendstände des Verbraucherpreisindexes im Dezember angegeben wird, verringerte sich 2005 lediglich geringfügig auf 10,9 Prozent. Zudem macht sich der Produktionsaufschwung auf dem Arbeitsmarkt nur allmählich bemerkbar. Mit 7,6 Prozent war die nach Standards der Internationalen Arbeitsorganisation berechnete Arbeitslosenquote 2005 0,6 Prozentpunkte niedriger als 2004. Allerdings gilt die Arbeitslosenquote nur als begrenzt aussagefähig, weil viele Arbeitslose nicht erfasst werden dürften.

Der Erdölboom spülte in den 2000er-Jahren hohe Einnahmen in die russische Staatskasse. So konnte seit 2000 in jedem Jahr ein Haushaltsüberschuss verbucht werden. Er stieg 2005 weiter auf 7,4 Prozent.

Ein Teil der Öleinnahmen fließt seit 2004 in einen nationalen Stabilisierungsfonds, der die Auswirkungen schwankender Rohstoffpreise auf Wirtschaft und Staatshaushalt mindern soll. Diesem Zweck zuwider läuft allerdings, dass künftig aus dem Fonds Gelder zur Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen abgezweigt werden sollen. Der Wert des Stabilisierungsfonds hat sich von Anfang 2005 bis zum 1. Juli 2006 etwa vervierfacht und 2.067 Mrd. Rubel erreicht (rd. 77 Mrd. $, rd. 8 Prozent des BIP).

Die gesamtwirtschaftliche Produktion setzte ihren Aufschwung 2005 fort und wuchs um 6,4 Prozent. Gegenüber den beiden Vorjahren, als jeweils Wachstumsraten von gut 7 Prozent verbucht wurden, bedeutete dies allerdings eine leichte Wachstumsverlangsamung. Zurückzuführen ist sie insbesondere auf das schwächere Wachstum der Industrieproduktion, die 2005 nur noch um rund 4 Prozent zunahm (2004: + 7,3 Prozent). Ursache dafür war wiederum das deutlich abgeschwächte Wachstum der Ölförderung, die nur noch um 2,2 Prozent stieg (2004: + 8,9 Prozent). Die Erdgasförderung stagnierte sogar fast. Dagegen hat sich das kräftige Wachstum im verarbeitenden Gewerbe fortgesetzt. Insofern machte die russische Wirtschaft auf dem Weg zu einer breiter diversifizierten Produktionsstruktur Fortschritte.

Nachfrageseitig kamen die Wachstumsimpulse auch 2005 vom sehr stark steigenden Privatverbrauch, der erneut ein Plus von rund 11 Prozent verbuchte. Dem standen die Bruttoanlageinvestitionen mit einem Zuwachs von 10,5 Prozent (2004: + 10,9 Prozent) nur wenig nach.

Außenwirtschaftlich hat sich die Abhängigkeit der russischen Wirtschaft vom Energiesektor allerdings weiter verstärkt. Nach Angaben der Zollstatistik stieg der Anteil der Energieexporte beim Handel mit Ländern außerhalb der GUS von 60 Prozent auf 67 Prozent aller Ausfuhren.

Der Anstieg der Ölpreise um knapp die Hälfte im Jahresdurchschnitt 2005 ließ die Warenausfuhren erneut um rund ein Drittel auf rund 244 Mrd. $ steigen. Die Wareneinfuhren nahmen gleichzeitig um rund 29 Prozent auf rund 125 Mrd. $ zu. Damit ist der Außenhandelsüberschuss auf rund 118 Mrd. $ (15 Prozent des BIP) gestiegen. Der Leistungsbilanzüberschuss nahm sogar um knapp die Hälfte zu. Er erreichte rund 84 Mrd. $ (11 Prozent des BIP).

Die staatlichen Auslandsschulden sind bis Ende 2005 auf rund 82 Mrd. $ verringert worden, während die Währungsreserven binnen Jahresfrist bis Ende 2005 um knapp die Hälfte auf 182 Mrd. $ gewachsen sind. Deutlich höhere Währungsreserven haben jetzt nur noch Japan und China.

Gesamtwirtschaftliche Entwicklung seit der Finanzkrise 2008/09

Im Zuge der Internationalen Wirtschaftskrise wies die russische Wirtschaft seit Mitte 2008 deutlich negative Entwicklungen auf, was in hohem Maße auf ihre immer noch große Abhängigkeit vom Energiesektor zurückzuführen ist. Aufgrund des drastischen Preisverfalls beim Erdöl und Erdgas sanken die Staatseinnahmen, so dass das russische Staatshaushalt für das Jahr 2009 erstmals seit mehreren Jahren wieder ein Defizit aufweist. Von September 2008 bis März 2009 verlor der russische Rubel rund 20 % an Wert gegenüber dem Euro, was einen erheblichen Abfluss der Geldmittel aus den Bankhäusern verursachte. Dies führte zu einem Anstieg des Zinsniveaus, was wiederum die Möglichkeit der Kreditaufnahme für Unternehmen einschränkte. In der Folge kam es zu einem Kurseinbruch auf dem russischen Aktienmarkt sowie zu Massenentlastungen und landesweitem Anstieg der Arbeitslosigkeit. Um den Bankensektor und die Industrie zu stützen, greift die russische Regierung zunehmend auch die in den Zeiten hoher Ölpreise angesammelten Mittel aus dem Reservefonds an.[38]

Für das Jahr 2009 wird weiterhin mit Anstieg der Arbeitslosigkeit und Rückgang der Industrieproduktion und des Bruttoinlandsprodukts (für letzteres geht die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung von einem Rückgang um 7,5 Prozent aus[39]) gerechnet. Allein im März sanken die Löhne im Landesdurchschnitt um 5,65 % im Vergleich zum Vorjahr.[40]

Schwachstellen und Probleme der russischen Wirtschaft

Trotz der insgesamt erfolgreichen Entwicklung der russischen Wirtschaft, die seit Ende der 1990er Jahre den Produktionseinbruch nach der Auflösung der Sowjetunion inzwischen weitgehend überwunden hat, sind viele Probleme weitgehend ungelöst:

  • Mit dem Anstieg der Energie- und Rohstoffpreise hat sich die Energie- und Rohstofflastigkeit der russischen Wirtschaft weiter verstärkt. Eine stärkere Diversifikation der Produktionsstruktur durch Förderung von Wirtschaftszweigen außerhalb des Energie- und Rohstoffsektors ist daher eines der wichtigsten Ziele der russischen Wirtschaftspolitik. Nach Schätzungen der Weltbank, die die Angaben der amtlichen russischen Statistik hinsichtlich der Produktionsbeiträge der Wirtschaftssektoren aufgrund von Verzerrungen durch Verrechnungspreise nicht für realitätsnah hält, steuert der Energie- und Rohstoffsektor noch etwa ein Viertel zum Bruttoinlandsprodukt bei.
  • Durch den Umfang der Erdöl- und Erdgasförderung und die veralteten Produktionsanlagen ist Russland einer der weltweit größten Umweltverschmutzer, beispielsweise durch das Abfackeln von Erdgas.
  • Trotz kräftig gestiegener Investitionen wird in Russland im internationalen Vergleich zu wenig investiert. Das zeigt sich insbesondere am geringen Zufluss ausländischer Direktinvestitionen. Der russischen Regierung ist es trotz vieler wirtschaftspolitischer Reformen bisher nicht gelungen, ausreichend attraktive Rahmenbedingungen für Investoren zu schaffen. Internationale Investoren kritisieren insbesondere fehlende Rechtssicherheit, weit verbreitete Korruption, eine überbordende Bürokratie und die geringe Leistungsfähigkeit des russischen Bankensystems.
  • Klein- und mittelständische Betriebe haben eine zu geringe Bedeutung. Dies liegt an der schwierigen Finanzierungssituation, da die russischen Banken keine entsprechenden Kreditlinien anbieten. Ein russischer Fond für Bürgschaften in diesem Wirtschaftssektor ist jedoch geplant.
  • Die Inflationsrate war lange Zeit zweistellig und betrug 2006 immer noch 8,2 %. Dazu hat bisher vor allem die Wechselkurspolitik der russischen Zentralbank beigetragen. Um eine rasche Aufwertung des Rubels mit einer Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit russischer Produzenten zu verhindern, intervenierte sie am Devisenmarkt. Sie kaufte die Russland mit den hohen Leistungsbilanzüberschüssen zufließenden Devisen gegen Rubel auf. Die umlaufende Rubelgeldmenge stieg stark. Das Inflationspotential wuchs.

Wirtschafts- und Finanzpolitik

Priorität hatte für die russische Regierung lange Zeit offenbar die Aufrechterhaltung möglichst hoher Wachstumsraten – vor einer Stabilisierung der Preise. Das vom damaligen Präsidenten Putin gesetzte Ziel, das Bruttoinlandsprodukt in einem Zeitraum von zehn Jahren zu verdoppeln, sollte möglichst weitgehend erreicht werden – notfalls mit einem nur kurzfristig wirksamen staatlichen Ausgabenprogramm. Dafür sprechen auch Beschlüsse, die Ausgaben für Gehälter im öffentlichen Dienst, Renten und sonstige Sozialleistungen zu erhöhen. Damit reagierte die Regierung auch auf weitverbreitete Proteste der Bevölkerung. Sie wurden ausgelöst, als Anfang 2005 bisher entgeltfreie staatliche Sachleistungen, z. B. Freifahrten für Rentner in öffentlichen Verkehrsmitteln, durch Geldleistungen ersetzt werden sollten.

2005 sind die Einnahmen im Föderationshaushalt um rund die Hälfte gestiegen. Die Ausgaben wurden vergleichsweise zurückhaltend um rund ein Drittel erhöht. Im Budget 2006 wurden weitere Ausgabensteigerungen um insgesamt rund ein Viertel vorgesehen, insbesondere zur Terrorismusbekämpfung sowie im Bildungs- und Gesundheitswesen zur Erhöhung der relativ niedrigen Gehälter in diesen Bereichen.

Angesichts der herausragenden Bedeutung des Energiesektors ist die russische Politik insbesondere darauf ausgerichtet, die staatliche Kontrolle über die Energiewirtschaft zu verstärken und private Unternehmen aus diesem Bereich zurückzudrängen. Das zeigt die Zerschlagung des Erdölkonzerns Yukos. Ein weiterer Hinweis ist die Übernahme des Ölkonzerns Sibneft durch die halbstaatliche Erdgasgesellschaft Gazprom, die damit ihre Geschäftstätigkeit im Ölbereich weiter ausbaut.

Auch außerhalb des Energiesektors baut der Staat seinen Einfluss aus. Die Regierung fördert die Bildung staatlicher Großkonzerne, die wichtige Branchen dominieren sollen. So wurden beispielsweise im Bereich des Maschinen- und Automobilbaus private Unternehmen von Staatsbetrieben übernommen.

Im Bankensektor, der von zwei großen Staatsbanken, der Sberbank und der WTB (ehemals Wneschtorgbank), beherrscht wird, hat die WTB ihre Marktmacht 2005 nach der Übernahme der vormals privaten Promstroibank ausgebaut. Die verbliebenen Privatbanken sind bis auf wenige Ausnahmen klein und unterkapitalisiert. Die Schwächen des russischen Bankensystems zeigten sich im Frühsommer 2004, als ein Ansturm verunsicherter Anleger auf die Banken schnell zu Liquiditätsproblemen führte und das Land an den Rand einer Bankenkrise brachte.

Seit die Internationale Finanzkrise ab 2007 auch zu Krisenentwicklungen in der russischen Wirtschaft führt, werden Mittel aus dem Staatshaushalt vornehmlich zur Stabilisierung des Bankensektors und Förderung strategisch wichtiger Industriebetriebe eingesetzt, aber auch zur Aufrechterhaltung bestehender Sozialleistungen. So hat Präsident Medwedew den russischen Banken Kredite mit einer Laufzeit von mindestens fünf Jahren von bis zu 950 Milliarden Rubel (rund 27 Milliarden Euro) zugesagt, um deren Eigenkapitalbasis zu stärken. Mehrere Gesetze zur Stabilisierung des Finanzsektors wurden erlassen, deren Umfang auf rund 112 Milliarden Euro geschätzt wird. Die Altersrenten sollen im Laufe des Jahres 2009, überproportional zur erwarteten Inflationsrate, um insgesamt gut 37 Prozent angehoben werden.[41]

Tourismus

Der Tourismus in Russland beschränkt sich momentan auf einige wenige, kulturell interessante Städte und Regionen, besonders bei Reisegruppen. Individualtouristen werden häufig durch Visa-Beschaffung, sprachliche Hürden und ähnliche Probleme abgeschreckt, hingegen ist das Land bei Reisegruppen beliebter. 2001 kamen 21,2 Mio. Auslandsgäste nach Russland, dies ließ 7,5 Milliarden US-Dollar ins Land fließen.

Staatshaushalt

Der Staatshaushalt umfasste 2009 Ausgaben von umgerechnet 303,6 Mrd. US-Dollar, dem standen Einnahmen von umgerechnet 231,1 Mrd. US-Dollar gegenüber. Daraus ergibt sich ein Haushaltsdefizit in Höhe von 5,9 % des BIP.[42]

Die Staatsverschuldung betrug 2009 77,6 Mrd. US-Dollar oder 6,3 % des BIP.[42]

2006 betrug der Anteil der Staatsausgaben (in % des BIP) folgender Bereiche:

  • Gesundheit:[43] 5,3 %
  • Bildung:[42] 3,8 % (2005)
  • Militär:[42] 3,9 % (2005)

Gesundheit und Soziales

  • Lebenserwartung (2007)* 67,5 Jahre
  • Lebenserwartung (Männer) (2007)* 61,4 Jahre
  • Lebenserwartung (Frauen) (2007)* 73,9 Jahre
  • Säuglingssterblichkeit (2008)* 8,5 von 1000
  • Kindersterblichkeit (2004) 2,1 %
  • Müttersterblichkeit (2005)** 28 / 100.000 Geb.
  • Ärzte* 4,9 / 1000 Einw.
  • Krankenhausbetten* 10,7 / 1000 Einw.
  • Zugang zu sauberem Trinkwasser (gemäß WHO Kriterien)** 88 % (Land); 100 % (Stadt)
  • Geburtenrate (2009)* 12,5 / 1000 Einw.
  • Sterblichkeit (2009)* 14,2 / 1000 Einw.
  • Suizide (pro 100.000 Einwohner)* 27
  • Bevölkerungswachstum (2009) +0,004 %
  • Fruchtbarkeit (2004) 1,26 Kinder / Frau
  • HIV-Infektionsrate (2005)** 0,78 %
  • HIV/AIDS-Infizierte (2004) 350.000
  • Öffentliche Ausgaben für Gesundheit (1997) 4,6 % des BIP
  • Öffentliche Ausgaben für Altersversorgung (1996) 5,7 % des BIP
  • Öffentliche Ausgaben für Bildung und Erziehung k. A.
  • Schulpflicht 7 - 17 Jahre
  • Analphabetenquote (2002) ** 0,6 %
  • Armutsquote 19,6 %
  • Kinderunterernährung 3 %
  • Quelle: Rosstat(*); WHO (**)

    Quelle: Rosstat(*); WHO (**)

Gesundheitswesen

Im Artikel 41 der Verfassung Russlands ist für alle Bürger das Recht auf kostenlose medizinische Grundversorgung verankert. Dieser seit den Sowjetzeiten bestehende Grundsatz ist zum Teil die Ursache dafür, dass Russland im internationalen Vergleich eine vergleichsweise hohe Anzahl der Ärzte und der Krankenhäuser pro Kopf der Bevölkerung aufweist.[44][45] Allerdings wurde gerade das Gesundheitswesen von dem wirtschaftlichen Niedergang der 1990er-Jahre in Russland stark getroffen.[46] Das Ergebnis war vor allem die äußerst niedrige Entlohnung der Ärzte und Krankenschwestern und als Folge eine massive Verschlechterung der Qualität der medizinischen Versorgung der breiten Öffentlichkeit. Hinzu kam ein rascher Anstieg des Alkoholkonsums und der Umweltverschmutzung, was zu einer stetig sinkenden Lebenserwartung führte. Dieses Problem ist bis heute noch nicht gelöst: So betrug noch im Jahr 2006 die Lebenserwartung bei Geburt in Russland 59,12 Jahre für Männer und 73,03 Jahre für Frauen.[47] Das entspricht einem Gesamtdurchschnitt von 65,87 Jahren und liegt damit rund 13 Jahre unter dem entsprechenden Wert der EU-Länder.

Als Hauptursache für diese niedrige Lebenserwartung, die vor allem den männlichen Teil der Bevölkerung betrifft, gilt die relativ hohe Sterblichkeit infolge der ungesunden Lebensweise sowie vermeidbarer Ursachen wie Alkoholvergiftungen, Tabakrauchen, Verkehrsunfälle, Suizid und Mord. Als häufigste Todesursache gelten mit 56,7 % diverse Herzkrankheiten,[48] sehr häufig sind auch Krebserkrankungen. Einen merklichen Anstieg seit dem Zerfall der Sowjetunion wiesen auch Todesfälle infolge des Drogenkonsums, der Tuberkulose und des HIV. Die dramatisch gestiegene Sterblichkeit und die gleichzeitig niedrige Geburtenrate bedingten in Russland eine schwere demographische Krise, die bis heute nicht ausreichend überwunden werden konnte.

Um die demographischen Probleme zu mildern, hat die russische Regierung in jüngster Zeit mehrere nationale Programme eingeleitet, die helfen sollen, die Geburtenrate zu steigern. So erhalten seit 2007 Eltern ab ihrem zweiten neugeborenen Kind eine einmalige staatliche Beihilfe in Höhe von 250.000 Rubel, also umgerechnet gut 7100 Euro.[49] Dadurch konnte in der ersten Jahreshälfte 2007 die Geburtenrate auf das höchste Niveau seit dem Zerfall der Sowjetunion gebracht werden.[50] Schrittweise werden auch die Gehälter für das medizinische Personal angehoben sowie staatliche Mittel in die Einrichtung neuer und Modernisierung bestehender Kliniken investiert.

Armut

Der Anteil der Bevölkerung, der unter der Armutsgrenze lebt, betrug 2002 nach Angaben der Weltbank 19,6 %. Dieser Anteil ist jedoch landesweit ungleich verteilt. In Tschetschenien und Dagestan lebten mehr als die Hälfte der Menschen in Armut; weitere arme Regionen sind demnach Inguschetien (47 %), Tuwa & Kabardinien-Balkarien (42 %), Mari El (39 %), Kalmückien (36 %), Burjatien & Altai (32 %) und Mordwinien (31 %). Nach dem Zerfall der UdSSR ist die Armut jedes Jahr erheblich gestiegen und war 1999 mit über 40 % auf dem Höhepunkt. Seitdem hat sich die Lage bis heute spürbar gebessert. Allerdings lebt der Großteil der Nicht-Armen Bevölkerung meistens nur knapp über der Armutsgrenze.

Umweltschutz

Das Recht des Bürgers auf gesunde Umwelt und auf verlässliche Informationen über ihren Zustand ist im Artikel 42 der russischen Verfassung verankert. Allerdings hat der Umweltschutz in der russischen Politik, so auch in der regierungstreuen Partei „Einiges Russland“, bislang faktisch nur eine vergleichsweise niedrige Priorität, was von internationalen Umweltorganisationen wie WWF oder Greenpeace immer wieder kritisiert wird.[51] So wurden in der Vergangenheit oft gängige Umweltstandards bei der Erschließung neuer Erdöl- oder Erdgasvorkommen nur unzureichend eingehalten. Ein bekanntes Beispiel der jüngsten Zeit ist die Erschließung der Fördergebiete Sachalin II, bei der in höherem Maße gegen Umweltauflagen verstoßen worden sein soll. [52] Hinzu kommt eine immer noch verbreitete Korruption innerhalb staatlicher Umweltbehörden, die mehrfache Verstöße gegen Umweltauflagen beim Bau von Häusern oder massenhaften illegalen Holzeinschlag ermöglicht. Auch eine Vielzahl von Altlasten aus den Sowjetzeiten, darunter marode Fabriken, die die heutigen Umweltstandards nicht einhalten können, belasten die Umwelt in Teilen des Landes erheblich. Einige Städte mit solchen Fabriken, wie Norilsk oder Dserschinsk, gelten als ökologisches Notstandsgebiet.[53]

Erst in jüngster Zeit wurden vereinzelte Bemühungen der russischen Staatsmacht zum Vorantreiben des Umwelt- und Klimaschutzes sichtbar. So wurde in Russland die Ratifizierung des Kyoto-Abkommens am 5. November 2004 mit der Zustimmung des Präsidenten zum Beschluss der Staatsduma abgeschlossen.[54] Am 30. Januar 2008 äußerte sich der designierte Präsident Dmitri Medwedew für eine schnelle Entwicklung des einheimischen Marktes für Innovationstechnologien im Umweltschutz.[55]

Kultur

Russland ist ein Land der Dichter, Denker und Komponisten.

Literatur

Zu den russischen Schriftstellern von Weltrang gehören: Fjodor Dostojewski, Nikolai Gogol, Maxim Gorki, Boris Pasternak, Alexander Puschkin, Alexander Solschenizyn, Lew Tolstoi, Anton Tschechow, Iwan Turgenew und Iwan Bunin, der erste russische Schriftsteller, der mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde.

1990 verzeichneten Bücher in Russland eine Auflagenstärke von insgesamt 1,6 Mrd. Büchern. 2004 waren es nur noch 562 Millionen. Auflagenstärkste Autorin war dabei Darja Donzowa mit 99 Bänden und einer Auflagenstärke von 18,1 Mio. Büchern.

Musik

Kunstmusik

Die Anfänge der russischen Kunstmusik begannen sich im 18. Jahrhundert zu entwickeln und standen, da vorrangig am europäisch ausgerichteten Zarenhof gepflegt, stark unter Beeinflussung westeuropäischer Musik. Als typisch russisch anzusehen sind dagegen die A-cappella-Gesänge der orthodoxen Kirchenmusik. Der wichtigste Komponist dieser Zeit war Dmytro Bortnjanskyj, in dessen Schaffen beide Stilrichtungen vertreten sind. Wendungen aus der russischen Volksmusik tauchen erstmals verstärkt in den Opern und Orchesterstücken Michail Glinkas und Alexander Dargomyschskis auf, wodurch sie den Weg zu einer nationalrussischen Komponistenschule ebneten. Im Anschluss daran formierte sich aus fünf jungen Komponisten die sogenannte Gruppe der Fünf (Alexander Borodin, César Cui, Mili Balakirew, Modest Mussorgski, Nikolai Rimski-Korsakow), welche es sich zur Aufgabe machte, gezielt die Eigentümlichkeiten russischer Volksmusik für Symphonien, Opern, Tondichtungen und Kammermusik nutzbar zu machen.

In Kontrast dazu entwickelte sich eine eher an westlicher Musik (besonders der deutschen Romantik) orientierte Gegenströmung, die durch Anton Rubinstein begründet wurde. Ihr gehörte auch der bedeutendste russische Komponist des 19. Jahrhunderts, Peter Tschaikowski, an, dessen Werke (Symphonien, Opern, Ballette, Kammermusikwerke) der russischen Musik erstmals auch im Ausland zu größerem Ansehen verhalfen. Die nachfolgenden Komponisten wie Anatoli Ljadow, Sergei Tanejew, Anton Arenski, Alexander Gretschaninow, Alexander Glasunow und Wassili Kalinnikow setzten in ihren Kompositionen vor allem auf eine aussöhnende Vereinigung des westlich-internationalen und des russisch-nationalen Stiles. Während Sergei Rachmaninow in seinen Klavierkonzerten und Symphonien den Stil Tschaikowskis eigenständig weiterentwickelte, hielt mit Alexander Skrjabin, Schöpfer eines eigenwilligen harmonischen Systems, erstmals die musikalische Moderne in Russland Einzug.

Der Expressionismus ist in der russischen Musik durch das Frühwerk Igor Strawinskis und Sergei Prokofjews repräsentiert. In den 1920er Jahren experimentierten viele Komponisten mit neuartigen musikalischen Gestaltungsmitteln, so auch der junge Dmitri Schostakowitsch, dessen frühe Werke sich besonders durch satirischen Tonfall auszeichnen. Die meisten älteren Komponisten hielten dagegen an der Romantik fest, wie Glasunow, Reinhold Glière und Nikolai Mjaskowski, später dann auch Prokofjew. Ab Mitte der 1930er Jahre wurde für russische Musiker auf Anordnung Stalins die Doktrin des Sozialistischen Realismus bindend, die avantgardistische Experimente verbot und eine „volksnahe“ Kunst forderte. Dieser Zwang lockerte sich erst nach Stalins Tod 1953 allmählich. Hauptrepräsentanten einer sowjetischen Musikkultur wurden im Anschluss neben Schostakowitsch vor allem Dmitri Kabalewski und der Armenier Aram Chatschaturjan. Ab etwa 1980 machen sich auch wieder die einst verpönten avantgardistische Elemente in russischen Kompositionen bemerkbar, so bei Edisson Denissow, Sofia Gubaidulina und Alfred Schnittke. Dagegen hielten Komponisten wie der gebürtige Pole Mieczysław Weinberg oder Boris Tschaikowski die Tradition in der Nachfolge Schostakowitschs aufrecht.

Neben klassischer Musik sind auch einige russische Volkslieder, wie zum Beispiel „Kalinka“ und Katjuscha, über die Grenzen Russlands hinaus bekannt.

Rock- und Popmusik

Zu Beginn der 1980er Jahre, und vor allem in der Zeit der Perestroika, hatte sich in Russland eine vitale, russischsprachige Rockmusikszene entwickelt. Als Galionsfigur dieser Jahre gilt gemeinhin der im Jahre 1990 verstorbene Frontmann von Kino, Wiktor Zoi, dessen Lieder und Texte eine große Anzahl Jugendlicher ansprach und die für viele Bands der nachfolgenden Jahre prägend waren. Neben originären russischen Bands wie Kino, Ljube, Aquarium, DDT und Nautilus Pompilius, oder den Punkbands Graschdanskaja Oborona und Sektor Gasa wurde die Popkultur im Bereich der Musik stark vom internationalen Mainstream beeinflusst.

In den 1990er Jahren etablierte sich in den kulturellen Zentren des Landes, aber insbesondere in St. Petersburg ein weitläufiger Underground, der bis heute das gesamte Spektrum der Musik abdeckt. Gegen Ende des Jahrhunderts startete auch das russische MTV. Während dieser Zeit wurde eine Vielzahl von Rockbands gegründet und aufgelöst, vor allem aber feierten die bereits in den 1980er Jahren gegründeten Formationen große Erfolge. Auch die ersten Bands der Untergrundkultur konnten viele Zuhörer gewinnen, so z. B. Leningrad. Sehr bekannt wurde in dieser Zeit auch Zemfira. Spätestens seit Beginn dieses Jahrzehnts hat auch russische Popsa bedeutende Marktanteile inne. Dabei handelt es sich um tanzbare Musik mit einem hohen Elektroanteil, die besonders Teenager zur Zielgruppe hat und sich musikalisch vollständig an international erfolgreichen Projekten orientiert (Walerija, VIA Gra). Das Duo t.A.T.u. ist die bislang einzige international erfolgreiche russische Popband.

Ballett

Das Ballett hat in Russland lange Tradition. Russland brachte so große Persönlichkeiten wie Anna Pawlowa, Galina Ulanowa, Vaslav Nijinsky, Rudolf Nurejew, Mikhail Baryshnikov, Sergej Diaghilew, Michail Fokin und Maja Plissezkaja hervor. Ballett ist in Russland eine sehr beliebte Form der Unterhaltung. Aus einer 1773 gegründeten Ballettgruppe ging später das weltberühmte Bolschoi-Ballett hervor.

Die heute wohl bekannteste Ballettgruppe ist das Russische Staatsballett. Es wurde 1981 von Irina Tichimisova gegründet und ist seit 1984 unter der Leitung von Wjatscheslaw Gordejew, Ex-Bolshoi-Star. Weltweit hatte das Russische Staatsballett bisher 20 Millionen Besucher.

Theater und Oper

Neben den klassischen Künsten spielt aber auch die Volkskunst eine große Rolle. Viele russische Volkslieder, wie zum Beispiel „Kalinka“, „Schwarze Augen“ oder „Das Lied der Wolgaschlepper“, sind über die Grenzen Russlands hinaus bekannt.

Malerei

Auch auf dem Gebiet der Malerei leistete Russland einen großen Beitrag. Im Zusammenhang mit dem Impressionismus und der Russische Avantgarde sind Namen wie Wassily Kandinsky, Kasimir Malewitsch, Alexej von Jawlensky, Wladimir Tatlin, Michail Larionow und Natalja Gontscharowa zu erwähnen. Zu den großen russische Malern zählen außerdem Andrei Rubljow, Ilja Repin, Marc Chagall, Michail Wrubel, Walentin Serow, Wassili Surikow, Iwan Aiwasowski, Isaak Lewitan, zu den bedeutenden Landschaftsmalern gehörende Nikolai von Astudin und vielen mehr.

In neuerer Zeit machen vor allem provokative Künstler und Künstlergruppen wie „Die blauen Nasen“ Furore, welche international ausgezeichnet werden – von der russisch-orthodoxen Kirche und den Behörden aber immer wieder in die Schranken verwiesen werden.

Film

Zur Sowjetzeit brachte Russland auch einige der wichtigsten europäischen Filmregisseure hervor, beispielsweise Sergei Eisenstein und Andrei Tarkowski. Auch seit den 1990er-Jahren erreichen russische Filme gelegentlich internationale Erfolge: Zu nennen ist beispielsweise der oscarprämierte Streifen Die Sonne, die uns täuscht (1994) von Regisseur Nikita Michalkow, das Jugenddrama The Return – Die Rückkehr (2003) von Andrei Swjaginzew, der hierfür mit dem Goldenen Löwen bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig ausgezeichnet wurde, sowie die Fantasy-Verfilmung Wächter der Nacht – Nochnoi Dozor (2004), die zur kommerziell bislang erfolgreichsten russischen Filmproduktion wurde.

Feiertage

Als Nationalfeiertage gelten in Russland der sogenannte Tag der Einheit des Volkes am 4. November, der an die Befreiung Moskaus im Jahre 1612 von polnisch-litauischen Fremdherrschern erinnert, sowie der Tag Russlands am 12. Juni anlässlich der Erklärung der Staatssouverenität der Russischen SFSR an diesem Tag im Jahr 1990. Daneben gibt es jährlich mehrere gesetzliche Feiertage, von denen vor allem das Neujahrsfest (durchgehend vom 1. bis 5. Januar) sowie der Tag des Sieges über das nationalsozialistische Deutschland (am 9. Mai) einen hohen Stellenwert in der Bevölkerung genießen.

Fällt ein gesetzlicher Feiertag auf einen Dienstag oder einen Donnerstag, ist die Einrichtung eines arbeitsfreien Brückentags am Montag bzw. Freitag üblich, indem der vorhergehende Samstag bzw. der nachfolgende Sonntag im Gegenzug zu Arbeitstagen erklärt werden.

Architektur

Die frühe Architektur Russlands orientiert sich an der des Byzantinischen Reichs: frühe Sakralbauten orientieren sich wie die byzantinischen am Griechischen Kreuz, das von fünf Kuppeln gekrönt wird. Beispiele hierfür sind die Sophienkathedrale in Nowgorod oder die Kirche Sankt Demetrios in Wladimir.

Ein eigenständiger russischer Stil hatte sich wahrscheinlich ursprünglich nur im Bereich der Holzbauten entwickelt, von denen aufgrund des Baumaterials aber keine Bauten erhalten sind, die älter als das 17. Jahrhundert sind. Die Kirchen, die daraus entstanden, zeichnen sich durch eine einfachere zentrale Anlage und einen großen oktogonalen Mittelturm aus. Diese wurden im Laufe der Zeit immer dekorativer ausgestaltet. Ein berühmtes Beispiel ist die Basilius-Kathedrale auf dem Moskauer Roten Platz von 1555.

Westeuropäische Einflüsse breiteten sich mit dem Barock aus. Barockeinflüsse (siehe Russischer Barock) begannen sich Ende des 17. Jahrhunderts in Russland zu zeigen (Kirche der Mutter Gottes von Wladimir in Moskau).

Ein Paradebeispiel dafür ist die Rossistraße in Sankt Petersburg, benannt nach dem Architekten Carlo Rossi, deren Gesamtanlage einschließlich der Häuser einem streng geometrischen Gesamtmuster folgt. In den Sakralbauten wie der Isaakskathedrale allerdings mischen sich klassizistische und historistische Stilelemente.

Anfang des 20. Jahrhunderts waren avantgardistische Strömungen in der gesamten russischen Kultur stark. Nach der Oktoberrevolution konnten ihre Verfechter diese kurze Jahre umsetzen. Beispielgebend ist hier El Lissitzky oder neuartige Prototypen für Wohnungsbau, Industriebau und für die öffentliche Verwaltung. Internationale Architekten wie Le Corbusier, Walter Gropius, Peter Behrens und Ludwig Mies van der Rohe konnten in Moskau bauen.

Unter Stalins Herrschaft erfolgte jedoch schnell ein Rückschlag auf monumental gesteigerte klassische Muster. Der Zuckerbäckerstil begann vorherrschend zu werden, die Repräsentativität stand gegenüber künstlerischen Entwürfen klar im Vordergrund.

Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion wird zunehmend ein historisierender Baustil modern, der Anknüpfungspunkte in der traditionellen russischen Architektur sucht. Beispiele hierfür sind neben vielen anderen Gebäuden die wiederaufgebaute Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau oder die gleichnamige Kathedrale in Kaliningrad.

Sport

In Russland hat Sport einen relativ hohen Stellenwert, was man auf die umfassende sportliche Förderung in der UdSSR zurückführen kann (siehe auch: Sport in der Sowjetunion). Im Gegensatz zum deutschsprachigen Raum gibt es dort reine Sporttageszeitungen, wie beispielsweise die Sport-Express. Die beliebtesten Sportarten der Russen sind Fußball (siehe auch: Fußball in Russland) und Eishockey (siehe auch: Eishockey in Russland). Aber auch Handball, Basketball, Schach und neuerdings Tennis erfreuen sich großer Beliebtheit.

Russland hat bereits zahlreiche Weltklassesportler hervorgebracht. Besonders in den Kategorien Leichtathletik, Wintersport, Turnen/Gymnastik und Gewichtheben dominieren russische Sportlerinnen und Sportler. Aus keiner Nation stammen mehr aktuelle und ehemalige Schachweltmeister und Großmeister als aus Russland.

1980 war die damals sowjetische Hauptstadt Moskau zum ersten Mal Ausrichter der Olympischen Sommerspiele. Im Jahr 2005 hatte sich Moskau vergeblich um die Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele 2012 bemüht. Der Schwarzmeer-Kurort Sotschi wird 2014 zum ersten Mal die Olympischen Winterspiele in Russland ausrichten.

Darüber hinaus ist Russland häufig Austragungsort von internationalen Wettbewerben wie Welt- und Europameisterschaften. So trägt Russland zum ersten Mal die Fußball-Weltmeisterschaft aus, die 2018 unter anderem in Moskau, Sankt Petersburg, aber auch in der Exklave Kaliningrad entschieden wird.

Bildung und Wissenschaft

Bildungssystem

Das Bildungssystem in Russland gliedert sich in vier Abschnitte:

  • allgemeine Schulausbildung
  • Berufsausbildung
  • Hochschulausbildung
  • Postgraduierte Ausbildung

Allgemeine Schulausbildung

Die Allgemeine Schulausbildung untergliedert sich in die Abschnitte Grundstufe, Hauptstufe und Oberstufe.

Der Schuleintritt erfolgt im Alter von sieben Jahren. Das vorgezogene Schuleintrittsalter von sechs Jahren wird durchschnittlich etwa 35 % der Kinder nach einem psychologischen Gutachten empfohlen. Die vierjährige Primarstufe der Grund- oder Anfangsschule absolvieren die mit sieben Jahren eingeschulten Kinder binnen drei Jahren. Sie gelangen auf diese Weise aus dem dritten sofort in das fünfte Schuljahr.

Danach folgt eine obligatorische sechsjährige Hauptschulstufe. Sie führt zum Erwerb der „grundlegenden allgemeinen Bildung“ - in der Regel am Ende der neunten Klasse und nach dem Erreichen des Pflichtschulalters von 15 Jahren. Dieser Abschluss berechtigt zum Besuch der oberen Sekundarstufe (zweijährig), deren Abschluss durch das „Zeugnis über die vollständige mittlere Bildung“ (das traditionell so genannte „Reifezeugnis“) - zu Deutsch: Abitur, eine Studiumaufnahme ermöglicht.

Nach der neunjährigen Pflichtschulbildung kann statt der Oberschulstufe auch eine Berufsausbildung an der mittleren Fachschule (Berufsschule) beziehungsweise dem Technikum gemacht werden. Diese Einrichtungen stehen im vertikal durchlässigen gesamten beruflichen Bildungswesen weiterhin für den Erwerb der vollständigen mittleren Bildung zur Verfügung (dualer Ausbildungsgang). Denn zusätzlich zu den berufsspezifischen Fächern auch die allgemeinbildenden Fächer unterrichtet werden, inhaltlich allerdings an der beruflichen Ausrichtung orientiert.

Universitäten und Hochschulen

Für die Hochschulausbildung steht den Studenten in Russland ein vielfältiges Hochschulwesen zur Verfügung. Außer der klassischen Universität mit einem breiten Fächerangebot gibt es verschiedene Hochschulen und Akademien mit einer speziellen technischen, pädagogischen oder ökonomischen Ausrichtung. Das Abitur ist zwar Voraussetzung für den Hochschulbesuch, es muss jedoch zusätzlich eine Aufnahmeprüfung bestanden werden. Die Studienfinanzierung gibt es für leistungsstarke Schüler kostenfrei, für einen immer größer werdenden Teil der Bevölkerung aber nur gebührenfinanziert.

Sowohl das Studienjahr als auch das Schuljahr beginnen in ganz Russland einheitlich am 1. September eines Jahres.

Die Akademie der Wissenschaften wurde in Sankt Petersburg auf Anordnung von Zar Peter I. per Erlass des regierenden Senats am 28. Januar (8. Februar) 1724 gegründet. Dieses Datum gilt als Gründungstag der Russischen Akademie der Wissenschaften. Seitdem war Wissenschaft und Forschung in Russland ein wichtiges Anliegen.

Das gegenwärtige Bildungssystem der Russischen Föderation befindet sich derzeit in einer großen Umbruchphase. Nach der zentralistischen Führung haben die Hochschulen im Rahmen ihrer Autonomie auch größere Rechte zur Selbstverwaltung erhalten. Diese Chancen werden verstärkt genutzt. Hochschulen werden neu aufgestellt; altehrwürdige Einrichtungen erhalten neue Namen und moderne Strukturen. Insgesamt lassen sich vier Kategorien von Hochschuleinrichtungen in folgender Hierarchie aufstellen:

  • Universitäten
  • Akademien
  • Institute (= Hochschulen)
  • Colleges

Wissenschaft

Erste Anfänge der wissenschaftlichen Tätigkeiten gab es in Russland bereits zu Zeiten des Kiewer Rus. So stammen die ersten überlieferten Chroniken, die Nestorchroniken, aus dem Jahr 1070. Dort wurden vor allem historische Ereignisse und auch meteorologische Beobachtungen festgehalten. Weitere wichtige Meilensteine der russischen Wissenschaft waren die Erschaffung des Kyrillischen Alphabets im 9. Jahrhundert, die Christianisierung des Rus Ende des 10. Jahrhunderts sowie die Herausgabe des ersten gedruckten Buches in kyrillischer Schrift im Jahr 1564.

Wissenschaft als soziale Einrichtung entstand in Russland aber erst Anfang des 18. Jahrhunderts unter der Herrschaft Peter des Großen. Zu dieser Zeit wurden die ersten wissenschaftlichen Einrichtungen des Russischen Reichs gegründet, vor allem 1724 die Akademie der Wissenschaften. 1755 wurde in Moskau mit der heutigen Lomonossow-Universität die erste Universität Russlands gegründet. Im Jahre 1916 gab es in ganz Russland rund 100 Hochschulen, davon 10 Universitäten, sowie einige Dutzend Forschungseinrichtungen. Damit befand sich die Wissenschaft des Russischen Reichs im Vergleich zu vielen anderen europäischen Ländern auf einem niedrigen Entwicklungsniveau. Dennoch genossen schon damals bestimmte Bereiche der russischen Wissenschaft internationales Ansehen. So waren unter den ersten Nobelpreisträgern zwei russische Akademiker, Iwan Pawlow (1904) und Ilja Metschnikow (1908).

Einen erheblichen Entwicklungsschub bekam die russische Wissenschaft zu Sowjetzeiten. Charakteristisch für diese Zeit war der hohe Zentralisierungsgrad der Forschung. So waren die meisten Wissenschaftler bei der Akademie der Wissenschaften oder in ihren regionalen Abteilungen angestellt. Da der Sowjetstaat der Industrialisierung und militärischer Überlegenheit eine sehr hohe Priorität einräumte, förderte er die Forschung und Entwicklung auf diesen Gebieten besonders großzügig. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs förderte der Staat auch die Entwicklung der sowjetischen Raumfahrt sehr intensiv. Dies alles führte dazu, dass die Sowjetunion in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem Industrieland aufgestiegen war. Die Forschung und Entwicklung galt auf bestimmten Gebieten, wie der Rüstungsindustrie und der Raumfahrt, als weltweit führend.

Nach dem Ende der Sowjetunion erlebte die Wissenschaft in der Russischen Föderation in den 1990er-Jahre eine schwere Krise, da es permanent an finanziellen Mitteln fehlte, um das zu Sowjetzeiten aufgebaute System an Forschungseinrichtungen und Betrieben weiter ausreichend zu unterstützen und ihre Mitarbeiter leistungsgerecht zu bezahlen. Das führte zu Entwicklungsstopps auf vielen Gebieten und zur Abwanderung qualifizierter Forschungs- und Lehrkräfte ins europäische Ausland oder in die USA.

Erst seit den 2000er-Jahren werden seitens der Regierung wieder Anstrengungen unternommen, die einheimische Forschung und Entwicklung zu fördern. Hierzu wurden spezielle nationale Zielprogramme entworfen, die unter anderem eine Erhöhung der Gehälter für Angestellte in der Wissenschaft, die Förderung von Nachwuchsakademikern und die landesweite Einrichtung von Technologieparks vorsehen. Dabei wird besonders auf die Weiterentwicklung in den Bereichen Wert gelegt, in denen Russland früher Spitzenergebnisse erzielte, also vor allem in Naturwissenschaften und der Rüstungsindustrie.

Trotz Krisen der 1990er nehmen einige Bereiche der Wissenschaft Russlands nach wie vor im internationalen Vergleich obere Positionen ein. So wurden drei russische Physiker in jüngster Zeit mit dem Nobelpreis ausgezeichnet: Schores Alfjorow im Jahr 2000 sowie Alexei Abrikossow und Witali Ginsburg im Jahr 2003.

Medien

Printmedien

Die tagesaktuelle Presse der UdSSR wurde jahrzehntelang vor allem durch die halbamtliche Presseagentur TASS mit Informationen versorgt. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR entwickelte sich in Russland eine freie Presse, die sich jedoch heute wieder zunehmender Repressalien durch die Regierung ausgesetzt sieht.

Wichtigste Tageszeitung ist die Komsomolskaja Prawda, mit einer Auflage von heute 830.000 Exemplaren. Dahinter folgt der Moskowski Komsomolez mit einer Auflage von 750.000 Exemplaren.

Eine staatliche Informations- und Analyseagentur ist seit 1993 RIA Novosti.

Fernsehen

In den meisten Teilen Russlands können drei landesweite und ein bis zwei regionale Fernsehsender empfangen werden. In Moskau sind je nach Lage mehr als ein Dutzend Fernsehanbieter terrestrisch empfangbar.

Ein Teil der russischen Fernsehsender wird vom staatlichen Medienkonzern WGTRK betrieben. Zu dessen Angebot gehören neben dem Kanal Rossija 1 auch ein Sportsender namens Sport (russisch: Спорт) und ein Kultursender namens Kultura.

In den 1990er Jahren entwickelten sich in Russland mehrere teils landesweite private Fernsehsender, die auch unabhängige und auch Kreml-kritische Informationssendungen im Programm hatten. Zu Beginn der 2000er Jahre gerieten jedoch die landesweit empfangbaren Sender unter die indirekte Kontrolle des Staates oder wurden geschlossen und durch staatliche Sender ersetzt. So sendet Sport heute auf der Frequenz von TW-6.

Viele Filme und Serien – sowohl bei privaten als auch staatlichen Sendern – werden auf einfache Weise übersetzt: ein oder zwei Sprecher sprechen alle Figuren, oft zeitversetzt zum Bild und ohne Intonation.

Russland sendet mit der Fernsehnorm SECAM (Variante Osteuropa). Russland plant langfristig (in den 2010er Jahren) DVB-T einzuführen. Angeblich sollen derartige Geräte subventioniert werden, damit sich die Bevölkerung das verhältnismäßig teure Gerät anschaffen kann.

Hörfunk

Neben dem staatlichen Radio Rossii gibt es zahlreiche private Hörfunksender – meist Lokalsender. Einige Moskauer Stationen haben auch Lizenzen in den Regionen. Der Sender Echo Moskwy gilt als einziger verbliebener Vertreter regierungskritischer Medien.

Russische Radiosender nutzen heutzutage die auch in Deutschland üblichen UKW-Frequenzen (87,5 MHz bis 108,0 MHz) unter der englischen Bezeichnung „FM“. Zu Sowjetzeiten wurde das so genannte OIRT-Band (65,9 bis 73,1 MHz) genutzt, wo heute unter dem Namen UKW noch einzelne Sender laufen.

Viele russische Wohnungen haben einen Radiostecker, mit dem man in der Art des Drahtfunks ein bis drei Sender empfangen kann. Die simplen Geräte benötigen keine weitere Stromversorgung und haben oftmals als einziges Bedienelement einen Lautstärkeregler.

Unter der Bezeichnung Stimme Russlands wird der umfangreiche Rundfunk-Auslandsdienst betrieben.

Internet

Die Geschichte des Internets in Russland beginnt im September 1990, als die Top-Level-Domain „.su“ für die damalige Sowjetunion angemeldet wurde. Diese Domain wird von russischen Websites teilweise bis heute benutzt. Im März 1994 wurde die offizielle Top-Level-Domain „.ru“ für russische Internet-Adressen angemeldet. Websites unter dieser Domain machen heute einen beträchtlichen Teil des russischen Internets – oft kurz Runet genannt – aus.

In den 2000er Jahren stieg die Anzahl der Internetnutzer in ganz Russland kontinuierlich an: Gab es im Jahre 2000 nur 3,1 Millionen Nutzer (2,1 % der Bevölkerung) landesweit, betrug ihre Anzahl im Jahre 2007 bereits 28 Millionen (19,5 %).[56] Das Meinungsforschungsinstitut ROMIR schätzt den Anteil der Internet-Nutzer an der erwachsenen Bevölkerung im zweiten Quartal 2007 auf 21 %. Demnach sollen 8 % der Russen das Internet täglich nutzen, wobei dieser Anteil in Großstädten mit einer Bevölkerungszahl von über 500.000 wesentlich höher sei als in kleineren Orten. 51 Prozent der Benutzer sind männlich, das Durchschnittsalter der Benutzer bezifferte ROMIR auf 31 Jahre.[57]

Im September 2007 überstieg die Gesamtzahl der Second-Level-Domains unter „.ru“ erstmalig den Wert von einer Million.[58] Zu den bedeutendsten Internet-Projekten des Runet gehören die Suchmaschinen Rambler und Yandex, das Online-Netzwerk W Kontakte, die Informations- und Nachrichtenportale RBC Informations Systems, lenta.ru und gazeta.ru. Zu den bekanntesten Providern gehören größere Telekommunikationsunternehmen wie CenterTelekom, MGTS, North-West Telecom oder WolgaTelekom.

Literatur

Allgemeines

  • Volker Ullrich(Hrsg.): Russland und der Kaukasus. Fischer Weltalmanach aktuell (mit Analysen und Reportagen aus der ZEIT und Zahlen, Daten und Fakten aus dem Fischer Weltalmanach). Fischer Taschenbücher. Bd. 72303. Fischer, Frankfurt M 2005. ISBN 3-596-72303-5

Aktuelle Politik

  • Margareta Mommsen: Wer herrscht in Russland? Der Kreml und die Schatten der Macht. 2. durchgesehene und erweiterte Auflage, Beck, München 2004. ISBN 3-406-51118-X.
  • D. Stachow, L. Shevtsova, Roland Götz, J. Scherrer, E.-M. Auch: Aus Politik und Zeitgeschichte. Russland. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2006,11 (13. März 2006). (Onlinetext)
  • Michael Stürmer: Russland. Das Land, das aus der Kälte kommt. Murmann-Verlag, Hamburg 2008, ISBN 978-3-86774-042-5

Geschichte

  • Richard Pipes: Russland vor der Revolution. Staat und Gesellschaft im Zarenreich. München 1977.
  • Abraham Ascher: Geschichte Russlands. Magnus-Verlag, Essen 2005. ISBN 3-88400-432-8
  • Tim Guldimann: Moral und Herrschaft in der Sowjetunion. Erlebnis und Theorie. Suhrkamp, Frankfurt M 1984. ISBN 3518112406
  • Andreas Kappeler: Russland als Vielvölkerreich. Entstehung, Geschichte, Zerfall. München 2001. ISBN 3-406-47573-6
  • Andreas Kappeler: Russische Geschichte, München 1997. ISBN 3-406-47076-9
  • Tanja Wagensohn: Russland nach dem Ende der Sowjetunion. Pustet, Regensburg 2001. ISBN 3-7917-1751-0

Soziologie & Kultur

  • Norbert Franz (Hrsg.): Lexikon der russischen Kultur. Primus, Darmstadt 2002. ISBN 3-89678-413-7
  • Carsten Goehrke: Russischer Alltag. Chronos, Zürich 2003. ISBN 3-0340-0583-0
  • Orlando Figes: Nataschas Tanz. Eine Kulturgeschichte Russlands. Berlin Verlag, Berlin 2003. ISBN 3-8270-0487-x
  • Dorothea Redepenning: Geschichte der russischen und sowjetischen Musik. Das 19. und 20. Jahrhundert in 2 Bänden. Laaber-Verlag, Laaber, 1994. ISBN 978-3-89007-206-7

Einzelnachweise

  1. ↑ RIA Novosti vom 19. Februar 2009: Russlands Geburtsrate von 2008 gleicht die Sterbeziffer nicht aus
  2. ↑ Andreas Zimmermann: Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge: Zugleich ein Beitrag zu den Möglichkeiten und Grenzen völkerrechtlicher Kodifikation. Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Springer, Berlin 2000, ISBN 3-540-66140-9, S. 86 (Fn 304 f.), 90, 120.
  3. ↑ Andreas Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge, I. Teil., 3. Kap. III.4.a, S. 85 ff. mwN (86, 90); vgl. auch die a.A. Schweisfurths, Vom Einheitsstaat (UdSSR) zum Staatenbund (GUS). Juristische Stationen eines Staatszerfalls und einer Staatenbundsentstehung, ZaöRV, Bd. 52 (1992), S. 541–702, hier S. 545 f., 547 (PDF), der zwar eine Identität zwischen dem Russischen Reich und Sowjetrussland annimmt, aber die UdSSR als neues Völkerrechtssubjekt betrachtet.
  4. ↑ Vgl. Theodor Schweisfurth: Staatensukzession, S. 172.
  5. ↑ Nach h.M. ist der Inhalt dieses Begriffes synonym mit „völkerrechtlicher Identität“ zu verstehen, womit sich dieser Begriff und die Bezeichnung „Nachfolgestaat“ wechselseitig ausschließen; vgl. Andreas Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge, passim mzN.
  6. ↑ RIA Novosti: Russlands Bevölkerung stirbt langsamer aus – Statistik und Prognose, 22. November 2007
  7. ↑ http://www.xxx
  8. ↑ Russland-Aktuell: Tataren müssen Kyrillisch schreiben 16. November 2004
  9. ↑ Nationalitätenstatistik der russischen Volkszählung von 2002 (auf Englisch)
  10. ↑ Laut Fischer Weltalmanach 2007, S. 398 sind 50 Mio. von 143,8 Mio. konfessionslos (ebenso die Ausgaben 2008 und 2009), das sind fast 35 %. Das zusammen mit Der Spiegel herausgebrachte dtv-Jahrbuch 2004 (S. 354 f.) gibt 40 % Konfessionslose an, der Spiegel Almanach von 2002 (S. 328) 33 % Atheisten. Der Time Almanach 2008 (S. 462) unterscheidet zwischen 27,4 % Konfessionslosen und 5,2 % Atheisten. Demgegenüber geht The World Almanac and Book of Facts 2009 der New York Times (S. 801) sogar von über 60 % Konfessionslosen aus.
  11. ↑ AOL: Die Welt nimmt Abschied von Boris Jelzin 26. April 2007
  12. ↑ NAK-Mitteldeutschland; Mission
  13. ↑ NAK-Berlin-Brandenburg; Auslandsgemeinden
  14. ↑ Jahrbuch der Zeugen Jehovas 2008
  15. ↑ http://www.xxx
  16. ↑ RUFO: Russlands größter Reichtum sind seine Menschen 27. April 2007
  17. ↑ Information der Botschaft der RF in der Bundesrepublik
  18. ↑ CIA The World Factbook
  19. ↑ Meyers Lexikon online: Russland – Bevölkerung – Religion
  20. ↑ Bevölkerungsentwicklung Russlands beim Föderalen Dienst för staatliche Statistik Russlands (englisch; Berechnungen für den 1. Januar des jeweiligen Jahres, wenn nicht anders angegeben)
  21. ↑ Russlands Bevölkerungszahl auf knapp 142 Millionen geschrumpft, RIA Novosti vom 18. Juni 2010.
  22. ↑ Andreas Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge, S. 91 ff.
  23. ↑ http://xxx
  24. ↑ Meldung eines gemeinsamen Militärischen Manovers von Russland und China. Abgerufen am 25. Dezember 2008.
  25. ↑ Vgl. Le mond diplomatique – Atlas der Globalisierung, 2. Auflage 2010, S. 29.
  26. ↑ Spiegel-Online-Länderlexikon: Russland
  27. ↑ http://www.xxx
  28. ↑ http://xxx
  29. ↑ Handelsblatt: Der Rubel rutscht
  30. ↑ International Monetary Fund: World Economic Outlook Database, April 2008
  31. ↑ Regnum.ru, 8. Dezember 2008
  32. ↑ Lenta.ru, 27. Januar 2009
  33. ↑ Zarplata.ru; überprüft am 9. Mai 2009
  34. ↑ Entwicklung des BIP Russlands: bfai, 2006
  35. ↑ Entwicklung des Haushaltssaldos Russlands: bfai, 2006
  36. ↑ Entwicklung der Inflationsrate Russlands: bfai, 2006
  37. ↑ Entwicklung des Außenhandels Russlands: bfai, 2006
  38. ↑ Siehe auch: Spiegel Online: Folgen der Finanzkrise: Russlands Wirtschaft gerät in den Abwärtssog
  39. ↑ Lenta.ru, 7. Mai 2009
  40. ↑ Lenta.ru, 6. Mai 2009
  41. ↑ Regnum.ru, 18. November 2008
  42. ↑ a b c d The World Factbook
  43. ↑ Der Fischer Weltalmanach 2010: Zahlen, Daten, Fakten. Fischer, Frankfurt, 8. September 2009, ISBN 978-3-596-72910-4.
  44. ↑ Ländervergleich Welt in Zahlen; abgerufen am 5. April 2008
  45. ↑ WHO-Report 1999; abgerufen am 5. April 2008
  46. ↑ William R. Leonard: Declining growth status of indigenous Siberian children in post-Soviet Russia; abgerufen am 5. April 2008
  47. ↑ CIA: The World Factbook; abgerufen am 5. April 2008
  48. ↑ RIA Novosti, 14. Februar 2007; abgerufen am 5. April 2008
  49. ↑ Rossijskaja Gaseta; abgerufen am 5. April 2008
  50. ↑ The Economic Times, 2. Februar 2008; abgerufen am 5. April 2008
  51. ↑ netzeitung.de; abgerufen am 3. April 2008
  52. ↑ Sakhalin Environment Watch; abgerufen am 3. April 2008
  53. ↑ The Blacksmith Institute; abgerufen am 3. April 2008
  54. ↑ www.xxx vom 5. November 2004: „Ratifizierung des Kyoto-Protokolls in Russland abgeschlossen“; abgerufen am 3. April 2008
  55. ↑ RIA Novosti; abgerufen am 3. April 2008
  56. ↑ FOM.ru; abgerufen am 13. April 2008
  57. ↑ ROMIR, Umfrage zur Internetnutzung, zweites Quartal 2007; abgerufen am 13. April 2008
  58. ↑ cnews.ru, 17. September 2007; abgerufen am 13. April 2008

    xxx – Entsprechend unserer Statuten werden uns unbekannte Webadressen nicht veröffentlicht .Für eine weiterführende Recherche gehen Sie bitte auf die entsprechende Wikipediaseite. Mehr Informationen lesen Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Geschichte Russlands

Die Geschichte Russlands bietet einen Überblick über die Vorgeschichte, Entstehung und den zeitlichen Verlauf des russischen Staates.[1]

Ausgehend von der frühesten Besiedlung des heutigen russischen Territoriums seit der Altsteinzeit, beschäftigt sich dieser Artikel mit der Entstehung des Reichs von Kiew (von 980 bis 1240), der Kiewer Rus, des ersten ostslawischen Großreiches, das sich im 10. Jahrhundert formierte, durch die Annahme des Christentums von Byzanz her (988/89) in die christliche Ökumene eintrat und schließlich dem Mongolensturm zum Opfer fiel. Aus dem Konglomerat ostslawischer Teilfürstentümer, die der Zusammenbruch des Reiches von Kiew hinterließ folgte die Zeit der Nachfolgereiche (im Westen von der Mitte des 13. bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, im Osten bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts).[2] Im Zusammenwirken mit der Herrschaft der Tataren führte dies im Verlauf der russischen Geschichte zu einer jahrhundertelangen Entfremdung gegenüber dem Rest des westlichen Kulturkreises.

Mit der zunehmenden Zersetzung der tatarischen Herrschaft und der gleichzeitigen inneren und äußeren Konsolidierung des ethnisch weitgehend russisch geprägten Moskauer Reiches gegenüber des ethnisch weitgehend ruthenisch geprägten Großfürstentums Litauen, begann – durch die räumliche Struktur begünstigt – eine territoriale Expansion, die die russische Geschichte seitdem entscheidend geprägt hat. Einer Phase der inneren Zerüttung, der sogenannten Smuta, am Anfang des 17. Jahrhunderts, folgte mit Zar Peter I. ein Herrscher, der mit den Petrinischen Reformen das seit 1721 imperiale Russische Reich wieder an das restliche Europa heranführte und modernisierte. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts festigte das Russische Reich seinen Anfang des Jahrhunderts erworbenen Großmachtstatus, baute ihn weiter aus. Durch die schnelle räumliche Ausdehnung zu dieser Zeit eilten die staatlichen Aufgaben jedoch dem realen Sozialprodukt davon, so dass die Regierung die für die innere Entwicklung benötigten Mittel anderweitig einsetzen musste. Nach der Niederlage Napoleons erreichte das Russische Reich die Vorherrschaft auf dem europäischen Festland, die bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts andauerte. Aufgrund der festgefahrenen gesellschaftlichen Strukturen wie der Autokratie und der Leibeigenschaft konnte das agrarisch geprägte Reich jedoch mit den sich rasant entwickelnden Industriestaaten immer weniger Schritt halten, bis schließlich der Krimkrieg die Diskrepanz offenlegte und eine Phase der inneren Reformen anschob. Die Reformen beschleunigten Russlands wirtschaftliche Entwicklung, doch das Land wurde immer wieder von inneren Unruhen destabilisiert, da die politischen Veränderungen nicht weitreichend genug waren und große Teile der Bevölkerung ausgeklammert wurden. Durch die Februar- und Oktoberrevolution im Jahre 1917 während des Ersten Weltkriegs, wurde die Zarenherrschaft über Russland beendet und in der Folge die sozialistische Sowjetunion gegründet, die bis 1991 Bestand hatte. Nach ihrer Auflösung ging die Russische Föderation durch einen schwierigen Transformationsprozess, der zunächst große Einbrüche sowohl beim nationalen BIP als auch bei der wirtschaftlichen Situation vieler Menschen verursachte. Darauf folgte ab dem Jahr 2000 ein von der Weltkonjunktur begünstigter Aufschwung.

Frühgeschichte

Bis Mitte des ersten Jahrtausends waren die südrussischen Steppen von unterschiedlichen nomadischen Völkern bewohnt, unter anderem von Skythen und Sarmaten. Die Steppen waren dazu auch immer wieder Durchzugsgebiet für nach Westen ziehende Völker. Nördlicher von ihnen waren in der Waldzone Finno-ugrische Völker und Balten beheimatet. Seit Anfang des ersten Jahrtausends begann aus dem Westen die kontinuierliche Ausbreitung der Slawen. Die slawischen Stämme, die sich unmittelbar auf dem Gebiet des heutigen Russlands niederließen, waren Ilmenslawen, Kriwitschen, Wjatitschen und Sewerjanen. Zwischen 552 und 745 befand sich auf einem Teil vom heutigen Territorium Russlands das Alte Großbulgarische Reich. Um 654 teilte sich Großbulgarien in drei Teile auf. Vom 10. bis zum 14. Jahrhundert gehörte das Land zwischen Wolga und Kama zum Reich der Wolgabulgaren.

Kiewer Periode

Teilfürstlicher Partikularismus

Das Wort „Rus“ (russisch Русь) leitet sich vermutlich von einem Warägerstamm ab, der aus Schweden kommend die großen Flüsse Dnepr und Wolga entlang ruderte (vgl. finnisch: „Ruotsi“ für Schweden). Die verschiedenen Chroniken besagen, dass die Slawen die Waräger zu sich riefen, damit diese ihre Stammesfehden beendeten. Die Waräger gründeten um 862 ein riesiges Reich mit der Hauptstadt Kiew: die Kiewer Rus. Dieses Kiewer Reich kann als erster Großstaat der ostslawischen Geschichte gelten und gelangte in der Folgezeit zu hoher Blüte. Neben Kiew entwickelte sich allmählich Nowgorod am Ilmensee zu einem zweiten Zentrum des Reiches. Von der Mitte des 11. Jahrhunderts an kam es im Kiewer Reich zu vielen Veränderungen, die schrittweise den Niedergang des Reiches einleiteten. Kiew konnte zwar seine Stellung als bedeutender Handelsplatz behalten, aber das Reich zerfiel zunehmend in kleinere Fürstentümer. Als im 11. Jahrhundert der Reiterstamm der Polowzer Kiew bedrohte und das Umland verwüstete, gewannen die nördlich und östlich gelegenen Fürstentümer in der Gegend von Nowgorod und Wladimir an Bedeutung. Nowgorod selber wurde zu einer einflussreichen Kaufmannsrepublik mit einem Hansekontor. Nur kurzfristig konnte Wladimir Monomach (Regierungszeit 1113–1125) die Einheit des Reiches wiederherstellen. Laut der Nestorchronik gab es im 12. Jahrhundert im Kiewer Reich mehr als 100 Städte sowie eine Gesamtbevölkerung von 4 bis 9 Millionen Menschen.

Mongolensturm aus dem Osten

Die Zerstrittenheit der russischen Fürsten erleichterte die Eroberung des Gebietes durch Mongolen aus der ostasiatischen Steppe, die Mongolische Invasion der Rus, auch „Mongolensturm“ genannt. Den Fürsten blieb daher verborgen, dass die Mongolen nach Dschingis Khans Tod 1227 seinen Sohn Ögädäi zum groß-Kahn gewählt hatten und auf seiner 1235 in Qara Qorom, dem Sitz des Herrschers, abgehaltenen Reichsversammlung der Angriff gegen den Westen beschlossen wurde. Zum Feldherren wurde ein Enkel Dschingis Kahns, Bātŭ, bestimmt. Nach längerer Vorbereitung begann der mongolische Vormarsch. Als erste fielen ihnen die Wolgabulgaren zum Opfer, deren Reich um Kazan an der mittleren Wolga als Handelsumschlagsplatz eine bedeutende Rolle besaß. Im Winter 1237/38 drangen die Mongolen in die Fürstentümer Rjazan, Vladimir und Suzdal ein. Hier kamen der Großfürst Jurij II. und alle seine Söhne um. Bātŭ rückte bis vor Toržak im Grenzgebiet Novgorods, kehrte aber um, als Tauwetter die Wege in Sümpfe verwandelte. Dadurch blieben Novgorod und die norwestlichen Fürstentümer verschont. Batu richtete sich in Sarai an der unteren Wolga eine Residenz ein und unternahm von dort aus Vorstöße gegen die südöstlichen Fürstentümer. 1239 fielen Černigov und Perejaslavl am 6. Dezember 1240 die alte Reichshauptstadt Kiew.[3] In schnellem Vorstoß durchstreiften die Mongolen die südwestlichen Fürstentümer der Rus, drangen in Polen ein, nahmen Krakau, verwünsteten Breslau und von dort weiter nach Ungarn. Während für die Länder Polens, Böhmens und Ungarn der Mongolgenvorstoß eine Episode blieb, bedeutete es für die Fürstentümer der Kiewer Rus die dauerhafte Unterwerfung unter mongolischer Herrschaft.

Zeit der Mongolenherrschaft

Die russischen Fürstentümer unter „tatarischem Joch“

Mit der Aufrichtung der Mongolenherrschaft tritt Osteuropa bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts in eine Übergangsphase seiner Geschichte ein, die als dunkles Zeitalter bezeichnet wird.[4] Osteuropa gehörte nun zum Machtbereich der Blauen Horde, die in der Qypcaq-Steppe nördlich des Kaspischen und des Schwarzen Meeres nomadisierte und deren Khan in Sarai an der unteren Wolga residierte. Ostslaven und Westeuropäer benutzen hierfür die Bezeichnung Goldene Horde als Sinnbild des goldgeschmückten Zeltes, dem Palast der Khane. Nominell unterstand der Khan der Goldenen Horde dem Groß-Khan im fernen Qara Qorum. Die Goldene Horde löste sich später zunehmend vom Gesamtkhanat ab. Die ostslavischen Fürsten hatten es daher vornehmlich mit dem jeweiligen Khan der Goldenen Horde zu tun. Dem Khan hatten die Anwärter auf die Großfürstenwürde durch persönliche Reise nach Sarai zu huldigen, um die Ernennung aus seiner Hand durch eine Gnadenurkunde (Jarlyk) entgegenzunehmen. Die Fürsten mussten Tribut liefern und Hilfstruppen bereitstellen. Solange die unterworfenen Gebiete nicht Gefolgschaft und vor allem den Tribut (Jassak) verweigerten, mischten sich die mongolischen Herrscher nicht in die inneren Angelegenheiten der Fürstentümer ein. So war die Form der Herrschaft über die russischen Fürstentümer eine lockere. Ein gewisses Maß an Autonomie blieb bestehen. [5] Auch wenn in der Zeit es immer wieder verheerende Straffeldzüge gab, sobald die Mongolen Widerstand und Ungehorsam entdeckten. Nicht selten bedienten sich russische Fürsten der mongolischen Militärhilfe bei Auseinandersetzungen mit ihren jeweiligen Nachbarn, die teils ihre Verwandten waren.

Die Herrschaftssischerung vollzog sich durch die Entsendung von so genannten Baskaken, zu deutsch Presser, als Beobachter an den Fürstenhöfen, die dem Khan über die politischen Vorgänge auf dem laufenden hielten und mangelndes Wohlverhalten unverzüglich nach Sirai meldeten. Aufrührerische Fürsten wurden dann entweder vom Khan nach Sirai befohlen oder durch eine Strafexpedition tatarischer Truppen zur Folgsamkeit gezwungen. Weitergehende Kontrollmaßnahmen waren nicht notwendig, da die russischen Fürsten untereinander misstrauten und es eine allgemeine Uneinigkeit der russischen Fürsten gab, was zu Intrigen und Anschwärzungen beim Khan durch russische Fürsten führte. Ein weiterer machterhaltender Faktor in der Herrschaftssicherung bildete der Großfürstentitel. Als Großfürst setzte der Khan stets einen Mann seines Vertrauens ein. Die orthodoxe Kirche stellte einen weiteren machtstabilisierenden Faktor dar, da die Khane nicht in die religiösen Angelegenheiten eingriffen.

Nowgorod, das seine Unabhängigkeit behaupten musste, hatte derweil mit Schweden und dem Deutschen Orden zu kämpfen, die von Westen her Gebiet beanspruchten. An der Newa schlug das Heer von Alexander Newski das Heer der Schweden, auf dem Eis des Peipussees vernichtete er die Truppen des Deutschen Ordens (siehe Schlacht auf dem Peipussee). Die betont auf Erfüllung der mongolischen Wünsche ausgerichtete Politik des inzwischen zum Großfürsten von Wladimir aufgestiegenen Alexander Nevskijs bewahrte die Nordost-Rus vor schweren Einfällen der Reiternomaden und verschaffte dem Großfürsten zugleich den nötigen Rückhalt gegenüber Groß-Novgorod und dem Fürstentum Tver, die Zentren antimongolischer Strömungen waren. Die starke Stellung Newskis konnten seine Nachfolger nicht halten, so dass das Großfürstentum Wladimir-Susdal zunehmend auf mongolische Truppen gegen die russischen Fürsten (besonders Nowgorod) setzen musste. Die Goldene Horde stützte sich daher zunehmend auf das Fürstentum Rostow. Die zunehmende Absonderungstendenzen der Goldenen Horde vom Ober-Khanat versuchten die russischen Fürsten ihrerseits durch Ausmanövrierung der beiden tatarischen Gruppierungen zu nutzen. Dies provozierte aber wachsende militärische Eingriffe der Mongolen, die zusammen mit litausichen Einfällen die Nord-Ost Rus im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts an den Rand des Abgrundes brachten. [6] Die Kämpfe hielten während des ersten Viertels des 14. Jahrhunderts an. Beim Kampf um die Großfürstenwürde kristallisierten sich zunehmend zwei rivalisierende Fürstenhäuser heraus, die einander mit allen Mitteln und mit wechselnder tatarischer Hilfe bekämpften: das Fürstentum Tver und das Fürstentum Moskau. Als Ivan I. 1328 den Großfürstentitel durch geschickte Anbiederung bei den Tartaren für seine Dynastie sichern konnte, kehrte etwas ruhigere Verhältnisse in den inneren Bereichen ein. Der Aufstieg Moskaus zur Kontinental- und Weltmacht sei auch dem Umstand zu verdanken, dass die Moskauer Großfürsten sowie die späteren Zaren das indirekte Herrschaftsmodell der Mongolen weitgehend übernahmen, was auch an der Übernahme des Wortes „Jassak“ (ясак) für den zu entrichtenden Tribut sichtbar werde.

Die russische Nationalhistoriographie bewertet die Zeit der Mongolenherrschaft traditionell überwiegend negativ. Die mongolische Fremdherrschaft führte demnach für zwei Jahrhunderte zu einem Abbruch der Beziehungen zum Westen und förderte die Abkapselung des orthodoxen Russlands. Unbestritten sind die katastrophalen Verwüstungen und Entvölkerungen, die vor allem beim ersten großen Feldzug von Batu 1237–1240 nach Schätzungen zu einer Bevölkerungsdezimierung um gut die Hälfte, sowie zur Auslöschung zahlreicher Städte geführt haben.

Expansion des Großfürstentums Litauen im Westen

Seit der Wende des 12./13. Jahrhunderts wurden die westlichen Teilfürstentümer durch die Litauer bedroht. Plündernde litauische Streifscharen wurden häufig bei innerrussischen Fürstenfehden als Hilfstruppen ins Land gerufen. Betroffen waren die Teilfürstentümer Polock, Smolensk, Turov-Pinsk und Teile Wolhyniens. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts kam es zu Eheverbindungen zwischen den Familien ostslawischer Dünafürsten und litauischen Fürsten. Eine echte Bedrohung entwickelte sich zwischen 1240 und 1250, als Mindowe die innere Konsolidierung Litauens vollzog und eine Konzeption in die litauischen Expansionsbestrebungen kam. Der teilfürstliche Partikularismus wie auch der beginnende Mongolensturm begünstigten hierbei die expansiven Absichten der litauischen Großfürsten. Litauen war seinerseits durch die Festsetzung des Deutschen Ordens in Preußen als auch in Livland und seit Beginn des 14. Jahrhunderts durch das Erstarken Polens an einer Westexpansion gehindert, so dass die litauischen Großfürsten das entstandene Machtvakuum im Osten ausnutzen mussten.[7]

Nach dem Tode Mindowes 1263 blieb von den litauischen ostslawischen Erwerbungen nur die Schwarze Rus am oberen Njemen um Grodno und Nowogrodek unter dauernder litauischer Herrschaft. Als am Ende des 13. Jahrhunderts Witen die ganze litauische Macht wieder vereinigen konnte, begann die entscheidende Phase der Expansion. Witen selber gliederte 1307 Polock endgültig an. Sein Nachfolger Gedimin (1316–1341) dehnte den litauischen Machtbereich bis an den westlichen Bug und über den Pripjet aus und gewann auch an Einfluss in Smolensk. Olgerd (1345–1377) nahm in Konkurrenz mit dem polnischen König Kasimir III. Halyč-Wolhynien in die Zange und konnte aus den langen Kämpfen mit Polen um die Beute Wolhynien und Ostpodolien einbringen. Mit der Eroberung Kiews und fast des gesamten mittleren Dnepr-Beckens beherrschte er gut 60 Prozent des ehemaligen Kiewer Reiches.[8]

Damit war der Ausgangspunkt für die folgende Rivalität mit den Großfürsten von Moskau um die Vorherrschaft über das ganze Land der Rus abgesteckt. Versuchen, Kiew als dem alten geistlichen und kulturellen Zentrum der Rus durch Einrichtung einer gegen Moskau gerichteten Metropolie zu neuer Geltung zu verhelfen, blieb dauernder Erfolg jedoch versagt. Auch weil den litauischen Großfürsten die Legitimation als orthodoxe Herrscher fehlte. Auch den entscheidenden Schritt, seine Residenz von Wilna nach Kiew zu verlegen und somit für alle sichtbar einen Anspruch auf die Nachfolge der Kiewer Großfürsten zu erheben, hat Olgard nicht vollzogen. So lässt bereits seine Ostpolitik eine determinierende Konsequenz vermissen, deren Fehlen in der Folgeperiode zusammen mit der Verstrickung in polnische Interessen den Sieg Moskaus begünstigte.

Moskauer Periode

Kampf um die innerrussische Nachfolgeschaft der Kiewer Rus – Aufstieg der Großfürsten von Moskau (ca. 1350 bis 1547)

Alexander Newskis Sohn Daniil Alexandrowitsch bekam von der Goldenen Horde als Lehen das kleine Teilfürstentum Moskau. Iwan Kalita wurde von den Mongolen zum „Großfürsten von Moskau“ ernannt. Moskau selbst war zu Beginn des 13. Jahrhunderts noch eine unbedeutende Burgstadt, aber durch einen breiten Gürtel von Waldsümpfen gut geschützt. Er nahm sich die „Sammlung russischer Erde“ vor, womit die Wiederherstellung der Kiewer Rus gemeint war.

1380 gelang es dem Moskauer Großfürsten Dmitri Donskoi, die Mongolen erstmals in einer großen Schlacht zu schlagen, womit er den Niedergang des Reiches der Goldenen Horde einleitete (siehe Schlacht von Kulikowo). Deren Staatsgebiet zerfiel in die Khanate Kasan, Krim und Astrachan.

Seit dem 13. Jahrhundert waren unterdessen zahlreiche Teilfürstentümer der zerfallenen Kiewer Rus im heutigen Weißrussland und der Ukraine unter die Oberherrschaft Litauens geraten. Dieses Herrschaftsgebilde, das von den bis ins 14. Jahrhundert heidnischen litauischen Großfürsten regiert wurde, war so zum zeitweilig aussichtsreichsten Kandidaten für die Nachfolge Kiews avanciert. Erst später, als mit der Begründung Polen-Litauens die litauische Herrscherfamilie zum Katholizismus konvertierte, musste sie diese Option aufgeben und es entstand der Gegensatz zwischen katholischen Polen bzw. Litauern und orthodoxen Ostslawen auf der anderen Seite, der für die Geschichte dieser Gebiete weithin prägend wurde.

Der Moskauer Großfürst Iwan III. (1462–1505) baute seinen Herrschaftsbereich aus, indem er 1478 die frühere Regionalmacht und Stadtrepublik Nowgorod gewaltsam annektierte. 1475 besiegte Dmitrij von Moskau mit Twer den schärfsten Rivalen um das Großfürstentum. 1476 wurden die Tributzahlungen an die Mongolen beendet, was 1480 zum Großen Gegenüberstehen an der Ugra führte. Der kampflose Abzug der Goldenen Horde wird als das endgültige Ende der mongolischen Vorherrschaft angesehen. 1489 wurde auch Chlynow eingegliedert. Bis 1521 kamen noch Smolensk, Pskow und Rjasan unter die Herrschaft Moskaus. Iwan III. heiratete die Nichte des letzten Kaisers von Byzanz und erklärte Moskau zum Dritten Rom und sich selber zum Kaiser (Zar).

Imperiale Expansion und Smuta (1547 bis 1618)

Zar Iwan IV. Wassiljewitsch Grosny („der Schreckliche“) festigte den russischen Zentralstaat mit zum Teil brutalen Mitteln und unter Mithilfe seiner Leibgarde, der Opritschnina. 1552 wurde die Tatarenhauptstadt Kasan sowie 1556 Astrachan erobert, womit der Weg zur Kolonisierung Sibiriens offen war. 1579 drangen Kosaken unter ihrem Anführer Jermak und im Auftrag der Kaufmannsdynastie Stroganow erstmals nach Sibirien vor. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurden auf diese Weise viele russische Stützpunkte – anfangs als Handelsstützpunkte – in Sibirien gegründet.

Im Westen des Reiches wurde Krieg um Livland geführt, mit dem das von den Meeren und dem Handel weitgehend isolierte Russland einen Zugang zur Ostsee gewinnen wollte. Die anfänglichen Gebietsgewinne im Baltikum gingen jedoch bald wieder verloren, Schweden sicherte sich für ein Jahrhundert russische Gebiete im Nordwesten. Der einzige Hafen, über den Russland Handel mit dem Westen treiben konnte, wurde das 1584 gegründete Archangelsk.

Zur gleichen Zeit war Russland mit einer Invasion aus dem Süden konfrontiert. Krimtatarische und osmanische Armeen forderten das Wolga-Gebiet für den Islam zurück. 1571 gelang es einer kleinen Armee des Chans Devlet I. Giray die russischen Befestigungen unentdeckt zu umgehen und vor Moskau aufzutauchen. Die Vorstädte wurden in Brand gesteckt, woraufhin die ganze Stadt bis auf den Kreml niederbrannte. Ein Jahr später kam der Chan mit einem wesentlich größeren Heer zurück, in der Hoffnung, das angeschlagene Russland endgültig niederzuwerfen. Er musste jedoch eine schwere Niederlage in der Schlacht bei Molodi hinnehmen, die die Bedrohung durch das Krimchanat in den folgenden Jahrhunderten beschränkte. Trotzdem hielten die Raubzüge und Verschleppungen von Menschen im südlichen Grenzland noch lange an. Dies war einer der Faktoren, die die Entwicklung des Kosakentums als wehrhafter Bauern weiter förderte.

Nach dem Tod Iwans IV. kam sein geistig zurückgebliebener Sohn Fjodor I. auf den Thron, für den jedoch der Bojare Boris Godunow die Regierungsgeschäfte übernahm. Nach dem Tod Fjodors 1598 erlosch die jahrhundertealte Rurikiden-Dynastie, da Iwan der Schreckliche zuvor einen weiteren Sohn in einem Wutanfall tötete, während der andere unter mysteriösen Umständen erstochen wurde. Boris Godunow ließ sich zum Zaren krönen und herrschte bis 1605. Er war ein begabter Herrscher, agierte aber sowohl gegen den Hochadel (der ihn als nicht rechtmäßig ansah), als auch gegen die Bauern (Festigung der Leibeigenschaft), sodass seine Position, zumal nach den schweren Hungersnöten von 1601 bis 1603, immer schwächer wurde. Als er 1605 starb, stürzte das Land in eine Zeit schwerer politischer Unruhen (Zeit der Wirren). Schweden und Polen versuchten, die Wirren in Russland zu nutzen und zu intervenieren. Ein Abenteurer, der sich als Zarewitsch Dmitri (der Sohn Iwans IV., der unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen war) ausgab (Pseudodimitri I.), konnte mit polnischer Unterstützung kurz den Zarenthron besteigen, er scheiterte aber an denselben Gegensätzen wie sein Vorgänger, zumal seine Reformversuche als polnisch inspiriert wahrgenommen wurden. Er wurde in einem Aufstand umgebracht, woraufhin die Situation in Russland allerdings nur noch instabiler wurde. Es gab nun einen Zaren der Bojarenpartei Wassili Schuiski, der von den Schweden und einen zweiten falschen Dimitri, der von Polen und Kosaken unterstützt wurde. Als die Polen im Polnisch-Russischen Krieg von 1609 bis 1618 im Jahr 1610 Moskau einnahmen, um nunmehr ihren König Sigismund Wasa zum Zaren zu machen, hielt ihre Herrschaft nur ein Jahr. Ein Volksaufstand, der von Kusma Minin und Dmitri Poscharski angeführt wurde, führte zur Befreiung Moskaus und zur Aufgabe der polnischen Herrschaft in Moskau. Mit diesem Ereignis und mit der Wahl von Michail Fjodorowitsch Romanow zum Zaren 1613 ging die Smuta, die Zeit der Wirren, zu Ende. Der neue Zar begründete die Dynastie der Romanows, die bis zur Oktoberrevolution in Russland herrschte.

Moskauer Tradition und Vorboten der Modernisierung (1618 bis 1689)

Unter dem zweiten Zaren aus dem Hause Romanow, Alexei I. kam es aufgrund der drückenden Steuerlasten zu mehreren Aufständen vor allem in Moskau selbst, die jedoch niedergeschlagen wurden. 1654 erweiterte sich der Machtbereich Russlands um die Ostukraine und Kiew, nachdem die Ukrainer unter Bogdan Chmelnizki einen Volksaufstand gegen die polnische Oberherrschaft unternahmen und sich Russland anschlossen. Kurz darauf folgten innere Unruhen im Zusammenhang mit den Reformen der Russisch-Orthodoxen Kirche durch den Patriarchen Nikon. Die sogenannten Altgläubigen weigerten sich, den neuen Ritus anzunehmen und wurden daraufhin vom Staat verfolgt, so dass es zu einer erheblichen Auswanderungswelle ins Baltikum, ins Donau-Delta und über den Ural kam. 1670 hatte das Zarenreich außerdem mit einer großen Bauern- und Kosakenrevolte im Süden des Landes unter der Führung von Stenka Rasin zu kämpfen. 1676 konnte zusammen mit den Ukrainern eine massive türkische Aggression abgewehrt werden. Im Osten wurde Ostsibirien erobert. Im Westen kam es zu mehreren Kriegen mit Schweden und Polen-Litauen; die Kriege verliefen wechselhaft, jedoch wurde Smolensk dem Reich dauerhaft einverleibt. Als Alexei starb, wurde sein 16-jähriger Sohn Fjodor III. sein Nachfolger. Fjodor, sowohl fromm wie auch dem Westen sehr zugeneigt, litt an Skorbut und starb bereits 1682, ohne einen Sohn als Nachfolger zu hinterlassen.

Russisches Kaiserreich

Aufbau des Petrinischen Reiches (1689 bis 1796)

Modernisierung und Etablierung als Großmacht unter Peter dem Großen (1689 bis 1725)

Zar Peter der Große, der seit 1689 die Regierungsgeschäfte führte, gab dem russischen Staat eine neue Prägung. Er verhalf dem in Teilen noch mittelalterlich geprägten Russland zur dauerhaften Integrierung in die westeuropäische Welt der Neuzeit. Russland lag technologisch zu dem Zeitpunkt hinter den meisten Staaten Westeuropas zurück. Dazu beigetragen hatte die Abschirmungspolitik des Staatsapparates und der Kirche, die nur da Lücken bot, wo man den Westen benötigte.[9] Auch griff der Moskauer Staat im Falle kriegerischer Gefahr noch auf Adelsaufgebote zurück und war zudem wegen seiner schwachen Finanzkraft nicht in der Lage, den Schutz des riesigen, nur unzureichend erschlossenen Territoriums überall erfolgreich zu übernehmen.[10]

Der junge Herrscher hatte sich durch Aufenthalte in der Moskauer Ausländer-Vorstadt, der Nemezkaja sloboda, und seine Aufenthalte während seiner ersten großen Auslandsreise in den Niederlanden und England vom März 1697 bis August 1698 ein genaues Bild von Westeuropa, seinem Wissen und seiner Technik gemacht. Der neue Zar begann nun den Umbau des alten Russlands und seiner Institutionen nach modernem Vorbild. Übergeordneter Zweck war es, das Steueraufkommen zu vermehren, um das Heer zu vergrößern. Da es anfangs kein geplantes Vorgehen gab, kam es zu häufigen Abbrüchen bereits begonnener innerer Reformen oder zu kompletten Verwerfungen von Neuansätzen. Die seit 1696 fast ununterbrochenen Kriege gegen das Osmanische Reich und Schweden sollten den Verlauf, die Ausrichtung und die Durchführung der Reformapakete zusätzlich beeinflussen.

In der Außenpolitik richtete der Zar seine Aufmerksamkeit zuerst auf die Südgrenze Russlands. Als Teil des Großen Türkenkrieges wurde im Oktober 1696 die osmanische Festung Asow am Schwarzen Meer nach einjähriger Belagerung erobert. Russland konnte aber ohne eine eigene Flotte, die in der Lage war, das Schwarze Meer zu beherrschen, nicht selbstständig gegen die Hohe Pforte vorgehen. Dem Aufbau einer modernen Flotte, mit dessen Problematik sich der Zar bereits in England und Holland vertraut gemacht hatte, widmete der Zar einen großen Teil seiner Kraft. Jedoch verzögerte der neue Krieg gegen Schweden den Kampf um das Schwarze Meer. Stattdessen ging es nun um den Zugang zur Ostsee und seine Beherrschung.

Im Großen Nordischen Krieg, vom Zaren dem schwedischen König Karl XII. im August 1700 erklärt, erlitten Russland und seine Verbündeten zunächst schwere Rückschläge. In der Schlacht bei Narva am 19./30. November 1700 wurde die russische Armee vom Schwedenkönig Karl XII. vernichtet. Dieser wandte sich anschließend wieder nach Polen, während Zar Peter in der Zwischenzeit die russische Armee von Grund auf modernisierte. Karl XII. hatte in der Zwischenzeit August II. geschlagen und am 24. September 1706 einen Siegfrieden geschlossen. Nun wandte er sich erneut Russland zu und begann 1708 einen Feldzug gegen Moskau. In der Schlacht von Poltawa am 27. Juni/8. Juli 1709 konnte Peter einen entscheidenden Sieg über das schwedische Heer erringen, der die Wende des Krieges bedeutete.

Dass auch die russische Macht an ihre Grenzen stieß, wurde 1711 sichtbar, als bei einem erneuten Krieg gegen das Osmanische Reich Zar Peter I. im Juli mitsamt seiner 38.000 Mann zählenden Armee[11] am Prut in Gefangenschaft geriet, jedoch nach zwei Tagen unter Verzicht von Asow und der russischen Asow-Flotte überraschend freigelassen wurde. Nachdem Russland das bis dato schwedische Livland und Estland erobert hatte, löste es – als neuer Ostseeanrainer – im Ergebnis des Frieden von Nystad 1721 Schweden als vorherrschende Ostseegroßmacht ab. Zudem wurde das nach dem Frieden von Zar Peter Imperiale ernannte Russische Reich von nun an wieder in die allgemeine europäische Geschichte verwickelt und ein festes Glied des europäischen Staaten- und Bündnissystems.[12] Dennoch hatte der Nordische Krieg dem russischen Volk das Äußerste an Leistung abverlangt. Zeitweilig wurden 82 Prozent der Staatseinnahmen für den Krieg ausgegeben.[13]

Eine umfassende Reformierungspolitik setzte eine tragende und fähige Bürokratie voraus, die die Maßnahmen weitergeben konnte. Die vorhandenen Administrationsorgane waren für diese Zwecke aber unzulänglich. Waren die am Anfang durchgeführten Reformen in diesem Bereich noch überhastet, wurden diese nach der Schlacht von Poltawa sorgfältiger ausgearbeitet. Auch wurden vielfach ausländische Fachkräfte und Gelehrte herangezogen, die Entwürfe und Reglements ausarbeiteten. Die Gouvernementsreformen von 1708 und 1719 teilten das Reich in acht, dann elf Gouvernements ein. 1711 wurde in einem Ukas der Senat als höchste Zentralbehörde gegründet. Diese hatte anfangs die Funktion einer Stellvertretung des Zaren inne. Zudem sollte der aus neun Männern bestehende Senat das Justizwesen leiten und die Innenpolitik überschauen. Auch wirkte der Senat bei der Gesetzgebung mit. Die zweite Phase der Umgestaltung der Zentralbehörden leitete der Ukas vom 15. Dezember 1717 ein, bei der die ersten Kollegien[14] eingerichtet wurden, die die Vorläufer der späteren Ministerien waren.

Für eine erfolgreiche und nachhaltige Reorganisation des Verwaltungsapparates bedurfte es aber eines bedeutenden Signals, um mit den festgefahrenen Moskauer Traditionen zu brechen. Dieses Signal bot sich an, nachdem russische Truppen am 1. Mai 1703 bis zur Newa-Mündung vorgestoßen waren. Der Zar ließ nun nach eigenem Plan ab dem 16. Mai die Peter-und-Paul-Festung errichten mit dem Ziel, ein dauerhaftes „Fenster zum Norden“ zu etablieren und damit die Öffnung für die Modernisierung deutlich zu machen. Im November traf das erste holländische Handelsschiff ein, zugleich entstand die erste russische Waren- und Wechselbörse.

In den folgenden Jahren wurde der Ausbau der neuen geplanten Hauptstadt, Sankt Petersburg exzessiv vorangetrieben, ungeachtet aller Opfer. Dafür beorderte Zar Peter seit 1704 für die Sommermonate 24.000 Arbeitskräfte in die Sümpfe des neu eroberten Mündungsdeltas der Newa. Seit 1708 stieg die Zahl auf bis zu 40.000.[16] Es kam zu Unruhen, vor allem in Südrussland. 1712 wurde die Regierung von Moskau nach St. Petersburg verlegt. Um die neue zentrale Rolle der Stadt als Fenster nach Norden zu fördern, erzwang Zar Peter I. seit 1720 die Umleitung fast des gesamten russischen Außenhandels vom bis dato bedeutendsten russischen Außenhandelshafen Archangelsk nach St. Petersburg.

Nach dem Tod des Patriarchen Adrian I. 1700 war der Posten des kirchlichen Oberhauptes der orthodoxen russischen Kirche vakant geblieben. In der Kirchenreform von 1721 wurde die Kirche in Russland endgültig dem Staat untergeordnet.[17] Peters Streben nach erhöhter Kriegsmacht setzte eine wirtschaftliche Unabhängigkeit voraus. Das Heer und die neu entstandende russische Marine mussten mit Waffen, Ausrüstungen und einheitlichen Uniformen versorgt werden. Der Zar gestattete daher den Angehörigen aller Stände, Adeligen, Kaufleute, Handwerkern und Bauern, Fabriken aller Art zugründen. Seit 1709 nahmen russische Eisenwerke im Ural, in Tula und anderswo ihre Produktion auf. Beim Aufbau der neuen Industrien ergab sich aber sehr bald ein spürbarer Mangel an Arbeitskräften, so dass durch den Zaren die Kategorie der sogenannten Possessionsbauern schuf, die sowohl den Boden zu bewirtschaften als auch in den Manufakturen zu arbeiten hatten.

Energisch setzte sich Peter der Große für die Förderung von Kultur, Bildung, und Wissenschaft in seinem Reich ein. Bei der Verwirklichung seiner Reformabsichten - die ihn insbesondere bei seinen kürzeren Auslandsaufenthalten im Heiligen Römischen Reich 1711 und 1712/3 geprägt hatten, bediente sich der Zar vor allem der Deutschen Frühaufklärung, die in Russland im 18. Jahrhundert zur vorherrschenden Denkrichtung werden sollte.[18] Insbesondere die ersten bedeutenden russischen Wissenschaftler Wassili Nikititsch Tatischtschew, Michail Wassiljewitsch Lomonossow und Wassili Kirillowitsch Trediakowski waren in höchstem Maße von deutschen Gelehrten wie Leibniz und Wolff beeinflusst.

Der hohen Bedeutung, die der Zar der Bildung für die Entwicklung einer modernen Gesellschaft beimaß, zeigten seine zahlreichen Erlasse, durch die Schulen der verschiedensten Typen ins Leben gerufen wurden. Dennoch blieb das weltliche Schulwesen im Argen, weil es an Geld und Lehrern fehlte. Ein weiteres Projekt, das Zar Peter in Angriff nahm, war die Etablierung einer Akademie der Wissenschaften, die im Dezember 1725 nach seinem Tod von seiner Nachfolgerin Katharina I. als Russische Akademie der Wissenschaften gegründet wurde. In enger Verbindung mit der Akademiegründung standen die von ihm befohlene Erkundung und Erforschung seines riesigen Reiches. Die von Peter I. inspirierten Forschungsexpeditionen bis in den Fernen Osten, wie z.B. die Expeditionen Berings vermittelten der russischen Wissenschaft wichtige Impulse und förderten die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung des Reiches.[19]

Um die Besteuerung zu rationalisieren, wurde 1718 die Kopfsteuer eingeführt, wonach allen männlichen Landbewohnern gleichmäßig die gesamte Steuerlast eines Dorfes aufgebürdet werden sollte. Eigentlich als Erleichterung für die Bauern gedacht, hatte sich durch die ständigen Finanzforderungen des Zaren und die häufigen Rekrutenaushebungen die Lage der Bauern erheblich verschlechtert.[20] In allen Bevölkerungsschichten gab es erheblichen Widerstand gegen die Reformpolitik, der sich in verzweifelten Volksaufständen äußerte, die wiederum auf Befehl des Zaren mit brutaler Gewalt niedergeschlagen wurden. Dass die drückende Steuerlast, die Schollenbindung und Leibeigenschaft der Bauern Hauptursachen für die nur langsamen Fortschritte im Russischen Reich waren, wurde von Zar Peter I. nicht gesehen.[21]

Zu den Oppositionskräften der von oben diktierten Reformpolitik zählte neben der Kirche, die sich durch den Bruch mit den Traditionen provoziert sah, auch der Adel, der sich bei der Ämterbesetzung übergangen fühlte. 1722 wurde im Zuge der Adelsreform eine Rangtabelle eingeführt. Sie ermöglichte den unmittelbaren Vergleich ziviler und militärischer Dienstgrade, brach die Vormachtstellung des alten Erbadels, der Bojaren, und schuf einen von der Krone abhängigen Dienstadel. Nur ein Drittel des Adels durfte sich dem Zivildienst widmen; das Militärische genoss Vorrang.[22]

Fortführung seines Werkes (1725 bis 1762)

Nach dem Tod Peters 1725 folgte ihm seine Frau Katharina I. auf den Thron. Sie stand unter dem Einfluss von Alexander Danilowitsch Menschikow, dem sie die Regierungsgeschäfte praktisch uneingeschränkt überließ. Doch schon zwei Jahre nach ihrem Regierungsantritt starb Katharina. Ihr Nachfolger wurde der Enkel Peters des Großen, Peter II., der Menschikow schon bald entmachtete und seinen Hof nach Moskau verlegte. Doch auch Peter starb schon bald nach seinem Regierungsantritt an den Pocken ohne einen Erben zu hinterlassen. Nach seinem Tod wurde der Hof erneut nach St. Petersburg verlegt.

Seine Nachfolgerin als Zarin wurde seine Tante, Anna Iwanowna. Sie bremste viele Reformen Peters des Großen, die zu diesem Zeitpunkt noch wirksam waren. Das Geld wurde der Förderung von Bildung und anderen Unternehmungen entzogen und für aufwändige und verschwenderische Hofzeremonien ausgegeben. Zu den militärischen Ereignissen ihrer Regierungszeit zählte der Feldzug von Burkhard Christoph von Münnich gegen das Krimchanat, der diesen langen gefährlichen Feind Russlands wesentlich schwächte. Unter Anna gewannen viele Deutsche einen erheblichen Einfluss im russischen Staat, darunter Ernst Johann von Biron und Heinrich Johann Ostermann. Ihre repressiven Herrschaftsmethoden wurden bald sehr unpopulär und führten im Jahr 1741 zu einem Staatsstreich, bei dem die Tochter Peters des Großen Elisabeth Petrowna Zarin wurde.

Die Regierungszeit von Elisabeth war das Gegenteil des Herrschaftsmodells von Anna. Hohe Staatsämter wurden wieder an Russen vergeben, Modernisierung und Weiterentwicklung des Landes wurde wieder angestoßen. Beispielsweise unterstützte Elisabeth Michail Lomonossow bei der Gründung der Moskauer Staatsuniversität. Elisabeth Petrowna erließ einige sehr liberale Gesetze, unter anderem wurde in Russland die Todesstrafe abgeschafft und während ihrer Regierungszeit kein einziges Mal vollzogen. Elisabeth, die sich stark auf den Adel stützte, förderte die Künste und die Architektur, auf ihre Initiative wurde das Winterpalais von Sankt Petersburg, der Katharinenpalast und viele andere bekannte Bauwerke errichtet. St. Petersburg, auch das Venedig des Nordens genannt, stieg endgültig zu einer bedeutenden Metropole auf. Im Siebenjährigen Krieg eroberte die russische Armee weite Teile Preußens, darunter auch Berlin. Der Tod von Elisabeth 1762, bekannt als das Mirakel des Hauses Brandenburg, wendete die totale Niederlage Preußens ab. Der deutschfreundliche Neffe (sein Vater war der Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorp) von Elisabeth, Peter III., gab Preußen alle eroberten Gebiete zurück.

Das Zeitalter Katharinas II. (1762 bis 1796)

Aus der allgemeinen Unzufriedenheit mit der Politik Peters III. entstand eine Verschwörung, im Zuge derer seine Ehefrau Katharina II. („die Große“) an die Macht kam. Auch sie setzte den Modernisierungskurs ihrer Vorgängerin fort. Zusammen mit ihrem Favoriten Grigori Potjomkin entwarf sie eine kühne Vision, das sogenannte „Griechische Projekt“. Es sah vor, die Macht des Osmanischen Reiches auf dem Balkan zu brechen und ein zusammenhängendes orthodoxes Reich von der Ägäis bis nach Russland zu erschaffen. Die Meerengen sowie Konstantinopel sollten unter die Kontrolle Russlands fallen. Eine Reihe von Kriegen gegen das Osmanische Reich brachte dieses Ziel tatsächlich näher, auch wenn es nie vollständig realisiert wurde. Weite Teile Südrusslands und der Südukraine kamen zum Russischen Reich. In den neuen Landstrichen, die unter dem Namen Neurussland zusammengefasst waren, wurden zahlreiche neue Städte wie Sewastopol, Odessa oder Jekaterinoslaw gegründet. Katharina besaß eine große Macht in Polen und übte großen Einfluss auf dessen Entscheidungen und Thronverhältnisse aus. Schließlich beschloss sie zusammen mit Preußen und Österreich die Polnischen Teilungen, bei denen sich Russland große Gebiete sicherte.

Im Inland war sie 1773 mit einem massiven Bauern- und Kosakenaufstand (Pugatschow-Aufstand) konfrontiert. Er resultierte aus den verschärften Regelungen für die Leibeigenschaft. Katharina konnte den Aufstand blutig niederschlagen, doch weite Teile des südlichen Wolga- und Uralgebietes blieben noch lange von dem bürgerkriegsähnlichen Aufstand verwüstet. Zum Wiederaufbau und -besiedlung dieser Landstriche wurden viele Deutsche als Siedler nach Russland eingeladen. Katharina beseitigte außerdem die Autonomie der ukrainischen Kosaken und gab ihnen stattdessen Ländereien im Krasnodar-Gebiet. Die französische Revolution von 1789 hat sie endgültig von den liberalen Ideen abgestoßen, die sich in der Anfangszeit ihrer Herrschaft noch pflegte.

Bis 1812 wurden Finnland, Georgien und Bessarabien russisch.

Die entwickelte Autokratie (1796 bis 1855)

Russland im Zeitalter der Französischen Revolution

Nach Katharinas Tod am 17. November 1796 folgte ihr Sohn Paul I. (1796–1801), der laut seiner Gegner durch eine verkehrte Erziehung ein misstrauischer, launenhafter Tyrann geworden war. Anfangs erließ er einige wohltätige Verordnungen zugunsten der Leibeigenen und Altgläubigen. Wichtig ist auch das von ihm 1797 erlassene Familiengesetz. Dieses bestimmte für die Thronfolge das Recht der Erstgeburt in direkt absteigender Linie und dabei den Vorrang der männlichen Nachkommen vor den weiblichen als Reichsgrundgesetz. Ein anderes Gesetz trennte einen Teil der Kronbauern als Eigentum der kaiserlichen Familie unter dem Namen Apanagebauern ab. Aus Misstrauen gegen die revolutionären Ideen der französischen Revolution verbot Paul aber den Besuch ausländischer Lehranstalten und Universitäten, führte eine verschärfte Zensur und strenge Aufsicht über alle im Reich lebenden Ausländer und fremden Reisenden ein und bestrafte jede freie Meinungsäußerung mit launischer Willkür.

An den Koalitionskriegen gegen Frankreich nahm er erst teil, als die aus Malta vertriebenen Ritter des Malteserordens ihn im Oktober 1798 zum Großmeister des Malteserordens gewählt und seine Hilfe gegen Frankreich angerufen hatten. Im zweiten Koalitionskrieg stellte er Hilfstruppen unter General Hermann für die von den Briten beabsichtigte Landung in den Niederlanden, für den Krieg in Süddeutschland (unter General Rimski-Korsakow) und in Italien (unter Suworow). Sogar Sultan Selim III. schickte er eine Flotte mit 4000 Soldaten nach Konstantinopel zu Hilfe

Die glänzendsten Erfolge erzielte Suworow in Italien, wo er mit den Österreichern vereint durch die Siege bei Cassano d’Adda (27. April 1799), an der Trebbia (17.–19. Juni) und bei Novi Ligure (15. August) die Franzosen aus dem Pogebiet vertrieb. Als er dann auf seinem berühmten Marsch über den Gotthardpass in die Schweiz vordrang, um sich mit Rimski-Korsakow zu vereinigen, war dieser kurz zuvor (26. September) bei Zürich geschlagen worden, und Suworow musste sich über den Panixerpass nach Graubünden wenden, von wo er nach Russland zurückkehrte.

Auch die Landung in den Niederlanden endete mit einer schimpflichen Kapitulation (19. Oktober). Zar Paul schrieb diese Misserfolge der Unfähigkeit der verbündeten Befehlshaber zu. Er sagte sich von der Koalition los und schloss nach dem Muster des von Katharina II. veranlassten Neutralitätsvertrags vom 26. Februar 1780 zur Beschränkung der britischen Seemacht im Dezember 1800 einen solchen mit Schweden, Dänemark und Preußen. Großbritannien antwortete sofort mit einem Angriff auf Kopenhagen. Paul plante daraufhin ein Bündnis mit Frankreich und eine Invasion des britischen Indiens; noch ehe es jedoch zu Feindseligkeiten zwischen Großbritannien und Russland kam, wurde Paul am 24. März 1801 von einigen Adligen ermordet.

Das Zeitalter Alexanders I. (1801 bis 1825)

Sein 23-jähriger Sohn Alexander I. (1801–1825) entsagte sofort in einem Vertrag mit Großbritannien der bewaffneten Neutralität, um sich den Werken des Friedens widmen zu können. Nach Rousseau'schen Grundsätzen erzogen, schwärmte er für humane Ideale, ohne jedoch seine unbeschränkte Herrschergewalt, auf die er nicht verzichtete, mit Energie und Ausdauer für deren Verwirklichung anzuwenden. An Stelle der von Peter I. begründeten Kollegien errichtete er acht Ministerien (1802), schuf für die Prüfung und Beratung aller neuen Gesetze und Maßregeln der Regierung den Staatsrat (1810, auch Reichsrat genannt), suchte die Finanzen zu regeln und legte zur Verminderung der Heereskosten Militärkolonien an. Die Leibeigenschaft hob er in den baltischen Provinzen auf und milderte sie in Russland selbst. Die Zahl der Gymnasien und Volksschulen wurde beträchtlich vermehrt, Universitäten neu errichtet (in Kasan und Charkiw) oder reorganisiert (in Dorpat und Vilnius).

Bald erkannte er, dass seine friedliche, ja freundschaftliche Haltung zu Frankreich von Napoleon nur benutzt wurde, um in Mitteleuropa nach Willkür schalten zu können. 1805 trat er der dritten Koalition gegen Frankreich bei. Doch wurde das russische Heer unter Kutusow, das sich in Mähren mit den Österreichern vereinigte, am 2. Dezember 1805 bei Austerlitz geschlagen und musste infolge des Waffenstillstandes zwischen Frankreich und Österreich das österreichische Gebiet räumen.

Seinem sentimentalen Freundschaftsbündnis mit Friedrich Wilhelm III. getreu, kam Alexander 1806 Preußen zu Hilfe, als dessen Heerestrümmer nach der Schlacht bei Jena und Auerstedt über die Oder zurückgedrängt waren (vierte Koalition). Die Russen lieferten den Franzosen in Polen die unentschiedenen Gefechte von Czarnowo (23.–24. Dezember), Schlacht von Pultusk und Golymin (26. Dezember 1806), in Preußen die mörderische, aber nicht entscheidende Schlacht bei Preußisch Eylau (7.–8. Februar 1807), wurden aber nach einem längeren Waffenstillstand 10. Juni bei Heilsberg und 14. Juni bei Friedland (Ostpreußen) geschlagen.

Bei einer persönlichen Zusammenkunft mit Alexander am 25. Juni gelang es Napoleon, den Zaren völlig für sich zu gewinnen. Alexander schloss am 7. Juli mit Napoleon den Frieden von Tilsit. Dabei ließ er Preußen völlig im Stich. Er bereicherte sich sogar auf dessen Kosten am Grenzdistrikt Białystok. In einem geheimen Bundesvertrag teilten sie sich die Herrschaft über Europa. Genaueres wurde bei einer zweiten Zusammenkunft in Erfurt (Erfurter Fürstenkongress, September bis Oktober 1808) bestimmt. Russland überließ Napoleon die Herrschaft über Deutschland, Spanien und Portugal und trat der Kontinentalsperre gegen Großbritannien bei. Dafür durfte Russland Schweden und die Türkei erobern.

Schon Anfang 1808 hatte Russland Schweden den Krieg erklärt und ein Heer in Finnland einrücken lassen, das in kurzer Zeit erobert wurde; 1809 gingen russische Truppen über das Eis des Bottnischen Meerbusens, besetzten die Ålandinseln und die gegenüberliegende schwedische Küste. Karl XIII. von Schweden musste den Frieden von Frederikshamn schließen (17. September 1809) und ganz Finnland bis zum Fluss Tornea und die Ålandinseln an Russland abtreten.

Das zweite Opfer des Tilsiter Bündnisses war die Türkei. Von Napoleon provoziert, begann sie am 30. Dezember 1806 den achten russisch-türkischen Krieg (1806–1812). Die Russen drangen in die Donaufürstentümer ein, siegten im September 1810 bei Batin an der Donau und im Oktober 1811 bei Rustschuk über die Türken und erzwangen den Frieden von Bukarest (28. Mai 1812), durch welchen der Pruth zur Grenze zwischen den beiden Reichen bestimmt wurde. Ein Krieg mit Persien wurde gleichzeitig durch Abtretung eines Länderstreifens am Westufer des Kaspischen Meers mit Baku beendet.

Kaum waren diese Kriege beendet, musste die russische Donauarmee unter Admiral Tschitschagow in den Krieg mit Frankreich 1812 eingreifen lassen. Ursache des Krieges war der Übermut Napoleons, der Russland als Bündnispartner nicht mehr zu brauchen glaubte und allein in Europa herrschen wollte. Er vergrößerte 1809 das Herzogtum Warschau um Westgalizien, beraubte Herzog Peter Friedrich Ludwig von Oldenburg, einen nahen Verwandten des russischen Kaiserhauses, willkürlich seines Landes und forderte eine Verschärfung der Kontinentalsperre, lehnte aber die von Russland verlangte Räumung Preußens ab.

Im Sommer 1812 überschritt Napoleon mit der Großen Armee von 477.000 Mann die russische Grenze. Die Russen waren zahlenmäßig weit unterlegen (sie zählten kaum 200.000 Mann). Trotzdem besiegten sie Napoleon, indem sie eine offene Feldschlacht vermieden, sich in das unermessliche Innere des Reiches zurückzogen und den Feind durch Kleinkrieg ermüdeten. Um die Bevölkerung von jeder Unterstützung des Feindes abzuhalten, wurde die orthodoxe Religion für gefährdet erklärt und der heilige Krieg proklamiert.

Der linke Flügel der Franzosen unter Jacques MacDonald, dem das preußische Hilfskorps beigegeben war, rückte in die baltischen Provinzen ein; der rechte unter Karl Philipp Fürst zu Schwarzenberg drang in Wolhynien vor. Die Hauptarmee unter Napoleon selbst schlug die Richtung nach Moskau ein, erreichte 28. Juni Vilnius, 28. Juli Wizebsk und stieß erst Mitte August bei Smolensk auf die 116.000 Mann starke russische Westarmee unter Barclay de Tolly. Sie leistete Widerstand, wurde aber am 17. August geschlagen.

Die Russen deckten den weiteren Rückzug durch die Gefechte bei Walutina Gora (19. August), Dorogobusch (26. August), Wjasma (29. August) und Gschatsk (heute Gagarin, 1. September). Nachdem Michail Kutusow den Oberbefehl übernommen hatte, wagten sie am 7. September noch einmal die Schlacht von Borodino. Zwar mussten sie nach einem hartnäckigen und furchtbar blutigen Kampf ihre Stellung räumen und Moskau preisgeben, in das Napoleon am 14. September einzog; aber das französische Heer war nicht nur auf 100.000 Mann zusammengeschmolzen, sondern auch erschöpft und kriegsmüde, und statt durch den Besitz Moskaus den Frieden erzwingen zu können, fand Napoleon die Stadt von fast allen Einwohnern verlassen und der Vernichtung geweiht; denn am Abend des 15. September begann der angeblich vom Gouverneur Rostoptschin befohlene Brandlegungen in Moskau, (er selbst hat diese Version später zurückgewiesen), der in sechstägigem Wüten fast die ganze Stadt in Asche legte und die Franzosen der Mittel des Unterhalts beraubte.

Napoleon konnte nun nicht in Moskau überwintern, und nachdem seine Friedensanträge von Alexander erst hingehalten, dann zurückgewiesen worden waren, trat er am 18. Oktober den Rückzug an. Er wandte sich zuerst gegen Kaluga, um in den noch unberührten südlichen Landstrichen Winterquartiere zu finden, wurde aber bei Malojaroslawez am 24. Oktober von Kutusow nach dem Norden zurückgeworfen und musste nun durch völlig ausgesogene Gegenden seinen Rückzug nach Smolensk fortsetzen, wobei seine Nachhut fortwährend von Kosaken umschwärmt und angegriffen wurde. Durch den Mangel an Lebensmitteln und die früh eingetretene Kälte litt die Armee fürchterlich und war schon in Auflösung, als sie am 9. November Smolensk erreichte.

Der weitere Rückzug wurde dadurch gefährdet, dass die russische Südarmee unter Tschitschagow nach Zurückdrängung Schwarzenbergs und die Nordarmee unter Wittgenstein, welche den Vormarsch der Franzosen in die Ostseeprovinzen nicht hatte hindern können und zweimal ohne Erfolg bei Polozk gekämpft hatte (17.–18. August und 18.–19. Oktober), sich nun auf der Rückzugslinie Napoleons vereinigen konnten. Mit Mühe, unter Aufbietung der letzten Kräfte, erzwangen die Franzosen am 26.–28. November noch vor dieser Vereinigung den Übergang über die Beresina; aber in bejammernswertem Zustand erreichte der Rest des Heers am 6. Dezember Wilna, wo es sich auch nicht behaupten konnte. Der Abfall Yorcks von den Franzosen (30. Dezember) nötigte dieselben Anfang 1813 auch zur Räumung der Weichsellinie.

Auch die russischen Truppen waren durch die Verluste und die Strapazen des Winterfeldzugs stark vermindert und erschöpft, und im russischen Hauptquartier waren viele einflussreiche Personen für einen sofortigen, möglichst vorteilhaften Frieden mit Frankreich. Aber zu einem solchen zeigte sich Napoleon keineswegs geneigt, und auch Alexander verlockten Ehrgeiz und Herrschsucht sowie der Wunsch, sich den Besitz ganz Polens zu sichern, zur Fortsetzung des Kriegs im Bund mit Preußen (siehe Befreiungskriege).

Der erste Feldzug, welchen russische Feldherren, Wittgenstein und Barclay, befehligten, endete nach den Schlachten bei Großgörschen und bei Bautzen mit dem Rückzug nach Schlesien. Im zweiten Teil des Kriegs aber, als Österreich, Großbritannien und Schweden der sechsten Koalition beigetreten waren, nahmen die russischen Truppen hervorragenden Anteil an den Siegen, besonders der schlesischen Armee 1813–1814, durch welche Napoleon aus Deutschland vertrieben und endlich gestürzt wurde. Im Rate der Verbündeten spielte Kaiser Alexander neben Metternich die bedeutendste Rolle. Er verhalf den zu energischem Handeln drängenden Ratschlägen der preußischen Staatsmänner und Generale oft zum Sieg. Nach Vereitelung seines Plans, Bernadotte auf den französischen Thron zu erheben, bewirkte er die Restauration der Bourbonen und die übermäßige Schonung Frankreichs im ersten Pariser Frieden.

Auf dem Wiener Kongress forderte er, dass Preußens Erwerbungen der dritten polnischen Teilung an Russland fallen und Preußen dafür mit Sachsen entschädigt werde. Preußen wäre so zu einem Satelliten Russlands geworden, das bis weit nach Mitteleuropa hineingereicht hätte. Damit führte er einen Konflikt mit Österreich und Großbritannien herbei; Metternich und der britische Außenminister Castlereagh suchten eine drohende Vorherrschaft Russlands zu verhindern. Im Februar konnte durch einige Zugeständnisse Russlands der Konflikt beigelegt werden. Russland erhielt das eigentliche Polen (das so genannte Kongresspolen) als besonderes Königreich, dem auch eine eigene liberale Verfassung verliehen wurde. Seine Besitzungen dehnten sich nun im Westen bis nahe an die Oder aus, während es sich im äußersten Osten über die Beringstraße hinaus über einen Teil Nordamerikas ausbreitete; es umfasste über 20 Millionen Quadratkilometer mit etwa 50 Millionen Einwohnern.

1815 wurde Zar Alexander I. in Europa als „Retter Europas“ gefeiert und bestimmte beim Wiener Kongress maßgeblich die Neuordnung Europas mit. Mit auf seine Anregung hin wurde unter anderem die Heilige Allianz, die aus Russland, Österreich und Preußen bestand, gegründet. Russland dominierte nun Kontinentaleuropa, bis der Krimkrieg in den 1850er Jahren dieser Dominanz ein Ende setzte. Alexander starb Ende 1825 in Taganrog am Asowschen Meer ohne Nachkommen zu hinterlassen.

Das Zeitalter Nikolaus I. (1825 bis 1855)

Laut Nachfolgeregelung wäre ihm eigentlich sein Bruder Konstantin auf dem Thron gefolgt; dieser hatte jedoch bereits 1822 auf den Thron verzichtet. Alexander hatte deshalb im Geheimen seinen Bruder Nikolaus Pawlowitsch zu seinem Nachfolger designiert. Nach dem Tode Alexanders wurde erst Konstantin zum Herrscher ausgerufen; als dieser verzichtete, kam es zeitweise zu einer wirren Situation. Bei der Vereidigung der Petersburger Garnison auf den Zaren Nikolaus I. kam es aus Enttäuschung über ausgebliebene innenpolitische Reformen 1825 zum erfolglosen Dekabristenaufstand.

Nikolaus, der bis 1855 regierte, war ein eher vorsichtiger Herrscher, der sich vor allem als Bewahrer der bestehenden Ordnung im Innern und Äußeren sah. Er unterstützte die Reaktion in Europa; mehrmals drohte Nikolaus mit einer Interventionsarmee, wenn es, wie beispielsweise in Belgien, zu nationalen Unruhen kam. Im Inneren regierte Nikolaus streng autokratisch. Unter seiner Ägide wurde auch die Geheimpolizei, die spätere Ochrana, ins Leben gerufen.

Im russisch-türkischen Krieg (1828/29) besiegte Russland das Osmanische Reich und gewann Gebiete im südlichen Kaukasus. Moldau, Walachei und Serbien wurden autonom und gerieten unter russischem Einfluss. 1830/1831 kam es zum polnischen Aufstand, der auch auf Litauen übergriff, jedoch erfolgreich niedergeschlagen wurde. Als Muhammad Ali Pascha im Kampf gegen den türkischen Sultan 1832 bis nach Anatolien vorstieß, schickte Nikolaus zur Unterstützung des Sultans Truppen. Im Revolutionsjahr 1848 halfen russische Truppen dabei, die aufständischen Ungarn im Habsburger Reich niederzuschlagen. Einer möglichen deutschen Einigung stand Nikolaus kritisch gegenüber und bei der Konferenz von Olmütz übte er starken Druck auf Preußen aus, um eine kleindeutsche Einigung unter Führung Preußens zu verhindern und den Deutschen Bund in seiner alten Form wiederherzustellen.

Ab 1850 gewann die Kolonialpolitik auch in Russland zunehmend an Bedeutung. Russland dehnte hierbei im beginnenden Zeitalter des Imperialismus 1852–1888 sein Einflussgebiet auf Turkestan und den Kaukasus aus und hegte auch wenig realistische Ambitionen auf China und Indien (The Great Game). 1860 wurde am Pazifik Wladiwostok gegründet, als feste Ausgangsbasis für eine aktivere und aggressive Politik Russlands im Fernen Osten.

Von 1853 bis 1856 kam es zum Krimkrieg, bei dem Russland einer Allianz aus Großbritannien, Frankreich, Piemont und dem Osmanischem Reich unterlag. Der Krieg wurde nicht nur auf der Krim selbst, sondern auch in der Ostsee, im Weißen Meer und im Schwarzen Meer ausgetragen. Im Krieg machte sich die Rückständigkeit Russlands unangenehm bemerkbar; die Ausrüstung des Landheeres war mangelhaft und die Flotte Russlands war vollkommen veraltet und einer Kraftprobe mit der britischen Royal Navy nicht gewachsen.

Zeitalter der Reformen (1855 bis 1881)

Als Reaktion auf die in der Niederlage im Krimkrieg deutlich zutage getretene Rückständigkeit Russlands nahm Alexander II. weitreichende Reformen in Angriff, deren wesentlichste Bestandteile die seit 1861 durchgeführte Aufhebung der Leibeigenschaft, Reformen im Justizwesen und eine neue Militärorganisation waren. Alexander setzte diese Reformen gegen große Widerstände durch. Nach dem Türkisch-Russischen Krieg 1877–1878, in dessen Verlauf Russland die Unabhängigkeit Bulgariens vom Osmanischen Reich erreichte, verbreitete sich die Idee des Panslawismus, also der Vereinigung der slawischen Völker unter russischer Herrschaft. Diese Ideen waren nicht neu, aber jetzt fanden sie durch eine national gesinnte Presse und Agitatoren zunehmend Gehör in Russland. Auf dem Berliner Kongress erlitt Russland jedoch einen Rückschlag, denn eine Schaffung eines Groß-Bulgarien, wie sie Russland anstrebte, traf auf heftige Opposition Großbritanniens und Österreich-Ungarns, die einen Durchbruch Russlands an die Adria unbedingt unterbinden wollten. In Russland bildeten sich in diesen Jahrzehnten mehrere radikale Gruppen, die einen Umsturz anstrebten. Auf Alexander wurden mehrere erfolglose Attentate verübt, am 11. März 1881 jedoch wurde der Zar von dem Anarchisten Nikolas Rysakow ermordet.

Russland im Zeitalter des Imperialismus (1881 bis 1917)

Ihm folgte sein Sohn als Alexander III. nach, der, auch durch die Ermordung seines Vaters beeinflusst, einen reformfeindlichen Kurs einschlug und streng autokratisch regierte. Dabei stützte er sich vor allem auf die Armee und auf die Geheimpolizei, die Ochrana. Die Armee nahm im Inneren Russlands traditionell auch Polizeiaufgaben wahr. Von 1891 bis 1901 wurde die Transsibirische Eisenbahn zwischen Wladiwostok und Tscheljabinsk gebaut, die den Westen und den Osten des Reiches miteinander verbinden sollte; auch die Besiedlung Sibiriens wurde hierdurch begünstigt. 1896 erhielt Russland durch den Bau einer Abzweigung, der Transmandschurischen Eisenbahn, Einfluss auf die Mandschurei, was aber zu kollidierenden Interessen mit Japan führte; beide suchten sich auf Kosten Chinas zu vergrößern.

So kam es 1904–1905 zum Russisch-Japanischen Krieg. Japan, seit 1902 Bündnispartner Großbritanniens, attackierte den russischen Stützpunkt Port Arthur ohne vorherige Kriegserklärung und versenkte einen Teil des russischen Fernostgeschwaders. Am 13. April kam es zu einer ersten Seeschlacht, die mit dem Sieg der Japaner endete. Diese besetzten nun die Höhen um die Festung Port Arthur und begannen mit der Belagerung. Von den Höhen aus nahmen sie auch die russischen Schiffe unter Feuer; im August versuchte die Restflotte einen erneuten Durchbruch. Es kam zu einer weiteren Seeschlacht, in der die restlichen russischen Schiffe versenkt wurden. Der Zar war jedoch uneinsichtig und noch nicht zu einem Frieden bereit, den auch weite Kreise, von Großindustriellen bis zu den Militärs, in Russland forderten. Nachdem die Russische Ostseeflotte die halbe Welt umrundet hatte, kam es am 14.–15. (27.–28.) Mai 1905 bei Tsushima in der Meerenge von Korea und Japan zur Schlacht mit der japanischen Flotte unter Admiral Tōgō Heihachirō. Erneut unterlag die russische Flotte der japanischen, und nachdem die Festung Port Arthur von den Japanern erobert worden war, musste Russland einem von US-Präsident Theodore Roosevelt vermittelten Frieden zustimmen, der am 23. August (5. September) 1905 in Portsmouth, New Hampshire, unterzeichnet wurde. Die Niederlage wurde als Sensation empfunden, denn erst zum zweiten Mal (nach der italienischen Niederlage in Äthiopien 1896) war eine europäische Nation gegen eine außereuropäische unterlegen. Wiederum zeigte sich die Rückständigkeit Russlands.

Durch ausgebliebene innenpolitische Reformen und den Konflikt zwischen Anhängern einer Annäherung an den Westen (Westler) und Gegnern einer solchen Annäherung (Slawophile) geriet Russland wirtschaftlich immer mehr ins Hintertreffen gegenüber den anderen Großmächten. Die Korruption im Land war weit verbreitet und höher als in den westlichen Ländern. Zudem war die starke Zentralisierung des Staates nicht immer von Vorteil. In Moskau und Sankt Petersburg, aber auch in anderen russischen Städten entstanden Kreise von Intellektuellen, Kommunisten und Anarchisten. Sie wurden von Zar Alexander III. brutal verfolgt. Sein Nachfolger, Nikolaus II., behielt die Politik seines Vaters bei. Hinzu kamen soziale Probleme, die im Zuge der Industrialisierung des Landes entstanden, sowie eine Hungersnot im Jahre 1890. 1898 wurde die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands (Vorgängerin der Kommunistischen Partei Russlands) gegründet, in welcher ab 1903 die Bolschewiki unter Lenin die Führung übernahmen. Die Niederlage Russlands im russisch-japanischen Krieg verstärkte die Unzufriedenheit nur noch und es kam zu großen Demonstrationen. Nach dem Petersburger Blutsonntag 1905 fand von 1905 bis 1907 eine erfolglose Revolution in Russland statt, die jedoch dem Zaren die Unzufriedenheit im Land zeigte. Zar Nikolaus II. rief unter anhaltendem Druck ein Parlament, die Duma, zusammen, die er jedoch wiederholt auflösen ließ. Dazu wurde eine Verfassung ausgearbeitet, das Staatsgrundgesetz des Kaiserreichs Russland. Die Duma wird in der Geschichtswissenschaft teilweise als Scheinparlament bezeichnet.

Außenpolitisch war Russland nach der 1890 vom Deutschen Kaiser Wilhelm II. verweigerten Verlängerung des Rückversicherungsvertrages 1892 ein Bündnis mit Frankreich eingegangen. Nach der Niederlage im Fernen Osten richtete Russland wieder seine Aufmerksamkeit auf Europa und den Balkan. Russland war nach dem verlorenen Krieg jedoch extrem geschwächt und musste zusehen, wie Österreich-Ungarn mit Rückendeckung des Deutschen Reiches 1908 Bosnien-Herzegowina annektierte. Die Spannungen auf dem Balkan nahmen immer weiter zu, denn das Osmanische Reich, „der kranke Mann am Bosporus”, war zunehmend im Zerfallen begriffen. 1907 schloss Russland ein Übereinkommen mit Großbritannien, in dem die Streitigkeiten in Asien ausgeräumt und die gegenseitigen Interessensphären festgelegt wurden. Es kam in Europa zu einem Rüstungswettlauf. Die allgemeine Lage verdüsterte sich zunehmend und ein großer europäischer Krieg wurde immer wahrscheinlicher.

Im August 1914 brach der Erste Weltkrieg aus. Russland stand als Verbündeter Serbiens, Frankreichs und Großbritanniens gegen das mächtige Deutsche Reich, Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich. Nach einigen Erfolgen vor allem in Galizien erlitt Russland mehrere schwere Niederlagen gegen die deutsche Armee; Polen und das Baltikum gingen verloren. Den Oberbefehl im Hauptquartier in Baranowitschi (ab dem 8. August 1915 in Mogiljow) übernahm zunächst der Großfürst Nikolai Nikolajewitsch (2. August bis 5. September 1915). Aufgrund der katastrophalen Niederlagen der russischen Armeen übernahm Zar Nikolaus II. am 9. September das Oberkommando. Doch war er nicht wesentlich erfolgreicher, nach zwei Jahren stand Russland vor dem wirtschaftlichen und militärischen Zusammenbruch.

Im März 1917 kam durch die Februarrevolution das Ende der Zarenherrschaft. Alexander Kerenski rief eine demokratische Republik aus. Am 15. März wurde der Zar als Oberbefehlshaber abgelöst. Der Versuch des Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch, sich erneut an die Spitze der Armee zu setzen, blieb Episode, unter dem Druck der Protestierenden war die Provisorische Regierung gezwungen, ihn des Amtes zu entheben.

Nach Alexejew (24. März bis 4. Juni) und Brussilow (4. Juni bis 1. August) wurde Kornilow (1. August bis 9. September) Oberbefehlshaber. Kornilow sah in der Linken und in den Arbeiter- und Soldatenräten die entscheidende Gefahr für Russland und forderte von Kerenski diktatorische Vollmachten. Der setzte daraufhin Kornilow als Oberbefehlshaber ab. Kornilow weigerte sich jedoch, seine Befehlsgewalt abzugeben, und appellierte an die Bevölkerung von Petrograd (Sankt Petersburg), ihm gegen die Räte und die Provisorische Regierung zu folgen. Aber der Putschversuch Kornilows hatte keinen Erfolg, weil die Bevölkerung – und die linken Gruppen – Kerenski unterstützten. Kerenski wurde neuer Oberbefehlshaber (12. September bis 16. November). Da das Deutsche Reich die Lage Russlands destabilisieren und den Krieg im Osten beenden wollte, gelangte der bisher im Exil lebende Lenin nach Petrograd, wo es im Oktober zur kommunistischen Oktoberrevolution kam. Die Hauptstadt Russlands wurde zurück nach Moskau verlegt. Polen, Finnland, das Baltikum und vorübergehend auch Weißrussland sowie die Ukraine wurden unabhängig.

Das Hauptquartier nahm gegenüber den Bolschewiki eine feindliche Haltung ein, und am 7. November wandte es sich mit einem Aufruf an die Armee, gegen die Bolschewiki zu kämpfen. Am 20. November erhielt das Hauptquartier eine Weisung von Lenin, Verhandlungen über einen Waffenstillstand mit Deutschland und seinen Verbündeten zu beginnen, aber am 22. November lehnte es der Oberste Befehlshaber Duchonin ab, diese Weisung auszuführen.

Er wurde daraufhin seines Amtes enthoben und Krylenko am 22. November zum sowjetischen Obersten Befehlshaber ernannt. Am 3. Dezember entließ das Hauptquartier Kornilow und andere Generäle aus der Haft im Kloster Bychow, wodurch der Beginn eines Bürgerkriegs begünstigt wurde.

Am 3. Dezember 1917 wurde das Hauptquartier von revolutionären Kräften unter der Führung von Krylenko eingenommen, der das Amt des Obersten Befehlshabers übernahm. An diesem Tag wurde das Hauptquartier bis auf den Stab des Obersten Befehlshabers, der für die Ausführung der Demobilisierung der Armee verantwortlich war, aufgelöst. Am 5. März 1918 wurde das Amt des Obersten Befehlshabers der Armee aufgehoben und sein Stab aufgelöst.

Sowjetunion (1917 bis 1991)

Kriegskommunismus und Neue Ökonomische Politik

Lenin verlegte die Hauptstadt wieder von St. Petersburg nach Moskau. Nach dem Vertrag von Brest-Litowsk wurde 1918 die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik (RSFSR) gegründet, die sich sofort einem Einmarsch Deutschlands und des wieder unabhängigen Polens ausgesetzt sah. Hinzu kam, dass sich die im Zuge der Februarrevolution an die Macht gekommene Regierung nicht aufgeben wollte und als Weiße Armee mit Unterstützung ausländischer Interventionstruppen im Baltikum, im Süden (Briten, Franzosen) und in Fernost (Japan, USA, Tschechoslowakische Legion) den Bürgerkrieg gegen die kommunistische Rote Armee anfing. Der Bürgerkrieg hatte hohe Verluste unter der Zivilbevölkerung zur Folge. Der Roten Armee gelang es, Weißrussland, die Ukraine und Georgien zu erobern und dort Sowjetrepubliken zu errichten, die 1922 zusammen mit der RSFSR die Sowjetunion begründeten. 1924 wurde die erste sowjetische Verfassung erstellt.

Stalinismus

In Zeiten der Sowjetunion war Russland in Form der RSFSR die größte und wirtschaftlich, sozial und politisch dominierende Sowjetrepublik. Vor allem in Sibirien wurden die Besiedelung und die wirtschaftliche Erschließung, oft durch die Arbeit politischer und militärischer Gefangener, vorangetrieben. Während der Herrschaft Stalins, im sogenannten Stalinismus, kamen Millionen von Bürgern des Landes gewaltsam in Lagern oder in Gefängnissen ums Leben – die genaue Anzahl der Opfer ist unbekannt

Im Zweiten Weltkrieg war Russland neben Weißrussland und der Ukraine einer der Hauptkriegsschauplätze. Dabei brachten die deutschen Eroberer im Zeichen nationalsozialistischen Rassenideologie schlimmstes Leid über die Bevölkerung: Ermordung und Verschleppung mehrerer Millionen sowjetischer Zivilisten und Kriegsgefangener, Massenmorde an Juden, Sinti und Roma, Versklavung und Ausbeutung der besetzten Gebiete. In Anlehnung an den Vaterländischen Krieg gegen Napoleon Bonaparte wurde der Zweite Weltkrieg auf sowjetischem Gebiet als Großer Vaterländischer Krieg bezeichnet. Bei Stalingrad und Kursk (siehe Schlacht von Stalingrad und Schlacht bei Kursk) erlitt die eingedrungene deutsche Wehrmacht entscheidende Niederlagen, was den Wendepunkt im Zweiten Weltkrieg einleitete.

1945 eroberte die Rote Armee das nördliche Ostpreußen und bildete auf diesem vom inzwischen sowjetischen Litauen und von Polen umschlossenen Gebiet die Oblast Kaliningrad. Ferner gewann sie im Fernen Osten von Japan das südliche Sachalin und die Kurilen. 1954 wurde auf Betreiben von Nikita Chruschtschow die Krim von der RSFSR an die Ukrainische SSR übertragen. (Zur Zeit von 1958 bis 1985 vgl. Geschichte der Sowjetunion)

Perestroika und Ende der Sowjetunion

Mit Beginn der 1980er Jahre geriet die sowjetische Wirtschaft immer mehr in eine Krise. Auf einigen Gebieten der Versorgung herrschte schwerer Mangel. Nach dem Tod von Konstantin Tschernenko wurde am 11. März 1985 der noch relativ junge Michail Sergejewitsch Gorbatschow zu seinem Nachfolger bestimmt. Im Zuge seiner Politik von Perestroika und Glasnost trat die wirtschaftliche Krise immer klarer zutage. Durch die sinkenden Ölpreise im Zuge des ersten Golfkrieges zwischen dem Iran und dem Irak fiel ein wichtiger Devisenbringer und eine Haupteinnahmequelle der Sowjetunion weg. Die Invasion in Afghanistan 1979 und der daraus resultierende kostspielige Krieg lasteten ebenfalls schwer auf dem Staatshaushalt. Die Versuche Gorbatschows, den Rüstungswettlauf zu beenden um Geld für dringend benötigte innenpolitische Reformen und Modernisierungen einzuleiten, wurden von den USA nicht goutiert, da die USA dem Systemfeind nicht helfen, sondern ihn zerschlagen wollten. Gorbatschow geriet innenpolitisch zunehmend in Bedrängnis; den Reformern gingen seine Reformen nicht weit genug, den reaktionären Kräften schon zu weit. Im aufstrebenden Boris Jelzin erwuchs Gorbatschow auch ein Gegner, der ihn bald in den Schatten drängen sollte. Der Unmut der sowjetischen Bevölkerung entlud sich immer offener und in den Republiken kam es verstärkt zu separatistischen Tendenzen. 1991 erklärten sich im Zuge des Machtzerfalls der sowjetischen Regierung und nach dem erfolglosen Putsch gegen Gorbatschow im August zunächst die drei baltischen Länder Litauen, Lettland und Estland, später auch die übrigen Sowjetrepubliken für unabhängig. Am 8. Dezember 1991 beschlossen die Staatsoberhäupter der letzten drei Unionsrepubliken – der russischen, ukrainischen und weißrussischen – die offizielle Auflösung der Sowjetunion. Die RSFSR trat unter der Bezeichnung Russische Föderation ihre Rechtsnachfolge an.

Russische Föderation

Gleichzeitig mit der Auflösung der Sowjetunion gründete Russland zusammen mit Weißrussland und der Ukraine die GUS, der sich später mit Ausnahme der baltischen Staaten auch die anderen ehemaligen Sowjetrepubliken anschlossen.

1992 ließ der russische Präsident Boris Jelzin einen Föderationsvertrag unterzeichnen, der den Subjekten (Bundesländern) Russlands weitreichende Vollmachten zubilligte. 1993 kam es in Moskau zu blutigen Auseinandersetzungen, als sich der Machtkampf zwischen dem konservativ dominierten Parlament und dem Präsidenten zuspitzte (siehe Russische Verfassungskrise 1993). Russland blieb in den 1990er Jahren instabil, was sich in zum Teil gravierenden Wirtschaftsproblemen und in Nationalitätenkonflikten (Menschenrechtsverletzungen und Geiselnahmen im Konflikt um Tschetschenien) zeigte.

1996 gründete Russland zusammen mit der Volksrepublik China, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan die Shanghai Five, eine internationale Organisation, die sich vor allem der Bekämpfung von Separatismus und Terrorismus verschrieben hat.

1998 brach das russische Bankenwesen zusammen, wodurch viele Russen ihr Guthaben verloren. Seitdem befindet sich Russland aber in einer Phase wirtschaftlicher und politischer Konsolidierung. Der Konflikt um Tschetschenien konnte auch unter Jelzins Nachfolger Wladimir Wladimirowitsch Putin nicht wirklich gelöst werden. Die Politik gegenüber Westeuropa war zunächst von zunehmendem Vertrauen und Stabilität geprägt; insbesondere um ein gutes Verhältnis zu Deutschland bemühten sich Jelzin wie auch Putin. Gleichzeitig war Russland bemüht, seinen Einfluss in den Nachbarländern, vor allem in Mittelasien und Weißrussland weiter auszubauen bzw. wiederzuerlangen. So wurde mit Weißrussland eine Wirtschafts-, Verteidigungs- und Zollunion abgeschlossen (Russisch-Weißrussische Union), die aber auf Grund der unberechenbaren Politik des weißrussischen Präsidenten Aljaksandr Lukaschenka zunehmend in Frage gestellt wird.

Am 14. Juni 2001 entstand durch die Aufnahme Usbekistans aus der Shanghai Five die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO), durch die Russland beim Kampf um den zukünftigen Einfluss auf Mittelasien und seine Rohstoffe mehr Einfluss gewinnen und den wachsenden Einfluss der USA einschränken will.

In Russland selbst war in der Amtszeit Putins eine faktische Einschränkung der Pressefreiheit (siehe auch Medien in Russland) zu beobachten. Bedingt durch die rasant wachsende Wirtschaft kam es zu einer Sanierung des Staatshaushaltes (Tilgung der Auslandsschulden), was sich auch in steigenden Löhnen bemerkbar machte. Außenpolitisch wendete sich Russland nach einigen Jahren der Annäherung mehr und mehr vom Westen ab. Die Absicht der USA, Teile ihres geplanten Raketenabwehrsystems in Polen und Tschechien aufzustellen führten zu neuen Disharmonien zwischen Russland und den USA. Ohnehin verschlechterte sich das Verhältnis zu den USA in den letzten Jahren kontinuierlich; die Versuche der USA, im Kaukasus und in Mittelasien den eigenen Einfluss zu erweitern, werden in Russland misstrauisch gesehen. Dazu tragen auch wiederholte russlandfeindliche Äußerungen verschiedener wichtiger Personen der US-Admininstrationen bei. Zu Spannungen mit Georgien und der Ukraine kam es, als dort die regierenden pro-russischen Herrschaftseliten durch Massendemonstrationen von der Macht vertrieben wurden und stark nationalistisch orientierte Politiker an die Macht kamen, die ein enges Verhältnis zu den USA anstreben, Russland hingegen öffentlich kritisieren.

Am 2. März 2008 wurde Dmitri Medwedew zum Nachfolger Wladimir Putins als Präsident Russlands gewählt. Im andauernden Konflikt mit dem von den USA unterstützten Georgien um Südossetien und Abchasien kam es im August 2008 zu fünftägigen militärischen Auseinandersetzungen, aus denen Russland siegreich hervorging. Auch im Verhältnis zur Ukraine nahmen die Spannungen zu. Streitpunkte sind vor allem die Krim mit ihrem mehrheitlich russischen Bevölkerungsanteil und die russischen Gaslieferungen. Da es bei den Neuverhandlungen zu keiner Einigung kam, stellte der russische Staatsbetrieb Gazprom zum 1. Januar 2009 die Lieferungen an die Ukraine vorübergehend ein; in der Folge kam es zu schweren Lieferengpässen in Europa. Internationale Beobachter vermuteten, dass in der Ukraine Pipelines illegal angezapft wurden, um die eigene Versorgung sicherzustellen.

Literatur

  • Werner Adam: Das neue Russland. Putins Aufbruch mit schwerem Erbe. Holzhausen, Wien 2000, ISBN 3-85493-018-6.
  • Erich F. Beck: Die russische Kirche. Ihre Geschichte, Lehre und Liturgie mit besonderer Berücksichtigung ihrer Unterscheidungslehren und ihres Verhältnisses zur römischen Kirche. Unitas-Verlag, Bühl/Baden 1926.
  • Thomas M. Bohn (Hrsg.): Geschichte des russischen Reiches und der Sowjetunion. Böhlau, Köln 2002, ISBN 3-412-14098-8.
  • Erich Donnert: Russland (860–1917) Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 1998, ISBN 3-7917-1582-8.
  • Hans Ebeling, Wolfgang Birkenfeld: 19. Jahrhundert. Ein geschichtliches Arbeitsbuch (Die Reise in die Vergangenheit; Bd. 4). Westermann Schulbuchverlag, Braunschweig 1991, ISBN 3-14-140704-5.
  • Orlando Figes: Nataschas Tanz. Eine Kulturgeschichte Russlands. Berlin Verlag, Berlin 2003, ISBN 978-3827004871.
  • Valentin Giterman: Geschichte Rußlands. Athenäum-Verlag, Frankfurt/M. 1987, ISBN 3-610-08461-8 (Repr. d. Ausg. Hamburg 1949).
  • Heiko Haumann: Geschichte Russlands. Chronos-Verlag, Zürich 2003, ISBN 3-03-400638-1.
  • Michel Heller: Histoire de la Russie et de son Empire. Flammarion, Paris 1997, ISBN 2-08-081410-9.
  • Manfred Hellmann, Stefan Plaggenborg (Hrsg.): Handbuch der Geschichte Russlands. Hiersemann, Stuttgart 1986/2004, ISBN 3-7772-7621-9 (6 Bde.).
  • Edgar Hösch: Geschichte Rußlands vom Kiever Reich bis zum Zerfall des Sowjetimperiums. Kohlhammer, Stuttgart 1996, ISBN 3-17-011322-4.
  • Andreas Kappeler (Hrsg.): Die Geschichte Russlands im 16. und 17. Jahrhundert aus der Perspektive seiner Regionen (Forschungen zur osteuropäischen Geschichte; Bd. 63). Harrassowitz, Wiesbaden 2004, ISBN 3-447-05029-2 (dt., engl., franz. und russ. Beiträge).
  • Horst Günther Linke: Geschichte Russlands. Von den Anfängen bis heute. Wissenschaftliche Buchgesellschaft und Primus-Verlag, Darmstadt 2006, ISBN 978-3-89678-557-2.
  • Robin Milner-Gulland: Bildatlas der Weltkulturen, Russland. Kunst, Geschichte, Lebensformen. Bechtermünz, Augsburg 1997, ISBN 3-86047-787-0.
  • Dimitrij S. Mirskij: Russland. Von der Vorgeschichte bis zur Oktoberrevolution. Magnus-Verlag, Essen 1975.
  • Gottfried Schramm: Altrusslands Anfang. Historische Schlüsse aus Namen, Wörtern und Texten zum 9. und 10. Jahrhundert. Rombach-Verlag, Freiburg/B. 2002, ISBN 3-7930-9268-2.
  • Günther Stökl: Russische Geschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. 6. erweiterte Aufl. Kröner, Stuttgart 1997, ISBN 3-520-24406-3.
  • Hans-Joachim Torke (Hrsg.): Die russischen Zaren 1547–1917 C.H.Beck München, 2005 (3. überarbeitete Auflage) ISBN 3-406-42105-9.
  • Tanja Wagensohn: Russland nach dem Ende der Sowjetunion. Pustet, Regensburg 2001, ISBN 3-7917-1751-0.
  • Margareta Mommsen/Angelika Nußberger: Das System Putin. Verlag C.H.Beck, München 2007, ISBN 3-406-54790-7.

Einzelnachweise

  1. ↑ Im Zentrum steht also die Geschichte des russischen Ostslawentums, also das ethnische Russland. Die Strukturgeschichte der Ruthenen bzw. Ukrainer und Weißrussen als auch die Abhandlung nichtslawischer Völker und Territorien sind nicht Gegenstand dieses Artikels.
  2. ↑ Carsten Goehrke: Russland, Paderborn, 2010, S. 16
  3. ↑ Goehrke/Hellmann/Lorenz/Scheibert: Weltgeschichte - Russland, Band 31, Weltbild Verlag, Frankfurt am Main 1998, S. 75
  4. ↑ Goehrke/Hellmann/Lorenz/Scheibert: Weltgeschichte - Russland, Band 31, Weltbild Verlag, Frankfurt am Main 1998, S. 76
  5. ↑ Goehrke/Hellmann/Lorenz/Scheibert: Weltgeschichte - Russland, Band 31, Weltbild Verlag, Frankfurt am Main 1998, S. 79
  6. ↑ Goehrke/Hellmann/Lorenz/Scheibert: Weltgeschichte - Russland, Band 31, Weltbild Verlag, Frankfurt am Main 1998, S. 80
  7. ↑ Carsten Goehrke et al.: Russland, Augsburg, 1998, S.90
  8. ↑ Carsten Goehrke et al.: Russland, Augsburg, 1998, S.91
  9. ↑ Goehrke/Hellmann/Lorenz/Scheibert: Weltgeschichte - Russland, Band 31, Weltbild Verlag, Frankfurt am Main 1998, S. 174
  10. ↑ Goehrke/Hellmann/Lorenz/Scheibert: Weltgeschichte - Russland, Band 31, Weltbild Verlag, Frankfurt am Main 1998, S. 177
  11. ↑ Hans-Joachim Torke: Die russischen Zaren, 1547–1917 , C.H.Beck - Verlag, S. 165
  12. ↑ Goehrke/Hellmann/Lorenz/Scheibert: Weltgeschichte - Russland, Band 31, Weltbild Verlag, Frankfurt am Main 1998, S. 180
  13. ↑ Goehrke/Hellmann/Lorenz/Scheibert: Weltgeschichte - Russland, Band 31, Weltbild Verlag, Frankfurt am Main 1998, S. 181
  14. ↑ (Auswärtiges, Staatskontor, Admiralität, Kammer-, Kommerz-, Justiz-, Revisions-, Kriegs- sowie das Berg- und Manufakturkollegium.; Chrisopher Schmidt: Russische Geschichte 1547–1917, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, S. 35
  15. ↑ Goehrke/Hellmann/Lorenz/Scheibert: Weltgeschichte - Russland, Band 31, Weltbild Verlag, Frankfurt am Main 1998, S. 186
  16. ↑ Christoph Schmidt: Russische Geschichte 1547–1917, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, S. 33
  17. ↑ Goehrke/Hellmann/Lorenz/Scheibert: Weltgeschichte - Russland, Band 31, Weltbild Verlag, Frankfurt am Main 1998, S. 185
  18. ↑ Hans-Joachim Torke: Die russischen Zaren, 1547–1917 , C.H.Beck - Verlag, S. 170
  19. ↑ Hans-Joachim Torke: Die russischen Zaren, 1547–1917 , C.H.Beck - Verlag, S. 172
  20. ↑ Goehrke/Hellmann/Lorenz/Scheibert: Weltgeschichte - Russland, Band 31, Weltbild Verlag, Frankfurt am Main 1998, S. 198
  21. ↑ Hans-Joachim Torke: Die russischen Zaren, 1547–1917 , C.H.Beck - Verlag, S. 175
  22. ↑ Goehrke/Hellmann/Lorenz/Scheibert: Weltgeschichte - Russland, Band 31, Weltbild Verlag, Frankfurt am Main 1998, S. 183

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Geschichte der Sowjetunion

Sowjetunion (russ. Советский Союз / Transkription Sowjetski Sojus) war der gängige, auch zu offiziellen Anlässen gebräuchliche Ausdruck für die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR), deren Geschichte in diesem Artikel behandelt wird.

Überblick

Die Sowjetunion war nominell eine Föderation unabhängiger Staaten, also ein Bundesstaat mit gemeinsamer Außen- und Sicherheitspolitik, faktisch jedoch ein streng zentralistisch regierter Einheitsstaat. Trotz der formellen relativen Autonomie der Teilrepubliken, Autonomen Gebiete und weiterer Gliederungen und obwohl die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik (RSFSR) als größte und Gründungsrepublik mit vielen unterschiedlichen Nationalitäten dem Namen nach selbst wieder eine Föderation war, wurde das Land von der Kommunistischen Partei der Sowjetunion von deren Machtzentrale im Moskauer Kreml aus nach kommunistischen Wertvorstellungen diktatorisch geführt. Die einzelnen Gliederungen hatten dabei lediglich eine verwaltungstechnische Mittlerfunktion, um die zentralen Vorgaben umzusetzen. Die aus dem Zarenreich hervorgegangene Russische Föderation als dominierender Gründungsstaat praktizierte einen Kommunismus mit stark ausgeprägter nationalistischer Komponente. Den vielen unterschiedlichen Nationalitäten, Volksgruppen und Kulturen wurden weitgehend russische Sprache und Kultur aufgezwungen, sie wurden russifiziert.

Die Sowjetunion bestand von 1922 bis 1991. Als erster und größter sozialistischer Staat der Erde stieg sie nach dem Zweiten Weltkrieg zur den USA ebenbürtigen zweiten Supermacht und deren weltpolitischem Gegenspieler auf. Verschärft durch Reformversuche des letzten KPdSU-Generalsekretärs sowie ersten und einzigen Präsidenten der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, führten die inneren Spannungen und zunehmende ökonomische Probleme 1991 zum Zerfall des Riesenreichs, der durch einen vereitelten Putschversuch konservativer Militärs gegen Gorbatschow eingeleitet wurde. Russland übernahm als offizieller „Fortsetzerstaat“[1] die völkerrechtlichen Rechte und meisten internationalen Verpflichtungen der Sowjetunion.

Oktoberrevolution, Etablierung der „Sowjetmacht“

Die Kommunistische Partei

Die Entwicklung der UdSSR zu einem kommunistischen Staat steht in direkter Verbindung zu der Entwicklung der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU). Sie wurde 1918 nach der Oktoberrevolution in Russland von Sozialdemokratischer Arbeiterpartei Russlands in Kommunistische Partei Russlands (KPR (B) bzw. RKP(b)) umbenannt. 1925 erhielt sie den Namen Kommunistische Allunions-Partei (WKP(b)). 1952 wurde die Partei in Kommunistische Partei der Sowjetunion umbenannt.

Die Oktoberrevolution

Revolutionen von 1905 und Februar 1917

Bereits mit der Russischen Revolution von 1905 gab es im zaristischen Russland von 1905 bis 1907 andauernden revolutionären Unruhen gegen die jahrhundertelang bestehende autokratische und unterdrückende Herrschaft. Die kleinen Erfolge dieser Revolution wurden größtenteils wieder zurückgenommen.

In der bürgerlich geprägten Februarrevolution von 1917 beendeten Arbeiteraufstände die etwa 300 Jahre andauernde russische Zarenherrschaft; Zar Nikolaus II. dankte ab und ging in die Verbannung nach Jekaterinburg. Dort wurden er und seine Familie letztlich am 17. Juli 1918 auf Befehl des Gebietssowjets ermordet.

Es konstituierte sich eine Provisorische Regierung unter dem Fürsten Lwow, und es bildete sich eine doppelte Vertretung des Volkes. Diese bestand auf der einen Seite aus der Duma als Parlament. Auf der anderen Steite standen die Petrograder Sowjets als Arbeiter- und Soldatenräte, die sich v. a. aus Sozialrevolutionären und Kommunisten zusammensetzten. Unter der Losung „Alle Macht den Sowjets“ wollten sie die Revolution weiterführen und die Bildung einer bürgerlichen parlamentarischen Demokratie verhindern.

Da sich Russland zu dieser Zeit im Krieg gegen das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn (Erster Weltkrieg) befand, destabilisierte sich die innenpolitische Situation weiter. Die Versuche des Kriegsministers und späteren Vorsitzenden der Provisorischen Regierung, Alexander Kerenski, durch eine militärische Offensive gegen die Mittelmächte eine bessere Verhandlungsposition zu erreichen, scheiterten. Der unter Mithilfe des Deutschen Kaiserreiches aus dem Schweizer Exil zurückgekehrte Führer der Bolschewiki, Lenin, forderte durch seine viel beachteten und populären Aprilthesen unter anderem die sofortige Beendigung des Krieges.

Oktoberrevolution

Mit dem militärischen Umsturz durch die Oktoberrevolution in der Nacht zum 25. Oktoberjul./ 7. November 1917greg. wurde die Provisorische Regierung von den marxistisch-kommunistischen Bolschewiki unter Wladimir Iljitsch Lenin gestürzt. Lenin proklamierte die Sozialistische Sowjetrepublik. Sie wurde von dem Politbüro der Kommunistischen Partei (später KPdSU) und dem Rat der Volkskommissare – dem Pendant zu einer bürgerlichen Regierung – unter seiner Führung geleitet. Die Duma wurde durch den Kongress der Volksdeputierten ersetzt, der gegenüber der Parteiführung und den Räten jedoch machtlos war.

Politbüro

Das Politbüro war auf Grund der Stellung der Partei das mächtigste Gremium von Partei und Staat in der Sowjetunion. Es wurde von dem damals noch machtvollen Zentralkomitee der Partei eingesetzt. Von 1917 bis 1919 gab es das noch vorläufige Politbüro. Wichtigste Mitglieder waren in der Leninzeit bis 1924: Lenin, Kamenew, Trotzki, Krestinski (nur bis 1921), Stalin, Bucharin (ab 1920), Sinowjew (ab 1921), Rykow (ab 1922) und Tomski (ab 1922). Von allen Politbüromitgliedern dieser Zeit war Stalin nach Lenins Tod der einzige, der den Großen Terror von 1936 bis 1938 überstand.

Erste Regierung (Ministerrat der UdSSR)

Wichtige Mitglieder der Regierung (Volkskommissare) unter Vorsitz von Lenin waren bis 1924: Trotzki (Äußeres, Verteidigung), Rykow (Inneres, Wirtschaft und Stellvertretender Vorsitzender), Dserschinski (Inneres, Staatssicherheit, Tscheka), Krestinski (Finanzen) und Tschitscherin (Äußeres). Im Amt des Regierungschefs (Vorsitzender) folgte 1924 Rykow.

Rote Armee

Die Rote Armee – zunächst Rote Arbeiter- und Bauernarmee – wurde durch einen Beschluss des Rates der Volkskommissare am 15. Januar 1918 (jul.) offiziell aufgestellt. Sie ging aus der bereits vorher existierenden Roten Garde hervor. Leo Trotzki, Volkskommissar für Militärwesen von 1918 bis 1924, wird als Gründer der Roten Armee angesehen. Gründungstag wurde der 23. Februar 1918, der Tag als die ersten Soldaten rekrutiert wurden. Die Bezeichnung entstand während des russischen Bürgerkrieges, als die Gegner als Weiße Armee bezeichnet wurden.

Die Armee war anfänglich eine Freiwilligenarmee ohne Dienstgrade und ohne Rangabzeichen. Trotzki revidierte dieses jedoch bereits 1918. Erster Oberbefehlshaber war General Jukums Vācietis, dazu dienten viele Offiziere der Kaiserlich Russischen Armee auch in hohen Funktionen. Das anvisierte Ziel war die Aufstellung einer Armee von 700.000 Soldaten bis Ende 1918.

1919 wurde die Dienststellung eines Politkommissars bei den Kompanien oder Staffeln auf Befehl des Revolutionären Kriegsrates eingeführt. Politkommissare kamen aus den Reihen der Partei.

Friedensvertrag von Brest-Litowsk

Der Friedensvertrag von Brest-Litowsk wurde gegen Ende des Ersten Weltkrieges als Separatfrieden russischerseits von Leo Trotzki ausgehandelt und am 3. März 1918 in der Stadt Brest-Litowsk unterzeichnet. Vertragspartner waren einerseits die Mittelmächte (Deutsches Reich, Österreich-Ungarn, Osmanisches Reich und Bulgarien) und andererseits Sowjetrussland. Der Vertrag hatte zwar erhebliche Nachteile für Sowjetrussland, aber die Bolschewiki konnten ihre noch schwache Macht im Inneren des Landes festigen. Er war die Voraussetzung für den Sieg im folgenden Bürgerkrieg.

Bürgerkrieg

Nach der Oktoberrevolution wurde ganz Russland in einen Bürgerkrieg gestürzt, der bis Ende 1920 andauerte. Mehrere Armeen bekämpften sich gegenseitig: die ukrainische Armee unter dem Kommando von Symon Petljura, der sich marodierende Bauernbanden anschlossen; die Rote Armee, in der ebenfalls zahlreiche ukrainische Einheiten vertreten waren; die konterrevolutionäre Weiße Armee mit zahlreichen Kosaken sowie unabhängige Einheiten wie beispielsweise die Machnowschtschina, begründet von Nestor Machno.

Auch fremde Mächte griffen in den russischen Bürgerkrieg ein: Japan, Deutschland und eine Reihe weiterer Staaten unterstützten mit Waffen- und Materiallieferungen sowie Interventionstruppen die weißgardistischen Truppen gegen die Sowjets.

Die wichtigen Kriegsschauplätze waren in der Ukraine, im Dongebiet und Kubangebiet gegen die Don-Kosaken, in Bessarabien, in Sibirien gegen die Weiße Armee unter Admiral Koltschak, im Finnischen Bürgerkrieg und in den baltischen Staaten.

Nach einem langen und für das geschwächte Land verheerenden Bürgerkrieg wurden schließlich die Hauptkräfte des militärischen Widerstands unter den ehemaligen zaristischen Generälen Koltschak, Denikin und Judenitsch endgültig von den Sowjets besiegt. Neben dem schon zuvor unabhängigen Polen (1917/18), das auch weite Teile der heutigen Ukraine und Weißrussland umfasste, erlangten auch die baltischen Staaten sowie Finnland durch den Bürgerkrieg die Unabhängigkeit.

Insgesamt fielen rund 770.000 Soldaten auf allen Seiten im Gefecht. Weitere rund 700.000 Kombattanten starben während des Krieges durch Seuchen. Zwischen 100.000 und 400.000 Zivilisten verloren durch Übergriffe sowohl der Roten, als auch der Weißen Armee ihr Leben. Dem Bürgerkrieg fielen durch Chaos, Kampf, Hungersnot und Seuchen insgesamt rund acht Millionen Menschen zum Opfer.

Kronstädter Matrosenaufstand

Der Kronstädter Matrosenaufstand im Februar/März 1921 richtete sich gegen die Regierung Sowjetrusslands. Sein Motto war „Alle Macht den Sowjets – keine Macht der Partei“. Die von den Bolschewiki enttäuschten Matrosen verschanzten sich auf der Kotlin-Insel vor Petrograd. Sie konnten ihre Forderungen nicht durchsetzen und der Aufstand wurde niedergeschlagen.

Kommunistische Partei der Sowjetunion (KpdSU)

Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands benannte sich 1918 in Kommunistische Partei Russlands (Bolschewiki) – KPR(B) – um. Lenin, ihr unbestrittener intellektueller Führer und strategischer Kopf der Revolution, formulierte die Leitlinien für den Aufbau eines kommunistischen Staates nach dem Übergang vom Kriegskommunismus – als Niederschlagung der Konterrevolution – zum Kommunismus. Er prägte den bereits bestehenden Begriff von der Diktatur des Proletariats, also von der Herrschaft der Arbeiterklasse unter Führung einer zentralistischen Kaderpartei. Lenin prägte die griffige Formel „Kommunismus ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes“ und gab als das nächste strategische Ziel den schnellen Aufbau eines modernen Industriestaats aus. Mit seinem Dekret über den Boden bestätigte Lenin die seit der Oktoberrevolution auf dem Land abgelaufene Enteignung der adeligen Grundbesitzer.

Schon nach dem Bürgerkrieg hatte die Kommunistische Partei es aufgegeben, alle kapitalistischen Staaten zu bekämpfen, damit in ihnen eine Revolution zu einer Systemveränderung stattfindet. Das Ziel der „Weltrevolution“ wurde verschoben bis zu einem Zeitpunkt des endgültigen Zusammenbruchs der kapitalistischen Wirtschaft.

Stalins Doktrin zum Aufbau des Sozialismus in einem Lande – in der Sowjetunion, dem „Vaterland aller Werktätigen“ – hatte Vorrang. Die Komintern erhielt die Aufgabe, Sorge für die Unterordnung der anderen Kommunistischen Parteien (KP) in der Welt zu tragen.

Entstehung der Sowjetunion

Grenzregelungen

zu Finnland

Am 6. Dezember 1917 erklärte sich das ehemalige russische Großherzogtum Finnland für unabhängig. Das bolschewistische Russland hat dies im Januar 1918 anerkannt. Im Rahmen des Bürgerkrieges wollten im Ostfeldzug finnische Truppen auch erfolglos Ost-Karelien für ein Großfinnland erobern. Nach auch britischen Interventionen schlossen Russland und Finnland 1920 durch den Frieden von Dorpat einen Friedens- und Grenzvertrag. Finnland wurde zusätzlich das Gebiet Petsamo mit Zugang zum Nordmeer zugesprochen, welches 1944 wieder an die UdSSR abgetreten werden musste.

zu den Baltenstaaten

  • Estland wurde am 24. Februar 1918 unabhängig. Im Estnisch-Russischen Vertrag wurden im Frieden von Dorpat die Unabhängigkeit Estlands und seine Grenzen anerkannt.
  • Lettland erklärte am 18. November 1918 seine Unabhängigkeit, die schließlich im Friedensvertrag von Riga am 11. August 1920 von Russland anerkannt wurde.
  • Litauen wurde am 16. Februar 1918 gegründet. Lediglich Polen annektierte 1922 nach dem Polnisch-Litauischen Krieg völkerrechtswidrig dauerhaft das Gebiet Mittellitauens.

zu Polen

Im August 1920 überrannte die Rote Armee während des Polnisch-Sowjetischen Krieges weite Gebiete des neuen Staates. Nach dem polnischen Sieg unter Marschall Józef Piłsudskis gegen die Bolschewiken wurde im Friedensvertrag von Riga 1921 Polens Ostgrenze etwa 250 km östlich der Curzon-Linie festgelegt.

zur Türkei

Im Vertrag von Kars wurde 1921 der Grenzverlauf zwischen der Türkei und den Sowjetrepubliken Armenische SSR, Aserbaidschanische SSR und Georgische SSR geregelt. 1922 schlossen sich diese drei Sowjetrepubliken zur Transkaukasischen SFSR zusammen. Nach der Unabhängigkeit von Armenien hat diese 1991 den Vertrag von Kars für ungültig erklärt.

zu Rumänien

Die Gebiete des russischen Gouvernements von Bessarabien, die nach dem Krimkrieg 1912 und durch den Berliner Vertrag von 1881 an Russland gefallen waren, erklärten sich im Dezember 1917 als Moldauische Demokratische Republik für unabhängig und schlossen sich als Autonome Republik im April 1918 Rumänien an. Im Friedensvertrag von Versailles wurde dieses dann 1920 völkerrechtlich wirksam. 1940 besetzte die UdSSR diese Gebiete wieder.

im Fernosten

Die Fernöstliche Republik vom Baikalsee bis zum Kamtschatka wurde 1920 als Pufferstaat gegen Japan gegründet. Nachdem die Rote Armee auch dieses Gebiet zurückeroberte, schloss sich das Gebiet im November 1922 wieder Russland und somit der Sowjetunion an. Nord-Sachalin blieb noch bis 1925 japanisch besetzt.

Gründung der Sowjetunion

Die Revolution hatte schnell von Russland auf die umliegenden Länder der russischen Einflusssphäre übergegriffen. Auch dort waren starke kommunistische Kräfte – unterstützt von den russischen Bolschewiki – an die Macht gekommen und hatten Sozialistische Sowjetrepubliken (SSR) ausgerufen. Am 30. Dezember 1922 schlossen sich die Russische Föderative Sowjetrepublik, die Ukrainische SSR, die Weißrussische SSR und die Transkaukasische SFSR zur Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) zusammen.

Die Hauptstadt, in der RSFSR bisher der Ausgangspunkt der Revolution Petrograd, wurde Moskau.

1924 erhielt die Sowjetunion ihre erste Verfassung.

Die Sowjetrepubliken

1924 wurden die russischen Kolonien Turkmenien und Usbekistan, 1929 Tadschikistan Sowjetrepubliken.

Am 5. Dezember 1936 wurde die Transkaukasische SFSR als Verbund der Armenischen SSR, Aserbaidschanischen SSR und Georgischen SSR aufgelöst und ihre bisherigen Teilrepubliken wurden Unionsrepubliken in der UdSSR.

Zeitgleich wurden am 5. Dezember 1936 die bisherigen autonome Kirgisische ASSR und die Kasachische ASSR als Teil der Russischen SFSR zur Kirgisischen SSR und Kasachischen SSR, also zu selbstständigen Unionsrepubliken.

1940 folgte die Okkupation der baltischen Republiken Estland, Lettland und Litauen sowie Moldawiens und des finnischen Teils von Karelien, die als Estnische SSR, Lettische SSR, Litauische SSR, Moldauische SSR und Karelo-Finnische SSR Unionsstaaten wurden.

Karelien verlor jedoch 1956 seinen Status als Unionsrepublik und wurde wieder als Autonome SSR Karelien in die Russische SFSR eingegliedert.

Neue Ökonomische Politik (NEP)

Die Neue Ökonomische Politik wurde durch Lenin im März 1921 auf dem X. Parteitag der Russischen Kommunistischen Partei verkündet. Sie löste die Wirtschaftspolitik des Kriegskommunismus ab und stellte einen Versuch dar, durch die Unterstützung der Privatinitiative in der Landwirtschaft die Produktivität der Bauern zu verbessern. Den Bauern wurde gestattet, die Produkte, die ihnen über das Ablieferungssoll hinaus verblieben, im freien Handel mit Preisen des freien Marktes zu veräußern. Die Periode der NEP endete schon 1927 mit dem 15. Parteitag der KPdSU.

Beginn der Stalin-Ära 1922 bis 1930

1922 Generalsekretär Stalin, 1924 Lenins Tod

Der gesundheitlich angeschlagene Lenin erkrankte, von Schlaganfällen gezeichnet, 1922 ernsthaft und musste sich weitgehend aus der operativen Leitungstätigkeit zurückziehen. Seine vom Krankenbett aus erteilten Ratschläge und Weisungen wurden jedoch noch bis 1923 weitgehend von den Spitzenfunktionären befolgt. Mit Sorge betrachtete er die einsetzenden Kämpfe um seine Nachfolge. Er misstraute dem militärischen Organisator und Kriegskommissar Leo Trotzki, der schon mehrfach von Lenins Lehren abgerückt war und sich selbst als „natürlichen“ Nachfolger und „Theoretiker“ sah.

Dessen Opponent Josef Stalin war 1922 zum Generalsekretär der Partei aufgerückt und hatte praktisch unbemerkt von der Funktionärsspitze ein Netzwerk ihm ergebener Gefolgsleute aufgebaut, das ihm die Herrschaft über den Parteiapparat sicherte. In dieser Funktion gelang es ihm, den kranken Lenin fast vollkommen von der Partei zu isolieren. Er kontrollierte den Zugang zum Parteiführer und dessen Korrespondenz. So konnte Lenins Brief mit der eindringlichen Warnung und Forderung an die Partei, Stalin als Generalsekretär abzulösen (in der Geschichtsforschung ist dieses Dokument auch als „Lenins politisches Testament“ bekannt), seine Adressaten nicht rechtzeitig erreichen. Der todkranke Revolutionsführer sprach sich gegen einen „Führer“ Stalin aus, da er diesen für ungeeignet hielt.

Rapallo, Berlin und Litwinow-Protokoll

Der Vertrag von Rapallo wurde am 16. April 1922 zwischen dem Deutschen Reich und der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik geschlossen, er wurde unterzeichnet von den Außenministern des Deutschen Reiches Walther Rathenau und der Sowjetunion Georgi Tschitscherin. Der Vertrag normalisierte die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen der beiden Staaten, die mit ihm ihre internationale Isolation durchbrechen wollten. Beide Staaten verzichteten auf Reparationen für Kriegsschäden.

Der Berliner Vertrag war ein am 24. April 1926 zwischen der Weimarer Republik und der UdSSR geschlossener Freundschaftsvertrag. Er war die Fortsetzung des Vertrages von Rapallo zur weiteren Verbesserung der Zusammenarbeit auch nach den Verträgen von Locarno mit dem Westen. Der Vertrag enthielt Vereinbarungen über den Handel und über die bereits bestehende militärische Zusammenarbeit von Reichswehr und Roter Armee.

Im Rahmen eines Konzeptes der kollektiven Sicherheit in Europa unterzeichneten 51 Staaten 1928/29 den Briand-Kellogg-Pakt zur Ächtung des Krieges. Eine Initiative des sowjetischen Außenkommissars Litwinow führte dazu, dass der Vertrag durch das Litwinow-Protokoll vom 9. Februar 1929 in der Sowjetunion in Kraft trat.

Stalins Machtfestigung 1924 bis 1930

Lenins Tod am 21. Januar 1924 führte zu einem erbitterten Nachfolgekampf, in dem sich Partei-Generalsekretär Josef Stalin gegen Leo Trotzki durchsetzte. Stalin festigte seine Macht durch gezielten Terror von 1925 bis 1928 gegen seine Widersacher von „links“ (Leo Trotzki, Grigori Sinowjew, Lew Kamenew, Adolf Joffe) und von 1929 bis 1930 gegen die von „rechts“ (u. a. Nikolai Bucharin, Alexei Rykow, Michail Tomski) sowie jeden, der im Verdacht stand, mit ihnen zu sympathisieren.

Politbüro 1924–1930

Im mächtigen Politbüro der Partei waren Mitte 1924 Stalin, Trotzki, Kamenew, Rykow, Sinowjew, Bucharin und Tomski. Ende 1930 setzte sich das Gremium zusammen aus Stalin, Molotow, Kalinin, Woroschilow, Rudsutak, Kuibyschew, Kirow, Kossior, Kaganowitsch und Ordschonikidse. Der Machtwechsel war vollzogen.

Regierung nach Lenin

Regierungschef war nach Lenin von 1924 bis 1930 Alexei Rykow. Außenkommissar blieb bis 1930 Georgi Tschitscherin (1918–1930). Für Inneres und Sicherheit waren Alexander Beloborodow bis 1928 und Wjatscheslaw Menschinski bis 1934 zuständig. Verteidigungskommissar war von 1924 bis 1940 Kliment Woroschilow.

Zwangskollektivierung und Terror bis 1940

Politische Führung bis 1940

Nachdem Stalin bis Ende 1930 seine politische Macht gesichert hatte, begann die Phase der zunehmenden politischen Isolierung seiner früheren und potenziellen Gegner.

Politbüro

Im Politbüro befanden sich Ende 1939 nur noch die in jeder Hinsicht ergebenen Anhänger Stalins: Molotow, Kalinin, Woroschilow, Kaganowitsch, Andrejew, Mikojan, Schdanow und aus der Ukraine Nikita Chruschtschow. Stalin war nun unumschränkter Diktator, der andere Gremien nur noch der Form halber konsultierte.

Regierung

Regierungschef war ab 1930 bis 1941 Molotow, als Außenkommissar wirkte Litwinow (1930–1939). Als Verteidungskommissar fungierte weiterhin Woroschilow. Im Bereich Inneres und Sicherheit fand ein häufiger Wandel statt, der den Prozess der Stalinschen Säuberungen widerspiegelt; Heinrich Jagoda (1934–36), Jeschow (1936–37) und schließlich Beria (ab 1938) waren die Leiter des NKWD, dem zentralen Organ innenpolitischer Macht- und Gewaltausübung. Der Gosplan – zuständig für die zentrale Planung des Wirtschaftslebens – wurde ab 1938 durch Wosnessenski geleitet.

Fünfjahrespläne

Ab 1928 wurde die staatliche Wirtschaft Fünfjahresplänen unterworfen, die Industrialisierung und Infrastruktur, speziell im asiatischen Teil des Landes, vorangetrieben. Die Schaffung des Fünfjahrplanes unterstand dem Komitee für die Wirtschaftsplanung Gosplan. Die Vorsitzenden von Gosplan waren Mitglieder der jeweiligen Regierung der UdSSR.

Kollektivierung

Ab 1929/33 wurde die Landwirtschaft zwangsweise kollektiviert. Sowchosen und Kolchosen sowie Maschinen-Traktoren-Stationen (MTS) wurden gebildet. Der Widerstand der zumeist mittleren Bauern, als „Kulaken“ diffamiert, wurde rücksichtslos gebrochen: sie wurden entkulakisiert. Die Folgen einer riesigen Hungersnot – auch als Holodomor bezeichnet – kosteten an der Wolga, in der Ukraine und im ganzen Land mehreren Millionen Menschen das Leben; genaue Opferzahlen sind nicht bekannt. Alleine in der Ukraine sollen über 3,5 Millionen Menschen gestorben sein. Stalins Schwager Stanislaw Redens, als Leiter der ukrainischen GPU, und der Erste Sekretär der Kommunistischen Partei der Ukraine Stanislaw Kossior waren 1932 die verantwortlichen Funktionäre.

Stalin begründete 1942 gegenüber Winston Churchill die Kollektivierung: „Es war alles sehr schlimm und schwierig – aber notwendig. […] Wir haben unsere Lebensmittelerzeugung nicht nur Mengenmäßig gewaltig gesteigert, sondern auch die Qualität des Getreides.“ Er sprach von 10 Mio. Deportierten und Opfern.[2]

Stalinsche Säuberung und Terror

Seit 1935 eskalierte Stalin die Verfolgungen und Deportationen von Bürgern, die dem System scheinbar oder tatsächlich im Wege standen. Durch den „Großen Terror“ von 1936 bis 1938 wurde ein systematischer Terror gegen die Menschen betrieben, die angeblich gegen das kommunistische Regime Stalins konspirierten. Die Säuberungsaktionen waren oft als gerichtliche Verfolgung z. B. in den Moskauer Prozessen getarnt und durch unter Folter erpresste Geständnisse begründet (Schauprozess). Es wurden ganze Völker der Sowjetunion, ethnische Minderheiten, in Arbeitslager (Gulag) deportiert. „Kulaken“, Priester und Mönche, kirchliche Laien, Großteile der militärischen Führungsspitze, führende Mitglieder der Partei und selbst Angehörige der Opfer wurden verurteilt, deportiert und ermordet.

Schätzungen gehen davon aus, dass zeitweise bis zu 2,5 Millionen Menschen inhaftiert waren und von über 1 Millionen Todesopfern in den Lagern des so genannten Gulag.

1936 wird inmitten dieser Periode des Terrors eine demokratische und als human erscheinende Verfassung erarbeitet, die sogenannte Stalin-Verfassung. Die Regierung entzog sich jedoch weitgehend der verfassungsrechtlichen Regeln.

Außenpolitik der 1930er Jahre

Sicherheitspolitik

Die Bemühungen der Sowjetunion, durch Rapallo und Briand-Kellogg-Pakt die Sicherheitspolitik zu gestalten, wurden in den 1930er Jahren durch Außenkommissar Litwinow fortgesetzt. 1934 führte das gegen die UdSSR gerichtete deutsch-polnische Nichtangriffsabkommen zu einem Wechsel in der Außenpolitik. Die faschistische Bedrohung zwang die Sowjetunion zur Anpassung. Die UdSSR wurde 1934 Mitglied im Völkerbund. Die USA (1933), Rumänien und die Tschechoslowakei (1934) erkannten die UdSSR an. Zweiseitige Nichtangriffsverträge wurden mit Polen, Estland, Lettland und Finnland geschlossen und Beistandsabkommen mit Frankreich und der Tschechoslowakei (1935). In Spanien (1936-38) kämpften sowjetische Freiwillige an der Seite von Briten und Franzosen gegen die Franquisten.

Auf den Umbruch 1938/39 mit dem Anschluss Österreichs an Deutschland, der Besetzung der Tschechei, dem Krieg Japans gegen China, dem Stahlpakt Deutschland/Italien, dem drohenden Dreimächtepakt Deutschland/Italien/Japan und der Zusammenarbeit von Deutschland mit Ungarn, Rumänien und Bulgarien reagierte die Führung der Sowjetunion mit einer radikalen Kehrtwende in der Sicherheitspolitik.

China

In China wurde die von Moskau gesteuerte Kommunistische Partei Chinas (KPCh) von der nationalrevolutionären Kuomintangbewegung unter den in Moskau ausgebildeten Tschiang Kai-schek 1927 zunächst total aufgerieben. Die UdSSR arrangierte sich mit der Kuomintang, um 1932 das japanische Vordringen in der Mandschurei zu bekämpfen. Das hinderte die Sowjetunion jedoch nicht, sich auch mit den Japanern über die Transsibirische Eisenbahn und über der Verkauf der ostchinesischen Eisenbahn an Mandschukuo zu verständigen.

Zweiter Weltkrieg

Deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakt und seine Folgen

Am 3. Mai wurde der bisherige Außenminister Maxim Litwinow – bisher Zielscheibe (da Jude) fortgesetzter deutscher Angriffe – abgelöst, und der Vorsitzende des Rats der Volkskommissare (Ministerpräsident) Wjatscheslaw Molotow übernahm zusätzlich die Aufgaben der Außenpolitik. Hiermit wurde ein genereller Kurswechsel der Sicherheitspolitik der Sowjetunion eingeleitet.

Als unmittelbaren Vorboten zum Zweiten Weltkrieg unterzeichneten am 24. August 1939 die Außenminister Molotow für die Sowjetunion und Joachim von Ribbentrop für das Deutsche Reich den Deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt. In dem geheimen Zusatzprotokoll – die UdSSR hat dieses bis 1988 geleugnet – wurden gegenseitige Interessensgebiete in Polen und Rumänien sowie, als Einflusszonen der Sowjetunion, für Estland, Lettland und Litauen zwischen den Vertragspartnern vereinbart.

Angriff auf Polen

Am 1. September 1939 begann durch Deutschland der Angriff auf Polen. Während des Polenfeldzugs erfolgte am 17. September 1939 die sowjetische Besetzung Ostpolens durch die Rote Armee. Gemäß dem Nichtangriffspakt trafen sich deutsche und sowjetische Truppen an der beiderseits vereinbarten Curzon-Linie. Am 6. Oktober kapitulierten die letzten polnischen Truppen. Als eine Folge des Überfalls auf Polen ermordeten im Jahr 1940 Einheiten des sowjetischen NKWD im Massaker von Katyn zehntausende polnische Kriegsgefangene.

Überfall auf Finnland

Am 30. November 1939 begann die Sowjetunion mit dem Überfall auf Finnland den Winterkrieg. Die Sowjetunion wurde daraufhin aus dem Völkerbund ausgeschlossen. Ein kriegerischer Konflikt mit den Westmächten konnte noch gerade verhindert werden. In der Schlacht von Kollaa konnte Finnland vom Dezember 1939 bis zum März 1940 erfolgreich Widerstand leisten bis die sowjetischen Truppen dann die Stellungen der Finnen durchbrachen. Am 13. März 1940 beendeten die Parteien den Krieg mit dem Friedensvertrag von Moskau.

Finnland blieb selbstständig, musste aber kleinere Teile seines Staatsgebietes an die Sowjetunion abtreten. Zusammen mit dem schon russischen Gebiet in Karellien wurde die Karelo-Finnische Sozialistische Sowjetrepublik errichtet.

Eingliederung der Baltenstaaten

Die drei baltischen Staaten in der sowjetischen Einflusszone büßten schnell – zwischen dem 15. und 17. Juni 1940 – ihre Selbstständigkeit ein. Sie wurden im Juli 1940 als Sowjetrepubliken Teil der UdSSR.

Eingliederung Bessarabiens (Moldawien)

Rumänien trat nach einem Ultimatum der Sowjetunion vom 26. Juni 1940 und anschließender militärischer Besetzung nicht nur Bessarabien (heute Moldawien und Ukraine), sondern auch die Nordbukowina ab.

Verhandlungen

Am 12/13. September 1940 besuchte Außenkommissar Molotow Berlin und versuchte die sowjetische Einflusszone auf den Balkan auszudehnen. Adolf Hitler lehnte dies jedoch ab. Die im Nichtangriffspakt vereinbarten gegenseitigen Lieferungen von Maschinen sowie Getreide wurden dabei präzisiert. Bis zum 22. Juni 1941 erfolgten diese Lieferungen.

Japanisch-Sowjetischer Neutralitätspakt

Für den Fall eines deutschen Angriffs auf die Sowjetunion schloss diese für fünf Jahre mit Japan am 13. April 1941 den Japanisch-Sowjetischer Neutralitätspakt.

„Großer Vaterländischer Krieg“

Kriegsziele

Der Krieg gegen die Sowjetunion war aus der Sicht der nationalsozialistischen Führung nicht nur ein Eroberungskrieg (mehr Raum), sondern ebenso ein „Vernichtungskrieg“ gegen die Bevölkerung. Für die nationalsozialistischen Ideologen waren Russen, Ukrainer, Weißrussen, usw. „slawische Untermenschen“. NS-Führer wie etwa Alfred Rosenberg oder Heinrich Himmler hatten Pläne ausgearbeitet, wie das eroberte sowjetische Gebiet verwaltet und ausgebeutet werden sollte. Der Generalplan Ost sah die Dezimierung der slawischen Völker um 30 Millionen, die Aussiedlung eines großen Bevölkerungsteils nach Sibirien und die Unterdrückung der Übrigen vor. Der Generalplan Ost und das Programm Heinrich sahen die wirtschaftliche Ausbeutung des Landes und mit der Abschöpfung der Getreideerträge bewusst auch den Hungertod von Millionen vor (siehe Hungerplan).

Die Sowjetunion hatte hingegen einen Verteidigungskrieg zu führen.

Kriegsverlauf

Kriegsbeginn

Aus sowjetischer Sicht begann am 22. Juni 1941 mit dem deutschen Überfall auf die UdSSR der sogenannte Große Vaterländische Krieg. Ein Staatliches Verteidigungskomitee der UdSSR unter Vorsitz von Stalin wurde eingerichtet. Anfänglich erzielte die deutsche Wehrmacht große Erfolge; Weißrussland wurde innerhalb weniger Wochen erobert. Die Wehrmacht wurde in einigen Regionen von der Zivilbevölkerung teilweise freundlich begrüßt, weil sie sich die Befreiung von der kommunistischen Herrschaft erhoffte. Diese Hoffnungen wurden allerdings bald zunichte gemacht, denn das NS-Regime installierte eine Zivilverwaltung (siehe Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete sowie Hinrich Lohse und Erich Koch), das die Bevölkerung rücksichtslos unterwarf.

Iranbesetzung

Einen Monat nach dem Angriff des Deutschen Reichs auf die Sowjetunion überfielen am 24. August 1941 die Sowjetunion und Großbritannien den neutralen Iran. Die Sowjetunion besetzte den Norden, Großbritannien den Südens des Landes.

Besatzung durch die Deutschen

Nach ersten großen Erfolgen konnte die Wehrmacht 1941 zwar weder Moskau noch Leningrad erobern, 1942 eroberte sie jedoch nochmals große Gebiete, vor allem im Süden der UdSSR. Ende 1942 bis Anfang 1943 zeichnete sich dann in der Schlacht um Stalingrad der Sieg der Roten Armee und die Wende im Zweiten Weltkrieg ab. Bis 1945 befreite die Rote Armee zunächst ihr Land und anschließend weitere Länder Ost-, Mittel- und Südosteuropas von der deutschen Besatzung.

Die deutsche Besatzung hatte schreckliche Folgen für die Bevölkerung und die Wirtschaft der Sowjetunion. Wehrmacht, SS und die Polizei wüteten unter der Bevölkerung Russlands, der Ukraine, Weißrusslands und der baltischen Sowjetrepubliken und brachten etwa 10 Millionen Zivilisten um, häufig unter dem Vorwand der „Partisanen-“ oder „Bandenbekämpfung“. Mehrere Millionen Menschen wurden unter schlimmsten Bedingungen als Zwangsarbeiter nach Deutschland deportiert. Besonders die russischen, ukrainischen, baltischen und weißrussischen Juden wurden unter der deutschen Besatzung erschossen oder in Vernichtungslager, wie das KZ Auschwitz oder das KZ Treblinka deportiert (siehe Einsatzgruppen, Holocaust, Verbrechen der Wehrmacht und Geschichte der Juden in der Sowjetunion). Teilweise beteiligten sich auch russische, ukrainische oder weißrussische Kollaborateure an den Erschießungen.

Durch die Kriegshandlungen beider Seiten wurden etwa 1.700 Städte und etwa 70.000 Dörfer sowie insgesamt etwa 1.000 Kirchen und 500 Synagogen zerstört (siehe Taktik der verbrannten Erde).

Kriegseintritt gegen Japan

Am 5. April 1945 kündigte die UdSSR an, den Japanisch-Sowjetischen Neutralitätspakt von 1941 nicht mehr zu verlängern. Der Vertrag wäre danach am 25. April 1946 ausgelaufen. Am 8. August 1945 trat jedoch die Sowjetunion, wie auf der Jaltakonferenz mit den Alliierten vereinbart, in den Krieg gegen Japan ein. Zunächst wurden japanisch besetzte Gebiete in China erobert. Am 18. August, drei Tage nach der Kapitulation Japans, besetzten sowjetische Truppen die Inselgruppe der Kurilen. 1946 wurden die Inseln sowjetisches Hoheitsgebiet.

Opfer

Die Sowjetunion hat die meisten Opfer des Zweiten Weltkrieges zu beklagen. Die Opferzahlen schwanken erheblich. Im Ploetz Geschichte des Zweiten Weltkrieges werden die militärischen Verluste mit 13,6 Mio. und die Zivilopfer mit 7 Mio. Menschen beziffert, also rund 10% der Bevölkerung.[3] Von über 40 Mio. Todesopfern, darunter ca. 25 Mio. Zivilisten, schreibt Milton Leitenberg.[4] Diese Anzahl entsprach einem Sechstel der sowjetischen Bevölkerung.

Von den 2.562.000 jüdischen Flüchtlingen aus den von Deutschland besetzten Gebieten in den Jahren 1935 bis 1941 fanden 1.930.000 oder 75,3 Prozent eine neue Heimat in der Sowjetunion. Von den insgesamt vier Millionen Juden, die im Frühling 1941 in dem von Deutschen besetzten Gebiet in der Sowjetunion gewohnt hatten, wurden etwa drei Millionen umgebracht.[5]

Deportationen während des Krieges

Ethnische Gruppen, denen die Kollaboration mit dem Feind unterstellt wurde, wurden in kaum besiedelte Gebiete Kasachstans deportiert. Zu diesen Gruppen gehörten mehr als 80 Prozent der Deutschen in der Sowjetunion, die Krimtataren, die Tschetschenen, die Inguschen, die Karatschaier, die Balkaren, die Kalmyken und die Mescheten. Vertrieben wurden ferner Griechen, Bulgaren und Armenier von der Krim sowie türkische Mescheten und Kurden aus dem Kaukasus. Insgesamt drei Millionen Menschen wurden systematisch vertrieben.[6]

Alliierte Kriegskonferenzen mit der Sowjetunion

  • Beaverbrook-Harriman-Mission (29. September bis 1. Oktober 1941) in Moskau, bei der Averell Harriman (USA) und Lord Beaverbrook (Großbritanniens) mit Stalin und Molotow ein Leih- und Pachtgesetz für Lieferungen an die Sowjetunion vereinbarten.
  • Moskauer Konferenz 1942 (12. bis 17. August 1942), bei der der britische Premierminister Winston Churchill mit Stalin und Molotow die Kriegspläne der Alliierten abstimmte.
  • Außenministerkonferenz 1943 (19. Oktober bis 1. November 1943) in Moskau, bei der die Außenminister Cordell Hull (USA), Anthony Eden (GB) und Molotow die Zusammenarbeit koordinierten und die Grundlagen für Nachkriegsdeutschland festlegten.
  • Konferenz von Teheran (28. November bis 1. Dezember 1943) in Teheran, bei der US-Präsident Franklin D. Roosevelt, Churchill und Stalin die weitere Kriegsstrategie und die weitere Entwicklung in Europa erörterten. Die westliche Ausdehnung Polens als Entschädigung für den Verlust der östlichen Gebiete wurde angesprochen.
  • Moskaubesuch von General de Gaulle (2. Dezember 1944): Die westliche Ausdehnung Polens auf Schlesien, Pommern und Ostpreußen wurde sehr konkret erörtert.
  • Jalta-Konferenz (4. bis 11. Februar 1945) in Jalta, bei der Roosevelt, Churchill und Stalin die genauere Aufteilung Deutschlands und ihre Einflusssphären in Europa und Asien fixierten.
  • Potsdamer Konferenz als Dreimächtekonferenz in Potsdam (17. Juli bis 2. August 1945), bei der US-Präsident Harry S. Truman und US-Außenminister James F. Byrnes, die britischen Premierminister Churchill bzw. Clement Attlee und ihre Außenminister Anthony Eden bzw. Ernest Bevin sowie Stalin und Molotow die im Potsdamer Abkommen (Protokoll) definierten Potsdamer Beschlüsse über Deutschland erzielten.

Kalter Krieg

Der Kalte Krieg begann mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. 1945 wurde die Sowjetunion Mitglied in der UNO und Vetomacht im Sicherheitsrat. Zwar zog sie sich 1946 aus dem besetzten Iran zurück. Die Sowjetisierungspolitik jedoch führte bis 1948 dazu, dass sie die Ostblockstaaten sowie die Mongolei und das nördliche Korea beherrschte, was zur Teilung der Koreanischen Halbinsel (analog zur Teilung Deutschlands) und am 9. September 1948 schließlich zur Gründung Nordkoreas führte. Die UdSSR leistete auch Hilfestellung im chinesischen Bürgerkrieg und bei der Industrialisierung Chinas sowie bei dessen Eingreifen im Koreakrieg (Stellvertreterkrieg).

Die Außenpolitik der Stärke der neuen Großmacht Sowjetunion wurde im „Kalten Krieg“ durch die Außenminister Wyschinski und Molotow konsequent vertreten. Auch in der Chruschtschow- und Breschnew-Zeit wurde diese Großmachtpolitik durch den langjährig amtierenden Außenminister Andrei Gromyko (1957–1985) weiter verfolgt.

Die Berlinblockade von 1948 und die erfolgreiche Zündung der ersten sowjetischen Atombombe im Rahmen des sowjetischen Atombomben-Projekts von 1949 verschärften den „Kalten Krieg“ als Bedrohung der westeuropäischen Staaten.

Politische Führung bis 1953

Politbüro

Nach wie vor war der Generalissimus (ab 1945) Stalin der unumschränkte Diktator. Er führt das Politbüro. Sein engster Vertrauter war seit 1946 der rasch aufstrebende ZK-Sekretär Malenkow. Die PB-Mitglieder Kalinin und Schdanow starben 1946 und 1948. Bald schon wurde der Schdanow-Vertraute Wosnessenski 1950 hingerichtet. Ab 1949 und verstärkt ab 1952 fielen Molotow und Mikojan in Ungnade; ihr Sturz schien unabwendbar. Im engsten Kreis um Stalin waren nur noch Malenkow, Woroschilow, Kaganowitsch, Beria und ZK-Sekretär Chruschtschow. Zudem gehörten dem Politbüro noch Andrejew (nur bis 1952) und Bulganin an. 1952 wurde das Politbüro auf 25 Mitglieder aufgestockt; Stalin wollte auf Kosten der Älteren die Verjüngung der Politführung damit einleiten.

Regierung

Regierungschef blieb bis 1953 Stalin. Außenminister war nach Molotows Ablösung von 1949 bis 1953 der gefürchtete Ex-Generalstaatsanwalt Wyschinski. Als Verteidigungsminister fungierten die Marschälle Bulganin bzw. Wassilewski. Im Bereich Inneres und Sicherheit wechseln weiterhin die Verantwortlichen wie Beria (bis 1945 und 1953) und die gefürchteten NKGB-Chefs Abakumow und Ignatjew, die bald darauf hingerichtet wurden. Der Gosplan wurde bis 1949 durch Wosnessenski und danach durch Saburow geleitet.

Ostblockstaaten

Zu den Ostblockstaaten zählten die Sowjetunion und die abhängigen Satellitenstaaten VR Polen, DDR, Tschechoslowakei, Ungarn und Bulgarien sowie teilweise bzw. zeitweise auch Rumänien und Albanien. Grundsätzlich konnte kaum eine entscheidende Maßnahme eines Ostblockstaates ohne Rücksprache mit der Sowjetunion erfolgen. Der Eiserne Vorhang – so drückte es Churchill aus – war bald gefallen.

In den Konferenzen von Moskau, Teheran, Jalta und Potsdam hatten die Sowjetunion, USA und Großbritannien für die Europäischen Staaten ihre Interessensgebiete informell abgestimmt. Für Rumänien (90 %) und Bulgarien (75 %) war der Sowjetunion ein überwiegender Einfluss zugestanden worden. Für Ungarn, Jugoslawien, Polen und Tschechoslowakei sollte der Einfluss ausgewogen sein. Und für Griechenland wurde ein überwiegender westlicher Einfluss vereinbart. Es kam aber anders. Die Rote Armee besetzte die östlichen Staaten. Sie setzte in diesen Ländern kommunistisch beherrschte Volksrepubliken durch.

In Polen wurde die Londoner Exilregierung nicht einbezogen und ein so genannter „Demokratischer Block“ setzte den Kommunisten Bierut als Regierungschef und dann als Staatsoberhaupt der Volksrepublik Polen durch.

In der Tschechoslowakei konnte sich Edvard Beneš nur bis 1948 als Präsident halten bis er vom kommunistischen Führer Klement Gottwald verdrängt wurde.

Auch in Ungarn wurde der Kommunist Matthias Rákosi zunächst Stellvertretender Regierungschef in einer aber kommunistisch beherrschten Regierung. 1949 wurde eine Verfassung nach sowjetischem Vorbild beschlossen und ab 1952 setzte Rákosi den stalinistischen Kurs als Ministerpräsident direkt durch.

In Bulgarien übernahmen die Kommunisten unter Führung von Georgi Dimitrow die Macht.

In Rumänien wurden bis 1947 alle bürgerlichen Parteien verboten, der König musste abdanken und 1948 wurden Sozialdemokraten und Kommunisten zwangsvereinigt. Der Stalinist Gheorghe Gheorghiu-Dej beherrschte ab 1945 die Partei und ab 1952 die Regierung.

Jugoslawien wurde unter Tito zwar kommunistisch, blieb aber blockfrei. Nur Finnland und Griechenland konnten 1948 kommunistische Umsturzversuche abwehren.

Geteiltes Deutschland und Berlin-Blockade

Der größte Spannungsherd zwischen Ost und West war das geteilte Deutschland. In der sowjetischen Besatzungszone setzten sich schnell durch die Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED (1946) die Kommunisten durch.

Die Berlin-Blockade erschütterte das schon gestörte Verhältnis zwischen den Mächten. Die Straßen nach West-Berlin, mitten in der Sowjetischen Besatzungszone, wurden vom 24. Juni 1948 bis zum 12. Mai 1949 von der Sowjetunion als Reaktion auf die Währungsreform der Westzonen blockiert. Bei dieser Berlin-Blockade wurde der Westteil der Stadt durch die Berliner Luftbrücke versorgt. Die Blockade war ein weiterer Höhepunkt des Kalten Krieges. Es war Stalin nicht gelungen, Westberlin in seinen Machtbereich einzubeziehen. Westberlin unter Führung von Ernst Reuter galt seitdem als Symbol des erfolgreichen Widerstandes gegen die imperiale Politik der Sowjetunion.

Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik von 1949 war der Eiserne Vorhang auch staatsrechtlich manifestiert.

Stalin-Noten, Eden-Pläne, Molotow-Plan

Am 10. März 1952 bot Stalin den Westmächten (Frankreich, Großbritannien, USA) in den so genannten Stalin-Noten Verhandlungen über die Wiedervereinigung und Neutralisierung Deutschlands an. Bundeskanzler Konrad Adenauer und die Westmächte lehnten die Diplomatische Note als Störmanöver und als Behinderung der Westintegration der Bundesrepublik ab.

1952 trug der britische Außenminister Anthony Eden den ersten Eden-Plan zur Schaffung einer „Atlantischen Allianz“ vor, wonach die Bundesrepublik Deutschland in einem Europarat vertreten seien sollte. Er ergänzte 1954 auf der Berliner Außenministerkonferenz den Plan durch die Bedingungen (Freie Wahlen, Nationalversammlung, Verfassung, gesamtdeutschen Regierung, Friedensvertrag) für eine mögliche Wiedervereinigung Deutschlands.

Außenminister Molotow präsentierte bei dieser Außenministerkonferenz von 1954 den Molotow-Plan mit dem sowjetischen Vorschlag für eine Wiedervereinigung Deutschlands. Der Plan war eine Erwiderung auf den von der Sowjetunion abgelehnten Eden-Plan und stand in der Tradition der Stalin-Noten.

Siebzehnter Juni 1953

In den Tagen um den 17. Juni 1953 kam es wegen der Erhöhung der Arbeitsnormen in der DDR zu einer Welle von Streiks, Demonstrationen und Protesten. Die DDR-Führung nahm die Normenerhöhung zwar zurück, aber die Demonstrationen weiteten sich aus. Die sowjetischen Behörden reagierten mit der Verhängung des Ausnahmezustandes. In Berlin einrückende sowjetischen Truppen unterdrückten gewaltsam den Volksaufstand.

Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe

Der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) – im Englischen als COMECON bekannt – wurde 1949 in Moskau als sozialistisches Gegengewicht zum Marshallplan und zur OECD gegründet. Durch sie sollte eine Stärkung der Wirtschaftskraft sowie die Spezialisierung und Arbeitsteilung in den RGW-Staaten erreicht werden. Dazu gehörten neben der Sowjetunion auch Albanien, Bulgarien, Polen, Rumänien, Tschechoslowakei, Ungarn und ab 1950 die DDR. Kuba, die Mongolei und Vietnam wurden später ebenfalls Mitglieder.

Warschauer Pakt

In den nächsten Jahrzehnten war die Welt vom Duell der Supermächte USA und Sowjetunion gekennzeichnet. Die Sowjets stützten sich hierbei auf den Warschauer Pakt, der aus den im Zweiten Weltkrieg gewonnenen Satellitenstaaten (Albanien bis 1968, Bulgarien, DDR, Polen, Rumänien – teilweise, Tschechoslowakei und Ungarn) bestand. Der Pakt wurde 1955 in Warschau in der Form von bilateralen Verträgen über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand (VFZ) abgeschlossen. Das Militärbündnis stand unter Führung der Sowjetunion. Der Pakt bestand bis 1991. Die expansive und aggressive Politik Stalins bewirkte im „kapitalistischen Lager“ eine Reihe von politisch-militärischen Bündnissen. Es entstanden die Verteidigungspakte von NATO (1949), SEATO (1954) und CENTO (1955).

Konflikt mit Tito

Einen schweren und folgenreichen Rückschlag auf dem Wege zum Weltkommunismus erlitt die Sowjetunion, als 1948 Jugoslawien für sich in Anspruch nahm, einen eigenen Weg zum Sozialismus gehen zu wollen, der im Kern ein gewisses Maß an Selbstverwaltung der Betriebe vorsah. Dieser Titoismus brachte das Land in Gegensatz zu den sowjetischen Hegemoniebestrebungen und führte 1948 zum Bruch zwischen Stalin und dem selbstbewussten früheren Partisanenführer Josip Broz Tito. Die Auseinandersetzungen wurden mit erbitterter Härte und wüsten Beschimpfungen geführt. Im September 1949 wurde der zweiseitige Bündnisvertrag der Bruderstaaten von 1945 aufgekündigt. Am 29. November 1949 riefen die Kominform-Mitglieder sogar offen zum Sturz von Tito und zum Kampf gegen den Titoismus auf. Der Titoismus war von 1949 bis 1953 für die KPdSU ein Grund für die weitere Verfolgungen von sogenannten „Abweichlern“, „Ketzern“ und nationalorientierten Strömungen in den Ostblockstaaten.

Im Zuge der Entstalinisierung nach Stalins Tod kam es unter Nikita Chruschtschow und der Auflösung des Kominform wieder zu normalen Beziehungen mit der Sowjetunion, jedoch blieb Jugoslawien ein blockfreier Staat.

Bruch mit China

In China siegten mit sowjetischer Hilfe, aber durchaus aus eigener Kraft, die Kommunisten unter Mao Tse-tung. Die Sowjetunion unterhielt bis 1949 jedoch noch seine diplomatischen Beziehungen zum gegnerischen Nationalchina unter Tschiang Kaischek. Die neue Volksrepublik China wurde einen Tag nach ihrer Gründung am 1. Oktober 1949 anerkannt. Mao wurde von Stalin umgehend nach Moskau eingeladen, und am 14. Februar 1950 wurde ein Freundschafts- und Beistandsabkommen abgeschlossen. Die Sowjetunion verzichte dabei auf alle bisherigen Rechte über die Häfen Port Arthur/Lüshunkou und Dairen/Dalian und auf die ostchinesische Eisenbahn. Mit der Erfüllung der Vertragsvereinbarungen ließ sich die UdSSR bis 1952 bzw. 1955 viel Zeit. Probleme von beiderseitigem Interesse hinsichtlich der Mongolei und Ostturkestans/Xinjiang blieben offen. Das Verhältnis beider Staaten war konfliktbelastet.

Nach dem Tod Josef Stalins (5. März 1953) wurden die Beziehungen zu China schwieriger und nach der Kubakrise kam es zum Bruch zwischen Peking und Moskau. Dies war ein schwerer Schlag für die Sowjetführung, die darauf bedacht war, die Führungsrolle im Weltkommunismus zu behalten. Zudem wandte sich Peking mit Nixons Chinabesuch den USA zu und verschob damit das geopolitische Gleichgewicht, das sich nach der amerikanischen Niederlage im Vietnamkrieg gerade zu wenden schien, zu Ungunsten Moskaus.

Wirtschaftliche Schwächen

Innenpolitisch litt die Sowjetunion an den Schwächen der kommunistischen Planwirtschaft und der damit einhergehenden Bürokratie, die nur ein schwaches Wirtschaftsleben zuließ: Ein Industriearbeiter verdiente in der Stadt durchschnittlich 600 bis 800 Rubel, ein Kilogramm Butter kostete aber 68 Rubel, ein Paar Schuhe mittlerer Qualität 200.

Die wirtschaftliche Schwächung der Sowjetunion wurde durch das Wettrüsten im Rüstungswettlauf von Ost und West noch erheblich verstärkt. Das Bemühen der UdSSR, trotz seiner erheblich geringeren Wirtschaftskraft bei der militärischen Aufrüstung mit den NATO-Staaten auf gleicher Ebene zu konkurrieren, belastete die sowjetische Volkswirtschaft erheblich und führte zu Konflikten in der Partei- und Staatsführung hinsichtlich der zu bevorzugenden Wirtschaftsschwerpunkte wie Schwerindustrie, Leichtindustrie, Landwirtschaftproduktion oder Konsumgüterindustrie.

Mangel an Offenheit und Demokratie

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte die Sowjetunion eine düstere Terrorzeit, wenngleich der Terror nie die Dimensionen erlangte wie in den Jahren von 1936 bis 1940. Die Herrschaft der kommunistischen Einheitspartei KPdSU wurde nach innen abgesichert und Kritik am System unterdrückt. Dissidenten wurden verbannt oder unter Hausarrest gestellt.

Weder einfache Parteimitglieder noch höchste Funktionäre blieben verschont von dem System der permanenten Unsicherheit, der Furcht, der Repressalien, Verhaftungen und Deportationen. Das künstlerische wie wissenschaftliche Leben wurde durch Parolen wie Kampf gegen Objektivismus und gegen Kosmopolitismus durch „Wachsamkeitskampagnen“ vor allem durch ZK-Sekretär Shdanow stark bedrängt (Zweite Shdanowschtschina). Personen, die gegen die ideologischen Vorgaben verstießen, galten als „Schmierfinken“ oder der „Abschaum der Gesellschaft“.

Die Gulags – sogenannte „Arbeitsbesserungslager“ in einem umfassenden Repressionssystem – bestanden auch nach 1945 unter der Verwaltung des Innenministeriums. Bis zu 10 Mio. Menschen befanden sich in den Straf- und Zwangsarbeitslagern.

1953–1964: Ära Chruschtschows

Nach Stalins Tod (März 1953) wurde im Juni 1953 Nikita Chruschtschow Erster Sekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) und 1958 auch Regierungschef als Nachfolger von Georgi Malenkow (1953–1955) und Nikolai Bulganin. Er vereinte damit wieder (wie Stalin von 1941 bis 1953) das höchste Parteiamt der KPdSU mit dem mächtigsten Staatsamt als Ministerpräsident in einer Person. Formelles Staatsoberhaupt als Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets war von 1953 bis 1960 Woroschilow und von 1960 bis 1964 Leonid Breschnew.

Politische Führung bis 1964 [

Politbüro (von 1952 bis 1966 als Präsidium bezeichnet)

Das Politbüro wurde nach Stalins Tod 1953 gebildet aus Malenkow, Beria, Molotow, Woroschilow, Chruschtschow, Bulganin, Kaganowitsch, Mikojan, Saburow und Perwuchin. Beria wurde schon 1953 hingerichtet. Suslow rückte 1955 nach. Molotow, Malenkow, Kaganowitsch, Saburow und Perwuchin schieden nach ihrem Putschversuch 1957 aus. Die Chruschtschow-Anhänger Schukow, Koslow, Kuusinen, Aristow, Ignatow, Furzewa, Beljajew und Muchitdinow konnten sich nur einige Jahre halten. 1964 führte eine neue Gruppe um Breschnew mit Kossygin, Podgorny, Suslow, Kirilenko, Poljanski, Schwernik, Woronow das mächtige Politbüro.

Regierung

Die Regierungschefs waren in der in dieser Zeit Malenkow (bis 1955), Bulganin (bis 1958) und Chruschtschow. Außenminister waren nach dem Abgang von Molotow kurzfristig Schepilow (1956–1957) und dann bis 1985 der Ex-UNO-Botschafter Andrei Gromyko. Verteidigungsminister waren die Marschälle Bulganin (1953–1955), Schukow (1955–1957) und Malinowski (1957–1967).

Entstalinisierung

Auf dem XX. Parteitag der KPdSU leitete Chruschtschow 1956 mit einer fünfstündigen Geheimrede die Entstalinisierung und eine liberalere Parteipolitik ein. Er wollte so Handlungsspielraum für eine vorsichtige Reformpolitik gewinnen. Dieses war ein Wendepunkt in der Geschichte der Sowjetunion. Teile der Rede wurden bald auch in der UdSSR veröffentlicht. Es folgten Teilamnestien für unter Stalin als Zwangsarbeiter Inhaftierte, eine zunächst inhaltliche Diskussion über die weitere Entwicklungen in den Parteien und den Gesellschaften des Ostblocks, die Beendigung und Verurteilung des Personenkults, die Teilaufklärung stalinistischer Verbrechen, eine Reduzierung der Zensur und ein erster politischer Kurs der friedlichen Koexistenz.

1957 versuchten eine deutliche Mehrheit der Politbüromitglieder mit Molotow, Malenkow, Woroschilow, Kaganowitsch, Saburow, Perwuchin und Bulganin erfolglos Chruschtschow zu stürzen. Eine Mehrheit im eiligst zusammen gerufenen Zentralkomitee der Partei unterstützte jedoch Chruschtschow. Sie entließen Malenkow, Molotow, Kaganowitsch und Saburow aus ihren Parteiämtern. Bulganin blieb noch ein Jahr lang Ministerpräsident bis 1958 Chruschtschow auch diesen Posten übernahm.

Friedliche Koexistenz

Friedliche Koexistenz besagt, dass die Entscheidung Kapitalismus oder Sozialismus im friedlichen Wettbewerb beider Systeme, also unter Ausschluss des kriegerischen Konflikts zwischen ihnen entschieden werden soll. Auf dem XX. Parteitag der KPdSU von 1956 führte Chruschtschow dazu aus: „Der Leninsche Grundsatz von der friedlichen Koexistenz zwischen Staaten mit verschiedenartiger sozialer Struktur war und bleibt Generallinie in der Außenpolitik unseres Landes“. Der Parteitag billigte diese außenpolitische Generallinie,

Auch im Verhältnis zu den USA vertrat die Sowjetunion das Prinzip dieser Friedlichen Koexistenz der Systeme und verkündete das Ziel, den Kapitalismus vor allem auf wirtschaftlicher Ebene zu besiegen (Systemkonkurrenz). Vom 15. bis zum 27. September 1959 besuchte er auf Einladung Dwight D. Eisenhowers als erster sowjetischer Regierungschef die USA.

Zur Zeit von Chruschtschow und John F. Kennedy kam es 1962 zur Kuba-Krise mit den USA, die zu einem Dritten Weltkrieg hätte führen können. Auch auf Grund der Doktrin von der Friedlichen Koexistenz wurde von der Sowjetunion der Konflikt nicht militärisch, sondern diplomatisch gelöst.

Wegen des Kurses der Sowjetunion zur Friedlichen Koexistenz distanzierte sich u. a. die Kommunistische Partei der Volksrepublik China von der KPdSU, eine Spaltung zwischen den kommunistischen Parteien, die bis zum Untergang der Sowjetunion bestehen blieb.

Staatsvertrag Österreich

Mit dem Kriegsende 1945 wurde auch Österreich in vier Besatzungszonen aufgeteilt. 1955 verhandelten Außenminister Molotow und der Stellvertretende Ministerpräsident Mikojan mit Österreich (Bundeskanzler Julius Raab, Vizekanzler Adolf Schärf, Außenminister Leopold Figl und Staatssekretär Bruno Kreisky) über deren Wiedervereinigung. Mit der Unterzeichnung des Österreichischen Staatsvertrages durch Österreich und durch die Siegermächte sowie mit dem Bekenntnis zur Neutralität durch das Moskauer Memorandum erlangte die Alpenrepublik ihre volle Souveränität am 27. Juli 1955.

Ungarischer Volksaufstand

Trotz einer Politik der Entstalinisierung und der friedlichen Koexistenz konnten die Satellitenstaaten der Sowjetunion nicht nach eigenem Belieben handeln. Mit dem Ungarischen Volksaufstand versuchten die Ungarn im Oktober und November 1956, sich von der sowjetischen Unterdrückung zu befreien. Ungarns Ministerpräsident Imre Nagy forderte die parlamentarische Demokratie und die Neutralität Ungarns. Die von den Staaten des Warschauer Pakts so bezeichnete Konterrevolution wurde durch den Einmarsch der Roten Armee blutig beendet. Auch Nagy, Verteidigungsminister Pál Maléter und weitere 350 Personen wurden in der UdSSR verurteilt und hingerichtet. Nachfolger János Kádár verfolgte als Generalsekretär der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei und Ministerpräsident außenpolitisch einen streng moskau-treuen Kurs, führte innenpolitisch jedoch Reformen durch.

Berliner Mauer

Das Auseinanderdriften von Ost und West verschärfte sich zunehmend. Zwischen 1949 und 1961 verließen etwa 2,6 Millionen Menschen die DDR. Diese Abwanderungen bedrohten die Wirtschaftskraft der DDR und somit auch die der Ostblockstaaten. Der Staatsratsvorsitzende der DDR, Walter Ulbricht erhielt von Chruschtschow die Zustimmung zur Abriegelung der Berliner Sektorengrenze als wirksame Sperrmaßnahme. Mit dem Bau der Berliner Mauer in der DDR vom 13. August 1961 wurde die Ost-West-Teilung verstärkt.

Kubakrise

Im Mai 1962 begannen die UdSSR auf Kuba heimlich mit Atomsprengköpfen bestückbare SS-4 Mittelstreckenraketen und 40.000 Soldaten der Sowjetarmee zu stationieren.

Die USA entdeckten die ersten Raketenstationierungen. Präsident John F. Kennedy ordnete eine Seeblockade für sowjetische Schiffe an, die Rüstungsgüter nach Kuba transportierten und forderte Chruschtschow auf, die Raketen aus Kuba abzuziehen.

Chruschtschow akzeptierte zunächst die Blockade nicht. Ein Weltkrieg drohte. Chruschtschow lenkte schließlich ein und erklärt sich bereit, die Raketen zu entfernen. Im Gegenzug erklären die USA: Keine Invasion auf Kuba. Sie versprachen auch, die Atomwaffen aus der Türkei abzuziehen, was jedoch vermutlich nie geschah.

Wirtschaftsprogramm

Nachdem in der Stalinzeit auch kriegsbedingt der Ausbau der Schwerindustrie deutlichen Vorrang hatte, wurden nunmehr die Elektrifizierung und der Ausbau der Chemiewirtschaft vorangetrieben. Zugleich legte Chruschtschow darauf Wert, die Produktivität der Landwirtschaft erheblich zu steigern.

Bis 1957 wurde die Sowjetwirtschaft streng zentralistisch und nach Branchen gegliedert. So gab es ganz spezielle Fachministerien wie z. B. für Radioelektronik, Luftfahrtstechnik, Holzindustrie, Leichtmaschinenbau. Die Gosplan versuchte eine zentralistische Lenkung über die Fünfjahrespläne. Chruschtschow leitete 1957 eine Wirtschaft-Verwaltungsreform ein, die sich von den bisherigen Organisationsprinzipien der Partei abhob. Es wurden nunmehr zunächst um die 100 Wirtschaftsverwaltungsbezirke gebildet mit Volkswirtschaftsräten (Sownarchos). 1962 wurde die Anzahl der Bezirke auf 47 begrenzt. Chruschtschow ordnete an, dass die Parteifunktionäre nicht nur grundsätzlich anweisen und kontrollieren, sondern nun auch unmittelbar in der Verwaltung des Staates – vor allem in der Landwirtschaftsproduktion – mitwirken sollten. Die Parteifunktionäre waren überfordert. Misserfolge fielen nunmehr direkt auf die Partei zurück. Ein gigantischer Zwanzigjahresplan wurde aufgestellt. Diese Reformen scheiterten und leiteten den Sturz Chruschtschows ein. Die Reformen wurden sodann wieder von den Nachfolgern zurückgenommen.

Abwahl Chruschtschows

1964 wurde Chruschtschow als Folge der gescheiterten Landwirtschafts- und Wirtschaftspolitik, der gestörten Beziehungen zu China, der Niederlage in der Kuba-Krise und auf Grund seines Machtverlustes in der Partei von seinen Ämtern als Erster Sekretär der Partei und Ministerpräsident der UdSSR vom Zentralkomitee (ZK) der Partei enthoben. Michail Suslow und Leonid Breschnew, aber auch Alexei Kossygin, Anastas Mikojan und Dimitri Poljanski führten am 14. Oktober 1964 u. a. mit der Kritik an der Parteireform, dem veränderten Parteistatut und der Landwirtschaftspolitik seinen Sturz herbei. 1957 hatte Chruschtschow die Malenkow-Molotow-Gruppe mit Hilfe des ZKs abwählen lassen. Dieses Mal bedienten sich die Mehrheit im Politbüro derselben Methode. Das ZK wurde zu einer Sondersitzung einberufen und der unvorbereitete Chruschtschow mehrheitlich zum Rücktritt gezwungen.

Chruschtschows Erfolge

Der mörderische Massenterror der Stalinzeit endete. Der größere Teil der politischen Gefangenen wurde entlassen, wenngleich noch mehrere hunderttausende Gefangene verblieben. Die Mehrzahl der sibirischen Gefangenenlager wurde aufgelöst. Eine Justizreform schaffte die Sippenhaft ab und gestattete die Verteidigung in Strafprozessen.

Der Stalindiktatur folgte eine kollektivere Staats- und Parteiführung. Das Zentralkomitee wurde wieder in die Entscheidungen einbezogen. Eine Reihe von Verbrechen der Stalinzeit wurden offengelegt und die Macht des Geheimdienstes reduziert. Der Personenkult wurde eingeschränkt. Im Kunst- und Literaturbetrieb zeichneten sich Liberalisierungstendenzen ab.

Im Arbeitsleben war seit 1956 – administrativ eingeengt – die Möglichkeit der freien Wahl des Arbeitsplatzes eingeräumt worden. Andererseits konnten durch das sogenannte Parasitengesetz der RSFSR „arbeitscheue Elemente“ durch das Arbeitskollektiv bis zu 5 Jahre in Verbannung geschickt werden.

In die Ära Chruschtschows fallen auch die spektakulären Erfolge der sowjetischen Raumfahrt. 1957 flog der Sputnik 1 als erster Satellit in den Weltraum, 1961 war mit Juri Gagarin ein Sowjetbürger als erster Mensch im Weltraum.

Das System hatte sich insgesamt modernisiert aber nicht liberalisiert.

Breschnew und seine Nachfolger

Leonid Breschnew

Nach Chruschtschows Sturz wurde Leonid Breschnew zunächst Erster Sekretär und ab 1966 Generalsekretär der KPdSU. Kurzfristig kam es wieder zu einer kollektiven Führung im Politbüro. Bald setzte sich Breschnew machtpolitisch gegen Ministerpräsident Alexei Kossygin und Staatsoberhaupt Nikolai Podgorny durch. Er löste Podgorny 1977 als Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR und somit als Staatsoberhaupt ab. Damit wurde das Amt des Staatsoberhauptes aufgewertet und es blieb danach aus repräsentativen Gründen zumeist auch dem Parteichef vorbehalten.

Die von Chruschtschow eingeleitete Entstalinisierung wurde kaum mehr verfolgt, die Bezeichnung des Stalinismus als „Periode des Personenkults“ wurde nun sogar als unmarxistisch und falsch bezeichnet.[7] Weitere Reformen, die Chruschtschow in Partei und Staat begonnen hatte, wurden teilweise wieder zurückgenommen oder völlig abgestellt, stattdessen orientierte sich die Führung wieder an den Prinzipien und Traditionen des Stalinismus → Neostalinismus. Die Meinungsfreiheit wurde wieder massiv eingeschränkt, in dem man regimekritische Schriftsteller wie beispielsweise Andrei Donatowitsch Sinjawski oder Juli Daniel verhaftete. Auch die Gesetze bei politischen Verbrechen wurden verschärft. Des Weiteren wurde versucht, Stalin wieder positiver darzustellen, in dem man seine großen „Heldtaten“ während des Zweiten Weltkriegs hervorhob.[8] Gorbatschow beurteilte die Entwicklung ab 1967: „So verflüchtete sich der Geist der Reformen zusehends.“ „Die Stagnation begann“ mit Zentralismus, Nomenklatura und Kommandowirtschaft.[9]

Politische Führung bis 1985

Politbüro 1964–1985

Die Breschnew-Zeit war gekennzeichnet durch deutliche Stagnationserscheinungen einer stark überalterten und konservativen politischen Führungsschicht. Spöttisch wurde es als „Goldenes Zeitalter der Stagnation“ benannt. Um 1980 war das Durchschnittsalter der Politbüro-Mitglieder über 70 Lebensjahre. Langjährige Mitglieder waren neben Breschnew u. a. Ministerpräsident Kossygin, Staatspräsident Podgorny, der Parteiideologe Michael Suslow sowie Kirilenko, Außenminister Gromyko, Andropow, Grischin, Kunajew. Erst 1978 rückte der schon 67-jährige Konstantin Tschernenko in das Politbüro nach; der Sekretär des Zentralkomitees war bald die mächtige „graue Eminenz“ für den zunehmend gebrechlichen Breschnew.

Regierung 1964–1985

Die Regierungschefs waren Alexei Kossygin (1964–1980) und Nikolai Tichonow (1980–1985). Einziger Außenminister dieser Epoche war Andrei Gromyko. Als Verteidigungsminister fungierten die Marschälle Gretschko (1967–1976) und Ustinow (1976–1984). Den KGB leitete von 1967 bis 1982 Juri Andropow. Chef des Gosplan war Nikolai Baibakow.

Prager Frühling, Breschnew-Doktrin

Die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei unter ihrem Ersten Sekretär Alexander Dubček bemühte sich im Frühjahr 1968 um ein Liberalisierungs- und Demokratisierungsprogramm, um einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ in der Tschechoslowakei. Diese Reformbewegung des Prager Frühlings wurde durch eine politische und militärische Intervention der „Warschauer Fünf“ – Sowjetunion, Bulgarien, Ungarn, Polen und DDR – niedergeworfen.

Die Handlungen erfolgten im Rahmen der dazu am 12. November 1968 verkündeten Breschnew-Doktrin, die eine begrenzte Souveränität der Warschauer-Pakt-Staaten postulierte mit der These: „Die Souveränität der einzelnen Staaten findet ihre Grenze an den Interessen der sozialistischen Gemeinschaft.“ Im Zuge der Reformpolitik unter Michail Gorbatschow wurde die Doktrin 1988 offiziell aufgehoben.

Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa

Die erste Konferenz der KSZE fand auf Initiative der UdSSR und des Warschauer Paktes 1973 in Helsinki statt. Teilnehmer waren 35 Staaten: die USA, Kanada, die Sowjetunion und alle europäischen Staaten mit Ausnahme von Albanien.

Die Schlussakte von Helsinki wurde 1975 unterzeichnet. In ihr wurden Vereinbarungen über die Menschenrechte, die Zusammenarbeit in Wirtschaft, Wissenschaft, Technik und Umwelt, Sicherheitsfragen sowie Fragen der Zusammenarbeit in humanitären Angelegenheiten getroffen. Das erfolgreiche Ziel der KSZE war es, dem Ost- und Westblock in Europa zu einem geregelten Miteinander zu verhelfen.

Die von den RGW-Staaten unterschätzten Regelungen zu den Menschenrechten waren Grundlage für die Arbeit vieler osteuropäischer Dissidenten und Menschenrechtsorganisationen und somit Basis für eine zunehmende Liberalisierung in den Ostblockstaaten.

Entspannung

Eine nur kurze Atempause im Wettrüsten der Großmächte sorgte auch für eine kurze Phase der Entspannung von 1969 bis 1979. Die Zeit der Koexistenz schien für eine Normalität zu sorgen

Moskauer Vertrag

Der Moskauer Vertrag von 1970 zwischen der UdSSR und der Bundesrepublik Deutschland sorgte im Rahmen der neuen Ostpolitik für eine Entspannung in Mitteleuropa u. a. durch die Anerkennung des Status quo, also der Oder-Neiße-Linie als Westgrenze zu Polen. Der Vertrag wurde von Bundeskanzler Willy Brandt und Außenminister Walter Scheel, sowie für die UdSSR von Ministerpräsident Alexei Kossygin und Außenminister Andrej Gromyko unterzeichnet.

Abrüstung und SALT

Die SALT-Verträge (Verträge zur nuklearen Rüstungsbegrenzung) wurden von 1969 bis 1979 ausgehandelt. SALT I wurden schon 1972 von US-Präsident Richard Nixon und Breschnew in Moskau unterzeichnet. Der ABM-Vertrag (Anti-Ballistic Missiles) von 1972 zwischen den USA und der UdSSR zur Begrenzung von Raketenabwehrsystemen war ein Ergebnis der SALT-Verhandlungen. Auch SALT II fand mit den Unterschriften von US-Präsident Jimmy Carter und Breschnew 1979 seinen Abschluss.

Vorübergehendes Ende des Prozesses

Die Invasion Afghanistans setzte 1979 dem Entspannungprozess ein vorübergehendes Ende. SALT II wurde deshalb von den USA nicht mehr ratifiziert.

Afghanistankrieg

1978 übernahm die kommunistische Demokratische Volkspartei Afghanistans (DVPA) die Macht in Afghanistan. Rund 30 Mudschahedin-Gruppen leisteten jedoch erbitterten und erfolgreichen Widerstand. Im Dezember 1979 marschierten deshalb auf Wunsch Babrak Karmals sowjetische Truppen in Afghanistan ein. Der Afghanistankrieg entwickelte sich zu einem Debakel und trug auch zum Niedergang der Sowjetunion bei. 1980 wurden deshalb die Olympischen Spiele in Moskau von vielen westlichen Staaten boykottiert. Nach dem Abzug der Sowjets 1989 verschlechterte sich die Lage der Kommunisten im Land und sie verschwanden nach der Machtübernahme der Taliban von der politischen Bühne.

Juri Andropow

Breschnews Nachfolger wurde für 1982–1984 der frühere KGB-Chef Juri Andropow. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger und Nachfolger, war Andropow an einer umfassenden Belebung der sowjetischen Politik im Inneren und Äußeren interessiert. Am 12. November 1982 wurde er mit 68 Jahren trotz seines ernsten Gesundheitszustandes zum Generalsekretär der KPdSU gewählt. Am 16. Juni 1983 wurde Andropow zudem Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets. Diabetes, Bluthochdruck und chronisches Nierenversagen konstatierten derweil die Ärzte. In den letzten sechs Monaten seines Lebens nahm Andropow keine öffentlichen Termine mehr wahr. Nach nur 15 Monaten Regierungszeit verstarb er in Moskau.

Konstantin Tschernenko

Im Jahre 1984, im Alter von 72 Jahren, wurde Konstantin Tschernenko Generalsekretär der KPdSU; zu dieser Zeit litt er unter Asthma und war schwer krank. Wie sein Vorgänger, Juri Andropow, war Tschernenko nur kurze Zeit Generalsekretär und Staatsoberhaupt. Er starb nach dreizehnmonatiger Amtszeit. Tschernenko ist der letzte sowjetische Staatsmann, der an der Kremlmauer in Moskau beerdigt wurde.

Gorbatschow

Reformen durch Glasnost und Perestroika

Mit der Wahl Michail Sergejewitsch Gorbatschows zum Parteichef der Kommunistischen Partei setzten sich 1985 die Kräfte durch, die nur in entschlossenen und tief greifenden Reformen den letzten Ausweg aus der damaligen schwierigen wirtschaftlichen Situation in der Sowjetunion sahen. Von 1985 bis 1991 war als vorsichtiger Reformer Nikolai Ryschkow neuer Ministerpräsident.

Der Anfang der Ära Gorbatschow war überschattet von der Katastrophe von Tschernobyl.

Politbüro nach 1985

Es gelang Gorbatschow in schneller Folge das überalterte Politbüro zu verjüngen. Boris Jelzin wird ihm später (1991) vorwerfen, dass er – Gorbatschow – diese neuen Mitglieder schließlich zumeist selbst vorgeschlagen hat. Anfänglich waren es noch 11 Vollmitglieder, am Schluss 24 Mitglieder; das Gremium verlor an Macht und Bedeutung. Bedeutende Mitglieder waren Saikow, Slunkow, die Reformer Wadim Medwedew und Jakowlew und ab 1989/90 die verhängnisvollen Krjutschkow und Janajew.

Regierung ab 1985

Regierungschefs war bis 1991 Ryschkow, der dann durch den farblosen, früheren Finanzminister Walentin Pawlow abgelöst wurde. Als bedeutender Außenminister wirkte der Georgier Eduard Schewardnadse, der als Reformer schon 1990 aufgab. Von 1987 bis 1991 war Marschall Jasow Verteidigungsminister, bis er auf die Idee eines Putsches kam. Den KGB leitete der spätere Putschist Wladimir Krjutschkow.

Glasnost und Perestroika

Nach und nach wurde im Zuge der Politik Gorbatschows die wirtschaftliche und politische Krise deutlicher, was durch seine Politik von Glasnost (Transparenz) und Perestroika (Umgestaltung) wiederum bewusst offengelegt wurde. Auch außerhalb der politischen Klasse, in der Bevölkerung, wurde nun immer offener Kritik geäußert. Die Nomenklatura war jedoch anfangs überzeugt, die Kontrolle über die Entwicklung durch aktive Mitarbeit behalten zu können. Sie wurde jedoch schließlich von der Eigendynamik der Entwicklung überrollt.

Außenpolitik

Die Außenpolitik wurde in dieser Zeit im wesentlichen von Gorbatschow und dem Außenminister von 1985 bis 1990 Eduard Schewardnadse getragen.

Der Ost-West-Dialog

Über die Dialoge des Genfer Gipfeltreffens vom November 1985, dem Treffen in Reykjavík vom Oktober 1986, dem Moskaubesuch von US-Außenminister George P. Shultz im April 1987 und dem Staatsbesuch Gorbatschows im Dezember 1987 in Washington D.C. konnten bis April 1988, beim Gegenbesuch des US-Präsidenten Ronald Reagan in Moskau, zwischen der UdSSR und den USA entscheidende Schritte für eine nukleare Abrüstung und für eine Entspannung zwischen den Großmächten eingeleitet werden (siehe INF-Vertrag).

In Malta (Juli 1989) und Washington (Mai 1990) wurde dieser Dialog zwischen US-Präsident George Bush und Gorbatschow fortgesetzt und durch Wirtschaftsfragen ergänzt und die UdSSR zunächst vorläufig in die Gespräche der G-7-Staaten (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, USA) einbezogen.

Auch die erfolgreichen KSZE-Nachfolgeverhandlungen führten 1989 zu der Verbesserung der Beziehungen zwischen den beteiligten Staaten aus Europa und Nordamerika.

Ende der Breschnew-Doktrin

1988 verkündete Gorbatschow, dass die Sowjetunion die Breschnew-Doktrin aufgeben würde und erlaubte den osteuropäischen Staaten mehr Demokratie einzuführen. Die neuen Freiheiten führten 1989 zu einer Reihe überwiegend friedlicher Revolutionen in Osteuropa. Sie beendeten den Kalten Krieg und ermöglichten die Deutsche Wiedervereinigung, an dessen formellen Ergebnissen die UdSSR maßgeblich beteiligt war.

Der Krieg in Afghanistan fand erst 1989 mit dem Rückzug der Truppen für die UdSSR ein Ende.

Auflösung der Sowjetunion

Der Augustputsch

Während des Putschversuchs von 1991, auch bekannt als Augustputsch in Moskau, setzte eine Gruppe von Funktionären der KPdSU ihren Präsidenten Gorbatschow vorübergehend ab und versuchte, die Kontrolle über das Land zu erlangen. Obgleich der Putschversuch in nur drei Tagen scheiterte und Gorbatschow wieder eingesetzt wurde, beschleunigte das Ereignis den Zerfall der UdSSR.

Auflösung der UdSSR

Am 11. März 1990 erklärte Litauen, am 9. April 1991 Georgien sowie am 20. und 21. August 1991 Estland und Lettland als erste ihre Unabhängigkeit von der UdSSR. Es folgten am 24., 25., 27. und 31. August 1991 Weißrussland, Ukraine, Moldawien und Kirgisistan, am 1., 9. und 21. September 1991 Usbekistan, Tadschikistan und Armenien, am 18. und 27. Oktober 1991 Aserbaidschan und Turkmenistan sowie am 12. und 16. Dezember 1991 die Russische SFSR und Kasachstan.

Der erstarkte Präsident der ehemaligen Unionsrepublik RSFSR, Boris Jelzin, übernahm die Kontrolle über Medien und Schlüsselministerien. Schrittweise demontierte und entmachtete er Präsident Gorbatschow, der am 25. Dezember 1991 als Präsident der UdSSR zurücktrat und die Amtsgeschäfte an den Präsidenten der Russischen Föderation, Boris Jelzin, übergab. Symbolträchtig wurde um 19:32 Uhr Moskauer Zeit die Flagge der Sowjetunion mit Hammer und Sichel eingeholt und die weiß-blau-rote Flagge Russlands aufgezogen.[10] Schließlich vollzog der Oberste Sowjet am 26. Dezember 1991 per Beschluss die Auflösung der Sowjetunion als Völkerrechtssubjekt. Die völkerrechtlichen Rechte und Pflichten der Sowjetunion übernahm − unter Jelzins Führung − die Russische Föderation als der „Fortsetzerstaat“ der UdSSR (état continuateur), welcher völkerrechtlich identisch zur RSFSR ist, wodurch auch der sowjetische Sitz im UN-Sicherheitsrat an Russland fiel.[11] Mit dem Ablauf des 31. Dezember 1991 hörte die Sowjetunion auf zu existieren,[12] nachdem einige Tage zuvor die seit 1917 über dem Moskauer Kreml wehende Rote Fahne eingeholt wurde.[13] Eine spätere Nichtigkeitserklärung der russischen Duma vom 15. März 1996, die von der KPRF beantragt wurde und eine Mehrheit erlangte, blieb folgenlos.[14]

Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)

Es blieben die nunmehr 15 souveränen Staaten der Union. Die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten wurde im Dezember 1991 durch eine Vereinbarung der Staatsoberhäupter Russlands, der Ukraine und Weißrusslands und durch den Beitritt von acht weiteren, kurz darauf von der Sowjetunion unabhängig gewordenen Sowjetrepubliken (Armenien, Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisistan, Moldawien, Tadschikistan, Usbekistan) gegründet. 1993 trat auch Georgien der GUS bei. In den letzten Jahren hat die GUS deutlich an Bedeutung verloren. Turkmenistan ist seit 2005 nur noch beigeordnetes Mitglied. Georgien verließ de facto 2008 die GUS. Die Ukraine sieht sich seit 2008 nur noch als Teilnehmerstaat und nicht Mitgliedsstaat.

Literatur

  • Orlando Figes: Die Tragödie eines Volkes, Goldmann Verlag, 2001, ISBN 3-442-15075-2.
  • Wolfgang Caspart: Gorbatschow als Partner des Westens. Geschichte – Sozialphilosophie – politische Psychologie. Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2001. ISBN 3-631-35292-1.
  • Michail Heller, Alexander Nekrich: Geschichte der Sowjetunion, Athenäum, Königstein/Ts. 1981.
  • Manfred Hildermeier: Die Sowjetunion 1917–1991, in: Oldenbourg Grundriss der Geschichte, R. Oldenbourg Verlag, 2001, ISBN 3-486-56179-0.

Einzelnachweise

  1. ↑ Andreas Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge: zugleich ein Beitrag zu den Möglichkeiten und Grenzen völkerrechtlicher Kodifikation, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Springer, 2000, ISBN 3-540-66140-9, S. 85 ff. (91 f.).
  2. ↑ Winston Churchill: Der Zweite Weltkrieg. Fischer-Verlag, Frankfurt/M. 2007, S. 701.
  3. ↑ Geschichte des Zweiten Weltkrieges. S. 81, Ploetz, Würzburg 1960
  4. ↑ Milton Leitenberg: Death in Wars and Conflicts in the 20th Century
  5. ↑ Ilja Altman: Opfer des Hasses. Der Holocaust in der UdSSR 1941–1945. Mit einem Vorwort von Hans-Heinrich Nolte. Muster-Schmidt-Verlag, Gleichen/Zürich 2008, S. 7 u. 47.
  6. ↑ Zu den Vertreibungen siehe Jörg Baberowski: Der rote Terror. Die Geschichte des Stalinismus, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2003, S. 237, ISBN 3-421-05486-X.
  7. ↑ Aus: Wolfgang Leonhard, Die Dreispaltung des Marxismus. Ursprung und Entwicklung des Sowjetmarxismus, Maoismus & Reformkommunismus, Düsseldorf / Wien 1979, S. 252.
  8. ↑ Aus: Wolfgang Leonhard, Die Dreispaltung des Marxismus. Ursprung und Entwicklung des Sowjetmarxismus, Maoismus & Reformkommunismus, Düsseldorf / Wien 1979, S. 251–256.
  9. ↑ Michail Gorbatschow: Erinnerungen, S. 123 f., 126, 144; Siedlerverlag, Berlin 1995, ISBN 3-88680-524-7.
  10. ↑ END OF THE SOVIET UNION; The Soviet State, Born of a Dream, Dies. Abgerufen am 3. März 2010.
  11. ↑ Ross. Gaz vom 21. Januar 1992, deutsche Übersetzung bei Schweisfurth, Staatensukzession, S. 67.
  12. ↑ Manfred Hildermeier, Die Sowjetunion 1917–1991. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2007, ISBN 978-3-48658-327-4, S. 99.
  13. ↑ Nach überwiegender Darstellung in der Forschungsliteratur, wie etwa nach der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen und Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde, trat dieses Ereignis am 25. Dezember 1991 ein; einzelne Quellen nennen auch den 31. Dezember 1991, wie z. B. Klaus Körner, „Die rote Gefahr“: antikommunistische Propaganda in der Bundesrepublik 1950–2000, Konkret Literatur, 2003, ISBN 3-894-58215-4, S. 13, oder Richard Schmidt, Hochschule für Politik München, Zeitschrift für Politik, Band 41. Hg. von Adolf Grabowsky, C. Heymann, 1994, ISBN 3-452-22812-6, S. 289.
  14. ↑ Drucksache 13/4404 vom 19. April 1996 der deutschen Bundesregierung mit Antwort auf eine Anfrage von Klaus Dieter Reichardt zur Nichtigkeitserklärung der Auflösung der UdSSR von der russischen Staatsduma

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Großfürstentum Moskau

Das Großfürstentum Moskau (russ. Великое Княжество Московское, wiss. Transliteration Velikoe Knjažestvo Moskovskoe) war ein russischer Teilstaat, der durch die im 14. Jahrhundert erlangte Vormachtstellung in der nordöstlichen Rus und durch stetigen politischen und geographischen Machtzuwachs zur Keimzelle des Russischen Reiches wurde.

Das Fürstentum Moskau existierte ab 1276, von 1340 bis 1547 hielt es die Großfürstenwürde. Nachfolgestaat wurde das von Iwan IV. im Jahr 1547 proklamierte Russische Zarenreich.

Geschichte

Entstehung und Frühzeit

Das Moskauer Fürstentum entstand im 13. Jahrhundert als kleiner Splitterstaat des Großfürstentums Wladimir-Susdal nach dessen Verwüstung durch die Mongolen. Auch das bereits 1147 erstmals erwähnte Moskau wurde im Zuge der mongolischen Invasion zerstört, konnte sich jedoch als eine der wenigen Städte schnell erholen. Durch die Erwerbung von Kolomna, Pereslawl-Salesski und Moschaisk an der Schwelle zum 14. Jahrhundert konnte es sein kleines Territorium merklich vergrößern. Im Folgenden konnte es sich mit Hilfe der Mongolen gegen die rivalisierenden Fürstentümer Twer und Rjasan durchsetzen. Der Moskauer Fürst Iwan Kalita unterhielt gute Beziehungen zur Goldenen Horde und hatte die Funktion des Mittlers und des Steuereintreibers zwischen vielen russischen Fürstentümern und den Mongolen. Er hatte den Vorteil, sein Herrschaftsgebiet nicht unter seinen Söhnen aufteilen zu müssen und ersparte Moskau verheerende Plünderungsfeldzüge der Mongolen, mit denen andere Fürstentümer oft konfrontiert waren. Dadurch konnte sich der Handel und das Handwerk in Moskau gut entwickeln. 1321 konnte er den Metropoliten der Russisch-Orthodoxen Kirche dazu bewegen, seinen Sitz von Wladimir nach Moskau zu verlegen, was dazu diente, dass Moskau auch die geistliche Vormachtstellung in Russland erwarb.

Wachstum und Kampf gegen die Tataren

In den 1360ern konnte das rivalisierende Fürstentum Nischni Nowgorod besiegt werden. Iwans Nachfolger Simeon der Stolze nannte sich bereits Großfürst der ganzen Rus. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts kühlten sich die Beziehungen Moskaus zur Goldenen Horde ab, was durch die Moskauer Politik der Sammlung der russischen Erde bedingt war. Moskau wurde zum Zentrum des russischen Widerstandskampfes gegen die mongolisch-tatarische Herrschaft. Das Moskauer Heer wehrte tatarische Angriffe auf Rjasan und Nischni Nowgorod ab und 1380 konnte ein vereinigtes russisches Heer unter der Führung des Moskauer Großfürsten Dmitri Donskoi die Tataren in der Schlacht auf dem Schnepfenfeld entscheidend schlagen. Zwar beendete dieser Sieg noch nicht die Tatarenherrschaft, doch hatte er eine große symbolische Bedeutung und stärkte das Ansehen Moskaus in Russland weiter.

1392 wurden Moskau die Gebiete Nischni Nowgorods und Kostroma angeschlossen und auch der Moskauer Einfluss auf die Republik Nowgorod begann zu wachsen.

Iwan III.

Einen entscheidenden Machtzuwachs erfuhr das Großfürstentum Moskau im 15. Jahrhundert. Nachdem 1453 die osmanischen Türken Konstantinopel eroberten und das Byzantinische Reich zu existieren aufhörte, erklärte Iwan der Große Moskau zum einzig verbliebenen Hort des orthodoxen (rechtgläubigen) Christentums und zum Dritten Rom. Um den Erbschaftsanspruch auf das Byzantinische Reich zu bekräftigen, heiratete er 1472 Sofia Palaiologa, die Nichte des letzten byzantinischen Kaisers Konstantinos XI. Palaiologos. Auch wurden byzantinische Insignien wie der Doppeladler als russisches Wappen übernommen.

Die Herrschaft Iwans des Großen dauerte 41 Jahre und war die längste Herrschaftszeit in der gesamten russischen Geschichte bis heute. Er vervierfachte das Gebiet des Großfürstentums, unter anderem durch die Unterwerfung der Nowgoroder Republik und den Anschluss von Pskow. Die Fürsten der eroberten Gebiete durften meist als Titularfürsten im Rang von Bojaren weiter eine gewisse Macht ausüben. Das Nowgoroder Patriziat wurde jedoch durch Umsiedlung ausgeschaltet. Unter Iwan III. wurde der heutige Moskauer Kreml anstelle einer älteren hölzernen Konstruktion erbaut. Durch erfolgreiche Feldzüge machte er den östlichen Rivalen Wolgabulgarien (Khanat Kasan) zu seinem Vasallen.

Die unter der Herrschaft des Großfürstentums Litauen stehenden Rus-Gebiete begannen immer mehr nach Moskau zu blicken, nachdem durch die litauisch-polnische Personalunion der orthodoxe Bevölkerungsteil in seinen Rechten zunehmend beschränkt wurde. Moskau, das sich als Nachfolger der Kiewer Rus und der Beschützer der Orthodoxie sah, nahm zahlreiche Überläufer samt ihren Ländereien auf. Durch den Sieg über das Großfürstentum Litauen in der Schlacht von Wedroscha wurde ein Drittel seines Territoriums Moskau offiziell angeschlossen.

Das wichtigste Ergebnis von Iwans Herrschaft war jedoch das Stehen an der Ugra im Jahr 1480, das das endgültige Abschütteln der Oberherrschaft der Goldenen Horde zur Folge hatte, die sich im Folgenden in mehrere Khanate aufspaltete. Im Inneren setzte Iwan die Primogenitur gegen das hergebrachte Senioratsprinzip durch, wie es mehrere seiner Vorgänger bereits versucht hatten. Dadurch erhöhte Iwan die Stabilität der Erbfolge und des Moskauer Territoriums erheblich. Seinen enterbten Brüdern gewährte Iwan zum Ausgleich Apanagen.

Wassili III. und Iwan IV.

Unter Wassili III. wurde 1514 die von Litauern gehaltene bedeutende Stadt Smolensk erobert. 1510 erfolgte der Anschluss der Republik Pskow, 1521 des südlichen Fürstentums Rjasan. Gleichzeitig begannen vom Süden her jedoch Überfälle der Krimtataren, die an der zunehmenden Unterlegenheit Litauens nicht interessiert waren. Die Krimtataren zogen es vor, die Kriege der beiden Rivalen Moskau und Litauen am Leben zu halten, um von beiden Seiten mit reichen Geschenken umworben zu werden und Plünderungsfeldzüge unternehmen zu können. In dieser Zeit nahmen auch die Moskau-Kasan-Kriege zwischenzeitlich eine für Moskau unvorteilhafte Wendung.

Unter Iwan dem Schrecklichen wurden jedoch die Tatarenkhanate Kasan und Astrachan endgültig erobert, womit der Zugang zum Kaspischen Meer erworben und Russland erstmals zu einem multinationalen Land wurde. Iwan proklamierte sich 1547 zum Zaren von Russland, in Anlehnung an das lateinische Caesar (Kaiser). Offiziell wurde das Moskauer Großfürstentum ab diesem Zeitpunkt in Zarentum Russland (russisch Царство Русское) umbenannt. In westlichen Chroniken wurde der russische Staat jedoch bis zur Regierungszeit Peters des Großen – ab dann Russisches Reich – überwiegend noch Moskowien genannt.

Fürst von Moskau

Fürst von Moskau war der Titel des mittelalterlich-russischen Herrschers vor seiner Erhebung zum Großfürsten durch den tatarischen Großkhan. Nicht verwechselt werden darf der Großfürst von Moskau mit dem neuzeitlichen Titel Fürst von Moskau bzw. Fürst von der Moskwa, den der erste französische Kaiser Napoleon seinem Marschall Michel Ney anlässlich der Schlacht von Borodino verliehen hatte. Die Franzosen bezeichnen diese Schlacht als Schlacht von Moskau bzw. Schlacht von der Moskwa (Bataille de la Moskowa), da sie die Einnahme Moskaus ermöglicht habe. Für seine Verdienste in dieser Schlacht wurde für Ney dieser Titel geschaffen, der mit keinerlei Rechten oder Privilegien in Moskau oder Russland verbunden war. Während des zweiten französischen Kaiserreichs trugen jedoch auch Neys Sohn und Enkel weiterhin diesen Titel.

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Zarentum Russland

Zarentum Russland (russ. Царство Русское, transkribiert Zarstwo Russkoje) war die offizielle Bezeichnung des russischen Staates zwischen 1547, als sich Iwan IV. zum Zaren krönen ließ, und 1721, als Peter I. den lateinischen Titel des Imperators (Kaisers) annahm und sein Land in Russisches Kaiserreich (russ. Российская Империя) umbenannte.

Im allgemeinen westeuropäischen Sprachgebrauch hieß Russland während dieser Epoche überwiegend noch Moskowien, wie schon in der vorhergehenden Epoche des Großfürstentums Moskau.[1] In der Geschichtswissenschaft findet der Terminus Moskauer Reich häufige Verwendung.

Der Name könnte noch treffender als „Zarentum Rus“ übersetzt werden (das Adjektiv Русское bezieht sich im Russischen gleichermaßen auf Rus und die heutigen Russen). Denn die Idee bei der Staatsbenennung bestand vor allem in der Unterstreichung, dass in diesem Staat alle Rus-Gebiete vereinigt waren, die nicht unter einer (polnischen-litauischen) Fremdherrschaft standen.

Kultur

Byzantinisches Erbe

Als sich der Moskauer Großfürst Iwan der Schreckliche 1547 zum Zaren der ganzen Rus krönen ließ, verstärkte sich die bereits unter Iwan III. ausgearbeitete Konzeption von Moskau als Drittem Rom, dem einzig verbliebenen Hort des rechtgläubigen (orthodoxen) Christentums. Byzantinische Rituale, Herrschaftsformen und Staatssymbole wie der Doppeladler fanden Einzug ins russische Leben. Das Krönungsritual Iwan des Schrecklichen, damals 17 Jahre alt, entsprach dem Krönungsritual byzantinischer Kaiser. Das gleichzeitige Moskauer Selbstverständnis als der freie Teil der Rus, der eine Mission zu ihrer gänzlichen Befreiung von der Fremdherrschaft hatte, verursachte Spannungen und Kriege mit Polen und Litauen bzw. mit der späteren polnisch-litauischen Realunion.

Kontakte mit Westeuropa

In Westeuropa blieb Russland ein kaum bekanntes Land und die spärlichen Informationen, die vorhanden waren, kamen überwiegend aus polnisch-litauischen Händen. Die Situation änderte sich etwas, als Baron Siegmund von Herberstein im Jahr 1549 sein Werk Rerum Moscoviticarum Commentarii veröffentlichte. Dies lieferte eine umfangreiche Beschreibung des ehemals von Westeuropäern kaum besuchten und kaum beschriebenen Staates. In den 1630er Jahren wurde das Zarentum von Adam Olearius bereist, dessen detailreiche und sachkundige Notizen in alle bedeutenden Sprachen Europas übersetzt wurden. Weitere Information über Russland kam über englische und niederländische Kaufleute. Einer von ihnen war Richard Chancellor, der 1553 zum Weißen Meer segelte und von dort aus über Land nach Moskau reiste. Nach seiner Rückkehr in England gründete er mit Sir Hugh Willoughby und einigen Londoner Kaufleuten die Muscovy Company. Iwan der Schreckliche benutzte die Kaufleute um Briefe mit der englischen Königin Elisabeth I. auszutauschen.

Geschichte

Regierungszeit Iwans des Schrecklichen

Mit der Unterstützung von Bojaren führte Iwan in der Anfangsphase seiner Herrschaftszeit eine Reihe von nützlichen Reformen durch. In den 1550er Jahren wurde ein neuer Gesetzkodex geschaffen, der die administrative und militärische Ordnung neu regelte. Diese Reform zielte auf die Stärkung des russischen Staates vor dem Hintergrund der unaufhörlichen Kriege, die es führte.

Unterwerfung der Wolga-Tataren

Trotz interner Unruhen, die der erwachsenen Herrschaftszeit Iwans des Schrecklichen vorausgingen, führte Russland Kriege und setzte seine Expansion fort. Iwan besiegte und annektierte das Khanat Kasan im Jahr 1552 und markierte damit das Ende der langen Moskau-Kasan-Kriege. Damit öffnete sich für Russland der Weg nach Sibirien. Wenig später gelang es dem Zaren, das an der unteren Wolga gelegene Khanat Astrachan einzunehmen und Russland einen Zugang zum Kaspischen Meer zu sichern, was Handel und kulturellen Austausch mit Persien und Zentralasien bedeutete. Mit diesen Siegen konnte Russland die lange Umzingelung durch feindselig eingestellte muslimische Tatarenstaaten brechen und wurde erstmals zu einem multinationalen und multikonfessionellen Land. Gleichzeitig kühlten sich die Beziehungen zum als Lehnsherr der Tataren auftretenden Osmanischen Reich und dem Krimkhanat dramatisch ab.[2]

Krieg im Baltikum und gegen die Krimtataren

Ermutigt durch den erworbenen Zugang zum Kaspischen Meer, wollte Iwan IV. einen ähnlichen Erfolg an der Ostsee erreichen. Schweden und der Livländische Orden kontrollierten die Handelsrouten, die Russland mit Europa verbanden. Der Livländische Krieg, der 1558 ausbrach, begann für Russland erfolgreich, die Truppen des Zaren eroberten einen Großteil des Baltikums und weite Gebiete des Großfürstentums Litauen. Als dieses jedoch infolge der Lubliner Union einen Unionsstaat mit Polen bildete, stand Russland einer gestiegenen Macht seiner Gegner gegenüber. Verwüstende Einfälle der Krimtataren, interner Terror des Zaren und eine Pestepidemie schwächten Russland weiter.[3]

Zwar konnte 1569 ein osmanisch-krimtatarischer Angriff auf Astrachan abgewehrt und der Zugang zum Kaspium verteidigt werden. Doch 1571 gelang den Krimtataren ein blitzschneller Angriff auf Moskau, das infolge des Brandes fast vollständig ausbrannte. Ein Jahr später planten der Krimkhan und der osmanische Sultan die endgültige Niederwerfung Russlands und entsandten eine riesige Armee. Diese erlitt jedoch in der Schlacht von Molodi eine schwere Niederlage durch zahlenmäßig unterlegene Russen. Die Gefahr aus dem Süden war für Russland abgewendet, doch im Westen gingen seine Gegner zum Gegenangriff über. Russland verlor seine Eroberungen an der Ostsee und musste bei der Belagerung von Pskow seinen eigenen Boden verteidigen. Nach Abschluss des Friedensvertrags mit Polen und Schweden war Russland von seinen Zielen weiter entfernt, als vor dem Krieg.[4]

Eroberung Sibiriens

Das turktatarische Khanat Sibir näherte sich während des russisch-krimtatarischen Krieges politisch dem Krimkhanat an und griff russische Siedlungen im Ural an, die zum Besitz der einflussreichen Kaufmannsfamilie Stroganow gehörten. Daraufhin erhielt diese vom Zaren das Recht, eigene Truppen zum Schutz ihrer Ländereien aufzustellen und gegen die sibirischen Tataren vorzugehen. Zu diesem Zweck heuerten die Stroganows die im Steppenland zwischen Wolga und Don lebenden Kosaken an. Unter ihrem Anführer Jermak Timofejewitsch unternahmen die Kosaken im Jahr 1582 mit knapp Tausend Mann, jedoch mit Musketen und Kanonen ausgestattet, einen Feldzug gegen das Khanat Sibir. Die Unzufriedenheit kleinerer ugrischer Völker mit dem Khan Kutschum geschickt ausnutzend, konnten sie unaufhaltsam vorrücken und seine Hauptstadt Kaschlyk im Sturm erobern. Obwohl die sibirischen Tataren die Kosaken Jermaks anschließend einen Winter lang belagerten und letztlich in einem Hinterhalt aufrieben, konnte der zerfallene sibirische Staat nicht mehr wiederaufgebaut werden. Die regulären Truppen des Zaren zerschlugen wenige Jahre später den letzten Widerstand, während die Kosaken und die nordrussischen Pelzjäger die neuen Freiräume nutzten, um Freiheit oder Profit zu finden. Es entstanden nach und nach Forts (Ostrogs) und Handelssiedlungen wie Werchoturje, Tobolsk, Mangaseja, Jenisseisk und Bratsk.[5]

Zeit der Wirren

Dem Tod Iwans IV. des Schrecklichen folgten mehrere Jahre der Herrschaft seines kränklichen Sohnes Fjodors I., für den de facto der Bojare Boris Godunow regierte. Mit dem Tod Fjodors 1598 starb auch die über 700 Jahre alte Dynastie der Rurikiden aus. Godunow ließ sich zum Zaren krönen, doch Gerüchte über das wundersame Überleben des jungen Zarewitsch Dmitri, des jüngsten Sohnes Iwans des Schrecklichen, der im Alter von 9 Jahren unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen war, ließen das Land nicht zur Ruhe kommen. Zusätzlich stürzten Mißernten das Land in eine schwere wirtschaftliche und soziale Krise. Als Boris Godunow 1605 starb, sah Polen-Litauen eine günstige Chance, in Moskau eine ihnen wohlgesinnte Marionette auf den Thron zu bringen. Ein polnisches Heer drang in Russland ein und machte einen Mann zum Zaren, der sich für Dmitri ausgab und als Pseudodimitri I. in die Geschichte einging. Seine Herrschaftszeit dauerte nur kurz, da er schon bald bei einer Revolte umgebracht wurde. Aber auch der neue Zar Wassili IV. Schuiski konnte nicht lang regieren, denn die Polen fielen abermals in Russland ein, um die Ansprüche von Pseudodimitri II. und später ihres eigenen Königs Władysław IV. Wasa durchzusetzen. Ihre Intervention wurde von großem Terror gegen die weitgehend ablehnende orthodoxe Zivilbevölkerung begleitet. Die Polen besetzten Moskau, doch in Nischni Nowgorod bildete sich eine Volksarmee unter der Führung von Kusma Minin und Fürst Dmitri Poscharski, die 1612 die Polen im Kreml belagerte und zur Kapitulation zwang. Daraufhin bestieg Michael I. aus dem Geschlecht der Romanows den Zarenthron und begründete so eine neue Dynastie, die bis 1917 regieren sollte.[6]

Auch wenn der Krieg gegen Polen noch bis 1618 andauerte, gilt das Jahr 1613 als das Ende der Zeit der Wirren (Smuta). Diese Periode kostete Russland viele Millionen Menschen, die durch Hunger, fremde Besatzer oder Räuber ums Leben kamen. Zwischenzeitlich hörte die Staatsmacht de facto auf, zu existieren. Als Erinnerung an die Befreiungsinitiative, die aus den Tiefen der russischen Gesellschaft kam, sowie an die "Neugründung des russischen Staates" wurde das Ende der Smuta bis zur Oktoberrevolution als Staatsfeiertag gefeiert. Auch Wladimir Putin führte 2005 den 4. November, den Jahrestag der polnischen Kapitulation, als Tag der nationalen Einheit wieder als Feiertag ein.[7]

Anschluss der Ukraine

Russland und Polen-Litauen blieben verfeindet. Ab den 1630er-Jahren stieg in der zu Polen gehörenden Ukraine der feudale und religiöse Druck auf die orthodoxe bäuerliche Bevölkerung, was zahlreiche Aufstände der ukrainischen Kosaken zur Folge hatte, von denen der Chmelnyzkyj-Aufstand der größte und der erfolgreichste war. Die königlichen polnischen Truppen erlitten in der Ukraine zahlreiche Niederlagen, doch auch die Ukraine begann zunehmend auszubluten, da der sporadisch verbündete Krim-Khan ständig die Seiten wechselte, um im fortdauernden Kriegszustand reiche Beute machen zu können. Die Kosaken unter Bohdan Chmelnyzkyj wandten sich an den russischen Zaren mit der Bitte um Beistand. Auf der Rada von Perejaslawl leistete der überwiegende Teil der ukrainischen Kosaken-Elite dem Zaren den Treueeid und bekannten sich als seine Untertanen. Im Gegenzug erhielt das Hetmanat weitgehende Autonomie. Zwischen Russland und Polen begann 1654 ein neuer Krieg, an dessen Ende der östlich des Dneprs gelegene Teil der Ukraine zusammen mit Kiew bei Russland verblieben.[8]

Kirchenspaltung

In den Jahren 1654-1655 führte der Patriarch Nikon Kirchenreformen durch, die in großen Teilen der Bevölkerung auf Widerstand stießen. Die Folge war eine Abspaltung der sogenannten Altgläubigen, die den Neuerungen nicht folgen wollten. Dafür waren sie bis in die Zeit Peters des Großen mit staatlicher Verfolgung konfrontiert, woraufhin viele altgläubige Russen nach Nordrussland, nach Sibirien, ins Baltikum und ins Donaudelta auswanderten (Lipowaner).

Fjodor III. und Sofia

Dem Tod von Zar Alexei Michailowitsch, der über weite Strecken des 17. Jahrhundert regierte, folgten mehrere Regierungsjahre seines älteren Sohns Fjodors III. In diese Zeit fiel der Russisch-Türkische Krieg 1676–1681, in dem Russland und die ukrainischen Kosaken eine osmanische Expansion in die östliche Ukraine verhindern konnten. Nach dem frühen Tod von Fjodor III. kam es zum Machtkampf mehrerer Parteien. Hinter den jüngeren Söhnen Alexeis Iwan und Peter, die beide noch im Kindesalter waren, standen jeweils die Häuser Miloslawski und Naryschkin, denen die beiden Halbbrüder mütterlicherseits angehörten. Infolge des Strelitzenaufstands 1682 konnte sich die Miloslawski-Partei durchsetzen, zur Regentin wurde die ältere Tochter Alexeis Sofia. Ihre Herrschaft scheiterte im Jahr 1689 an zwei erfolglosen Krimfeldzügen.

Regierungszeit Peters des Großen bis 1721

Die Macht riss der junge und energische Peter an sich, während sein Halbbruder Iwan V. ein Leben im Kloster präferierte. Peter war ein sehr tatenhungriger und patriotischer Herrscher, er erkannte jedoch bald, dass die russische Gesellschaft eine umfassende Modernisierung nach westlichem Vorbild braucht, um ihre Interessen auf der internationalen Bühne effektiv zu verteidigen. Im Zuge der Großen Gesandtschaft unternahm Peter eine mehrjährige Reise durch Westeuropa, um das Know-how zu studieren, Bündnisse zu schließen und Experten anzuwerben. Besonders angetan war er vom Schiffsbau, den er in den Niederlanden selbst erlernte. Um am europäischen Handel und dem Wissensaustausch partizipieren zu können, fehlte Russland weiterhin der Zugang zur Ostsee und zum Schwarzen Meer, der nur in Kombination mit einer zeitgemäßen Flotte erobert und behauptet werden konnte. Vor allem die Asow-Feldzüge Peters in den Jahren 1695-1696 brachten diese Erkenntnis. Peters Reise wurde durch den zweiten Strelitzenaufstand unterbrochen. Die alte Zarengarde rebellierte in Peters Abwesenheit gegen die stetige Einführung neuer westlicher Sitten und die Abschaffung der alten Ordnung. Nach seiner vorzeitigen Rückkehr schlug Peter den Aufstand gewaltsam nieder, viele Strelitzen wurden hingerichtet und ihr Stand endgültig abgeschafft.

Infolge der Bündnisse, die Peter in Westeuropa schloss, trat Russland 1700 in den Großen Nordischen Krieg ein. Das Ziel war die Eroberung des 1617 verloren gegangenen Zugangs zur Ostsee. Die empfindliche Niederlage von Narva gegen die damalige Großmacht Schweden verdeutlichte einmal mehr die Notwendigkeit umfassender Reformen in der Armee, die Peter sofort begann. Bereits 1703 eroberten die Russen die Mündung der Newa, wo die neue Hauptstadt Sankt Petersburg angelegt wurde, die als "Fenster nach Europa" dienen sollte. Auf dem vom Zugriff der Schweden geschützten Ladogasee ließ Peter die russische Ostseeflotte aufbauen. In der Schlacht von Poltawa 1709 fügte die reformierte russische Armee der schwedischen eine entscheidende Niederlage zu, weitere Erfolge folgten an der Ostsee. Durch den Frieden von Nystad im Jahr 1721 erhielt Russland das Baltikum und löste Schweden als vorherrschende Macht im Ostseeraum ab. Im selben Jahr ließ Peter sein Land in Russisches Reich (Rossijskaja Imperija) umbenennen und nahm den Titel des Kaisers (Imperator) an.

Einzelnachweise

  1. ↑ Dominic Lieven: The Cambridge History of Russia Volume II. Cambridge University Press, London 2006, ISBN 0-521-81529-0, Introduction, S. I.
  2. ↑ Maureen Perrie: The Cambridge History of Russia Volume I. Cambridge University Press, London 2006, ISBN 0521812275, Building the realm, S. 252 ff.
  3. ↑ ebenda, S. 256 ff.
  4. ↑ ebenda, S. 256
  5. ↑ ebenda, S. 270
  6. ↑ ebenda, S. 264 ff und 409 ff.
  7. ↑ ebenda, S. 487 ff.
  8. ↑ ebenda, S. 500 ff.

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Russisches Reich

Russisches Reich (russisch Российская Империя, Rossijskaja Imperija, Schreibweise vor der Rechtschreibreform von 1918: Россійская Имперія, umgangssprachlich auch Zarenreich oder selten Russisches Kaiserreich) war der 1721 von Zar Peter dem Großen eingeführte Name für das bis dahin bestehende Zarentum Russland. Auslöser war die durch den Sieg über die Großmacht Schweden im Großen Nordischen Krieg erlangte Vormachtstellung Russlands in Ost- und Nordeuropa sowie Peters allgemeine Bestrebungen zur Reformierung des russischen Staatswesen nach westeuropäischem Vorbild.

Im amtlichen Sprachgebrauch ersetzte die bis dahin nur gelegentlich verwendete hellenisierte Form Rossija nun endgültig das Wort Rus. Zur Zeit seiner größten Ausdehnung war das Russische Reich das drittgrößte Reich der Weltgeschichte (nach dem British Empire und dem Mongolischen Reich) bzw. das größte zusammenhängende neuzeitliche Reich.

Geographie

Seine größte Ausdehnung erlangte das Reich zwischen 1742 und 1867 mit der Einverleibung der baltischen Staaten (Estland, Lettland, Litauen), Finnlands, östlichen Teilen Polens, der Nordost-Türkei sowie Alaskas und war damit (mit Ausnahme des Mongolischen Reichs) der größte Staat und der größte Herrschaftsraum der Geschichte.

Das Reich grenzte 1917 an zehn Nachbarstaaten: Norwegen, Schweden, das Deutsche Reich, Österreich-Ungarn, Rumänien, das Osmanische Reich, Persien, Afghanistan, China sowie an das japanische Korea. Es grenzte ferner an die Ostsee, das Schwarze Meer, das Kaspische Meer, den Pazifischen Ozean, das Ochotskische Meer, das Beringmeer, die Ostsibirische See, die Laptewsee, die Karasee, die Barentssee sowie an das Weiße Meer.

Das Territorium Russlands umfasste mit 22,4 Millionen Quadratkilometern fast ein Sechstel des Festlandes der Erde. In West-Ost-Richtung erstreckte es sich vom Schwarzen Meer und der Ostsee bis zum Pazifischen Ozean über fast 10.000 Kilometer. Von Norden nach Süden hatte es eine Ausdehnung von fast 5.000 Kilometern. Das Reich berührte 11 der 24 Zeitzonen der Erde.

1897 fand die erste gesamtrussische Volkszählung statt. Es wurde eine Bevölkerungszahl von 125.640.021 Menschen festgestellt. Finnland, Buchara und Chiwa blieben hierbei außer Betracht.[2]

Territorien

Zusätzlich zu dem Gebiet des modernen Russlands[3] umfasste das Reich in Europa die Ostseegouvernements Estland, Livland und Kurland, Kongresspolen, den größten Teil der Ukraine, Weißrussland, Moldawien, Finnland (als Großfürstentum Finnland), Armenien, Aserbaidschan und Georgien. Ebenfalls umfasste das Gebiet die Provinzen Ardahan, Artvin, Iğdır und Kars der heutigen Türkei. In Zentralasien gehörten das Generalgouvernement Turkestan und die Vasallenstaaten Emirat Buchara und Khanat Chiwa zum Reich. Sie umfassten das Territorium der modernen Staaten Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan. Bis 1867 wurde Alaska als russische Kolonie angesehen.

Bevölkerung

Das Russische Kaiserreich erbte die Stellung als ein Vielvölkerreich und baute diese im Verlauf seiner 196-jährigen Existenz noch weiter aus. Das staatstragende Volk waren die Russen („Großrussen“), wobei auch Ukrainer („Kleinrussen“) und Weißrussen als integraler Bestandteil des russischen Volkes angesehen wurden. Aus früheren Zeiten beinhaltete das Reich eine Vielzahl kleinerer finno-ugrischer und sibirischer Stämme sowie turkstämmige Tataren, Tschuwaschen und Baschkiren. Durch den Erwerb der Ostseeprovinzen kamen Anfang des 18. Jahrhunderts neben baltischen Völkern auch ein bedeutender baltendeutscher Bevölkerungsteil hinzu, der im Folgenden eine beachtliche Rolle in der russischen Politik und Gesellschaft spielte. Durch die Mitte des 18. Jahrhunderts eingesetze Expansion nach Zentralasien kamen kasachische Nomaden und durch die Teilungen Polens eine erhebliche polnische und jüdische Bevölkerung hinzu. Bis 1917 lebten ca. 2/3 aller Juden im Russischen Kaiserreich. Im russischen Großfürstentum Finnland gehörten Finnen und Schweden zu den Untertanen der Romanows. Weitere Expansionen Russlands machten kaukasische und diverse zentralasiatische Völker zu Untertanen der russischen Krone. Um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert machten Großrussen nur etwa 49% der Gesamtbevölkerung des Reiches aus.

Geschichte

Die Geschichte des Russischen Reiches beginnt im Jahr 1721 mit dem Sieg im Großen Nordischen Krieg über Schweden und dem Aufstieg zur europäischen Großmacht. Zur Unterstreichung des neuen Status ließ Zar Peter das Russische Zarentum in Russisches Kaiserreich umbenennen und änderte den Monarchentitel offiziell von Zar in Kaiser (Император, Imperator).

Fortführung des Werks Peters I. (1725 bis 1762)

Nach dem Tod Peters 1725 folgte ihm seine Frau Katharina I. auf den Thron. Sie stand unter dem Einfluss von Alexander Danilowitsch Menschikow, dem sie die Regierungsgeschäfte praktisch uneingeschränkt überließ. Doch schon zwei Jahre nach ihrem Regierungsantritt starb Katharina. Ihr Nachfolger wurde der Enkel Peters des Großen, Peter II., der Menschikow schon bald entmachtete und seinen Hof nach Moskau verlegte. Doch auch Peter starb schon bald nach seinem Regierungsantritt an den Pocken ohne einen Erben zu hinterlassen. Nach seinem Tod wurde der Hof erneut nach St. Petersburg verlegt.

Seine Nachfolgerin als Zarin wurde seine Tante, Anna Iwanowna. Sie bremste viele Reformen Peters des Großen, die zu diesem Zeitpunkt noch wirksam waren. Das Geld wurde der Förderung von Bildung und anderen Unternehmungen entzogen und für aufwändige und verschwenderische Hofzeremonien ausgegeben. Zu den militärischen Ereignissen ihrer Regierungszeit zählte der Feldzug von Burkhard Christoph von Münnich gegen das Krimchanat, der diesen langen gefährlichen Feind Russlands wesentlich schwächte. Unter Anna gewannen viele Deutsche einen erheblichen Einfluss im russischen Staat, darunter Ernst Johann von Biron und Heinrich Johann Ostermann. Ihre repressiven Herrschaftsmethoden wurden bald sehr unpopulär und führten im Jahr 1741 zu einem Staatsstreich, bei dem die Tochter Peters des Großen Elisabeth Petrowna Zarin wurde.

Die Regierungszeit von Elisabeth war das Gegenteil des Herrschaftsmodells von Anna. Hohe Staatsämter wurden wieder an Russen vergeben, Modernisierung und Weiterentwicklung des Landes wurde wieder angestoßen. Beispielsweise unterstützte Elisabeth Michail Lomonossow bei der Gründung der Moskauer Staatsuniversität. Elisabeth Petrowna erließ einige sehr liberale Gesetze, unter anderem wurde in Russland die Todesstrafe abgeschafft und während ihrer Regierungszeit kein einziges Mal vollzogen. Elisabeth, die sich stark auf den Adel stützte, förderte die Künste und die Architektur, auf ihre Initiative wurde das Winterpalais von Sankt Petersburg, der Katharinenpalast und viele andere bekannte Bauwerke errichtet. St. Petersburg, auch das Venedig des Nordens genannt, stieg endgültig zu einer bedeutenden Metropole auf. Im Siebenjährigen Krieg eroberte die russische Armee weite Teile Preußens, darunter auch Berlin. Der Tod von Elisabeth 1762, bekannt als das Mirakel des Hauses Brandenburg, wendete die totale Niederlage Preußens ab. Der deutschfreundliche Neffe (sein Vater war der Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorp) von Elisabeth, Peter III., gab Preußen alle eroberten Gebiete zurück.

Das Zeitalter Katharinas II. (1762 bis 1796)

Aus der allgemeinen Unzufriedenheit mit der Politik Peters III. entstand eine Verschwörung, im Zuge derer seine Ehefrau Katharina II. („die Große“) an die Macht kam. Auch sie setzte den Modernisierungskurs ihrer Vorgängerin fort. Zusammen mit ihrem Favoriten Grigori Potjomkin entwarf sie eine kühne Vision, das sogenannte „Griechische Projekt“. Es sah vor, die Macht des Osmanischen Reiches auf dem Balkan zu brechen und ein zusammenhängendes orthodoxes Reich von der Ägäis bis nach Russland zu erschaffen. Die Meerengen sowie Konstantinopel sollten unter die Kontrolle Russlands fallen. Eine Reihe von Kriegen gegen das Osmanische Reich brachte dieses Ziel tatsächlich näher, auch wenn es nie vollständig realisiert wurde. Weite Teile Südrusslands und der Südukraine kamen zum Russischen Reich. In den neuen Landstrichen, die unter dem Namen Neurussland zusammengefasst waren, wurden zahlreiche neue Städte wie Sewastopol, Odessa oder Jekaterinoslaw gegründet. Katharina besaß eine große Macht in Polen und übte großen Einfluss auf dessen Entscheidungen und Thronverhältnisse aus. Schließlich beschloss sie zusammen mit Preußen und Österreich die Polnischen Teilungen, bei denen sich Russland große Gebiete sicherte.

Im Inland war sie 1773 mit einem massiven Bauern- und Kosakenaufstand (Pugatschow-Aufstand) konfrontiert. Er resultierte aus den verschärften Regelungen für die Leibeigenschaft. Katharina konnte den Aufstand blutig niederschlagen, doch weite Teile des südlichen Wolga- und Uralgebietes blieben noch lange von dem bürgerkriegsähnlichen Aufstand verwüstet. Zum Wiederaufbau und -besiedlung dieser Landstriche wurden viele Deutsche als Siedler nach Russland eingeladen. Katharina beseitigte außerdem die Autonomie der ukrainischen Kosaken und gab ihnen stattdessen Ländereien im Krasnodar-Gebiet. Die französische Revolution von 1789 hat sie endgültig von den liberalen Ideen abgestoßen, die sich in der Anfangszeit ihrer Herrschaft noch pflegte.

Bis 1812 wurden Finnland, Georgien und Bessarabien russisch.

Die entwickelte Autokratie (1796 bis 1855)

Russland im Zeitalter der Französischen Revolution

Nach Katharinas Tod am 17. November 1796 folgte ihr Sohn Paul I. (1796–1801), der laut seiner Gegner durch eine verkehrte Erziehung ein misstrauischer, launenhafter Tyrann geworden war. Anfangs erließ er einige wohltätige Verordnungen zugunsten der Leibeigenen und Altgläubigen. Wichtig ist auch das von ihm 1797 erlassene Familiengesetz. Dieses bestimmte für die Thronfolge das Recht der Erstgeburt in direkt absteigender Linie und dabei den Vorrang der männlichen Nachkommen vor den weiblichen als Reichsgrundgesetz. Ein anderes Gesetz trennte einen Teil der Kronbauern als Eigentum der kaiserlichen Familie unter dem Namen Apanagebauern ab. Aus Misstrauen gegen die revolutionären Ideen der französischen Revolution verbot Paul aber den Besuch ausländischer Lehranstalten und Universitäten, führte eine verschärfte Zensur und strenge Aufsicht über alle im Reich lebenden Ausländer und fremden Reisenden ein und bestrafte jede freie Meinungsäußerung mit launischer Willkür.

An den Koalitionskriegen gegen Frankreich nahm er erst teil, als die aus Malta vertriebenen Ritter des Malteserordens ihn im Oktober 1798 zum Großmeister des Malteserordens gewählt und seine Hilfe gegen Frankreich angerufen hatten. Im zweiten Koalitionskrieg stellte er Hilfstruppen unter General Hermann für die von den Briten beabsichtigte Landung in den Niederlanden, für den Krieg in Süddeutschland (unter General Rimski-Korsakow) und in Italien (unter Suworow). Sogar Sultan Selim III. schickte er eine Flotte mit 4000 Soldaten nach Konstantinopel zu Hilfe

Die glänzendsten Erfolge erzielte Suworow in Italien, wo er mit den Österreichern vereint durch die Siege bei Cassano d’Adda (27. April 1799), an der Trebbia (17.–19. Juni) und bei Novi Ligure (15. August) die Franzosen aus dem Pogebiet vertrieb. Als er dann auf seinem berühmten Marsch über den Gotthardpass in die Schweiz vordrang, um sich mit Rimski-Korsakow zu vereinigen, war dieser kurz zuvor (26. September) bei Zürich geschlagen worden, und Suworow musste sich über den Panixerpass nach Graubünden wenden, von wo er nach Russland zurückkehrte.

Auch die Landung in den Niederlanden endete mit einer schimpflichen Kapitulation (19. Oktober). Zar Paul schrieb diese Misserfolge der Unfähigkeit der verbündeten Befehlshaber zu. Er sagte sich von der Koalition los und schloss nach dem Muster des von Katharina II. veranlassten Neutralitätsvertrags vom 26. Februar 1780 zur Beschränkung der britischen Seemacht im Dezember 1800 einen solchen mit Schweden, Dänemark und Preußen. Großbritannien antwortete sofort mit einem Angriff auf Kopenhagen. Paul plante daraufhin ein Bündnis mit Frankreich und eine Invasion des britischen Indiens; noch ehe es jedoch zu Feindseligkeiten zwischen Großbritannien und Russland kam, wurde Paul am 24. März 1801 von einigen Adligen ermordet.

Das Zeitalter Alexanders I. (1801 bis 1825)

Sein 23-jähriger Sohn Alexander I. (1801–1825) entsagte sofort in einem Vertrag mit Großbritannien der bewaffneten Neutralität, um sich den Werken des Friedens widmen zu können. Nach Rousseau'schen Grundsätzen erzogen, schwärmte er für humane Ideale, ohne jedoch seine unbeschränkte Herrschergewalt, auf die er nicht verzichtete, mit Energie und Ausdauer für deren Verwirklichung anzuwenden. An Stelle der von Peter I. begründeten Kollegien errichtete er acht Ministerien (1802), schuf für die Prüfung und Beratung aller neuen Gesetze und Maßregeln der Regierung den Staatsrat (1810, auch Reichsrat genannt), suchte die Finanzen zu regeln und legte zur Verminderung der Heereskosten Militärkolonien an. Die Leibeigenschaft hob er in den baltischen Provinzen auf und milderte sie in Russland selbst. Die Zahl der Gymnasien und Volksschulen wurde beträchtlich vermehrt, Universitäten neu errichtet (in Kasan und Charkiw) oder reorganisiert (in Dorpat und Vilnius).

Bald erkannte er, dass seine friedliche, ja freundschaftliche Haltung zu Frankreich von Napoleon nur benutzt wurde, um in Mitteleuropa nach Willkür schalten zu können. 1805 trat er der „dritten Koalition gegen Frankreich“ bei. Doch wurde das russische Heer unter Kutusow, das sich in Mähren mit den Österreichern vereinigte, am 2. Dezember 1805 bei Austerlitz geschlagen und musste infolge des Waffenstillstandes zwischen Frankreich und Österreich das österreichische Gebiet räumen.

Seinem sentimentalen Freundschaftsbündnis mit Friedrich Wilhelm III. getreu, kam Alexander 1806 Preußen zu Hilfe, als dessen Heerestrümmer nach der Schlacht bei Jena und Auerstedt über die Oder zurückgedrängt waren (vierte Koalition). Die Russen lieferten den Franzosen in Polen die unentschiedenen Gefechte von Czarnowo (23.–24. Dezember), Schlacht von Pultusk und Golymin (26. Dezember 1806), in Preußen die mörderische, aber nicht entscheidende Schlacht bei Preußisch Eylau (7.–8. Februar 1807), wurden aber nach einem längeren Waffenstillstand 10. Juni bei Heilsberg und 14. Juni bei Friedland (Ostpreußen) geschlagen.

Bei einer persönlichen Zusammenkunft mit Alexander am 25. Juni gelang es Napoleon, den Zaren völlig für sich zu gewinnen. Alexander schloss am 7. Juli mit Napoleon den Frieden von Tilsit. Dabei ließ er Preußen völlig im Stich. Er bereicherte sich sogar auf dessen Kosten am Grenzdistrikt Białystok. In einem geheimen Bundesvertrag teilten sie sich die Herrschaft über Europa. Genaueres wurde bei einer zweiten Zusammenkunft in Erfurt (Erfurter Fürstenkongress, September bis Oktober 1808) bestimmt. Russland überließ Napoleon die Herrschaft über Deutschland, Spanien und Portugal und trat der Kontinentalsperre gegen Großbritannien bei. Dafür durfte Russland Schweden und die Türkei erobern.

Schon Anfang 1808 hatte Russland Schweden den Krieg erklärt und ein Heer in Finnland einrücken lassen, das in kurzer Zeit erobert wurde; 1809 gingen russische Truppen über das Eis des Bottnischen Meerbusens, besetzten die Ålandinseln und die gegenüberliegende schwedische Küste. Karl XIII. von Schweden musste den Frieden von Frederikshamn schließen (17. September 1809) und ganz Finnland bis zum Fluss Tornea und die Ålandinseln an Russland abtreten.

Das zweite Opfer des Tilsiter Bündnisses war die Türkei. Von Napoleon provoziert, begann sie am 30. Dezember 1806 den achten russisch-türkischen Krieg (1806–1812). Die Russen drangen in die Donaufürstentümer ein, siegten im September 1810 bei Batin an der Donau und im Oktober 1811 bei Rustschuk über die Türken und erzwangen den Frieden von Bukarest (28. Mai 1812), durch welchen der Pruth zur Grenze zwischen den beiden Reichen bestimmt wurde. Ein Krieg mit Persien wurde gleichzeitig durch Abtretung eines Länderstreifens am Westufer des Kaspischen Meers mit Baku beendet.

Kaum waren diese Kriege beendet, musste die russische Donauarmee unter Admiral Tschitschagow in den Krieg mit Frankreich 1812 eingreifen lassen. Ursache des Krieges war der Übermut Napoleons, der Russland als Bündnispartner nicht mehr zu brauchen glaubte und allein in Europa herrschen wollte. Er vergrößerte 1809 das Herzogtum Warschau um Westgalizien, beraubte Herzog Peter Friedrich Ludwig von Oldenburg, einen nahen Verwandten des russischen Kaiserhauses, willkürlich seines Landes und forderte eine Verschärfung der Kontinentalsperre, lehnte aber die von Russland verlangte Räumung Preußens ab.

Im Sommer 1812 überschritt Napoleon mit der Großen Armee von 477.000 Mann die russische Grenze. Die Russen waren zahlenmäßig weit unterlegen (sie zählten kaum 200.000 Mann). Trotzdem besiegten sie Napoleon, indem sie eine offene Feldschlacht vermieden, sich in das unermessliche Innere des Reiches zurückzogen und den Feind durch Kleinkrieg ermüdeten. Um die Bevölkerung von jeder Unterstützung des Feindes abzuhalten, wurde die orthodoxe Religion für gefährdet erklärt und der heilige Krieg proklamiert.

Der linke Flügel der Franzosen unter Jacques MacDonald, dem das preußische Hilfskorps beigegeben war, rückte in die baltischen Provinzen ein; der rechte unter Karl Philipp Fürst zu Schwarzenberg drang in Wolhynien vor. Die Hauptarmee unter Napoleon selbst schlug die Richtung nach Moskau ein, erreichte 28. Juni Vilnius, 28. Juli Wizebsk und stieß erst Mitte August bei Smolensk auf die 116.000 Mann starke russische Westarmee unter Barclay de Tolly. Sie leistete Widerstand, wurde aber am 17. August geschlagen.

Die Russen deckten den weiteren Rückzug durch die Gefechte bei Walutina Gora (19. August), Dorogobusch (26. August), Wjasma (29. August) und Gschatsk (heute Gagarin, 1. September). Nachdem Michail Kutusow den Oberbefehl übernommen hatte, wagten sie am 7. September noch einmal die Schlacht von Borodino. Zwar mussten sie nach einem hartnäckigen und furchtbar blutigen Kampf ihre Stellung räumen und Moskau preisgeben, in das Napoleon am 14. September einzog; aber das französische Heer war nicht nur auf 100.000 Mann zusammengeschmolzen, sondern auch erschöpft und kriegsmüde, und statt durch den Besitz Moskaus den Frieden erzwingen zu können, fand Napoleon die Stadt von fast allen Einwohnern verlassen und der Vernichtung geweiht; denn am Abend des 15. September begann der angeblich vom Gouverneur Rostoptschin befohlene Brandlegungen in Moskau, (er selbst hat diese Version später zurückgewiesen), der in sechstägigem Wüten fast die ganze Stadt in Asche legte und die Franzosen der Mittel des Unterhalts beraubte.

Napoleon konnte nun nicht in Moskau überwintern, und nachdem seine Friedensanträge von Alexander erst hingehalten, dann zurückgewiesen worden waren, trat er am 18. Oktober den Rückzug an. Er wandte sich zuerst gegen Kaluga, um in den noch unberührten südlichen Landstrichen Winterquartiere zu finden, wurde aber bei Malojaroslawez am 24. Oktober von Kutusow nach dem Norden zurückgeworfen und musste nun durch völlig ausgesogene Gegenden seinen Rückzug nach Smolensk fortsetzen, wobei seine Nachhut fortwährend von Kosaken umschwärmt und angegriffen wurde. Durch den Mangel an Lebensmitteln und die früh eingetretene Kälte litt die Armee fürchterlich und war schon in Auflösung, als sie am 9. November Smolensk erreichte.

Der weitere Rückzug wurde dadurch gefährdet, dass die russische Südarmee unter Tschitschagow nach Zurückdrängung Schwarzenbergs und die Nordarmee unter Wittgenstein, welche den Vormarsch der Franzosen in die Ostseeprovinzen nicht hatte hindern können und zweimal ohne Erfolg bei Polozk gekämpft hatte (17.–18. August und 18.–19. Oktober), sich nun auf der Rückzugslinie Napoleons vereinigen konnten. Mit Mühe, unter Aufbietung der letzten Kräfte, erzwangen die Franzosen am 26.–28. November noch vor dieser Vereinigung den Übergang über die Beresina; aber in bejammernswertem Zustand erreichte der Rest des Heers am 6. Dezember Wilna, wo es sich auch nicht behaupten konnte. Der Abfall Yorcks von den Franzosen (30. Dezember) nötigte dieselben Anfang 1813 auch zur Räumung der Weichsellinie.

Auch die russischen Truppen waren durch die Verluste und die Strapazen des Winterfeldzugs stark vermindert und erschöpft, und im russischen Hauptquartier waren viele einflussreiche Personen für einen sofortigen, möglichst vorteilhaften Frieden mit Frankreich. Aber zu einem solchen zeigte sich Napoleon keineswegs geneigt, und auch Alexander verlockten Ehrgeiz und Herrschsucht sowie der Wunsch, sich den Besitz ganz Polens zu sichern, zur Fortsetzung des Kriegs im Bund mit Preußen (siehe Befreiungskriege).

Der erste Feldzug, welchen russische Feldherren, Wittgenstein und Barclay, befehligten, endete nach den Schlachten bei Großgörschen und bei Bautzen mit dem Rückzug nach Schlesien. Im zweiten Teil des Kriegs aber, als Österreich, Großbritannien und Schweden der sechsten Koalition beigetreten waren, nahmen die russischen Truppen hervorragenden Anteil an den Siegen, besonders der schlesischen Armee 1813–1814, durch welche Napoleon aus Deutschland vertrieben und endlich gestürzt wurde. Im Rate der Verbündeten spielte Kaiser Alexander neben Metternich die bedeutendste Rolle. Er verhalf den zu energischem Handeln drängenden Ratschlägen der preußischen Staatsmänner und Generale oft zum Sieg. Nach Vereitelung seines Plans, Bernadotte auf den französischen Thron zu erheben, bewirkte er die Restauration der Bourbonen und die übermäßige Schonung Frankreichs im ersten Pariser Frieden.

Auf dem Wiener Kongress forderte er, dass Preußens Erwerbungen der dritten polnischen Teilung an Russland fallen und Preußen dafür mit Sachsen entschädigt werde. Preußen wäre so zu einem Satelliten Russlands geworden, das bis weit nach Mitteleuropa hineingereicht hätte. Damit führte er einen Konflikt mit Österreich und Großbritannien herbei; Metternich und der britische Außenminister Castlereagh suchten eine drohende Vorherrschaft Russlands zu verhindern. Im Februar konnte durch einige Zugeständnisse Russlands der Konflikt beigelegt werden. Russland erhielt das eigentliche Polen (das so genannte Kongresspolen) als besonderes Königreich, dem auch eine eigene liberale Verfassung verliehen wurde. Seine Besitzungen dehnten sich nun im Westen bis nahe an die Oder aus, während es sich im äußersten Osten über die Beringstraße hinaus über einen Teil Nordamerikas ausbreitete; es umfasste über 20 Millionen Quadratkilometer mit etwa 50 Millionen Einwohnern.

1815 wurde Zar Alexander I. in Europa als „Retter Europas“ gefeiert und bestimmte beim Wiener Kongress maßgeblich die Neuordnung Europas mit. Mit auf seine Anregung hin wurde unter anderem die Heilige Allianz, die aus Russland, Österreich und Preußen bestand, gegründet. Russland dominierte nun Kontinentaleuropa, bis der Krimkrieg in den 1850er Jahren dieser Dominanz ein Ende setzte. Alexander starb Ende 1825 in Taganrog am Asowschen Meer ohne Nachkommen zu hinterlassen.

Das Zeitalter Nikolaus I. (1825 bis 1855)

Laut Nachfolgeregelung wäre ihm eigentlich sein Bruder Konstantin auf dem Thron gefolgt; dieser hatte jedoch bereits 1822 auf den Thron verzichtet. Alexander hatte deshalb im Geheimen seinen Bruder Nikolaus Pawlowitsch zu seinem Nachfolger designiert. Nach dem Tode Alexanders wurde erst Konstantin zum Herrscher ausgerufen; als dieser verzichtete, kam es zeitweise zu einer wirren Situation. Bei der Vereidigung der Petersburger Garnison auf den Zaren Nikolaus I. kam es aus Enttäuschung über ausgebliebene innenpolitische Reformen 1825 zum erfolglosen Dekabristenaufstand.

Nikolaus, der bis 1855 regierte, war ein eher vorsichtiger Herrscher, der sich vor allem als Bewahrer der bestehenden Ordnung im Innern und Äußeren sah. Er unterstützte die Reaktion in Europa; mehrmals drohte Nikolaus mit einer Interventionsarmee, wenn es, wie beispielsweise in Belgien, zu nationalen Unruhen kam. Im Inneren regierte Nikolaus streng autokratisch. Unter seiner Ägide wurde auch die Geheimpolizei, die spätere Ochrana, ins Leben gerufen.

Im russisch-türkischen Krieg (1828/29) besiegte Russland das Osmanische Reich und gewann Gebiete im südlichen Kaukasus. Moldau, Walachei und Serbien wurden autonom und gerieten unter russischem Einfluss. 1830/1831 kam es zum polnischen Aufstand, der auch auf Litauen übergriff, jedoch erfolgreich niedergeschlagen wurde. Als Muhammad Ali Pascha im Kampf gegen den türkischen Sultan 1832 bis nach Anatolien vorstieß, schickte Nikolaus zur Unterstützung des Sultans Truppen. Im Revolutionsjahr 1848 halfen russische Truppen dabei, die aufständischen Ungarn im Habsburger Reich niederzuschlagen. Einer möglichen deutschen Einigung stand Nikolaus kritisch gegenüber und bei der Konferenz von Olmütz übte er starken Druck auf Preußen aus, um eine kleindeutsche Einigung unter Führung Preußens zu verhindern und den Deutschen Bund in seiner alten Form wiederherzustellen.

Ab 1850 gewann die Kolonialpolitik auch in Russland zunehmend an Bedeutung. Russland dehnte hierbei im beginnenden Zeitalter des Imperialismus 1852–1888 sein Einflussgebiet auf Turkestan und den Kaukasus aus und hegte auch wenig realistische Ambitionen auf China und Indien (The Great Game). 1860 wurde am Pazifik Wladiwostok gegründet, als feste Ausgangsbasis für eine aktivere und aggressive Politik Russlands im Fernen Osten.

Von 1853 bis 1856 kam es zum Krimkrieg, bei dem Russland einer Allianz aus Großbritannien, Frankreich, Piemont und dem Osmanischem Reich unterlag. Der Krieg wurde nicht nur auf der Krim selbst, sondern auch in der Ostsee, im Weißen Meer und im Schwarzen Meer ausgetragen. Im Krieg machte sich die Rückständigkeit Russlands unangenehm bemerkbar; die Ausrüstung des Landheeres war mangelhaft und die Flotte Russlands war vollkommen veraltet und einer Kraftprobe mit der britischen Royal Navy nicht gewachsen.

Zeitalter der Reformen (1855 bis 1881)

Als Reaktion auf die in der Niederlage im Krimkrieg deutlich zutage getretene Rückständigkeit Russlands nahm Alexander II. weitreichende Reformen in Angriff, deren wesentlichste Bestandteile die seit 1861 durchgeführte Aufhebung der Leibeigenschaft, Reformen im Justizwesen und eine neue Militärorganisation waren. Alexander setzte diese Reformen gegen große Widerstände durch. Ein weiteres bemerkenswertes Ereignis seiner Herrschaftsperiode war der Verkauf von Alaska an die USA 1867.

Nach dem Türkisch-Russischen Krieg 1877–1878, in dessen Verlauf Russland die Unabhängigkeit Bulgariens vom Osmanischen Reich erreichte, verbreitete sich die Idee des Panslawismus, also der Vereinigung der slawischen Völker unter russischer Herrschaft. Diese Ideen waren nicht neu, aber jetzt fanden sie durch eine national gesinnte Presse und Agitatoren zunehmend Gehör in Russland. Auf dem Berliner Kongress erlitt Russland jedoch einen Rückschlag, denn eine Schaffung eines Groß-Bulgarien, wie sie Russland anstrebte, traf auf heftige Opposition Großbritanniens und Österreich-Ungarns, die einen Durchbruch Russlands an die Adria unbedingt unterbinden wollten. In Russland bildeten sich in diesen Jahrzehnten mehrere radikale Gruppen, die einen Umsturz anstrebten. Die bekannteste von ihnen war die anarchistische Gruppierung Narodnaja Wolja (Volkswille). Auf Alexander wurden mehrere erfolglose Attentate verübt, am 11. März 1881 wurde der Zar von dem Anarchisten Nikolas Rysakow ermordet.

Russland im Zeitalter des Imperialismus (1881 bis 1917)

Ihm folgte sein Sohn als Alexander III. nach, der, auch durch die Ermordung seines Vaters beeinflusst, einen reformfeindlichen Kurs einschlug und streng autokratisch regierte. Dabei stützte er sich vor allem auf die Armee und auf die Geheimpolizei, die Ochrana. Die Armee nahm im Inneren Russlands traditionell auch Polizeiaufgaben wahr. Von 1891 bis 1901 wurde die Transsibirische Eisenbahn zwischen Wladiwostok und Tscheljabinsk gebaut, die den Westen und den Osten des Reiches miteinander verbinden sollte; auch die Besiedlung Sibiriens wurde hierdurch begünstigt. 1896 erhielt Russland durch den Bau einer Abzweigung, der Transmandschurischen Eisenbahn, Einfluss auf die Mandschurei, was aber zu kollidierenden Interessen mit Japan führte; beide suchten sich auf Kosten Chinas zu vergrößern.

So kam es 1904–1905 zum Russisch-Japanischen Krieg, der für Russland verloren ging. Russland hatte von Anfang an Probleme, denn der Kriegsschauplatz lag weit vom eigentlichen Machtzentrum entfernt. Japan, seit 1902 Bündnispartner Großbritanniens, attackierte den russischen Stützpunkt Port Arthur ohne vorherige Kriegserklärung und versenkte einen Teil des russischen Fernostgeschwaders. Am 13. April kam es zu einer ersten Seeschlacht, die mit dem Sieg der Japaner endete. Diese besetzten nun die Höhen um die Festung Port Arthur und begannen mit der Belagerung. Von den Höhen aus nahmen sie auch die russischen Schiffe unter Feuer; im August versuchte die Restflotte einen erneuten Durchbruch. Es kam zu einer weiteren Seeschlacht, in der die restlichen russischen Schiffe versenkt wurden. Der Zar war jedoch uneinsichtig und noch nicht zu einem Frieden bereit, den auch weite Kreise,von Großindustriellen bis zu den Militärs, in Russland forderten. Nachdem die Russische Ostseeflotte die halbe Welt umrundet hatte, kam es am 14.–15. / 27.–28. Mai 1905 bei Tsushima in der Meerenge von Korea und Japan zur Schlacht mit der japanischen Flotte unter Admiral Tōgō Heihachirō. Erneut unterlag die russische Flotte der japanischen und nachdem die Festung Port Arthur von den Japanern erobert worden war, musste Russland einem von US-Präsident Theodore Roosevelt vermittelten Frieden zustimmen, der am 23. August/ 5.September 1905 in Portsmouth, New Hampshire, unterzeichnet wurde. Die Niederlage wurde als Sensation empfunden, denn erst zum zweiten Mal (nach der italienischen Niederlage in Äthiopien 1896) war eine europäische Nation gegen eine außereuropäische unterlegen. Wiederum zeigte sich die Rückständigkeit Russlands.

Durch ausgebliebene innenpolitische Reformen und den Konflikt zwischen Anhängern einer Annäherung an den Westen (Westler) und Gegnern einer solchen Annäherung (Slawophile) geriet Russland wirtschaftlich immer mehr ins Hintertreffen gegenüber den anderen Großmächten. Die Korruption im Land war weit verbreitet und höher als in den westlichen Ländern. Zudem war die starke Zentralisierung des Staates nicht immer von Vorteil. In Moskau und Sankt Petersburg, aber auch in anderen russischen Städten entstanden Kreise von Intellektuellen, Kommunisten und Anarchisten. Sie wurden von Zar Alexander III. brutal verfolgt. Sein Nachfolger, Nikolaus II. behielt die Politik seines Vaters bei. Hinzu kamen soziale Probleme, die im Zuge der Industrialisierung des Landes entstanden, sowie eine Hungersnot im Jahre 1890. 1898 wurde die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands (Vorgängerin der Kommunistischen Partei Russlands) gegründet, in welcher ab 1903 die Bolschewiki unter Lenin die Führung übernahmen. Die Niederlage Russlands im russisch-japanischen Krieg verstärkte die Unzufriedenheit nur noch und es kam zu großen Demonstrationen. Nach dem Petersburger Blutsonntag 1905 fand von 1905 bis 1907 eine erfolglose Revolution in Russland statt, die jedoch dem Zaren die Unzufriedenheit im Land zeigte. Zar Nikolaus II. rief unter anhaltendem Druck ein Parlament, die Duma, zusammen, die er jedoch wiederholt auflösen ließ. Dazu wurde eine Verfassung ausgearbeitet, das Staatsgrundgesetz des Kaiserreichs Russland. Die Duma wird in der Geschichtswissenschaft teilweise als Scheinparlament bezeichnet.

Außenpolitisch war Russland nach der 1890 vom Deutschen Kaiser Wilhelm II. verweigerten Verlängerung des Rückversicherungsvertrages 1892 ein Bündnis mit Frankreich eingegangen. Nach der Niederlage im Fernen Osten richtete Russland wieder seine Aufmerksamkeit auf Europa und den Balkan. Russland war nach dem verlorenen Krieg jedoch extrem geschwächt und musste zusehen, wie Österreich-Ungarn mit Rückendeckung des Deutschen Reiches 1908 Bosnien-Herzegowina annektierte. Die Spannungen auf dem Balkan nahmen immer weiter zu, denn das Osmanische Reich, „der kranke Mann am Bosporus” war zunehmend im Zerfallen begriffen. 1907 schloss Russland ein Übereinkommen mit Großbritannien, indem die Streitigkeiten in Asien ausgeräumt und die gegenseitigen Interessensphären festgelegt wurden. Es kam in Europa zu einem Rüstungswettlauf. Die allgemeine Lage verdüsterte sich zunehmend und ein großer europäischer Krieg wurde immer wahrscheinlicher.

Im August 1914 brach der Erste Weltkrieg aus. Russland stand als Verbündeter Serbiens, Frankreichs und Großbritanniens gegen das mächtige Deutsche Reich, Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich. Nach einigen Erfolgen vor allem in Galizien, erlitt Russland mehrere schwere Niederlagen gegen die deutsche Armee; Polen und das Baltikum gingen verloren. Den Oberbefehl im Hauptquartier in Baranowitschi (ab dem 8. August 1915 in Mogiljow) übernahm zunächst der Großfürst Nikolai Nikolajewitsch (2. August – 5. September 1915). Aufgrund der katastrophalen Niederlagen der russischen Armeen übernahm Zar Nikolaus II. am 9. September das Oberkommando. Doch war er nicht wesentlich erfolgreicher, nach zwei Jahren stand Russland vor dem wirtschaftlichen und militärischen Zusammenbruch.

Im März 1917 kam durch die Februarrevolution das Ende der Zarenherrschaft. Alexander Kerenski rief eine demokratische Republik aus. Am 15. März wurde der Zar als Oberbefehlshaber abgelöst. Der Versuch des Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch, sich erneut an die Spitze der Armee zu setzen blieb Episode, unter dem Druck der Protestierenden war die Provisorische Regierung gezwungen, ihn des Amtes zu entheben.

Nach Alexejew (24. März – 4. Juni) und Brussilow (4. Juni – 1. August) wurde Kornilow (1. August – 9. September) Oberbefehlshaber. Kornilow sah in der Linken und in den Arbeiter- und Soldatenräten die entscheidende Gefahr für Russland und forderte von Kerenski diktatorische Vollmachten. Der setzte daraufhin Kornilow als Oberbefehlshaber ab. Kornilow weigerte sich jedoch, seine Befehlsgewalt abzugeben und appellierte an die Bevölkerung von Petrograd (Sankt Petersburg), ihm gegen die Räte und die Provisorische Regierung zu folgen. Aber der Putschversuch Kornilows hatte keinen Erfolg, weil die Bevölkerung – und die linken Gruppen – Kerenski unterstützten. Kerenski wurde neuer Oberbefehlshaber (12. September – 16. November). Da das Deutsche Reich die Lage Russlands destabilisieren und den Krieg im Osten beenden wollte, gelangte der bisher im Exil lebende Lenin nach Petrograd, wo es im Oktober zur kommunistischen Oktoberrevolution kam. Die Hauptstadt Russlands wurde zurück nach Moskau verlegt. Polen, Finnland, das Baltikum und vorübergehend auch Weißrussland sowie die Ukraine wurden unabhängig.

Das Hauptquartier nahm gegenüber den Bolschewiki eine feindliche Haltung ein, und am 7. November wandte es sich einem Aufruf an die Armee, gegen die Bolschewiki zu kämpfen. Am 20. November erhielt das Hauptquartier eine Weisung von Lenin, Verhandlungen über einen Waffenstillstand mit Deutschland und seinen Verbündeten zu beginnen, aber am 22. November lehnte es der Oberste Befehlshaber Duchonin ab, diese Weisung auszuführen.

Er wurde darauf hin seines Amtes enthoben und Krylenko am 22. November zum sowjetischen Obersten Befehlshaber ernannt. Am 3. Dezember entließ das Hauptquartier Kornilow und andere Generäle aus der Haft im Kloster Bychow, wodurch der Beginn eines Bürgerkriegs begünstigt wurde.

Am 3. Dezember 1917 wurde das Hauptquartier von revolutionären Kräften unter der Führung von Krylenko eingenommen, der das Amt des Obersten Befehlshabers übernahm. An diesem Tag wurde das Hauptquartier bis auf den Stab des Obersten Befehlshabers, der für die Ausführung der Demobilisierung der Armee verantwortlich war, aufgelöst. Am 5. März 1918 wurde das Amt des Obersten Befehlshabers der Armee aufgehoben und sein Stab aufgelöst.

Politisches System

Der Gothaische Hofkalender von 1910 beschreibt Russland als „Konstitutionelle Monarchie unter einem autokratischen Zar“. Dieser offensichtliche Widerspruch gibt die Schwierigkeit wieder, Russlands politisches System zu beschreiben. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das Reich einer fortwährenden Veränderung des Herrschaftssystems unterzogen. Der Zar, der sich als „Kaiser und Selbstherrscher aller Reußen“[4] sah, herrschte von Gottes Gnaden uneingeschränkt über das Reich. Erst nach der Russischen Revolution von 1905 und der Einführung der ersten Verfassung 1906 wurde seine Macht etwas eingeschränkt.

Dennoch wurden die Prinzipien der Autokratie eifersüchtig beschützt. Das „uneingeschränkt“ im Herrschaftsanspruch des Zaren wurde zwar gestrichen, eine wirkliche konstitutionelle oder gar eine parlamentarische Monarchie wurde jedoch nicht geschaffen.[5]

Monarchie

Die russische Erbmonarchie hatte sich aus den Großfürsten des Großfürstentums Moskau entwickelt. Der erste Zar war Iwan der Schreckliche, der sich 1547 krönen ließ. Nach langen Wirrungen wurde der Titel des Zaren von 1613 bis 1725 von den Romanows getragen, dann von dem Haus Romanow-Holstein-Gottorp fortgeführt. Die Zaren sahen sich als Nachfolger des Basileus, des Kaisers des Byzantinischen Reiches.[6]

Peter der Große änderte 1721 seinen Titel von „Zar“ in „Kaiser“ („Imperator“), doch blieb der Zarentitel in der vollständigen Herrschertitulatur teilweise erhalten, und zwar in Bezug auf die ehemaligen tatarischen Khanate (auf Russisch: Zarentümer) Kasan, Astrachan und Sibir. Die Verwendung des aus dem Lateinischen entlehnten „Imperija“ stand für die von Peter I. angestrebte Modernität nach Maßgabe des westeuropäischen Absolutismus.

Die Macht des Kaisers war vor dem Oktobermanifest 1905 nur dadurch beschränkt, dass der Zar Mitglied der Russisch-Orthodoxen Kirche sein musste und dem Hausgesetz der Romanows zu folgen hatte. Durch das Manifest schränkte sich der Herrscher selbst ein.[7]

Duma

Vor dem Oktober 1905, als mit dem Oktobermanifest die erste Duma einberufen wurde, galt Russland als autokratische und absolutistische Monarchie. Nach dem Oktober 1905 und der Eröffnung der Duma am 27. Apriljul./ 10. Mai 1906greg. wurden verschiedene Gesetze zur Öffnung des Landes erlassen, so wurden mit dem Reichsgrundgesetz von 1906 in Russland erstmal Grundrechte und -freiheiten gewährt. Von nun an konnte kein Gesetz ohne Zustimmung der Duma mehr in Kraft treten. Allerdings konnte diese durch den Kaiser aufgelöst werden, ebenso hatte er ein Vetorecht.

Militär

Von 1750 bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts verfügte das kaiserliche Heer über circa 186.000 Mann in regulären Verbänden. Zusätzlich gab es noch irreguläre Kosakenverbände. Diese machten eine Gesamtzahl von etwa 200.000 Mann aus. Zu Beginn des Russlandfeldzuges Napoleons 1812 standen im westlichen Teil des Russischen Reiches rund 250.000 Mann bereit. Dazu kam eine unbestimmte Zahl von Soldaten im asiatischen Teil des Landes. Nach den Napoleonischen Kriegen und der führenden Rolle bei der Niederringung Napoleons in den sich anschließenden Befreiungskriegen, sahen viele das Russische Reich als stärkste europäische Militär- und Landmacht an. Nach dem verlorenen Krimkrieg nahm Frankreich diese Stellung ein, welches wiederum 1871 vom neu gegründeten Deutschen Kaiserreich abgelöst wurde. Das russische Heer wurde in der Phase des Imperialismus im 19. Jahrhundert, wie in anderen europäischen Staaten auch, stetig vergrößert. 1874 kam es zur Einführung der Wehrpflicht. 1898 lag die Gesamtfriedensstärke bei circa 950.000 Soldaten. Im Russisch-Japanischen Krieg 1904 zählte die Armee 2,1 Millionen Mann, und bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 wurden bei einer Friedensstärke von 1,3 Millionen vier Millionen Mann mobilgemacht. Bei vollständiger Mobilmachung im Kriegsfall standen 1888 2,8 Millionen Mann, 1904 fünf Millionen und 1914 bereits 13 Millionen Mann zur Verfügung.

Das russische Heer war 1914 zwar zahlenmäßig das größte Heer der Welt, allerdings litt die Schlagkraft der sogenannten „russischen Dampfwalze“ wegen der relativ schwachen industriellen Basis des Landes noch unter gravierenden Ausrüstungsdefiziten. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges mangelte es bei rund der Hälfte der Infanteriedivisionen an Waffen, Munition und besonders an neuzeitlicher Ausstattung wie Nachrichtenmitteln. Hinzu kam die notorisch schlechte Versorgungslage der russischen Armee.

Die russische Marine, von Kaiser Peter dem Großen am Anfang des 18. Jahrhunderts zielgerichtet ausgebaut, war Anfang der 1870er Jahre sogar größer als die britische Flotte. Durch den rasanten technischen Fortschritt veralteten jedoch die Schiffe, während die Offiziere nur unzureichend ausgebildet waren. Die Mängel der russischen Marine traten schließlich 1905 in der Seeschlacht bei Tsushima offen zu Tage.

Literatur

  • Andreas Kappeler: Russland als Vielvölkerreich. Entstehung – Geschichte – Zerfall. C. H. Beck, München 2001, ISBN 3-406-47573-6
  • Hartwig Ludwig Christian Bacmeister: Kurze Geographie des Russischen Reiches, Reval 1773
  • Johann Gottlieb Georgi/Christian Bacmeister: Geographisch-physikalische und naturhistorische Beschreibung des russischen Reiches…, Königsberg 1797
  • Hermann Schreiber: Liebe, Macht, Verbannung. Frauenschicksale im Zarenreich. Casimir Katz, Gernsbach 2009, ISBN 978-3-938047-45-3.

Einzelnachweise

  1. ↑ An diesem Tag dankte Michail Romanow ab. De facto bestand das Russische Reich, unter der Provisorische Regierung, bis zur Oktoberrevolution am 25. Oktoberjul./ 7. November 1917greg. weiter. De jure bestand das Reich bis zur Annahme der Verfassung Sowjetrusslands am 27. Februarjul./ 12. März 1918greg..
  2. ↑ xxx.ru
  3. ↑ Ausgenommen das Gebiet Kaliningrad, die Kurilen und Tuwa
  4. ↑ Justus Perthes: Gothaischer Hofkalender. Verlag Justus Perthes, Gotha 1910, Rußland, S. 74 (http://www.xxx, abgerufen am 21. April 2009).
  5. ↑ Andreas Kappeler: Russische Geschichte. Beck, 2008, ISBN 3-406-47076-9, Rußländisches Imperium (1700–1917), S. 31 (Google Books, abgerufen am 21. April 2009).
  6. ↑ ebenda, S. 21 ff
  7. ↑ ebenda, S. 32 ff.
  8. xxx – Entsprechend unserer Statuten werden uns unbekannte Webadressen nicht veröffentlicht .Für eine weiterführende Recherche gehen Sie bitte auf die entsprechende Wikipediaseite. Mehr Informationen lesen Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Arnheim – Arnhem

Arnhem (deutsch Arnheim) ist eine in den Niederlanden am Niederrhein liegende Stadt. Sie hat 145.417 Einwohner (31. Dezember 2008) und ist Hauptstadt der niederländischen Provinz Gelderland. Arnhem ist Teil der Stadtregion Arnhem-Nijmegen, einer Agglomeration mit 726.319 Einwohnern (30. Juni 2008).

Geschichte

Arnhem entstand an einer Anhöhe in der Nähe der IJssel, an der Kreuzung der Handelsstraßen zwischen Utrecht, Nijmegen und Zutphen. Erst seit der Änderung des Rheinverlaufs um 1500 liegt Arnhem an diesem Fluss.

Im Jahr 1233 erteilte Graf Otto von Gelre Arnhem das Stadtrecht. Im 15. Jahrhundert zählte die Stadt rund 4000 Einwohner und erhielt Stadtmauern und Türme zur Verteidigung. Die Stadt gehörte zum Herzogtum Geldern und wurde 1472 habsburgisch, ehe sie zur Republik der Niederlande kam. Im Holländischen Krieg war Arnhem von 1672 bis 1674 von französischen Truppen besetzt, ebenso in den Koalitionskriegen von 1795 bis 1813, wobei Arnhem ab 1811 Hauptstadt des Départements Yssel-Supérieur war. 1813 wurde die Stadt von preußischen Truppen befreit und fiel wieder an die Niederlande.

Um 1850 lebten etwa 9000 Menschen in Arnhem. Damals wurde die Region um Arnhem und Nijmegen ein beliebter Wohnsitz des Großbürgertums aus den westlichen Provinzen der Niederlande. In der Folge wurden repräsentative Parkanlagen geschaffen, denen die Stadt noch heute den Beinamen „Parkstadt“ verdankt. Parks wie Sonsbeek (im Zentrum) und Zijpendaal (im Norden der Stadt) prägen das Stadtbild.

Im Jahre 1929 wurde die KEMA, die niederländische Prüfstelle der Elektroindustrie, in Arnhem gegründet. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt schwer zerstört. Die Schlacht um die Brücke von Arnhem im September 1944 gilt als eine der letzten Niederlagen der Alliierten in diesem Krieg. Nach der Schlacht zwang die Wehrmacht die damals 95.000 Einwohner, die Stadt zu verlassen.

Am 16. September 1978 wurde die Rheinbrücke in John-Frost-Brücke (John Frostbrug) umbenannt, nach dem britischen Oberst, der 1944 während der erfolglosen Offensive jenes Bataillon kommandierte, das als einziges die Brücke erreichte und den nördlichen Teil vier Tage lang verteidigte. Eine Gedenktafel erinnert an die Schlacht und ihre vielen Opfer.

Nach dem Krieg folgte ein dynamischer Wiederaufbau. Die Bevölkerung der Stadt wächst bis heute weiter.

Als einzige Stadt der Niederlande besitzt Arnhem ein Trolleybusnetz,(Oberleitungsbus Arnhem) was der Stadt heute den Beinamen „Trolleystad“ verleiht.

Sehenswürdigkeiten

Arnhem verfügt über zahlreiche hochrangige Kultureinrichtungen.

  • Das „Niederländische Freilichtmuseum Arnhem“ zeigt historische Architektur.
  • Basilika Sint Walburga (Walburgisplein 1)
  • Burgers’ Zoo
  • Nederlands Watermuseum (Zijpendaalseweg 26 - 28)
  • Museum voor Moderne Kunst Arnhem (Utrechtseweg 87)
  • Eusebiuskerk (Kerkplein 1)
  • Park Sonsbeek (Sonsbeeksingel, Zijpendaalseweg)
  • Park und Burg Zijpendaal (Zijpendaalseweg)
  • 39 historische Keller aus dem 13. bis 15. Jahrhundert (Rijnstraat)
  • Bronbeek (Velperweg 147)
  • Arnhems Oorlogsmuseum 40-45 (Kriegsmuseum, Kemperbergerweg 780)
  • Matjeskkoop Statue (errichtet ca. 1277)
  • Gelredome, die Festival-Arena, wo die Qlimax stattfindet

Kultur

Gemessen an der bescheidenen Größe der Stadt gibt es in Arnhem ein recht beachtliches Kulturangebot. Die Musikszene spielt sich ab im Musis Sacrum, dem Konzertgebäude, wo das Sinfonieorchester von Gelderland probt und auftritt, und wo wöchentlich Jazzkonzerte stattfinden. 2008 soll das Luxor, ein ehemaliges Konzerthaus, wiederaufgebaut werden, und das kulturelle Angebot ergänzen. Das Theater (Schouwburg) bietet nationalen und internationalen Companies eine Plattform.

Die Kunsthochschule Arnhem (ArtEZ) ist international angesehen für ihre offen und experimentell ausgerichtete Abteilung für Jazz- und Popmusik, die zum großen Teil von deutschen Studierenden genutzt wird, ihre international ausgerichtete, renommierte Tanzabteilung, und ihre traditionsreiche Theaterabteilung. Von Studenten organisiert, gibt es mindestens dreimal die Woche in Arnhems Lokalen Live-Jazz zu hören. Die Alternative Szene spielt sich ab im Kulturhuis Bosch, einem ehemals besetzen Haus in Eigenverwaltung.

Die Stadt organisiert einmal jährlich ein Festival für Straßenstatuen (Living Statues), und zweijährlich die Arnhemer „Modebiennale“.

Sonstige Bauwerke

  • KEMA Toren
  • Andrei-Sacharow-Brücke

Sport

Bekanntester Sportverein der Stadt ist der Fußballklub Vitesse Arnhem, der in der niederländischen Ehrendivision spielt.

Im Jahr 2000 fanden in Arnhem einige Spiele der Fußball-Europameisterschaft im Gelredome, dem Heimstadion von Vitesse Arnhem statt.

Söhne und Töchter der Stadt

  • De Aal, niederländischer Schlagersänger
  • Truus van Aalten, niederländische Schauspielerin
  • Eduard van Beinum, niederländischer Dirigent
  • Everard Scheidius, niederländischer reformierter Theologe, Philologe und Orientalist
  • Kenny van Hummel, niederländischer Radrennfahrer
  • Theo Janssen, niederländischer Fußballspieler
  • Marga Klompé, niederländische Politikerin
  • Jeffrey Leiwakabessy, niederländischer Fußballspieler
  • Hendrik Antoon Lorentz, niederländischer Mathematiker und Physiker
  • Willem van de Sande Bakhuyzen, niederländischer Regisseur
  • Kees Schoonenbeek, niederländischer Komponist und Organist
  • Maarten Tjallingii, niederländischer Radrennfahrer
  • Bob Versteegh, niederländischer Pianist und Musikpädagoge
  • Bernard Wagenaar, US-amerikanischer Komponist und Geiger
  • Linda Wagenmakers, niederländische Schauspielerin und Sängerin
  • Thom Willems, Komponist
  • See Siang Wong, Pianist

Partnerstädte

  • Gera (Deutschland), seit 1987
  • Hradec Králové (Tschechien), seit 1992

Einzelnachweise

  1. ↑ Bevölkerungsstatistik, 1. März 2010 – Centraal Bureau voor de Statistiek, Niederlande

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Wesel

Die Hansestadt Wesel liegt am unteren Niederrhein und innerhalb des nordwestlichen Randbereichs des Ruhrgebiets in Nordrhein-Westfalen und ist eine große kreisangehörige Stadt des Kreises Wesel im Regierungsbezirk Düsseldorf. Die Stadt ist Sitz des Kreises Wesel und Mitglied des Hansebundes der Neuzeit, der Euregio Rhein-Waal und der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen.

Geografie

Räumliche Lage

Die Stadt Wesel liegt an der Mündung der Lippe und des Wesel-Datteln-Kanals in den Rhein, ungefähr in der Mitte des Kreises Wesel mit einem Einzugsgebiet von rund 180.000 Menschen. Sie ist 25 km von der Grenze zu den Niederlanden und ca. 30 km vom Ruhrgebiet entfernt und bildet die westliche Begrenzung des Naturparks Hohe Mark. Der Rhein durchfließt das Stadtgebiet auf ca. 17 km, Lippe und Wesel-Datteln-Kanal auf je ca. 7 km ihres Verlaufs. In der Landesplanung ist Wesel als Mittelzentrum eingestuft.

Stadtgebiet

Die Gesamtfläche des Stadtgebietes beträgt 122,617 km². Die maximale Ausdehnung misst in Nord-Süd-Richtung 12,0 km, in West-Ost-Richtung 17,6 km; die Stadtgrenze ist 60 Kilometer lang. Wesel hat eine mittlere Höhenlage von 23 m ü. NN. Räumlich ist die Stadt in folgende fünf Stadtteile gegliedert, die wiederum aus weiteren Ortsteilen bestehen:

  • Bislich: Bergerfurth und Bislich
  • Büderich: Büderich und Ginderich
  • Flüren: Diersfordt und Flüren
  • Obrighoven: Lackhausen und Obrighoven
  • Wesel: Blumenkamp, Feldmark, Fusternberg, Schepersfeld und Innenstadt.

Nachbargemeinden/-städte

Die Stadt Wesel grenzt im Norden an die Stadt Hamminkeln, im Osten an die Gemeinde Hünxe, im Süden an die Städte Voerde und Rheinberg sowie die Gemeinde Alpen und im Westen an die Städte Xanten und Rees (Kreis Kleve).

Geschichte

Antike

Funde in den Kiesgruben bei Bislich deuten auf eine Besiedlung des Weseler Raums bereits in der Bronze- und Eisenzeit hin. Aufgrund der häufigen Verlagerungen im Flussbett des Rheins sowie der Lippe und der damit verbundenen Überschwemmungen lässt sich die Frühgeschichte Wesels jedoch nur sehr lückenhaft rekonstruieren. Vermutlich wurde ein Wachposten im rechtsrheinischen Gebiet des späteren Wesel errichtet, als sich das Römische Reich im ersten Jahrhundert v. Chr. an den Niederrhein ausdehnte und der Militärplatz von Vetera (auch Vetera Castra) im linksrheinischen Gebiet des späteren Xanten gegründet wurde; belegt werden konnte dies bislang jedoch nicht.

Mittelalter

Die erste nachweisbare Ansiedlung auf heutigem Weseler Stadtgebiet entstand nach der Zeit der Völkerwanderung im Bereich der damaligen Mündung der Lippe in den Rhein, der Stützpunkt Lippeham.[2] Von hier aus unternahm Kaiser Karl der Große mehrere Feldzüge gegen Sachsen und Dänen. Die weitere Entwicklung dieser Siedlung ist weitestgehend unbekannt, vermutlich wurde sie jedoch durch Rhein- und Lippehochwasser überschwemmt und in der Folge aufgegeben.

Als Ursprung der heutigen Stadt wird ein fränkischer Gutshof vermutet, der im Bereich des heutigen Kornmarkts lag.[3] Anfang des 8. Jahrhunderts erwähnte eine Urkundenabschrift im Kloster Echternach erstmals den Namen „Wesele“.[4] Bei Ausgrabungen in der Ruine des Willibrordi-Doms nach dem Zweiten Weltkrieg konnte die Existenz einer Fachwerkkirche im 8. Jahrhundert belegt werden.[5] In einer Urkunde vom 1. Mai 1065 bestätigte König Heinrich IV. die Rückgabe der Kirche und des Besitzes der „villa Wisele“ an das Kloster Echternach.[6]

Zu Beginn des 12. Jahrhunderts fiel Wesel, welches sich mittlerweile durch die Lage an Rhein und Lippe begünstigt zum Warenumschlagsplatz entwickelt hatte, als Mitgift an die Grafen von Kleve. Mit der Erhebung Wesels zur Stadt durch den Klever Junggrafen Dietrich primogenitus im September 1241 erhielten die Bürger Wesels eine Reihe von Privilegien; darunter freie Erbschaft und Zollfreiheit an allen landesherrlichen Zollstätten. Bis 1277 wurden diese unter anderem durch Brauerei- und Marktrechte erweitert, ebenso wurde ein tägliches Gericht eingerichtet.

Während sich der Handel im 13. Jahrhundert auf den An- und Verkauf von Lebensmitteln und Handwerkserzeugnissen beschränkte, erfolgte im 14. Jahrhundert ein wirtschaftlicher Aufschwung, als vermehrt eingeführte Rohstoffe weiterverarbeitet sowie Fertigwaren exportiert wurden. Insbesondere die Tuchherstellung trug zum Wohlstand der Stadt bei. 1407 wurde sie Mitglied der Hanse. Daraufhin wurde Wesel für eingeführte Waren aus den Niederlanden und Westfalen zum wichtigsten Stapel- und Umschlagplatz nach Köln. Bereits auf dem Lübecker Hansetag 1447 galt Wesel als einer der fünf Vororte des Kölnischen Hanseviertels.

Der wirtschaftliche Aufschwung zeigt sich insbesondere in den Bauten dieser Zeit, etwa dem von 1456 bis 1457 errichteten Rathaus, welches zu den bekanntesten niederrheinischen Profanbauten der Spätgotik zählt. Von 1498 bis 1540 wurde der Willibrordi-Dom als spätgotische Basilika auf fünf Kirchenschiffe erweitert. Der 1478 erbaute Turm wurde aus dem dreischiffigen Vorgängerbau von 1424 bis 1480 übernommen.

Seit 1342 gibt es auch ein noch heute bestehendes Gymnasium, damals unter der Bezeichnung einer Lateinschule. Seit 1984 trägt es den Namen eines seiner bekanntesten Abiturienten, Konrad-Duden-Gymnasium.

Reformation und Neuzeit

Anders als in vielen Städten der Umgebung nahm die Reformation schon früh Einfluss auf Wesel. Zu Ostern 1540 wurde im Willibrordi-Dom das Abendmahl, dem Wunsche der Bürger entsprechend „in beiderlei Gestalt“ an den herzoglichen Richter, die meisten Ratsmitglieder und 1.500 Bürger ausgeteilt. Von diesem Tag an galt Wesel als Stadt des Protestantismus, die viele Glaubensflüchtlinge, insbesondere aus den Niederlanden, anzog. 1568 organisierten sich die niederländischen Flüchtlingsgemeinden im Weseler Konvent, der erheblichen Einfluss auf die Verfassung der niederländischen und auch deutschen evangelischen Kirchen ausübte.

1609 fiel Wesel mit dem Herzogtum Kleve an die Kurfürsten von Brandenburg. Während des Achtzigjährigen Krieges wurde Wesel zunächst von Spaniern besetzt, bis die Stadt 1629 von niederländischen Truppen erobert wurde. Bis 1680 folgte französische Besatzung. Unter Kurfürst Friedrich Wilhelm wurde Wesel schließlich zu einer Festung ausgebaut und ein System von Gräben und Bastionen um die Stadt errichtet. Die städtische Ausdehnung wurde auf Altstadt und Mathena-Vorstadt beschränkt, eine Entwicklung über diese Beschränkung hinaus wurde durch die Rayon-Gesetze untersagt. Von den ehemals dreizehn Stadttoren der Hansezeit blieben lediglich vier erhalten. Aus dem 16. bis 19. Jahrhundert stammen eine Reihe von Festungsbauwerken, an denen vornehmlich Preußen und Frankreich gearbeitet haben.

Am 12. August 1730, eine Woche nach seinem gescheiterten Fluchtversuch, begegnete Kronprinz Friedrich von Preußen, der spätere Friedrich der Große, auf Festung Wesel seinem Vater, dem Soldatenkönig, der ihn infolge eines heftigen Wortwechsels umbringen wollte. Nur das Dazwischentreten des Kommandanten, Generalmajor von der Mosel, verhinderte eine Tragödie.[7]

19. Jahrhundert

Im Dezember 1805 trat Preußen Wesel an Napoléon Bonaparte ab. Im Januar 1808 wurde die Stadt als rechtsrheinischer Brückenkopf in das Kaiserreich Frankreich eingegliedert und als 9. Kanton dem Arrondissement de Clèves im Département de la Roer zugeordnet. Am 16. September 1809 wurden hier die elf Schillschen Offiziere füsiliert. 1813/1814 wurden durch die französische Besatzungsmacht 148 Studenten des Priesterseminars Gent in der Zitadelle eingekerkert, von denen 35 ums Leben kamen.

Preußen erlangte seinen vormaligen Besitz 1815 zurück. Wesel wurde daraufhin unter anderem mit der Zitadelle Wesel zur Garnisonstadt ausgebaut, in der bis zum Ersten Weltkrieg Infanterie, Artillerie sowie zuweilen auch Kavallerie und Pioniere stationiert waren. Aufgrund dieser Rolle als Festungsstadt konnte Wesel trotz günstiger Lage und Infrastruktur wirtschaftlich nicht mit den Städten des Ruhrgebiets konkurrieren. Auch nach der Entfestigung der Stadt ab 1886 konnte kein wirtschaftlicher Anschluss an das Ruhrgebiet gefunden werden. Der Grüngürtel, der die Innenstadt umgibt, wurde auf den ehemaligen Wällen der Festung angelegt (Glacisanlagen).

Am 23. April 1816 wurde Wesel im Zuge der Preußischen Verwaltungsorganisation kreisangehörige Stadt des neugebildeten Kreises Rees in der späteren Rheinprovinz. Der Sitz des Kreises wurde am 20. Mai 1842 von Rees nach Wesel verlegt, wobei der Kreisname erhalten blieb („Kreis Rees, Sitz in Wesel“). Der damalige Landrat wollte eine vernünftige Ausbildung für seinen Sohn und in Rees gab es kein Jungengymnasium.

Zeit der Weltkriege

Während des Ersten Weltkrieges wurde Wesel militärischer Sammelpunkt, von dem aus Truppen an die Westfront zogen. Mit der Entmilitarisierung des Rheinlands als Bedingung des Versailler Vertrags wurde Wesel nach dem Krieg als Militärstützpunkt aufgegeben. Erst mit Beginn der Aufrüstung im Nationalsozialismus wurden erneut Truppen in Wesel stationiert.

Während des Zweiten Weltkrieges geriet Wesel insbesondere wegen seiner strategischen Lage ins Visier der Alliierten. Am 16., 17. und 19. Februar 1945 wurde Wesel durch alliierte Bombenangriffe und Granatbeschuss fast vollständig zerstört. Die Rhein- und Lippebrücken wurden von Wehrmachtsangehörigen gesprengt, unter anderem am 10. März die 1950 m lange Eisenbahnbrücke, die zu diesem Zeitpunkt letzte noch in deutscher Hand befindliche Brücke über den Rhein. Am 23. März wurde Wesel zur Vorbereitung der Operation Plunder erneut bombardiert und von über 3.000 Geschützen unter Feuer genommen. 97 Prozent des Stadtgebiets wurden zerstört, bis Wesel schließlich von alliierten Truppen eingenommen wurde. (Luftangriffe auf Wesel)

Wiederaufbau

Ab Mitte 1946 begann die planmäßige Enttrümmerung der Stadt und der daran anschließende Wiederaufbau, welcher mit Hilfe des neu gegründeten Notstandswerks „Wesel hilft sich selbst“ realisiert wurde. Auch der Aufbau öffentlicher Gebäude wurde vorangetrieben, hervorzuheben ist insbesondere der Wiederaufbau des Willibrordi-Doms durch den Willibrordi-Dombauverein.

Gebietsreform

Am 1. Juli 1969 wurden im Zuge des 1. kommunalen Neugliederungsprogramms die bis dahin selbstständigen Gemeinden Flüren (Amt Ringenberg) und Obrighoven-Lackhausen mit der Stadt Wesel zusammengeschlossen.

Am 1. Januar 1975 wurden im Zuge des 2. Neugliederungsprogramms die bis dahin selbstständigen Gemeinden Bislich und Diersfordt sowie der Ortsteil Blumenkamp der Gemeinde Hamminkeln (alle aus dem ehemaligen Amt Ringenberg im Kreis Rees), die Gemeinde Büderich mit Ginderich im Kreis Moers, der Ortsteil Lippedorf der Gemeinde Voerde im Kreis Dinslaken und ein kleiner Gebietsteil der Gemeinde Hünxe des ehemaligen Amtes Gahlen im Kreis Dinslaken in die Stadt Wesel eingegliedert.

Dadurch wuchs das Stadtgebiet von 19,63 km² am 30. Juni 1969 auf 122,64 km² am 1. Januar 1975. Die Einwohnerzahl stieg von 36.046 auf 60.488.

Am 8. Mai 1974 gab der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen das Abstimmungsergebnis bekannt, wonach Wesel im Rahmen der kommunalen Neugliederung ab 1. Januar 1975 zur Kreisstadt des neuen Großkreises Wesel bestimmt wurde.

Politik

Bürgermeister

Die erste Bürgermeisterin in der Geschichte der Stadt Wesel ist Ulrike Westkamp (SPD).

Die Bürgermeister des Stadt Wesel 1808–1945:

  • 1808–1814: Johann Hermann Westermann
  • 1814–1840: Christian Adolphi
  • 1841–1862: Franz Luck
  • 1863–1870: Wilhelm Otto van Calker
  • 1870–1873: Heinrich Bang
  • 1874–1881: Carl Friedrich August von Albert
  • 1881–1891: Caspar Baur
  • 1891–1902: Josef Fluthgraf (1896 Oberbürgermeister)
  • 1903–1931: Ludwig Poppelbaum
  • 1931–1933: Emil Nohl
  • 1933–1945: Otto Borgers

Die Bürgermeister der Stadt Wesel seit 1945:

  • 1945: Jean Groos
  • 1945: Wilhelm Groos
  • 1946–1947: Anton Ebert (CDU)
  • 1947–1948: Paul Körner (CDU)
  • 1948–1952: Ewald Fournell (CDU)
  • 1952–1956: Helmut Berckel (CDU)
  • 1956–1966: Kurt Kräcker (SPD)
  • 1967–1969: Willi Nakaten (SPD)
  • 1969–1979: Günther Detert (CDU)
  • 1979–1984: Wilhelm Schneider (SPD)
  • 1984–1989: Volker Haubitz (CDU)
  • 1989–1994: Wilhelm Schneider (SPD)
  • 1994–1999: Bernhard Gründken (SPD)
  • 1999–2004: Jörn Schroh (CDU)
  • seit 2004: Ulrike Westkamp (SPD)

Wappen, Flagge und Siegel

Blasonierung: „Das Wappen der Stadt Wesel zeigt in rotem Feld ein silbernes Herzschild, das von drei nach rechts springenden silbernen Wieseln begleitet wird.“

Bedeutung: Das „Herzschild“ verweist auf das Reitersiegel des Klever Herzogs. Das Wiesel ist als Wappenzeichen der Stadt bereits seit dem 13. Jahrhundert überliefert und übersetzt bildhaft den Namen der Stadt. In seiner heutigen Form wird das Wappen nach einer Änderung der Hauptsatzung 1984 geführt.

Flagge: Als Flagge führt die Stadt Wesel die Farben rot-weiß-rot; im weißen Feld das Wappen der Stadt (im Verhältnis 1 : 4 : 1 längsgestreift mit dem Wappenschild der Stadt in der Mitte der weißen Bahn.[10]

Siegel: Die Stadt Wesel führt ein Dienstsiegel mit dem Stadtwappen.[11]

Städtepartnerschaften u. a.

Die Stadt Wesel pflegt mehrere, meistens über Jahre durch private, schulische und Vereinskontakte aufgebaute Städtepartnerschaften. 1952 entstand eine Partnerschaft mit Hagerstown in Maryland / USA, eine der ältesten deutsch-amerikanischen Städtepartnerschaften überhaupt. 1972 folgte Felixstowe in der Grafschaft Suffolk in Großbritannien. 1990 verschwisterte sich die Stadt Wesel nach der Wiedervereinigung mit Salzwedel in Sachsen-Anhalt. Die jüngste Partnerschaft wurde 2002 mit der Stadt Kętrzyn (ehemals Rastenburg in Ostpreußen) in Polen geschlossen.

Darüber hinaus ist Wesel Patenstadt des Tenders „Rhein“ der Deutschen Marine und des in Wesel stationierten Fernmeldebataillons 284 der Bundeswehr (seit 2003). Zu Lisieux (Frankreich) bestehen schon seit vielen Jahren Kontakte über einen regen Schüleraustausch.

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Theater und Konzerte

Die „Niederrheinhalle“ auf dem Fusternberg ist Veranstaltungsort für Großveranstaltungen wie Messen und Tagungen. Im „Städtischen Bühnenhaus“ finden Theatergastspiele, Sinfonie- und Kammerkonzerte statt. Die Weseler Dom-Konzerte im Willibrordi-Dom und die Konzerte in der Aula der Musik- und Kunstschule im Zitadellen-Komplex ergänzen das Angebot. In den Außenbezirken gibt es ebenfalls ein reges künstlerisches Angebot. Hierzu zählen die Konzerte in beiden Bislicher Kirchen des Vereins Pro Musica und die Kulturreihe Kleinod der Evangelischen Kirchengemeinde Büderich.

Stadtbücherei, Stadtarchiv

Die Stadtbücherei Wesel befindet sich auf zwei Etagen im Rathauskomplex der Stadt. In der ersten Etage befindet sich der Kinder- und Jugendbereich und in der zweite Etage die Erwachsenenliteratur sowie Fachliteratur zu unterschiedlichen Bereichen. Insgesamt verfügt die Stadtbücherei Wesel über mehr als 100.000 Medieneinheiten.

Das Stadtarchiv im Zitadellen-Komplex bietet einen umfangreichem Archivbestand (Urkunden und Schriften seit 1241). Ihm angeschlossen ist eine Restaurierungswerkstatt.

Museen

Das Städtische Museum verfügt über drei Abteilungen:

  • die Galerie im „Centrum“ mit wechselnden Ausstellungen und der Dauerausstellung „Weseler Silber“ und „Eidesleistung“
  • im Zitadellen-Komplex über
    • die Abteilung Schill-Kasematte und
    • die Abteilung Festungsgeschichte.

Die Galerie bietet regelmäßig vier bis fünf Wechselausstellungen mit Werken vorwiegend regionaler Künstler und (kunst)historischer Thematik. Mit zwei Ausstellungen ist jeweils der Niederrheinische Kunstverein Wesel e. V. vertreten. Ein separater Raum beinhaltet Tafelmalereien von Weseler und niederrheinischen Künstlern des Spätmittelalters. Unter anderem sind dort das Weseler Gerichtsbild aus den Jahren 1493/94 von Derik Baegert zu sehen, kleinere Tafeln seines Sohnes Jan Baegert sowie Werke Joos van Cleves, Bartholomäus Bruyn d.Ä. und dessen Sohn Bartholomäus Bruyn d.J.. Daneben wird der Bestand historischen Weseler Silbers vom 16. bis 20. Jahrhundert gezeigt.

In der Schill-Kasematte, den zwei Kasematten-Räumen des Zitadellen-Haupttores, befindet sich der Ort, an den die 11 Schillschen Offiziere nach ihrer Gefangennahme in Stralsund gebracht und abgeurteilt wurden. Eine Dokumentation zeigt die Hintergründe und Zusammenhänge der damaligen Ereignisse um den Aufstand gegen Napoléon Bonaparte im Jahre 1809.

Zum Gedenken der 11 Schillschen Offiziere wurde am 31. März 1835 ein Denkmal nach den Plänen Karl Friedrich Schinkels an ihrem Hinrichtungs- und Begräbnisort in den Lippewiesen aufgestellt.

Die Abteilung Festungsgeschichte des Städtischen Museums im Zitadellen-Komplex zeigt historische Dokumente, Gebrauchsgegenstände, Waffen und bildliche Darstellungen und gibt so einen kurzen Überblick der Entwicklung Wesels von der befestigten Stadt des Mittelalters bis inklusive des Ersten Weltkrieges.

Im Preußen-Museum Nordrhein-Westfalen im Zitadellen-Komplex wird die 300-jährige Geschichte Brandenburg-Preußens sowie ihr Einfluss auf das Rheinland und Wesel gezeigt. Auf 2.000 m² Ausstellungsfläche werden die Geschichte des Rheinlandes zu Beginn des 17. Jahrhunderts, Kirchen- und Bildungsgeschichte im 19. Jahrhundert bis hin zur Rolle Preußens in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus dargestellt.

Das Alte Wasserwerk ist ein technisches Denkmal und vermittelt einen Eindruck der Wasserversorgung der Stadt Wesel von 1886 bis 1956. Die Pumpen des Wasserwerks wurden bis 1924 mit Dampfkraft und dann mit Elektroenergie betrieben; Sie waren bis 1956 in Betrieb. Der 40 m hohe Wasserturm im Zentrum der Stadt wurde ebenfalls 1886 in Betrieb genommen und war durch Rohre mit dem alten Wasserwerk an der Lippe verbunden. Er diente als Wasserspeicher und sorgte zugleich für den nötigen Druck im Rohrnetz. 1923 wurde ein zweiter Behälter unterhalb des bereits vorhandenen erstellt. Im heute zylindrischen Turm befinden sich noch große Mauerwerksteile des ursprünglich konischen Turms von 1886.

Das Heimat- und Rhein-Deich-Museum Bislich zeigt Besuchern heimatkundliche Fundstücke, eine ornithologische Sammlung sowie Informationen zum Rhein als Naturraum, zur Rheinschifffahrt und zur Berufsfischerei sowie zum Hochwasserschutz. Drittes Standbein des Heimatmuseums ist das Ziegelmuseum zur Tradition der Niederrheinischen Ziegelherstellung.

Baudenkmäler

Das in der Mitte des 15. Jahrhunderts errichtete und 1698/1700 erweiterte Rathaus am Großen Markt, das im Zweiten Weltkrieg total zerstört wurde, soll wiederaufgebaut werden.

Die Zitadelle Wesel (1688-1722, 1809) war die einstmals größte Festungsanlage des Rheinlands. Es existiert jedoch nur noch ein -der Stadt zugewandter- gut erhaltener Rest der Festung.

Das Clever-Tor-Fries von 1700 stammt ursprünglich vom Clever Tor und befindet sich seit 1975 am jetzigen Standort am Rathaus am Klever-Tor-Platz.

Das Berliner Tor ist das östliche Tor der ehemaligen Stadtbefestigung. Es wurde 1718 bis 1722 im preußischen Barock durch Jean de Bodt erbaut. Die Stadtseite des Tores besteht heute nur noch als überdachter Mauerkubus. Lediglich an der Außenseite wurden Figuren, Reliefs und die Abschlusstrophäe 1974 in beschädigtem und verwitterten Zustand konserviert.

Die 1953 von Eva Brinkmann gestaltete „Trauernde Vesalia“ ist ein Denkmal auf dem Bombenopferfeld (Ehrenfriedhof) des Alten Friedhofs in der Caspar-Baur-Straße.

Das 1963 von Hermann Kunkler geschaffene Peter-Minuit-Denkmal steht auf der Verkehrsinsel im Kreuzungsbereich der Augusta-, Bismarck- und Moltkestraße. Peter Minuit wurde 1585 in Wesel geboren, war Diakon am Willibrordi-Dom und gründete 1626 Nieuw Amsterdam, das heutige New York.

Das Mahnmal zur Erinnerung an die Zerstörung Wesels im Zweiten Weltkrieg (1964) von Hans Breeker steht am Rande des Alten Friedhofs an der Kreuzung Caspar-Baur-/Lipperheystraße.

Der unter Denkmalschutz stehende Eiskeller von Schloss Diersfordt stammt aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und diente anfänglich als Ölmühle. Nach einer grundlegenden Restaurierung ab 1995 durch den Heimatverein Diersfordt wird das Gebäude heute als Museum und Heimathaus genutzt.

Kirchen

Der evangelische Willibrordi-Dom (1498–1540) am Großen Markt ist eine spätgotische Basilika mit fünf Kirchenschiffen, der Turm wurde 1478 erbaut.

Die katholische St.-Johannes-Kirche in der Bislicher Dorfstraße ist eine dreischiffige romanische Pfeilerbasilika aus dem 12. Jahrhundert, die Ende des 14. Jahrhunderts gotisiert wurde.

Die katholische Kirche St. Mariä Himmelfahrt im Ortsteil Ginderich entstand in den Jahren 1280 bis 1330 als romanisch-gotische Basilika.

Das 1729 errichtete Lutherhaus ist die ehemalige Kirche der Lutherischen Gemeinde. Es dient heute als evangelisches Beratungszentrum und wird für kirchliche und kulturelle Veranstaltungen genutzt.

1949 wurde die katholische St.-Martini-Kirche in der Martinistraße 10 auf den Grundmauern einer Kaserne erbaut. Altarteile und Heiligenfiguren stammen aus dem 15. Jahrhundert. In der modernen katholischen Kirche St. Mariä Himmelfahrt 1952 befindet sich die Krypta der ehemaligen Dominikanerkirche von 1293. Ebenfalls zu den modernen Sakralbauten zählt die Friedenskirche „Zu den heiligen Engeln“ (1956–1958) des Architekten Hans Schilling in der Fusternberger Straße, am Fusternberg, die auf den Grundmauern eines alten Forts erbaut wurde.

Weitere Kirchenbauten sind die evangelische Schlosskirche Diersfordt (1775–1780) und die evangelische Kirche Büderich (1835) nach einem Entwurf von Karl Friedrich Schinkel.

Kornmarkt

Der Kornmarkt liegt mitten in der Stadt etwas nördlich des Willibrordidoms. Ein fränkischer Gutshof, der vermutlich im 8. Jahrhundert an der Stelle des Kornmarktes stand, gilt als Ursprung der heutigen Stadt. Im Mittelalter war der gepflasterte Platz neben dem „großen Markt“ einer der größten Märkte, auf dem vor allem Getreide gehandelt wurde. Mitten auf dem Platz befindet sich ein kleiner Springbrunnen mit den Bronzeskulpturen „Langer Heinrich“ und „Bienenkönig“, zwei Personen aus der Weseler Stadtgeschichte, die an diese Zeit erinnern.

Heute ist der Kornmarkt vor allem als Kneipenviertel Wesels bekannt. Der Marktplatz ist umgeben von Bars und Restaurants.

Freizeitanlagen

Der Heubergpark am Rande der östlichen Innenstadt und die Glacisanlagen entlang des ehemaligen Festungsgürtels im Westen und Norden der Innenstadt bieten als Grünanlagen Erholungsraum im Stadtzentrum.

Der Rheinaue-Park mit 8,10 km² Gesamtfläche und 1,559 km² Wasserfläche umfasst den Segel- und Motorflugplatz Römerwardt, einen Yachthafen, Tennishallen und -plätze, eine Minigolfanlage, das Auestadion, das beheizte RheinBad und das Strandbad Auesee. Der Rheinaue-Park ist größtenteils Landschaftsschutzgebiet und wird durch Rundwanderwege erschlossen.

Das Schwarze Wasser, ein nährstoffarmer Heideweiher als eines der ältesten Naturschutzgebiete in Nordrhein-Westfalen, liegt nordwestlich der Innenstadt inmitten einer Dünenlandschaft.

Der Diersfordter Wald, ebenfalls im Nordwesten Wesels, ist ein 883 ha großes Naturschutzgebiet mit einem 350 ha großen Wildgatter.

Der 1.000 km² große Naturpark Hohe Mark erstreckt sich beiderseits der unteren Lippe bis nach Datteln, im Norden bis Bocholt, Rhede, Borken, Coesfeld und im Süden teilweise bis ins Ruhrgebiet.

Das auf der linken Rheinseite und teils im Stadtgebiet gelegene Naturschutzgebiet Bislicher Insel gilt als ein wichtiger Gänserastplatz. Weitere im Stadtgebiet gelegene Naturschutzgebiete sind die Gebiete Droste Woy und Westerheide, Rheinaue Bislich-Vahnum, Rheinvorland bei Perrich und Weseler Aue sowie die teils im Stadtgebiet gelegenen Gebiete Großes Veen und Rheinvorland östlich von Wallach.

Radtourismus

Die Radfernwege NiederRheinroute, Rheinradweg, Römerroute, Rundkurs Ruhrgebiet und die „Kulturroute“ an Lippe und Issel lassen sich von Wesel aus befahren. Für das Stadtgebiet Wesel existieren Radwanderkarten mit insgesamt 10 thematischen Routen mit Erläuterungen zu historischen und naturkundlichen Besonderheiten.

Infrastruktur und Wirtschaft

Verkehr

Schienen- und Busverkehr

Der Bahnhof Wesel liegt ungefähr 700 m südöstlich des Stadtzentrums an der Hollandstrecke (KBS 420), von der die Bocholter Bahn (KBS 421) abzweigt.

Im Schienenpersonennahverkehr verkehren hier der Rhein-Express (RE 5), die RegionalBahn „Der Weseler“ (RB 35), die Rhein-Niers-Bahn (RB 33) und die RegionalBahn „Der Bocholter“ (RB 32).

Darüber hinaus ist Wesel im SPNV über zwei weitere Stationen angebunden,

    den Haltepunkt „Wesel-Feldmark“ an der Strecke nach Emmerich, der von dem RE 5 und in der Hauptverkehrszeit von der RB 35 bedient wird, und

    den Haltepunkt „Blumenkamp“ an der Strecke nach Bocholt, der von der RB 32 bedient wird.

Im Straßenpersonennahverkehr verkehren vom Bahnhof Wesel zur Verknüpfung mit den Gemeinden die Schnellbus-Linien

  • SB 3 Wesel–Hünxe–Dinslaken,
  • SB 6 Wesel–Xanten und
  • SB 21 Wesel–Schermbeck–Dorsten

sowie zwölf weitere Regional- und drei Stadtbuslinien zur räumlichen und innerstädtischen Erschließung, die von der zur Rhenus Veniro-Gruppe gehörenden NIAG betrieben werden.

Für den gesamten öffentlichen Personennahverkehr gilt der Tarif der Verkehrsgemeinschaft Niederrhein und tarifraumüberschreitend der NRW-Tarif.

Zwischen dem 6. November 1914 und dem 31. Dezember 1966 verkehrte in der Stadt die Kleinbahn Wesel-Rees-Emmerich.

Straßen

Wesel ist über die Anschlussstellen 5 Hamminkeln, 6 Wesel und 7 Hünxe der Bundesautobahn 3 (E 35) sowie die Anschlussstelle 6 Alpen der Bundesautobahn 57 (E 31) und die Bundesstraßen 8, 58 (mit der einzigen Rheinbrücke im Kreis Wesel bei Rheinstrom-km 814), 70 und 473 an das Fernstraßennetz angebunden. Zusätzlich wird das Stadtgebiet durch vier Landesstraßen erschlossen.

Zwischen 2005 und 2009 wurde für die Rheinbrücke aus dem Jahr 1950 ein Ersatzneubau stromabwärts, unmittelbar neben der alten, errichtet.

Wesel – seit 1995 Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen – bietet optimale Bedingungen für nichtmotorisierte, individuelle Mobilität im räumlichen Nahbereich, vorzugsweise mit dem Fahrrad, zu Fuß, aber auch mit anderen Verkehrsmitteln (z. B. Inlineskates, Kickboards, Skateboards u. a.).

Für Fußgänger- und Radfahrer verkehren von Ostern bis Oktober

  • die Rheinfähre „Keer Tröch II“ von Wesel-Bislich nach Xanten bei Rheinstrom-km 823 und
  • die Lippefähre „Quertreiber“, eine Gierseilfähre in Höhe des Umspannwerks der RWE Rhein-Ruhr AG.

Wasserstraßen und Häfen

In Wesel mündet der Wesel-Datteln-Kanal (Länge im Stadtgebiet: 6,7 km) in den Rheinstrom (Länge im Stadtgebiet: 17 km), der die Grundlage für die betriebenen Häfen, den Rhein-Lippe-Hafen Wesel (Rheinstrom-km 813), den Städtischen Rheinhafen Wesel und den Staatlichen Schutzhafen Wesel (beide Rheinstrom-km 815) bildet. Die Lippe mündet ebenfalls in Wesel in den Rhein, bis Anfang des 20. Jahrhundert wurde dort der Lippehafen Wesel betrieben.

Unternehmen

  • Die Chemische Industrie ist mit der Altana Chemie AG, BYK Chemie, LGC Standards GmbH (ehemals Promochem) und Oxoid in Wesel stark vertreten.
  • Die Flachglas produziert Bauglas und Spezialglas für die Automobilindustrie.
  • Die Keramag ist ein bekannter Hersteller von Sanitärkeramik.
  • Die RWE Rhein-Ruhr AG unterhält hier das Regionalzentrum Niederrhein.
  • Die beiden Krankenhäuser mit ihren angeschlossenen Einrichtungen, das Evangelische Krankenhaus Wesel und das Marien-Hospital Wesel, gehören zu den größten Arbeitgebern.

Medien

Printmedien

Die Tageszeitungen Neue Rhein Zeitung und Rheinische Post sowie die Wochenzeitung „Der Weseler“ sind in Wesel jeweils mit Lokalredaktionen vertreten. Außerdem erscheint wöchentlich das Magazin „Wir in Wesel“.

Tele- und Mediendienste

Das Lokalradio Radio K.W. (Radio Kreis Wesel) sendet sein Programm aus den Weseler Funkstudios im Berliner Tor-Center. Es ist im gesamten Kreisgebiet über den Sender Wesel auf der Frequenz 107.6 MHz mit 200 W ERP und über den Moerser Fernmeldeturm auf der Frequenz 91,7 MHz mit 100 W ERP zu empfangen. An der Volkshochschule Wesel existiert eine von sechs Radiowerkstätten von Radio K.W. In diesen Studios wird der größte Teil der Sendungen des Bürgerfunks produziert. Radio Tele Wesel 1 e. V. ist der älteste „neue Medien“ Verein der auch Bürgerfunk und andere Beiträge veröffentlicht.

Seit dem 8. Januar 2003 sendet der Private Jugendsender L:S. Er bietet jungen Menschen im Kreis Wesel die Möglichkeit, eigene Fernsehprogramme zu realisieren. Die Sendungen werden im Haus Lilienveen am Fusternberg produziert. In den zwei Studios entstehen eigene Formate wie „Sportlive“, die „L:S Box“ und zahlreiche unterhaltsame Sendungen. Das Programm wird ausschließlich im Internet und im digitalen Fernsehen von Unity Media NRW verbreitet. Zu den Schwerpunkten gehört die Berichterstattung über den Kreis Wesel. Das Programm zielt hauptsächlich auf die Altersgruppe von 12 bis 29 Jahren.

Der Sender Wesel ist eine 1968 errichtete Sendeanlage der Deutschen Bundespost zur Verbreitung von UKW, Digitalradio (DAB) und Fernsehprogrammen (DVBT) am Perricher Weg im Ortsteil Ginderich. Als Antennenträger dient ein 320,80 Meter hoher, abgespannter Stahlfachwerkmast, der das höchste Bauwerk Nordrhein-Westfalens darstellt. Heute gehört die Sendeanlage zur Telekom-Tochter DFMG Deutsche Funkturm GmbH.

Der Fernmeldeturm „Langer Heinrich“ wurde 1983 von der Deutschen Bundespost am Berliner-Tor-Platz erbaut. Die untere Plattform ist 99,95 m, die obere Plattform 108,20 m hoch. Er hat eine Gesamthöhe von 158 m über Niveau (184 m ü. NN) und ist das höchste Bauwerk der Innenstadt.

Telekommunikation

Neben der Deutsche Telekom AG bietet seit dem 2. Quartal 2007 auch der größte alternative Vollanschlussanbieter Arcor im Weseler Vorwahlbereich 0281 Festnetzanschlüsse (ISDN/DSL) an. Arcor gehört zu den Telefonanbietern, die über ein eigenes Festnetz bis auf die Ebene der Ortsvermittlungsstellen verfügen, ab dort jedoch die Anschlussleitungen der Deutschen Telekom nutzen.

Öffentliche Einrichtungen

Behörden u. a.

Wesel ist Sitz des Kreises Wesel sowie der Kreispolizeibehörde Wesel. Außerdem haben die Agentur für Arbeit, das Amtsgericht Wesel, das Arbeitsgericht Wesel und das Landwirtschaftsgericht ihren Sitz in Wesel, wie auch das Deutsche Rote Kreuz, die Kreishandwerkerschaft, das Finanzamt, das Staatliche Forstamt und die Telefonseelsorge Niederrhein / Westmünsterland (evang./kath.). Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW, die Landwirtschaftskammer Rheinland, der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen, der Technische Überwachungsverein, die Niederrheinische Industrie- und Handelskammer, die Wasserschutzpolizei sowie die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) sind mit einer Kreisstelle, Niederlassung beziehungsweise Zweigstelle in Wesel vertreten.

Wesel ist NATO- und Bundeswehrstandort. In der Schill-Kaserne ist unter anderem der DtA des 1st NATO Signal Bataillon stationiert. Das zuvor in Wesel stationierte Fernmeldebataillon 284 wurde aufgelöst und als DtA in das 1st NATO Signal Bataillon überführt.

Krankenhäuser, Altenheime

Im gesundheitlichen und Pflegebereich existieren für Wesel und sein Einzugsgebiet zwei Krankenhäuser, das Evangelische Krankenhaus mit 314 Betten und das Marien-Hospital mit 422 Betten, zwei REHA-Zentren sowie vier Seniorenheime.

Beratungsstellen

In Wesel gibt es Beratungsstellen der AIDS-Hilfe Duisburg/Kreis Wesel, für Alkohol- und Drogengefährdete, des Arbeiter-Samariter-Bundes, der Arbeiterwohlfahrt, des Caritasverbandes, des Deutschen Kinderschutzbundes, des DGB, des Diakonischen Werks, für Homosexuelle, der Johanniter-Unfall-Hilfe, des Malteser Hilfsdienstes, des VdK, der Verbraucherzentrale NRW, des Internationalen Bundes und des Weißen Rings, je eine Evangelische und Katholische Familienbildungsstätte und der Arbeiterwohlfahrt sowie eine Frauenberatungsstelle mit angeschlossenem Mädchentreff.

Sport

In Wesel existieren verschiedene Sportanlagen, unter anderem das Auestadion als Leichtathletikstützpunkt und das zumeist für Fußballspiele genutzte Lippestadion, eine Eissporthalle, mehrere Sporthallen sowie Schwimm- und Freizeitbäder. Des Weiteren gibt es einen Sportflugplatz (Wesel/Römerwardt EDLX) und einen Yachthafen.

Im Stadtsportverband sind über 60 Vereine vertreten (bei etwa 61.000 EW), die Sportarten wie Breitensport, Turnen, Leichtathletik, Fußball, Handball, Sportkegeln, Flugsport, Reitsport, Hundesport, Minigolf, Schach, Schwimmsport, Segeln, Rudern, Rollkunstlauf, Tanzsport, Badminton, Tennis, Carambolage Billard und vieles mehr anbieten.

Zu einem großen Teil von Wesel aus verbreitete sich die in Deutschland bis dato relativ unbekannte Sportart Futsal im Gebiet des Niederrheins und Nordrhein-Westfalens sowie ganz Deutschlands durch die Anstrengungen des International Futsal Wesel e. V. und dessen Präsidenten Naim Sassi. Der Verein nahm im Jahr 2006 auch an der 1. WFLV-Futsal-Liga teil und belegte dort den zweiten Platz. Der Star Futsal Wesel e. V., der ebenfalls an der 1.WFLV-Liga teilnahm, stellt den zweiten Futsal-Verein im Stadtgebiet dar.

Der älteste Fußballverein in Wesel ist der BSV Viktoria Wesel, der sich mit den BW Weseler Zebras das Lippestadion teilt.

Der Badminton Verein Wesel Rot-Weiss e.V. spielt in der 2. Bundesliga und ist somit, in Bezug auf die Spielklasse, der erfolgreichste Sportverein Wesels.

Das beheizte Freibad „RheinBad“ befindet sich unmittelbar am Rheinufer und bietet Liegewiesen, eine Sprunganlage unter anderem mit einem 5-m-Turm sowie ein dazugehöriges Becken (15 m × 25 m). Das Mehrzweckbecken hat eine Größe von 25 m × 50 m, in dem auch Wettkampfsport betrieben werden kann. Außerdem gibt es neben einer Wasserschale, Breitbahnrutsche und Unterwasserdüsen auch einen Strömungskanal mit einem Wellenball. Das Kinderbecken hat eine Kinderrutsche und ist 50 m² groß. Ein Wasserspielgarten, ein Bachlauf und ein Sonnensegel runden das Angebot ab.

Die Eissporthalle „Toronto Eislauf-Center“ liegt im Stadtteil Feldmark.

Mehrere Kanuvereine bieten Paddeltouren auf der Lippe an.

Bildung

Wesel verfügt in der Primarstufe über eine evangelische Grundschule, drei katholische Grundschulen und zehn Gemeinschafts-Grundschulen sowie über je eine Förderschule für Geistigbehinderte, Lernbehinderte sowie Sprachbehinderte und Schwerhörige. Ergänzt wird das schulische Angebot seit Beginn des Schuljahres 2006/07 durch eine Montessorischule als private Ersatzschule.

In der Sekundarstufe gibt es das Berufskolleg Wesel, eine Gesamtschule, zwei Gymnasien – das Andreas-Vesalius-Gymnasium und das Konrad-Duden-Gymnasium, zwei Hauptschulen und zwei Realschulen.

Im Weiterbildungsbereich wird das Angebot durch ein Abendgymnasium, die Musik- und Kunstschule, das Studienzentrum der Fernuniversität Hagen und die Volkshochschule abgerundet. Hinzu kommen noch drei Familienbildungsstätten in Trägerschaft der Arbeiterwohlfahrt, des Diakonischen Werkes und der Katholischen Kirche.

Persönlichkeiten

Ehrenbürger

  • 1895: Fürst Otto von Bismarck (* 1815; † 1898), Preußischer Ministerpräsident und erster Kanzler des Deutschen Reiches
  • 1914: Georg Freiherr von Rheinbaben (* 1855; † 1921), Regierungspräsident in Düsseldorf, preußischer Innenminister und Finanzminister, Oberpräsident der Rheinprovinz, Freund und Förderer der Stadt Wesel
  • 1917: Paul von Hindenburg (* 1847; † 1934), Generalfeldmarschall und Reichspräsident von 1925 bis zu seinem Tode
  • 1926: Moritz Schneemann (* 1836; † 1930), langjähriger Stadtverordneter und Beigeordneter der Stadt Wesel
  • 1929: Karl Neuhaus († 1931), Beigeordneter und Ratsherr der Stadt Wesel
  • 1931: Ludwig Poppelbaum († 1940), Bürgermeister der Stadt Wesel von 1903 bis 1931
  • 1951: Josef Janßen (* 1881; † 1966), Pfarrer an St. Mariä Himmelfahrt in Wesel, Dechant, Päpstlicher Hausprälat, Domkapitular und bischöflicher Kommissar für den Niederrhein
  • 1952: Johannes Bölitz, (* 1868; † 1959), Pfarrer am Willibrordi-Dom von 1918 bis 1933 und Autor von Schriften zur Lokalgeschichte
  • 1966: Franz Etzel (* 1902; † 1970), Bundesfinanzminister und Vizepräsident der Montan-Union
  • 1976: Karl-Heinz Reuber († 1982), Stadtdirektor von Wesel vom 1. April 1950 bis 30. November 1970, „Hauptmotor und größter Schrittmacher des Wiederaufbaus“
  • 1995: Hans Tienes (* 1906; † 2004), Unternehmer und Kulturförderer
  • 2006: Wilhelm Schneider (* 1926; † 2007), Politiker, unter anderem ehemaliger Bürgermeister Wesels

Am 4. April 1933 erhielt auch Adolf Hitler „für seine Verdienste für Volk und Vaterland“ das Ehrenbürgerrecht Wesels, welches durch einstimmigen Beschluss des Stadtrates am 13. September 1983 wieder aberkannt wurde. Zugleich wurde die während der NS-Zeit erfolgte Aberkennung der Ehrenbürgerschaft von Ludwig Poppelbaum für nichtig erklärt.

Oft als Vorstufe zur Ehrenbürgerschaft verleiht die Stadt Wesel seit 1970 auch einen Ehrenring für besondere Dienste am Allgemeinwohl, der zuletzt im September 2000 zum bis dahin 25. Mal verliehen wurde.

Söhne und Töchter der Stadt

  • Derick Baegert (* um 1440; † nach 1502), bedeutender niederrheinischer Maler des Spätmittelalters
  • Jan Joest (* um 1455; † nach 1519), Weseler Maler
  • Bartholomäus Bruyn der Ältere (* 1493, † 1555), bedeutender Porträtist
  • Friedrich Knebel († 1574), Lübecker Ratsherr und Admiral der Flotte im Dreikronenkrieg
  • Reiner Solenander (* 1524 in Büderich; † 1601), Balneologe und Leibarzt von Wilhelm dem Reichen
  • Tilemann Hesshus (* 1527, † 1588), lutherischer Theologe
  • Laurenz von Brachum (* erste Hälfte des 16. Jahrhundert als Lauren(t)z Steynhower; † 1586), Baumeister, Architekt und Begründer der Lipperenaissance
  • Hans Lipperhey (* um 1550; † 1619), Erfinder des Fernrohrs
  • Peter Minuit (* um 1580–1585; † 1641), Begründer von Neu-Amsterdam (New York)
  • Johann Arnold Nering (* 1659, † 1695), Kurfürstlich-Brandenburgischer Baumeister
  • Matthias Jorissen (* 1739, † 1823), reformierter Pfarrer und Kirchenliederdichter
  • Johann Heinrich Achterfeld (* 1788; † 1877), katholischer Theologe, Professor und Herausgeber
  • Friedrich Christian Eugen Baron von Vaerst (* 1792, † 1855), Offizier, später Schriftsteller und Gastrosoph
  • Johann Friedrich Welsch (* 1796; † 1871), bedeutender Maler des 19. Jahrhunderts
  • Isaak Jakob Petri (1701–1776), Architekt, Erbauer des Berliner Invalidenhauses
  • Heinrich von Rosenthal, (* 1808; † 1865), Politiker
  • Konrad Duden (* 1829; † 1911), Förderer der einheitlichen deutschen Rechtschreibung
  • Gerhard Schneemann (* 1829; † 1885), Theologe und Kirchenhistoriker
  • Karl Hermann Peter von Thielen (* 1832, † 1906), Politiker
  • Friedrich Geselschap (* 1835; † 1898), Historienmaler des späten 19. Jahrhunderts
  • Curt Liebich (* 1868), deutscher Bildhauer, Professor, Ehrenbürger der Stadt Gutach (Schwarzwaldbahn)
  • Heinrich Hart (* 1855, † 1906), Autor und naturalistischer Literatur- und Theaterkritiker
  • Ludwig Müller (* 1932), Leichtathlet
  • Wilhelm Schreuer (* 1866, † 1933), Maler
  • Martin Boelitz (* 1874, † 1918), Schriftsteller
  • August Asmuth (* 1884, † 1935), Politiker (Zentrum), Reichstagsabgeordneter
  • Max Otto Luyken (* 1885, † 1945), Landwirt und Politiker (NSDAP)
  • Hugo ten Hövel, (* 1890, † 1953), Politiker
  • Maria Kahle, (* 1891, † 1975), Schriftstellerin
  • Bernhard Schweitzer (* 1892, † 1966), Klassischer Archäologe
  • Joachim von Ribbentrop (* 1893; † 1946), deutscher Außenminister von 1938 bis 1945
  • Ida Noddack-Tacke (* 1896; † 1978), Entdeckerin des chemischen Elements Rhenium
  • Franz Etzel (* 1902; † 1970), Bundesfinanzminister und Vizepräsident der Montan-Union
  • Ernst-Alfred Jauch (* 1920; † 1991), katholischer Journalist, Vater des Fernsehmoderators Günther Jauch
  • Walter Schmithals (* 1923), Theologe
  • Otti Pfeiffer (* 1931; † 2001), Schriftstellerin
  • Franz Müller-Heuser (* 1932), Konzertsänger
  • Heribert Beissel (* 1933), Dirigent
  • Alfred Post (* 1942, † 2005), Rechtswissenschaftler
  • Lilo Friedrich (* 1949), Politikerin
  • Jan Hofer (* 1952 im heutigen Stadtteil Büderich), Tagesschausprecher
  • Wolfgang Scholmanns (* 1958), Schriftsteller und Buchautor, lebt in Wesel
  • Dieter Nuhr (* 1960), Kabarettist und Komödiant
  • Hermann-Josef Tenhagen (* 1963), Journalist
  • Michael Möllenbeck (* 1969), Leichtathlet und Olympiateilnehmer
  • Martin Bambauer (* 1970), Kirchenmusiker
  • Bodo Wißen (* 1974), Politiker (SPD)
  • Oliver Uschmann (* 1977), Schriftsteller
  • Ercandize (* 1978), Musiker
  • Dennis Kempe (* 1986), Fußballspieler
  • Tobias Kempe (* 1989), Fußballspieler
  • Inka Wesely (* 1991), Fußballspielerin

Weitere Persönlichkeiten, die in Wesel wirkten bzw. wirken

  • Konrad Heresbach (* 1496; † 1576 auf Gut Lorward bei Wesel), Humanist und Prinzenerzieher am Hof des Klever Herzogs
  • Friedrich Spee von Langenfeld (*1591; †1635), ab Herbst 1627 lehrte Spee am Kolleg in Wesel
  • Wilhelm Hüls (* 1598, † 1659 in Wesel), reformierter Theologe
  • Johann Heinrich Schmucker (* 1684; † 1756 in Wesel), reformierter Theologe
  • Friedrich Wilhelm von Steuben *1730; †1794) preußischer Offizier und US-amerikanischer General, reorganisierte Kontinentalarmee, war in Wesel stationiert
  • Karl Georg Maaßen (* 1769; † 1834), preußischer Politiker, Mitinitiator des Deutschen Zollvereins, aufgewachsen in Wesel
  • Edward Millard (*1822; † 1906 in Wesel) war Direktor der österreichischen Bibelgesellschaft in Wien und baptistischer Geistlicher. Er verbrachte in Wesel seinen Lebensabend.
  • Fritz Anneke (* 1818; † 1872), preußischer und amerikanischer Offizier, begründer des Kölner Arbeiterverein vorläufer der SPD, war in Wesel stationiert
  • August Willich (* 1810; † 1878), preußischer und amerikanischer Offizier, einer der Führer des Badischen Aufstandes, war in Wesel stationiert
  • Daniel Friedrich Eduard Wilsing (* 1809; † 1893), deutscher Komponist der Romantik, zwischen 1829 und 1834 Organist an der evangelischen Haupt- und Mathena-Kirche in Wesel
  • Friedrich Ebert (* 1871; † 1925), Reichspräsident, absolvierte eine Sattlerlehre in Wesel
  • Karl Straube (* 1873; † 1950), Organist am Willibrordi-Dom
  • Hermann Ludwig Blankenburg (* 1876, † 1956 in Wesel), Deutschlands Marschkönig
  • Hans Jauch (* 1883; † 1965), Oberst und Freikorpsführer, Vorsitzender des Kirchbauvereins für den Wiederaufbau von St. Martini zu Wesel
  • Gerhard Storm (*1888 in Sonsfeld bei Haldern, † 1942 im KZ Dachau), Priester, Märtyrer der katholischen Kirche. Er wirkte von 1913 bis 1920 als Kaplan in der St. Martini Gemeinde in Wesel
  • Otto Pankok (* 1893, † 1966 in Wesel), Maler, Zeichner und Bildhauer
  • August Oppenberg (* 1896, † 1971), Maler des Niederrheins und seiner Menschen, lebte in Wesel
  • Heinz Bello (* 1920; † 1944), katholischer Märtyrer, Abiturient an der Staatlichen Oberschule für Jungen in Wesel
  • Egon Ramms (* 1948), Bundeswehrgeneral, Abitur an der Staatlichen Oberschule für Jungen in Wesel[12]
  • Ludger Jochmann (* 1952), Autor vorwiegend von Kinderbüchern, lebt in Wesel
  • Dolly Buster (* 1969), tschechische Produzentin, Regisseurin, Schauspielerin, Ex-Pornodarstellerin und Autorin, lebt in Wesel

Literatur

  • Annegret Dahmen: Chronik 1945 bis 1999: 55 Jahre Weseler Geschichte (= Studien und Quellen zur Geschichte von Wesel 22). Stadtarchiv, Wesel 1999, ISBN 3-924380-17-1
  • Jutta Prieur (Hrsg.): Geschichte der Stadt Wesel: Beiträge zur Stadtgeschichte der frühen Neuzeit (= Studien und Quellen zur Geschichte von Wesel 20). Stadtarchiv, Wesel 1998, ISBN 3-924380-15-5
  • Jutta Prieur (Hrsg.): Heimatfront Wesel 1939–1945: Frauen und Männer erinnern sich an den Krieg in ihrer Stadt (= Studien und Quellen zur Geschichte von Wesel 16). Stadtarchiv, Wesel 1994, ISBN 3-924380-11-2
  • Martin W. Roelen (Hrsg.): Ecclesia Wesele: Beiträge zur Ortsnamenforschung und Kirchengeschichte (= Studien und Quellen zur Geschichte von Wesel 28). Stadtarchiv, Wesel 2005, ISBN 3-924380-23-6
  • Veit Veltzke: Preußische Festung Wesel: Politik, Krieg und Kunst (= Der historische Ort: Festungen 87). Homilius, Berlin 2001, ISBN 3-931121-86-0
  • Josef Voigt: "Festungsführer durch die Festungsreste der Stadt Wesel", Eigenverlag, Wesel 1996

Einzelnachweise

  1. ↑ Amtliche Bevölkerungszahlen. Landesbetrieb Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW), abgerufen am 27. August 2010. (Hilfe dazu)
  2. ↑ Christoph Reichmann: Wo lag Lippeham? Unser Bocholt 3-4, 1980, 44-48.
  3. ↑ Frank Siegmund: Merowingerzeit am Niederrhein. Rheinische Ausgrabungen 34. Rheinland-Verlag, Köln 1998, S. 438, Taf. 219. ISBN 3-7927-1247-4
  4. ↑ Camillus Wampach: Urkunden- und Quellenbuch der alt-luxemburgischen Territorien bis zur burgundischen Zeit. Luxemburg 1935-55, I.2, S. 102 mit Nr. 41.
  5. ↑ Hugo Borger: Die Ausgrabungen in der Willibrordkirche zu Wesl. Der Niederrhein 31, 1964, 91-96. - W. Zimmermann, in: Bonner Jahrbücher 158, 1958, 451 Nr. 4.
  6. ↑ Wampach a.a.O. Nr. 193.
  7. ↑ vgl. Theodor Fontane, Wanderungen durch die Mark Brandenburg I, München-Wien ³1987, S. 835.
  8. ↑ Wahlergebnisse Kommunalwahl 2009 Kommunales Rechenzentrum Niederrhein
  9. ↑ [1]
  10. ↑ [2] Weseler Stadtflagge auf dem Berliner Tor
  11. ↑ [3] Hauptsatzung der Stadt Wesel, §2
  12. ↑ 2004: Ehemaliger des KDG: Egon Ramms hat den dritten Generalsstern Konrad-Duden-Gymnasium Wesel

    xxx – Entsprechend unserer Statuten werden uns unbekannte Webadressen nicht veröffentlicht .Für eine weiterführende Recherche gehen Sie bitte auf die entsprechende Wikipediaseite. Mehr Informationen lesen Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Alkmaar – Alkmar

Alkmaar (deutsch Alkmar) (Westfriesisch: Alkmar) ist eine Stadt in der Provinz Nordholland, Niederlande. Zu ihr gehört auch das Dorf Oudorp im Norden und die Hälfte des Dorfes Koedijk (siehe auch: Langedijk). Die Einwohnerzahl lag am 1. Januar 2007 bei 94.216. Die Gesamtfläche der Gemeinde beträgt 31,76 km².

Lage und Wirtschaft

Alkmaar ist ca. 50 km nördlich von Amsterdam zwischen der Nordsee und dem IJsselmeer gelegen. Die Stadt verfügt über Autobahn- und Bahnanschluss und viele Einzelhandelsgeschäfte. Es gibt verschiedene Kleinindustriebetriebe und ein Großhandelsunternehmen mit Elektroteilen. Die Stadt hat ein Krankenhaus, mehrere Schulen und entsprechende kulturelle Einrichtungen.

Dörfer innerhalb der Gemeinde sind

  • Koedijk (Koedík)
  • Omval
  • Oudorp (Ouddurp)

Geschichte

Alkmaar feierte im Jahre 2004 sein 750-jähriges Bestehen.

Im Jahre 1254 wurde Alkmaar vom holländischen Grafen Wilhelm II. das Stadtrecht verliehen. Aber schon im 11. Jahrhundert entstand um eine Kirche, die zum Kirchspiel von Heiloo gehörte, eine Siedlung von Händlern und Bauern.

Die Stadt wurde 1573 zum Symbol des niederländischen Freiheitskampfs und erhielt ihr Motto: „Die Siegreiche“ (Alcmaria victrix). Als im Achtzigjährigen Krieg die Spanier nach mühsamem Kampf Haarlem eingenommen hatten, rückten sie auf Alkmaar vor und belagerten die Stadt. Aber durch den Mut der Verteidiger der Stadt, die Kampfmüdigkeit der Belagerer und durch taktische Überflutungen der umliegenden Polder mussten die Belagerer am 8. Oktober 1573 aufgeben. Ähnlich wie in Leiden wird dieser Tag jedes Jahr noch gefeiert.

Im frühen 17. Jahrhundert hatte Alkmaar unter dem Religionsstreit zwischen verschiedenen protestantischen Richtungen zu leiden.

Sehenswürdigkeiten

Der Käsemarkt

Berühmt ist Alkmaar durch den seit 1622 abgehaltenen Käsemarkt (niederländisch Alkmaarse Kaasmarkt). Dieser Markt wird zwischen Ostern und dem Herbst jeden Freitag gehalten. Das Schauspiel mit den in Weiß gekleideten „Käseträgern“ zieht immer viele Schaulustige an. Im Jahre 1916 beispielsweise wurden rund 300 Tonnen Käse pro Markttag verkauft. Bis heute hat sich die Tradition der Herstellung des Käses erheblich verändert, doch nicht das Interesse der Menschen. Jährlich besuchen ca. 300.000 Menschen den Alkmaarer Käsemarkt. Der Käsemarkt ist der einzige in den gesamten Niederlanden, der die alten Traditionen des Verkaufs noch beibehält. So findet der Käsemarkt nach wie vor zwischen April und September nur freitags vormittags statt. Ein Markttag ist in Alkmaar jedes Mal ein neues Großereignis. Morgens wird zuerst einmal der gesamte Marktplatz gründlich aufgeräumt und gesäubert. Anschließend werden die Laibe von sogenannten „Setzern“ in lange Reihen über- und nebeneinander aufgeschichtet. Um Punkt 10:00 Uhr ertönt dann die Glocke als Startsignal. Dann laufen die Käseträger - häufig ausgestattet mit großen Tragebahren aus Holz - kreuz und quer über den Marktplatz. Die Käselaibe werden ausgiebig getestet und darauf geboten. Feilschen ist ein wichtiger Bestandteil des Kaufes, der immer per Handschlag besiegelt wird.

Die Käseträgergilde

Seit dem Jahre 1593 gibt es in Alkmaar eine Käseträgergilde. Diese Gilde besteht aus vier Gruppen zu je sieben Trägern, welche an der unterschiedlichen Farbe der Hüte zu erkennen und unterscheiden sind. Zu diesen Farben zählen rot, grün, blau und gelb. Über diesen vier Gruppen steht der Käsevater; dieser ist an seinem schwarzen Stock mit dem silbernen Knauf zu erkennen.

Das Holländische Käsemuseum

Das Museum (Hollands Kaasmuseum) befindet sich direkt am Marktplatz in dem ehemaligen Waaggebäude. Es beschreibt die Geschichte der Produktion von Milcherzeugnissen durch den Lauf der Jahrhunderte in Verbindung mit dem damit verbundenen Handel und den Lebensumständen der Landbevölkerung. Die Sammlung besteht unter anderem aus historischen Gebrauchsgegenständen, Filmmaterial sowie Gemälden und Zeichnungen. Schon das Museumsgebäude selbst ist einen Besuch wert. Es stammt aus dem 14. Jahrhundert und ist innen und außen größtenteils noch original erhalten. Unter dem historischen Dachstuhl in der ersten Etage ist ein Teil der Sammlung untergebracht.

Das Städtische Museum

Im Städtischen Museum von Alkmaar (Stedelijk museum Alkmaar) ist unter anderem eine außergewöhnliche Sammlung von Gemälden alter Meister aus dem 16. und 17. Jahrhundert, darunter das berühmte Bild des Interieurs der Laurenskirche von Pieter Saenredam, zu finden. Des Weiteren sind viele weitere berühmte und interessante Gemälde, die sich unter anderem auch auf die spanische Belagerung im Jahre 1573 beziehen, dort zu finden.

  • Geographische Lage= 52° 38′ 1″ N, 4° 44′ 48″ O

Das nationale Biermuseum

Das nationale Biermuseum „De Boom“ (Nederlands Biermuseum De Boom) befindet sich in einem alten Brauereigebäude aus dem 17. Jahrhundert. Es zeigt den gesamten Prozess des Bierbrauens und viele Dinge mehr rund ums Bier. So bekommt der Besucher eine Übersicht über die Geschichte dieses Getränks sowie seine Rolle in den Niederlanden und einer Stadt wie Alkmaar. Nach dem Besuch des Museums kann eine der 86 niederländischen Biersorten in der „Probierkneipe“ im Untergeschoss des Gebäudes getestet werden.

  • Geographische Lage= 52° 37′ 56″ N, 4° 45′ 2″ O

Die Altstadt

Die malerische Altstadt mit ihren alten Häusern, darunter das „Haus mit der (aus dem Jahre 1573 stammenden?) Kugel“ mit Holzgiebel, und den kleinen Grachten ist eine Sehenswürdigkeit an sich. Alkmaar hat viele kleine Museen. Am Rand der Innenstadt, an der Stelle des ehemaligen Theaters „Het Gulden Vlies“, wo Rudi Carrell als Junge seine ersten Auftritte machte, wurde ihm Mitte 2007 ein Denkmal gesetzt. Mit Aufstellung der Bronze-Büste wurde der historische Platz von der Gemeinde Alkmaar offiziell zum „Rudi Carrellplaats“ ernannt. Geschaffen wurde das Kunstwerk von Bildhauer Carsten Eggers. Die Beschriftung des Denkmals ist zweisprachig: Niederländisch und Deutsch.

Die St.-Laurens-Kirche

Die Große oder St.-Laurens-Kirche (Grote St. Laurenskerk) stammt aus dem 15. Jahrhundert und besitzt zwei alte, gut erhaltene Orgeln, deren ältere aus dem Jahr 1511 datiert; die andere Orgel wurde im 17. Jahrhundert vom deutschen Orgelbaumeister Franz Caspar Schnitger hergestellt. In Alkmaar selbst (auf einem Bollwerk) und in Oudorp gibt es einige malerische alte Windmühlen. Mehr erfahren können Sie in dem Buch „Der lachende Engel“ von Ida Vos, das auch über Alkmaar handelt.

Sport

Der wichtigste Sportverein in Alkmaar ist der Profi-Fußballclub AZ Alkmaar. Der AZ hatte seine bisher größte Zeit Anfang der 1980er-Jahre. 1981 holte der Club mit der niederländischen Meisterschaft und dem niederländischen Pokal das Double und zog im selben Jahr ins Finale des UEFA-Cups ein. Heute gehört AZ Alkmaar wieder zu den erfolgreichsten Fußballklubs der Niederlande. 2009 wurde der Verein zum zweiten Male niederländischer Meister. Im Südosten der Stadt befindet sich das 2006 fertiggestellte neue Stadion des Vereins. Es fasst etwa 17.500 Zuschauer.

Städtepartnerschaften

Alkmaar ist durch Städtepartnerschaften verbunden mit

  • Bath in Englands Grafschaft Somerset
  • Troyes in Frankreichs Département Aube
  • Darmstadt in Hessen
  • Tata in Ungarn
  • Bergamo in Italiens Lombardei

Söhne und Töchter der Stadt

  • Ephraim Beks, Sänger der Band Lexington Bridge
  • Martin van Bentem, Tänzer
  • Cornelis Berkhouwer, Politiker, Präsident des Europäischen Parlaments (1973–1975)
  • Joan Blaeu, Kartograf, Verleger
  • Willem Blaeu, Kartograf, Verleger
  • Marco Borsato, Sänger
  • Anna Louisa Geertruida Bosboom-Toussaint, Schriftstellerin
  • Edwin Brienen, Filmregisseur
  • Rudi Carrell, Showmaster
  • Jacqueline Cramer, Umweltministerin
  • Cornelis Jacobszoon Drebbel, Erfinder, Physiker und Mechaniker
  • Willem de Fesch, Violinist und Komponist
  • Bastiaan Giling, Radrennfahrer
  • Steven de Jongh, Radrennfahrer
  • Patrick Kos, Radrennfahrer
  • Silvia Kouwenberg, Sprachwissenschaftlerin
  • Hendrik Dirk Kruseman van Elten, Landschaftsmaler, Radierer und Lithograph
  • Wilma Landkroon, Sängerin, lebte in Alkmaar zur Zeit ihrer größten Erfolge
  • Jan van Scorel, Maler
  • Emanuel de Witte, Maler
  • Paul van Zelm, Hornist und Professor

Einzelnachweise

  1. ↑ Bevölkerungsstatistik, 1. März 2010 – Centraal Bureau voor de Statistiek, Niederlande

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Zwin

Het Zwin (das Zwin), ein Wasserlauf in Belgien (Provinz Westflandern) und den Niederlanden (Provinz Zeeland), ist eine alte Flussmündung in die Nordsee. Bis er im 16. Jahrhundert versandete, war er ein 1134 als Folge einer Sturmflut entstandener Seearm, der sich bis nach Brügge erstreckte und dieser wichtigen Handelsstadt Flanderns über das kanalisierte Flüsschen Reie den Zugang zum Meer bot.

Het Zwin wird auf Deutsch auch der Swin genannt und bildet mit rund 150 Hektar das größte Naturschutzgebiet der belgischen Küste. Das Gebiet erstreckt sich von Knokke bis zur niederländischen Grenze mit der Gemeinde Sluis, wo sich das gleichnamige, kleinere, unter Verwaltung der Vereinigung Het Zeeuws Landschap stehende niederländische Landschaftsschutzgebiet anschließt.

Het Zwin ist insbesondere für seine große Artenvielfalt von heimischen Seevögeln bekannt.

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Plymouth

Plymouth /ˈplɪməθ/ (Kornisch Aberplymm) ist eine Stadt in England in der Grafschaft Devon am Plymouth Sound.

Plymouth wurde erstmals unter dem Namen Sutton 1231 erwähnt. 1439 erhielt es Stadtrecht und seinen heutigen Namen. Seit dem 16. Jahrhundert war Plymouth der Ausgangspunkt mehrerer Übersee-Expeditionen von Sir Walter Raleigh, Sir Francis Drake und James Cook. Die englische Flotte segelte 1588 von Plymouth ab, um die Spanische Armada zu bekämpfen. 1620 fuhren von hier die Pilgerväter mit der Mayflower nach Amerika. Während des Zweiten Weltkrieges erlitt das Stadtzentrum schwere Zerstörungen und wurde im architektonischen Stil der fünfziger Jahre wiederaufgebaut. Plymouth ist heute Standort der königlich-britischen Marinewerft. Der Marinestützpunkt Devonport im Westen der Stadt ist der größte Marinehafen Westeuropas und wichtigster Arbeitgeber in Plymouth.

Sehenswürdigkeiten

Zu den größten Sehenswürdigkeiten der Stadt zählt das National Marine Aquarium, das sich als Großbritanniens größtes und Europas tiefstes Aquarium bezeichnet. Dort werden von den Fischen der Flüsse bis hin zu den Bewohnern des Meeres z.B. des Korallenriffes zahlreiche Wasserlebewesen gezeigt.

Als eine weitere Sehenswürdigkeit gilt der Punkt im Hafen, an dem die Mayflower abgelegt hat, als sie ihre Reise nach Amerika begann.

Von der Rasenfläche, der so genannten Hoe, wird behauptet, dass Sir Francis Drake noch sein Bowl-Spiel beendet habe, bevor er die angreifende Spanische Armada bekämpfte. Auf der Hoe stehen heute mehrere Denkmäler. Sie ist noch heute ein beliebter Treffpunkt. Direkt an der Hoe befindet sich der Plymouth-Dome, das kreisförmige Meerwasser-Schwimmbad Tinside Pool und der Leuchtturm (Smeaton’s Tower). Als sehenswert gilt auch die Altstadt von Plymouth, der sogenannte „Barbican“, oft auch „The Barbie“ genannt, mit ihren Kneipen und Wirtschaften nebst Hafenblick.

Die Charles Church im Zentrum der Stadt ist noch eine Ruine und soll dadurch an den Zweiten Weltkrieg und die Toten mahnen und erinnern. Die Kirche St. Andrews aus dem 15. Jahrhundert wurde wieder aufgebaut und hat deshalb moderne Fenster.

Söhne und Töchter der Stadt

  • William Bligh, Kommandant der HMS Bounty während der darauf stattfindenden Meuterei
  • David Calder, Schauspieler
  • Tom Daley, englischer Wasserspringer
  • Henry Every, Pirat
  • Trevor Francis, englischer Fußballspieler und Fußballtrainer
  • Edward Stanley Gibbons, berühmter englischer Philatelist, der das nach ihm benannte Unternehmen Stanley Gibbons Ltd. gründete
  • Ron Goodwin, englischer Komponist
  • John Hawkins, englischer Seefahrer
  • Rod Mason (* 1940) Musiker des Oldtime Jazz
  • Angela Mortimer, englische Tennisspielerin
  • David Owen, einer der Gründer der britischen Sozialdemokratischen Partei, britischer Außenminister, EU-Sonderbeauftragter für den Balkan
  • Emma Pierson, englische Schauspielerin
  • David Rankin, Maler
  • Keith Rowe, Gitarrist und Künstler
  • May Sutton, US-amerikanische Tennisspielerin
  • Jonathan Tiernan-Locke, Radrennfahrer
  • Donald Winnicott, zählt zu den bedeutendsten Wegbereitern der Kinderpsychotherapie
  • Joshua Reynolds, Mitgründer und erster Vorsitzender der Royal Academy of Arts

Literatur

  • Ralf Nestmeyer: Cornwall & Devon. Ein Reisehandbuch. Michael-Müller-Verlag, Erlangen 2011. ISBN 3-89953-604-1

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Vlissingen

Vlissingen, als frühere englische Garnisonsstadt auch Flushing, ist eine niederländische Hafenstadt an der Mündung der Westerschelde, an der Südküste der Halbinsel Walcheren in der niederländischen Provinz Zeeland.

Basisdaten

Vlissingen ist ein wichtiger Ort für die Schifffahrt, als Standort für Lotsen, die Schiffe durch die engen Fahrrinnen der Westerschelde nach oder zu den Seehäfen von Terneuzen und Antwerpen leiten. Hier mündet der Kanaal door Walcheren in die Westerschelde. Auch die Königliche Marine-Werft hat hier ihren, in den letzten Jahrzehnten deutlich verkleinerten Standort, genauso wie eine große Fischereiflotte. In letzten Jahrzehnten stetig gewachsen ist auch die Bedeutung des Tourismus für Vlissingen, deutlich erkennbar an der Skyline des Boulevards, der einzigen Strandpromenade mit Südausrichtung in den Niederlanden. Östlich der Stadt liegt um den Seehafen angeordnet ein großes und bedeutendes Industriegebiet.

Im März 2003 wurde die ehemalige Pkw-Fährverbindung von Vlissingen nach Breskens durch den Westerscheldetunnel ersetzt. Für Fußgänger und Radfahrer besteht die Verbindung weiterhin, jedoch mit neuen kleineren Fährschiffen.

Geschichte

Vlissingen bekam 1315 Stadtrechte. Das östlich der Stadt gelegene Fort Rammekens wurde 1547 erbaut, um Schiffe der Vereinigten Ostindien-Kompanie zu schützen. Der Wohlstand der Stadt beruhte auf Heringshandel und Salzgewinnung, aber auch Kaperfahrten und Sklavenhandel der Reeder. 1573 gelang es einer niederländischen Flotte im Rahmen des niederländischen Unabhängigkeitskrieges in der Schlacht bei Vlissingen ein Kanonenbombardement der Stadt durch die spanische Armada zu verhindern. Im 19. Jahrhundert war Vlissingen ein bedeutender Kriegshafen.

Vlissingen hatte im Zweiten Weltkrieg durch seine Lage am Seefahrtsweg nach Antwerpen strategisch besondere Bedeutung und stand so 1944 im Zentrum der Schlacht an der Scheldemündung. Am 1. November 1944 gelang frühmorgens von Breskens aus die Landung alliierter Truppen bei Vlissingen, was das Ende der deutschen Besatzung von Walcheren bedeutete.

HZ Vlissingen

In Vlissingen befindet sich die Hogeschool Zeeland (1904), die als Einzugsgebiet die gesamte Halbinsel hat. Die Schule betont ihre internationale Ausrichtung. Von den ca. 4.000 Studenten sind rund 1.000 nicht aus den Niederlanden, sondern von Partnerschulen weltweit.

Sehenswürdigkeiten und Museen

  • Fort Rammekens in der Nähe des Dorfes Ritthem;
  • Zeeuws maritiem muZEEum vlissingen;
  • Sint Jacobskerk, spätgotische Hallenkirche
  • Lutherse Kerk, barocke Saalkirche
  • Reptilienzoo Iguana
  • Het Arsenaal
  • Bunker 143 Oranjemolen

Wirtschaft und Infrastruktur

Im Osten der Stadt befindet sich der Sloehafen. 1969 errichtete hier ein französischer Konzern eine Aluminiumfabrik, deren Strombedarf vom benachbarten Kernkraftwerk Borssele gedeckt wird.

IC und Stoptrein im Kopfbahnhof Vlissingen

Verkehr

Am Bahnhof Vlissingen enden:

  • IC aus Amsterdam
  • Stoptrein aus Roosendaal

Söhne und Töchter der Stadt

  • Constantin Guys (1802–1892), Maler und Zeichner
  • Arendo Joustra (* 1957), Journalist
  • Marco Kunst (* 1966), Schriftsteller
  • Cornelis Lampsins (1600–1664), Reeder, Großhändler und Politiker
  • Michiel de Ruyter (1607–1676), Admiral
  • Benjamin Raule (1634–1707), holländischer Reeder und kurbrandenburgischer Generalmarinedirektor
  • Carel Albert van Woelderen (1877–1951), Bürgermeister von Vlissingen
  • Betje Wolff (1738–1804), Schriftstellerin

Einzelnachweise

  1. ↑ Bevölkerungsstatistik, 1. März 2010 – Centraal Bureau voor de Statistiek, Niederlande

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Halberstadt

Halberstadt ist Kreisstadt des Landkreises Harz in Sachsen-Anhalt (Deutschland). Die Stadt liegt im nördlichen Harzvorland.

Geografie

Halberstadt liegt ca. 20 km nördlich des Harzes an der Holtemme und dem Goldbach. Im Norden der Stadt befindet sich der Höhenzug Huy, im Osten die Magdeburger Börde und im Süden die Spiegelsberge, Thekenberge sowie die Klusberge.

Stadtgliederung

Die Einheitsgemeinde Stadt Halberstadt besteht neben der Kernstadt aus folgenden Ortsteilen mit Ortschaftsrat:

  • Emersleben (eingemeindet: 1. Mai 1995)[2],
  • Klein Quenstedt (eingemeindet: 1. Januar 1996),
  • Aspenstedt (eingemeindet: 1. Januar 2010),
  • Athenstedt (eingemeindet: 1. Januar 2010),
  • Langenstein (eingemeindet: 1. Januar 2010),
  • Sargstedt (eingemeindet: 1. Januar 2010) und
  • Schachdorf Ströbeck (eingemeindet: 1. Januar 2010).

Weitere Ortsteile sind:

  • Böhnshausen,
  • Mahndorf,
  • Neu Runstedt und
  • Veltensmühle.

Die Ortsteile Böhnshausen und Mahndorf gehören zur Ortschaft Langenstein.

Darüber hinaus gibt es noch einige Stadtteile, die wie folgt bezeichnet werden:

  • Wehrstedt (eingemeindet 1. Juli 1946),
  • Klussiedlung und
  • Sargstedter Siedlung.

Nachbargemeinden

Im Uhrzeigersinn, von Norden beginnend:

  • Einheitsgemeinde Huy,
  • Stadt Schwanebeck und Groß Quenstedt (beide Verbandsgemeinde Vorharz),
  • Stadt Wegeleben und Harsleben (beide Verbandsgemeinde Vorharz),
  • Stadt Thale,
  • Stadt Blankenburg (Harz),
  • Einheitsgemeinde Nordharz und
  • Stadt Osterwieck.

Die Städte Halberstadt und Gröningen (Verbandsgemeinde Westliche Börde vom Landkreis Börde) sind durch einen wenige Meter breiten Streifen, der die Städte Wegeleben und Schwanebeck verbindet, voneinander getrennt und sind damit nur scheinbar Nachbargemeinden.

Klima

Die Stadt befindet sich in der gemäßigten Klimazone. Die durchschnittliche jährliche Niederschlagsmenge in Halberstadt beträgt 532,8 Millimeter. Der meiste Niederschlag fällt im Juni mit durchschnittlich 66,9 Millimeter, der geringste im Februar mit durchschnittlich 32,1 Millimeter.

Geschichte

Durch Karl den Großen wurde der Missionsstützpunkt 804 zum Bischofssitz. Dem Bischof Hildeward (968-996) von Halberstadt wurde 989 von König Otto III. das Markt-, Münz- und Zollrecht verliehen. Ebenso erhielt er den Blut- und Heerbann, also die weltliche Gewalt im Harzgau und damit über die Bewohner des Ortes Halberstadt. 1005 begann der Bau der Liebfrauenkirche. Heinrich der Löwe zerstörte 1179 Stadt, Dom und Domburg, 1236 wurde mit dem Neubau des Domes begonnen, der 1491 geweiht wurde.

1326 schloss sich die Stadt mit Aschersleben und Quedlinburg zum Halberstädter Dreistädtebund zusammen, der über 150 Jahre bis zum Jahre 1477 andauern sollte. 1387 schloss sich Halberstadt der Hanse an. 1433 erfolgte die Aufstellung des Stadt-Rolands.

Durch den ersten protestantischen Halberstädter Bischof Heinrich Julius wurde 1591 am Halberstädter Dom die protestantische Lehre eingeführt. Es hält sich daraufhin bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges ein gemischtkonfessionelles Domkapitel. Während der Hexenverfolgungen wurden in Hexenprozessen etwa 24 Menschen zum Tode verurteilt.

Zum zweiten Mal besetzten 1629 Truppen Wallensteins Halberstadt. Der kaiserliche Oberfeldherr machte Dom und Liebfrauenstift mit Hilfe des Restitutionsedikts kurzfristig wieder katholisch. Am 18. Januar 1630 weilte Wallenstein persönlich in Halberstadt. Das Bistum Halberstadt wurde 1648 als Fürstentum Bestandteil des Kurfürstentums Brandenburg. 1681/82 wütete die Pest in der Stadt. 2197 Menschen starben an der Seuche.

Ab etwa 1750 machte der Domsekretär Johann Wilhelm Ludwig Gleim sein Haus zu einem Kommunikationszentrum der deutschen Aufklärung (größte Originalbibliothek und Briefesammlung zur deutschen Aufklärung im Gleimhaus, jetzt Deutschlands zweitältestes Literaturmuseum). 1761 wurden die Spiegelsberge durch Freiherr von Spiegel erworben und in einen Landschaftspark umgestaltet. 1778 gründete Friedrich Eberhard von Rochow in Halberstadt das erste Landschullehrerseminar Deutschlands. Halberstadt wurde 1807 Teil des durch Napoleon geschaffenen Königreichs Westphalen und Sitz einer Präfektur sowie Hauptstadt des Saaledepartements. Am 29. Juli 1809 erstürmte der Herzog von Braunschweig mit seinem Freikorps Schwarze Schar die Stadt und nahm 1500 Gefangene.

Mit der Eröffnung der Bahnstrecke nach Magdeburg durch die Magdeburg-Halberstädter Eisenbahn 1843 erhielt Halberstadt Anschluss an das sich ständig erweiternde Eisenbahnnetz. Friedrich Heine gründete 1883 die Halberstädter Wurstfabrik. 1890 entstand die Badeanstalt. 1892 fand in Halberstadt der erste deutsche Gewerkschaftskongress statt. 1903 erhielt Halberstadt eine elektrische Straßenbahn. Das Stadttheater wurde 1905 gegründet und das Städtische Museum eröffnet. Allerdings gab es schon seit 1812 im ehemaligen Nicolaikloster eine der ersten bürgerlichen Sprechbühnen Deutschlands.

1938 wurde die Synagoge in der Bakenstraße durch die Nationalsozialisten zerstört. Da sie eng in die bestehende Fachwerkbebauung eingebunden war, vermied man die Brandschatzung während der Novemberpogrome und zwang die Jüdische Gemeinde dazu, ihre Synagoge eigenhändig abzureißen. Die in ihrem barocken Baustil 1712 vom Hofjuden Berend Lehmann gestiftete Synagoge zählte seinerzeit zu den schönsten Europas. Am 23. November 1942 wurden die letzten noch verbliebenen Mitglieder der jüdischen Gemeinde deportiert.

Während des Zweiten Weltkrieges wurden im Stadtgebiet mehrere Außenlager von KZ eingerichtet: In den Junkerswerken Harslebener Straße 1944 ein Außenlager des KZ Buchenwald für 400 bis 900 Häftlinge, die in der Flugzeugfertigung Zwangsarbeit leisten mussten. Ein Außenlager des KZ Langenstein-Zwieberge wurde im Reichsbahnausbesserungswerk (RAW) unterhalb der Wehrstedter Brücke eingerichtet, in dem bis zu 200 Häftlinge eingesetzt wurden.

Am 8. April 1945 zerstörten alliierte Bomber 82 Prozent der Innenstadt während eines Angriffs im Rahmen der britischen Area Bombing Directive. Dabei kamen rund 2500 Menschen ums Leben. Die Trümmermenge betrug etwa 1,5 Millionen Kubikmeter. Das nur geringfügig beschädigte Stadttheater wurde 1949 abgerissen und durch das neugebaute „Volkstheater“ ersetzt. Heute bespielt das Nordharzer Städtebundtheater die Bühnen von Halberstadt, Quedlinburg und dem Bergtheater Thale, sowie weitere Bühnen der Region. Von 1949 bis 1989 wurde die zu großen Teilen zerstörte Innenstadt neu und in sozialistischem Bauverständnis wieder aufgebaut. Der erhaltene Bestand an Fachwerkhäusern in der Altstadt wurde zum großen Teil dem Verfall preisgegeben und großflächig abgerissen. Nur Teile der Altstadt konnten bis zur politischen Wende gerettet werden.

1989 fanden in Halberstadt in der Martinikirche Gebete für den Frieden statt. Unter dem Motto Schwerter zu Pflugscharen versammelten sich im Herbst des Jahres tausende Bürger. Von der Kirche ausgehend fanden Demonstrationen statt, die auch in Halberstadt die friedliche politische Wende einleiteten. Nach 1990 erfolgte die Restaurierung der verbliebenen Teile der Altstadt sowie ab 1995 der Aufbau eines modernen Stadtzentrums auf den Grundmauern und der Maßstäblichkeit des historischen Stadtkerns. Das neue Stadtzentrum im Bereich der Marktplätze wurde 1998 mit dem Bau des neuen Rathauses fertig gestellt.

Bundesweites Aufsehen erregte am 8. Juni 2007 ein Überfall auf eine Schauspieler-Truppe, bei der fünf Schauspieler derart verletzt wurden, dass sie in die Halberstädter Klinik eingeliefert werden mussten. Die Polizei unterließ es, die Personalien der Täter aufzunehmen, obwohl diese sich noch am Tatort befanden. Vier der Täter, die der rechtsextremistischen Szene angehörten, erhielten zudem nur äußerst milde Gerichtsurteile.[4]

Am 23. September 2008 erhielt die Stadt den von der Bundesregierung verliehenen Titel „Ort der Vielfalt“.

Militär

Halberstadt war von 1623 bis 1994 372 Jahre lang fast ununterbrochen Garnisonstadt.

Zu DDR-Zeiten waren in Halberstadt Truppen der GSSD stationiert (zum Beispiel 197. Gardepanzerregiment und 112. Aufklärungsbataillon). Diese Truppenteile, allesamt der 3. Stoßarmee unterstellt (siehe: Struktur der WGT 1991), lagen in der einstigen Fliegerhorstkaserne in Garnison. Zum Standort gehörte auch ein Standortübungsplatz mit Panzerschießbahnen.[5]

Das Kasernengelände liegt noch heute brach, die ehemals von der Roten Armee genutzten Baulichkeiten sind mittlerweile fast vollständig abgerissen. Ebenfalls abgerissen ist die Kasernenanlage Martin-Schwantes, die bis 1990 Sitz der DDR-Grenztruppen (unter anderem Grenzregiment 20) war. Ein Teil des Geländes wird heute unter anderem von der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk genutzt. Die Kasernenanlage Martin Hoop, frühere Ausbildungskaserne der Grenztruppen (Grenzausbildungsregiment 7, siehe: Grenztruppen der DDR), beheimatet heute die Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber in Sachsen-Anhalt einschließlich Unterbringungsmöglichkeiten.[6] [7]

Am 29. Dezember 1994 wurde das Bundesluftwaffenmaterialdepot 52, das sich in der ehemaligen Untertageanlage (UTA) bzw. Stollensystem MALACHIT nahe Langenstein befand und so 1989/1990 das Komplexlager 12 der NVA übernahm, aufgelöst. Damit endete nach 371 Jahren die Garnisonsgeschichte Halberstadts.[8]

Im Stadtgebiet finden sich heute noch Zeugnisse der einstigen Garnisonsstadt Halberstadt. Diese sind unter anderem der Ebereschenhof (größtenteils abgerissen), das Gelände des Landratsamtes sowie die Florian-Geyer-Straße.

Einwohnerentwicklung

Mittelalter: etwa 10.000

  • 1695: 12.000
  • 1830: 13.000
  • 1852: 20.395
  • 1880: 31.260
  • 1890: 36.786
  • 1900: 41.307
  • 1910: 46.481
  • 1920: 48.715
  • 1930: 48.439
  • 1940: 54.000
  • 1960: 44.973
  • 1980: 47.834
  • 1990: 45.364
  • 2000: 41.417
  • 2005: 39.749
  • 2006: 39.318
  • 2007: 38.964
  • 2008: 38.531
  • 2010: 42.680

Wappen

Das Wappen zeigt eine Wolfsangel und die ursprünglichen Farben des Bistums Halberstadt.

Blasonierung: „Gespalten von Silber und Rot, darüber schrägrechts ein schwarzer Doppelhaken (Wolfsangel).“

Städtepartnerschaften

  • Wolfsburg in Niedersachsen
  • Nachod in Tschechien
  • Banská Bystrica in der Slowakei
  • Villars in Frankreich

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Theater

Das Nordharzer Städtebundtheater hat neben Quedlinburg sowie den Sommerbespielungen im Bergtheater Thale, der Waldbühne Altenbrak, der Seebühne Magdeburg und der Schlossbühne Wolfenbüttel auch eine Spielstätte in Halberstadt.

Museen

Das Heineanum ist eines der größten vogelkundlichen Museen Deutschlands mit über 18.000 Bälgen, mehr als der Hälfte aller Vogelarten überhaupt, darunter seltene ausgestorbener Exemplare. Das Gleimhaus ist eines der ältesten Literaturmuseen in Deutschland. Des Weiteren gibt es noch das Städtisches Museum, das Berend-Lehmann-Museum für jüdische Geschichte und Kultur, den Dom und den Domschatz sowie das Schraube-Museum, in dem bürgerliche Wohnkultur um 1900 ausgestellt ist. Die Neueröffnung des Domschatzes ist am 13. April 2008 mit einem Festgottesdienst, unter anderem mit Bundespräsident Horst Köhler, gefeiert worden.

Musik

Neben dem Nordharzer Städtebundtheater (Drei-Spartentheater mit großer und kleiner Bühne) wird seit 2001 in der St.-Burchardi-Kirche das Orgelwerk „As slow as possible“ von John Cage (1912-1992) mit einer Gesamtspieldauer von 639 Jahren aufgeführt. Die Aufführung ist als langsamstes und längstandauerndes Musikstück der Welt konzipiert, indem die achtseitige Partitur auf die angestrebte Spieldauer hochgerechnet wurde.

Bauwerke

Die wichtigsten Bauwerke Halberstadts befinden sich am Domplatz, einem historischem Ensemble, das im Osten vom Dom und im Westen von der Liebfrauenkirche begrenzt wird. An der Nordseite befinden sich die historischen Domherrenkurien, in denen sich heute das Städtisches Museum, die Dombauhütte, das Heineanum und das Gleimhaus befinden. Im Süden liegt das ehemalige Domgymnasium und die Dompropstei, die heute beide zur Hochschule Harz gehören, sowie das neoromanische Postgebäude. An der Nordwestseite befinden sich der Petershof sowie die Peterstreppe.

  • Der Petershof ist ein ehemaliger Bischofspalast. Baubeginn war um 1059. Nach abgeschlossener Sanierung ist der Petershof jetzt Sitz der Stadtverwaltung und der Stadtbibliothek "Heinrich Heine".
  • Die historische Altstadt beschränkt sich auf die erhaltene Straßenzüge der Voigtei, Bakenstraße, Gröperstraße, Rosenwinkel, Grudenberg, Grauer Hof, Steinhof und dem Westendorf. Sie besteht aus etwa 450 mit vorwiegend im niedersächsischen Fachwerkstil erbauten Häusern. Das Rathaus ist ein Neubau unter Rekonstruktion von Teilen der Fassade und der Ratslaube des kriegszerstörten Vorgängerbaus. Vor dem Gebäude steht die Rolandsstatue.
  • Der Wassertorturm wurde 1444 erbaut und ist der einzig erhaltene Torturm Halberstadts. In Halberstadt gibt es auch einen Bismarckturm, der am 22. März 1907 eingeweiht wurde. Der 22 Meter hohe Aussichtsturm befindet sich am westlichen Rand der Spiegelsberge und wurde zur Erinnerung an Reichskanzler Otto von Bismarck errichtet. Im Jagdschloss in den Spiegelsbergen ist das älteste und größte erhaltene Weinfass Deutschlands mit einem Fassungsvermögen von etwa 144.000 Liter gelagert.
  • Die Klaussynagoge im Rosenwinkel wurde von Berend Lehmann 1703 als Wohn- und Studierhaus für drei jüdische Gelehrte erbaut. Heute dient dieses Gebäude der Moses-Mendelssohn-Akademie für Tagungen und Ausstellungen.
  • Die 1879 erbaute Villa Koecher ist eine gründerzeitliche Villa im italienischen Stil mit einem gusseisernem Treppengeländer. Sie ist denkmalgeschützt. Während der DDR-Zeit wurde das Gebäude unter anderem als Sitz des Kreisvorstandes der NDPD genutzt.
  • Die Villa in der Magdeburger Straße 37 ist ein denkmalgeschütztes Objekt. Sie wurde 1861 als ein zeittypisches spätklassizistisches Gebäude im Auftrag des Fabrikbesitzers Gölte erbaut und ist als eine der wenigen nach Kriegszerstörung überkommenen Villen in der gründerzeitlichen östlichen Stadterweiterung von besonderer Bedeutung.[10]

Kirchen

  • Der Dom St. Stephanus und St. Sixtus ist eine der bedeutendsten gotischen Kathedralen Deutschlands. Der Bau wurde im Jahr 1236 begonnen und nach 255 Jahren 1491 geweiht. Der Halberstädter Domschatz gilt weltweit als einer der kostbarsten Schätze sakraler mittelalterlicher Kunst.
  • Die Winterkirche im frühgotischen Westflügel der Domklausur, Domplatz 16a, Halberstadt. Die Winterkirche verfügt seit 2002 über eine neue Orgel von Reinhard Hüfken.
  • Die Liebfrauenkirche wurde 1146 erbaut. Sie ist eine, im mittel- und norddeutschen Raum einzigartige, viertürmige romanische Pfeilerbasilika.
  • Die Martinikirche wurde zwischen 1250 und 1350 erbaut. Die gotische Hallenkirche verfügt über eine massive Doppelturmfassade. Der nördliche Turm wurde bewusst niedriger gebaut, um dem Wächter im südlichen Turm eine Rundumsicht zu verschaffen.
  • Die um 1246 erbaute Moritzkirche ist eine dreischiffige Pfeilerbasilika.
  • Die Burchardikirche wurde um 1210 erbaut. Sie ist eine romanische turmlose Basilika mit seltenem, rechteckigem Umgangschor. In der Klosterkirche wird seit 2001 John Cages Orgelwerk Organ2/ASLSP (As Slow(ly) and Soft(ly) as Possible) aufgeführt
  • Die St.-Andreas-Kirche wurde im 13. Jahrhundert als Teil des Franziskanerklosters erbaut und ist eine turmlose gotische Hallenkirche.
  • Die 1648 fertiggestellte St.-Johannes-Kirche ist eine Fachwerkkirche mit polygonalem Chorschluss und gotischen Fenstern.
  • Die St.-Katharinenkirche, die der Heiligen Katharina und der Heiligen Barbara geweiht ist, wurde im 14. Jahrhundert erbaut. Sie ist eine dreischiffige turmlose Hallenkirche.
  • Die St.-Laurentius-Kirche wurde um 1194 erbaut und ist eine romanische Dorfkirche im Ortsteil Wehrstedt. Die Ruine der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Kirche wurde 1993 in einer spektakulären Aktion der ARD-Fernsehsendung „Jetzt oder nie“ in nur 60 Stunden auf den alten Mauerresten wiederaufgebaut.
  • Die Kapelle im Campestift der Zionsgemeinde, Am Johannesbrunnen 36, Halberstadt

Allgemeine Friedhöfe

  • Auf dem Friedhof des Ortsteiles Emersleben erinnern zwei Sammelgräber und ein Einzelgrab an 13 sowjetische Kriegsgefangene, neun Kinder sowjetischer Zwangsarbeiter/-innen und an einen Zwangsarbeiter, die alle während des Zweiter Weltkrieges unter miserablesten Lebensbedingungen starben.
  • Massengrab auf dem Hauptfriedhof, das an Opfer der Zwangsarbeit erinnert
  • Ehrenhain für die Verfolgten des Naziregimes, auf dem 164 Häftlinge des Außenlagers des KZ Langenstein-Zwieberge begraben sind
  • Grabstein auf der Grabstätte der sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten Minna Bollmann, die durch die Verfolgung der Nationalsozialisten 1935 in den Freitod getrieben wurde
  • Familiengrab von Hans-Georg Klamroth als Mitwisser des Attentats vom 20. Juli 1944, in Berlin-Plötzensee ermordet
  • Gedenkstein von 1988 an die jüdischen Opfer der Shoa
  • Sammelgrab auf dem Friedhof des Ortsteiles Wehrstedt für elf namentlich unbekannte serbische Personen, die während des Zweiten Weltkrieges Opfer von Zwangsarbeit wurden
  • Ehrenanlage am Fuße der Spiegelberge für 864 Rotarmisten (nach anderen Angaben 559) sowie sowjetischen Kriegsgefangenen als Opfer von Zwangsarbeit

Jüdische Friedhöfe

In Halberstadt gibt es drei jüdische Friedhöfe. Der Alte Friedhof an der Sternstraße, am sogenannten "Roten Strumpf", wurde 1644 angelegt. Noch heute befinden sich etwa 150 verwitterte Grabsteine dort. Der älteste noch erhaltene Grabstein stammt aus dem Jahr 1659. 1938 wurde der Friedhof von Nationalsozialisten geschändet, die Grabsteine wurden zum Teil für Splitterschutzgräben verwendet. Die meisten der über 1800 Grabsteine wurden erst im Frühjahr 1945 zum Bau von Panzersperren gegen die aus Richtung Braunschweig vorrückenden Alliierten verwendet. In den Unterlagen des Stadtarchivs befindet sich ein Grabsteinplan aus dem Jahre 1945; das heißt, die Grabsteine wurden damals für den Verwendungszweck "Panzersperren" registriert. Auf dem Friedhof Am Berge (1695 eröffnet) sind noch ungefähr 400 Grabsteine in gutem Zustand zu finden, unter anderem von verdienstvollen Persönlichkeiten wie Mitgliedern der Familie Hirsch und Berend Lehmann. Dieser zweite Friedhof wurde 1696 neben dem ältesten Friedhof eröffnet. Er wurde bis in die 1930er Jahre belegt. Der dritte und jüngste Friedhof, 1895 angelegt, befindet sich an der Klein-Quenstedter Chaussee, als Teil des städtischen Friedhofs. Er steht unter Denkmalschutz. Auf diesem Friedhof sind noch 384 Grabstellen mit etwa 300 Grabsteinen vorhanden. Die „Trauerhalle“ wurde im Zuge der Reichspogromnacht 1938 niedergebrannt und gesprengt, die Gräber blieben jedoch bis auf wenige Ausnahmen unangetastet.

Denkmale

  • Standbild der Dichterin Anna Louisa Karsch, 1784 von J. C. Stubnitzky in den Spiegelsbergen als erstes Dichterstandbild in Deutschland erschaffen, heute mit einem von Daniel Priese ergänzten Kopf im Foyer des Gleimhauses
  • Gedenktafel an einer Turnhalle an der Wehrstedter Brücke zur Erinnerung an 124 Opfer von Zwangsarbeit während des Zweiten Weltkrieges
  • Mahnmal von 1982 am Dom für die jüdischen Opfer der Shoa
  • Steine der Erinnerung aus dem Jahre 1992 von dem Bildhauer Daniel Priese auf dem Domplatz zur namentlichen Erinnerung an alle umgebrachten Juden Halberstadts
  • Schaukasten an der Sekundarschule "Anne Frank" in der Hans-Neupert-Straße zur Erinnerung an das Leben der Anne Frank
  • Gedenktafel an der Ruine des Polizeigefängnisses in der Gerhart-Hauptmann-Straße an die Opfer eines frühen KZ

Freizeit- und Sporteinrichtungen

Freizeit

  • Freizeit und Sportzentrum am Sommerbad
  • Halberstädter See
  • Campingplatz „Camping am See“
  • Kino (Kinopark Zuckerfabrik)
  • Jugendblasorchester Halberstadt

Parkanlagen

  • Die Halberstädter Berge umfassen die Theken-, Klus- und Spiegelsberge. Sie sind der Stadt südlich vorgelagert und bilden mit etwa 400 Hektar Gesamtfläche das größte zusammenhängende Erholungsgebiet des Harzvorlandes. Der Landschaftspark Spiegelsberge gehört zum Netzwerk Gartenträume Sachsen-Anhalt.
  • Der Tiergarten befindet sich seit 1961 in den Spiegelsbergen und beherbergt mehr als 400 Tiere (90 Arten).
  • Die Plantage befindet sich westlich vom Zentrum und ist ein Park zur Erholung, im Stadtinneren.
  • Der Ententeich befindet sich nördlich der Vogtei und ist ein im Mittelalter angelegter Teich mit Park in dem heute noch Enten und Schwäne leben. In der Vergangenheit war der Ententeich Inspirationsstätte für Poeten, wie beispielsweise Johann Wilhelm Ludwig Gleim. Daher wird der Weg entlang des Teiches auch Poetengang genannt.

Sporteinrichtungen

  • In Halberstadt gibt es das Friedensstadion, das als Heimspielstätte des Fußballoberligisten VfB Germania Halberstadt genutzt wird, zu dem auch die Abteilungen Leichtathletik (viermaliger Deutscher Vizemeister bei der deutschen Mannschaftsmeisterschaft der Männer), Judo, Turnen und Cheerleading gehören.
  • Freizeit und Sportzentrum
  • Zuckerfabrik Sport Factory

Kulinarische Spezialitäten

Die Halberstädter Würstchen sind als besondere Spezialität der Stadt bekannt. Das Halberstädter Würstchen war weltweit das erste Würstchen in der Dose.

Wirtschaft und Infrastruktur

Wirtschaft

Die Wirtschaft Halberstadts wird durch kleine und mittlere Unternehmen geprägt. Die Stadtverwaltung hat drei Gewerbegebiete und ein Industriegebiet im Osten der Stadt ausgewiesen, in dem neue Gewerbebetriebe angesiedelt werden. Die Arbeitslosigkeit im Arbeitsamtsbezirk Halberstadt liegt mit etwa 15 Prozent (Stand: November 2006) im Durchschnitt des Landes Sachsen-Anhalt.

Überregional bekanntes Produkt sind die Halberstädter Würstchen der Halberstädter Würstchen- und Konservenvertriebs-GmbH. Daneben gibt es eine Reihe kleinerer Unternehmen, unter anderem des Maschinenbaus, der Kunststoff- und Medizintechnik sowie ein Möbelwerk. Darüber hinaus ist Halberstadt Verwaltungsstandort mit überregionaler Bedeutung.

Zu DDR-Zeiten war vor allem das Reichsbahn-Ausbesserungswerk (RAW) von Bedeutung. Das Werk hatte maßgeblichen Anteil an Entwurf und Fertigung der UIC-Z-Wagen der DR, den so genannten „Halberstädtern“. Das Werk wird seit 2002 als VIS Verkehrs Industrie Systeme GmbH weiter betrieben und arbeitet am Neubau und der Ausbesserung von Schienenfahrzeugen. So wurden z. B. die Innenausbauten der Züge des Harz-Elbe-Express (HEX) von VIS vorgenommen.

Verwaltung

In Halberstadt gibt es die folgenden Behörden und Einrichtungen mit über die Grenzen der Stadt hinausgehender Bedeutung:

  • Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (ehemals Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge), Anlaufstelle für Asylbewerber des Landes Sachsen-Anhalt
  • Justizvollzugsanstalt
  • Staatsanwaltschaft Magdeburg, Zweigstelle Halberstadt
  • Arbeitsgericht
  • Landesbetrieb Bau Sachsen-Anhalt Niederlassung West
  • Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft
  • Staatliches Gewerbeaufsichtsamt
  • Polizeirevier Harz
  • kirchliches Verwaltungsamt Halberstadt
  • Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten Mitte

Verkehr

Die Stadt liegt an den Bundesstraßen B 79, B 81, B 245 sowie in räumlicher Nähe zur neugebauten Schnellstraße B 6n und soll ab 2014 eine Ortsumgehung (B 79 Halberstadt–Harsleben) bekommen.

Bahntechnisch ist Halberstadt größter Verkehrsknotenpunkt des Nordharznetzes mit Verbindungen in Richtung Magdeburg, Halle (Saale), Vienenburg, Hannover, Blankenburg (Harz) und Thale über Quedlinburg, die im Personenverkehr größtenteils von Veolia Verkehr Sachsen-Anhalt bedient werden.

Der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) wird von der Halberstädter Bus-Betrieb GmbH und der Halberstädter Verkehrs-GmbH durchgeführt. In Halberstadt verkehren seit 1903 elektrische Straßenbahnen, deren Zukunft nach erfolgten Sanierungsarbeiten in der Friedrich-Ebert-Straße und der Beschaffung fünf fabrikneuer Niederflurstraßenbahnen des Typs „Leoliner“ (NGTW6-H) zwischen Oktober 2006 und Februar 2007 gesichert ist.

Forschungs- und Bildungseinrichtungen

  • Hochschule Harz - Hochschule für angewandte Wissenschaften (FH)
  • Kirchenmusikalisches Seminar Halberstadt der Kirchenprovinz Sachsen
  • Kaufmännische Privatschule Oskar Kämmer
  • Bildungszentrum des Einzelhandels
  • Bildungszentrum für Straßenverkehr
  • Planetarium des Gymnasiums Martineum Halberstadt

Grundschulen

  • Diesterweg
  • Frhr. von Spiegel
  • Johann-Wolfgang-von-Goethe
  • Miriam Lundner
  • Anne Frank
  • Evangelische Grundschule „St. Laurentius“

Sekundarschulen

  • Anne Frank
  • Am Gröpertor
  • Spiegel
  • Gleim
  • Walter Gemm

Gymnasien

  • Käthe Kollwitz
  • Martineum

Förderschulen

  • Förderschule für Lernbehinderte „Albert Schweitzer“
  • Landesbildungszentrum für Hörgeschädigte
  • Förderschule für Geistigbehinderte „Reinhard-Lakomy-Schule“

sonstige Schulen

  • Kreisvolkshochschule
  • Musikschule

Medien

Als Tageszeitung erscheint die Halberstädter Volksstimme. Als Wochenzeitung erscheint seit 1990 der „General-Anzeiger“. Als monatliches Magazin für den Harzkreis erscheint die von der Ideen:Gut GbR in einer Auflage von 120.000 Exemplaren herausgegebene Harzzeit. Die gleiche Agentur gibt monatlich das Hochglanz-Stadtmagazin "Martini" heraus. In Halberstadt hat der Regionalfernsehsender RFH seinen Sitz.

Persönlichkeiten

Ehrenbürger[11]

  • 1816: Wilhelm Anton von Klewitz, Zivilgouverneur
  • 1832: Christian Friedrich Bernhard Augustin, Oberdomprediger
  • 1837: Stelzer, Oberlandesgerichtschefpräsident
  • 1894: Otto Fürst von Bismarck, vormaliger Reichskanzler
  • 1906: Fricke, Geheimer Sanitätsrat
  • 1917: Paul von Hindenburg, Generalfeldmarschall
  • 1948: Paul Weber, Oberbürgermeister von Halberstadt, Regierungspräsident von Magdeburg
  • 1989: Heinz Fricke, Professor
  • 1994: Walter Bolze, Architekt und Leiter des Wiederaufbaus des Doms nach dem Zweiten Weltkrieg
  • 1998: Izchak Auerbach, letzter vor dem Zweiten Weltkrieg in Halberstadt geborener Jude
  • 2001: Johann Peter Hinz, Künstler und Politiker
  • 2003: Werner Hartmann, Heimatforscher
  • 2006: Schwester Ursel, ehrenamtliche Betreuerin von Hilfsbedürftigen

Söhne und Töchter der Stadt

  • Albrecht von Halberstadt (um 1200), Dichter
  • Christoph Herdesian (1523–1585), Jurist und evangelischer Theologe
  • Henning Groß (1553–1621), Buchhändler und Verleger in Leipzig, "Urvater" des Leipziger Buchhandels
  • Konrad Barthels (1607–1662), lutherischer Theologe.
  • Alexander David (1687–1765), braunschweigischer Kammeragent
  • Johann Heinrich Pott (1692–1777), Chemiker und Apotheker
  • Johann Melchior Goeze (1717–1786), lutherischer Theologe
  • Friedrich Ernst Ludwig von Fischer (1782–1854), Biologe
  • Job von Witzleben (1783–1837), preußischer Generalleutnant und Kriegsminister
  • Albrecht Graf von Alvensleben (1794–1858), preußischer Finanzminister
  • Hans Herwarth von Bittenfeld (1800–1881), preußischer General
  • Friedrich Herwarth von Bittenfeld (1802–1884), preußischer General
  • Adolf Reubke (1805–1875), Orgelbauer
  • Wilhelm Hertzberg (1813–1879), Philologe und Übersetzer
  • Hermann von Lucanus (1831–1908), preußischer Staatsrat und Chef des Geheimen Zivilkabinetts
  • Max Hirsch (1832–1905), Verlagsbuchhändler, Mitbegründer der Gewerkvereine, Sozialpolitiker und Schriftsteller
  • Adolf Stoecker (1835–1909), evangelischer Theologe und antisemitischer Politiker
  • Ferdinand Heine (1840–1920), Pflanzenzüchter und Ornithologe
  • August Heine (1842–1919), Hutmacher, Politiker, SPD-Reichstagsabgeordneter, Journalist, Verleger, Gründer des Arbeiterbildungsvereins Halberstadt, Gründer einer Arbeiter-Krankenversicherung
  • Carl Haber (1842–1895) Mitbegründer eines Konsumvereins, einer Kreditgenossenschaft und der Großeinkaufs-Gesellschaft Deutscher Consumvereine m.b.H. (GEG) Hamburg
  • Carl Eitz (1848–1924), Akustiker und Musikpädagoge
  • Clara Blüthgen (1856–1934), Schriftstellerin
  • Hermann Seeger (1857–1945), Maler
  • Lily Braun (1865–1916), Schriftstellerin, SPD-Politikerin, Frauenrechtlerin
  • Gustav Müller (1875–1946), Politiker (SPD – USPD – KPD), MdR
  • Paul Weber (1875–1958), Sozialdemokrat, 1920–1930 Oberbürgermeister von Halberstadt, Regierungspräsident des preußischen Regierungsbezirks Magdeburg
  • Minna Bollmann (1876–1935), Politikerin (SPD), erste weibliche Abgeordnete in einem deutschen Nationalparlament, „Frontfrau“ der Halberstädter Arbeiterbewegung
  • Alfred Berg (1876–1945), Lehrer, Schriftsteller, Studienrat, Geologe, Geograf, Historiker, Heimatforscher und Naturschützer
  • Hans Nordmann (1879–1957, deutscher Eisenbahn-Ingenieur
  • Otto Witte (1884–1963), SPD-Politiker, Reichstagsabgeordneter, Mitglied des Parlamentarischen Rates, Präsident des Hessischen Landtags
  • Richard Brademann (1884–1965), Reichsbahnoberbaurat, deutscher Architekt mit klarem sachlichen Stil, entwarf zahlreiche Bahnhöfe und Gebäude der Berliner S-Bahn.
  • Hans Georg Klamroth (1898–1944), Mitwisser und Beteiligter des Hitler-Attentates vom 20. Juli 1944
  • Bert Brennecke (1898–1970), Schriftsteller
  • Helmuth Weidling (1891–1955), General im Zweiten Weltkrieg
  • Otto Lehmann (1892–1973), geboren in Ströbeck, Politiker (NSDAP)
  • Martin Bormann (1900–1945), Leiter der Parteikanzlei der NSDAP im Rang eines Reichsministers
  • Georg Jungclas (1902–1975), Politiker
  • Albert Bormann (1902–1989), Leiter der Privatkanzlei Hitlers
  • Friedrich Wilhelm Kraemer (1907–1990), Architekt und Hochschullehrer
  • Hans Jaenisch (1907–1989), Maler und Professor der Bildenden Künste
  • Gerd Springorum (1911–1995), Politiker (CDU), MdB
  • Jürgen Bennecke (1912–2002), General und früherer NATO-Oberbefehlshaber der Alliierten Streitkräfte Europa-Mitte
  • Christa Johannsen (1914–1981), Schriftstellerin
  • Kurt Böhner (1914–2007), Historiker und Corpsstudent
  • Gert Schliephake (1925–2007), Zoologe und Hochschullehrer
  • Gabriel Bach (* 1927), israelischer Jurist, stv. Chefankläger im Prozess gegen Adolf Eichmann, Richter am Höchsten Gericht Israels, Vertreter des Staates Israel bei UNO-Konferenzen
  • Günter Hartmann (* 1930), Politiker (NDPD)
  • Alexander Kluge (* 1932), Filmemacher, Schriftsteller und Fernsehautor
  • Sabine Klamroth (* 1933), Juristin und Autorin
  • Wolfgang Schaefer (1934–2003), Politiker (SPD)
  • Hans Speth (* 1934), Fußballspieler und Fußballtrainer
  • Jürgen Feindt (1935–1978), Tänzer und Schauspieler
  • Peter Gente (* 1936), Verleger
  • Renate Chotjewitz-Häfner (1937–2008), Autorin, Übersetzerin und Publizistin
  • Alexandra Kluge (* 1937), Ärztin und Schauspielerin, Schwester von Alexander Kluge
  • Wibke Bruhns (* 1938), erste TV-Nachrichtensprecherin des westdeutschen Fernsehens, Tochter von Hans Georg Klamroth
  • Dorothea Chryst (* 1940), Opernsängerin
  • Joachim Wahnschaffe (* 1941), Politiker
  • Karin Beyer (* 1941), Schwimmerin
  • Roland von Hunnius (* 1945), hessischer Politiker (FDP)
  • Karl-Heinz Richter (* 1946), Bildhauer
  • Volker Gröbe (* 1947), Schriftsteller Kölscher Mundart
  • Jürgen Sparwasser (* 1948), Fußballer, Torschütze WM 1974 BRD:DDR
  • Hans Engel (* 1948), Handballspieler
  • Lutz Lindemann (* 1949), Fußballspieler und Trainer
  • Detlef Eckert (* 1951), Politiker (Die Linke)
  • Jochen Danneberg (* 1953), ehemaliger Skispringer und Skisprungtrainer
  • Christoph Weihe (* 1954), Bildhauer und Steinmetz
  • Anke Lautenbach (* 1960), Sängerin, Dozentin und Professorin für Musikwissenschaften
  • Frank Lieberam (* 1962), Fußballspieler und -trainer
  • Cornelia Ullrich (* 1963), Leichtathletin
  • Jens Ramme (* 1963), Fußballtorwart
  • Yvonne Cernota (1979–2004), Bobfahrerin
  • Felix Michael Lehrmann (* 1984), Schlagzeuger

Persönlichkeiten, die vor Ort gewirkt haben

  • Johannes Scheyring (Ziering) (1454–1516), Theologe, Rektor der Universität Leipzig, war ab 1494 bis zu seinem Tode Domherr in Halberstadt, bekannt als Motiv des 1000-DM-Scheins,
  • Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel (1564–1613), ab 1589 Administrator des Bistums Halberstadt,
  • Matthias von Oppen (ca. 1565–1621), bedeutender Ökonom sowie Kirchenpolitiker des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts, ab 1590 Dechant des Domkapitels in Halberstadt,
  • Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel (1599–1626), Feldherr, genannt der Tolle Halberstädter, ab 1616 Administrator des Bistums Halberstadt,
  • Justus Oldekop (1597–1667), Jurist, Diplomat, evangelisch, Vorkämpfer gegen Hexenprozesse, wirkte in Halberstadt,
  • Andreas Werckmeister (1645-1706), Musiker und Musiktheoretiker, führte die wohltemperierte Stimmung für Tasteninstrumente ein und wirkte ab 1696 als Organist der Martinikirche in Halberstadt,
  • Issachar Berend Lehmann (1661–1730), Hofjude Augusts des Starken,
  • Jacob Friedrich Reimmann (1668–1743), Polyhistor und Aufklärer, Begründer der modernen deutschen Literaturwissenschaft, ab 1692 Rektor an der Martinischule in Halberstadt,
  • Caspar Abel (1676–1763), Theologe und Historiker, für 20 Jahre Gymnasialrektor in Halberstadt,
  • Anastasius Lagrantinus Rosenstengel (1687 – hingerichtet 8. November 1721), „Land- und Leute-Betrügerin“,
  • Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719–1803), Gründer des Halberstädter Dichterkreises,
  • Johann August Ernst Graf von Alvensleben (1758-1827), 1796–1810 letzter Domdechant in Halberstadt und Braunschweigischer Staatsminister
  • Heinrich Gottlieb Zerrenner (1770–1811), evangelischer Theologe und Schriftsteller, Generalsuperintendent von Halberstadt,
  • Georg Carl Adolph Hasenpflug (1802–1858), deutscher Maler, ab 1830 in Halberstadt und hier verstorben,
  • Cornelius Friedrich Adolf Krummacher (1824–1884), Kirchenliederdichter, von 1853 bis 1872 Domprediger in Halberstadt,
  • Carl Kehr (1830–1885), Volksschulpädagoge und pädagogischer Schriftsteller, von 1872 bis 1884 Leiter des Seminars in Halberstadt,
  • Prinz Rangsit von Chainad (1885–1951), einer der 33 Söhne des thailändischen Königs Chulalongkorn Rama V., Gymnasiast in Halberstadt bis zu seinem Abitur im Jahre 1905,
  • Friedrich Heine (1863–1929), deutscher Unternehmer und Gründer der Würstchen- und Konservenfabrik („Halberstädter Würstchen“),
  • Franz Moericke (1885-1956), deutscher Politiker, SPD, KPD, SED
  • Hans Marckwald (1874-1933), Journalist, SPD- Politiker, SPD
  • Georg Jungclas (1902–1975), deutscher Politiker, SPD, KPD, Trotzkist
  • Wilhelm Kamlah (1905–1976), Historiker, Theologe, Musiker, Philosoph und einer Begründer der konstruktiven oder methodischen Wissenschaftstheorie, von Harsleben aus Gymnasiast in Halberstadt bis zu seinem Abitur im Jahre 1924,
  • Kurt Löwenstein, sozialdemokratischer Politiker und Pädagoge der Zwischenkriegszeit,
  • Paulus Skopp (1906–1999), SPD-Politiker, langjähriger Oberbürgermeister von Speyer, Landtagsabgeordneter in Rheinland-Pfalz
  • Theo Lingen spielte vor dem Zweiten Weltkrieg im Städtischen Theater von Halberstadt,
  • Papst Clemens II. (* 1005 in Hornburg, Niedersachsen; † 9. Oktober 1047 im Kloster S. Tommaso am Aposella bei Pesaro) bis 1032 Domkanoniker am Halberstädter St. Stephansstift,
  • Simon Bingelhelm genannt Tausendteufel von Halberstadt († 1600), Massenmörder

Quellen und Literatur

  • Benjamin Hirsch Auerbach: Geschichte der israelitischen Gemeinde Halberstadt. Halberstadt 1866
  • Klaus Militzer, Peter Przybilla: Stadtentstehung, Bürgertum und Rat. Halberstadt und Quedlinburg bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts. Göttingen 1980, ISBN 3-525-35380-4
  • Horst Scholke: Halberstadt (Kunstgeschichtliche Städtebücher). 3. Auflage, Leipzig 1982
  • Berent Schwineköper (Hrsg.): Provinz Sachsen Anhalt. In: Handbuch der Historischen Stätten Deutschlands. Band 11. Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 1987, S. 169–174, ISBN 3-520-31402-9
  • Werner Hartmann: Juden in Halberstadt Band 1–7. Verein zur Bewahrung jüdischen Erbes Halberstadt und Umgebung e. V., Halberstadt 1996.
  • Peter Findeisen: Halberstadt: Dom, Liebfrauenkirche und Domplatz. Mit einem Beitrag von Adolf Siebrecht: Die Domburg Halberstadt aus archäologischer Sicht. Aufnahmen von Sigrid Schütze-Rodemann u. Gert Schütze. 4., überarb. Auflage in der Reihe Die Blauen Bücher, Königstein i. Ts. 2009, ISBN 978-3-7845-4606-3.
  • Friedrich von Borries, Jens-Uwe Fischer: Heimatcontainer. Deutsche Fertighäuser in Israel. Frankfurt/ Main: Edition Suhrkamp, 2009. [u. a. Geschichte der Halberstädter Unternehmerfamilie Hirsch]

Einzelnachweise

  1. ↑ Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt – Bevölkerung der Gemeinden nach Landkreisen; Stand: 31. Dez. 2009 (PDF; 327 KB) (Hilfe dazu)
  2. ↑ StBA: Änderungen bei den Gemeinden Deutschlands, siehe 1995
  3. ↑ Nach ehemals kostenfreiem Deutschen Wetterdienst, Normalperiode 1961–1990
  4. ↑ Report von Kontraste (RBB/ARD) vom 20. Dezember 2007 auf youtube
  5. ↑ http://www.xxx. Stand 10. November 2008.
  6. ↑ http://www.xxx. Stand 10. November 2008.
  7. ↑ http://www.xxx. Stand 10. November 2008.
  8. ↑ Hartmann, Werner: Zur Geschichte der Garnison Halberstadt und ihrer Truppenteile 1623 - 1994, Bd. 7, Halberstadt 2001(2002), S. 63
  9. ↑ http://www.xxx
  10. ↑ Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen-Anhalt I, Deutscher Kunstverlag 2002, S. 349.
  11. ↑ Liste der Ehrenbürger Halberstadts, abgerufen am 4. November 2010

    xxx – Entsprechend unserer Statuten werden uns unbekannte Webadressen nicht veröffentlicht. Für eine weiterführende Recherche gehen Sie bitte auf die entsprechende Wikipediaseite. Mehr Informationen lesen Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Stavoren - Staveren

Stavoren, früher Staveren, (friesisch: Starum) ist ein Ort in der niederländischen Provinz Friesland.

Der Ort liegt am Ostufer des IJsselmeers, eines einstigen, heute abgedeichten Nordseearms. Der in der Gemeinde Nijefurd gelegene Ort hat knapp 1.000 Einwohner. Der Ort lebt heute vorwiegend vom Tourismus, der fast vollständig auf den Wassersport orientiert ist.

Geschichte

Stavoren ist die älteste der elf friesischen Städte. Der Ort entstand um das Jahr 900 an einem Wasserlauf und erlangte 1118 Stadtrechte. Stavoren unterhielt gute Handelsbeziehungen zu den Ländern rund um die Ostsee und war ab 1385 Hansestadt. Bedeutung erlangte Stavoren durch Import von Getreide von den Ostseeanrainerstaaten, das für die schnell anwachsende friesische Bevölkerung benötigt wurde, erlangte aber nie den Status und Reichtum der nordholländischen Städte am westlichen IJsselmeerufer. Immerhin residierten hier die friesischen Könige.

Am Ende des Mittelalters verfiel Stavoren, der Hafen versandete und bei den Getreideimporten spielte der Ort keine Rolle mehr. Aus dieser Zeit stammt die Sage der Vrouwe van Stavoren.

Im 17. und 18. Jahrhundert ging es der Stadt wieder besser, bevor es im 19. Jahrhundert wieder zum Niedergang kam.

1899 hatte der Ort 868 Einwohner. Nach dem Bau der Eisenbahnlinie Stavoren-Leeuwarden und der Einrichtung einer Fährverbindung nach Enkhuizen auf der anderen IJsselmeer-Seite mit Anschluss an die Bahnlinie Zaandam/Enkhuizen-Amsterdam gewann der Hafen von Stavoren wieder an Bedeutung.

Heute bildet der Tourismus eine der Haupteinnahmequellen des Ortes. Am Ortsrand entstanden mehrere Yachthäfen.

Lage

Der Ort ist Endpunkt der Eisenbahnlinie von der Provinzhauptstadt Leeuwarden über Sneek und Workum zum IJsselmeer.

Bei Stavoren endet der Johan-Willem-Friso-Kanal, der eine der Verbindungen des IJsselmeers mit dem Prinses-Margriet-Kanal darstellt und somit eine Wasserstraßenverbindung nach Leeuwarden und Groningen herstellt.

Sehenswertes

  • das Denkmal der „Vrouwe van Stavoren“ (Frau von Stavoren) am Alten Hafen (Oude Haven)
  • die alte Schleuse
  • die neue Schleuse (Johan Frisosluis): hier befindet sich einer der meistfrequentierten Zugänge für Wassersportfahrzeuge zum Binnenland mit viel Bootsverkehr
  • die Leuchtfeuer an der Hafeneinfahrt
  • am Alten Hafen startet auch die Fähre nach Enkhuizen, die dort direkt am Freilichtmuseum anlegt

Eine alte Sage

Über die mittelalterliche Vrouwe („Herrin“) von Stavoren handelt eine der bekanntesten Sagen der niederländischen Volksliteratur[1]. Diese stammt aus dem 16. Jahrhundert[2] und lautet etwa wie folgt:

Im Mittelalter lebte in Stavoren die Witwe eines steinreichen Kaufmanns[3]. Sie lebte in einem palastartigen Herrenhaus. Die sehr stolze Frau besaß mehr Schiffe als alle anderen Kaufleute und Reeder der Stadt zusammen, und ihr Reichtum wuchs von Tag zu Tag an.

Trotz ihres großen Reichtums war sie nicht zufrieden. Sie begehrte, den kostbarsten Besitz der Welt zu haben, und schickte einen ihrer Schiffer hinaus, um ihr den zu besorgen. Dieser kam nach einer langen Reise zurück mit einer Ladung Weizen aus Danzig. Diese Ladung sei wertvoller als Gold und Edelsteine, denn jene könne man bei Hungersnot nicht essen. Die Dame war jedoch anderer Meinung. Wütend fragte sie dem Kapitän: „An welcher Seite hattest du den Weizen geladen?“ Er antwortete: „An der Steuerbordseite“. Und sie befahl dem Schiffer, die Ladung an der Backbordseite wieder ins Meer zu schütten. Ein Umstehender hörte das und weissagte ihr, sie werde einmal vor Armut betteln müssen, und ihr würde jedes Körnchen Weizen wie ein Goldklumpen sein. Darauf zog sie einen kostbaren Goldring vom Finger und warf das Schmuckstück ebenfalls ins Meer. Sie fügte hinzu: „So wenig dieser goldene Ring je wieder zu mir zurückkehren wird, so wenig werde ich jemals Armut leiden“. Aber eines Tages kam einer ihrer Diener und servierte ihr auf einer silbernen Schale einen Fisch zum Abendessen. Im Magen des Fisches aber fand sie: den weggeworfenen Goldring ...

Totenbleich erfuhr sie noch am selben Abend, mehrere ihrer Schiffe seien im Sturm auf hoher See mit Mann und Maus untergegangen. Ihr Unglück nahm kein Ende und die Frau starb als arme Bettlerin.

Der Vrouwezand (Frauensand), eine Sandbank im IJsselmeer nahe Stavoren, soll die Stätte sein, wo der kostbare Weizen ins Meer geworfen wurde. Immer noch soll hier eine Pflanze wachsen, der wie Weizen aussieht, aber keine Ähren trägt.

Seit 1969 steht im Stavorener Stadtkern ein Standbild der „Vrouwe van Stavoren“.

Einzelnachweise

  1. ↑ Der Frauensand - eine Sage (Gebr. Grimm)
  2. ↑ Sage auf www.xxx
  3. ↑ Sage: Die Frau von Stavoren

    xxx – Entsprechend unserer Statuten werden uns unbekannte Webadressen nicht veröffentlicht .Für eine weiterführende Recherche gehen Sie bitte auf die entsprechende Wikipediaseite. Mehr Informationen lesen Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Groningen

Groningen [ˈɣroːnɪŋə], niedersächsisch Grönnen, ist die Hauptstadt der Provinz Groningen in den Niederlanden. Die Stadt hat auf einem Gebiet von 76,77 km² 187.622 Einwohner (Stand: 31. Dez. 2009, mit dem Umland 350.000) und liegt an den Kanälen Winschoterdiep, Noord-Willemskanal, Van Starkenborghkanaal und am Eemskanaal, der die Stadt mit Delfzijl an der Emsküste verbindet. Groningen hat seit 1614 eine Universität. Außerdem befindet sich in Groningen eine Fachhochschule, die Hanzehogeschool.

Geschichte

Die Stadt Groningen oder Cruninga – wie sie früher hieß - entstand aus einem losen Zusammenschluss von drei oder vier verstreut gelegenen Bauernhöfen. Die ersten Spuren können auf ca. 300 v. Chr. datiert werden. Ab 600 bis 700 n. Chr. gab es eine feste Besiedlung des Gebietes der heutigen Innenstadt – „de Grote Markt“ (deutsch: der Große Markt). Die erste namentliche Erwähnung stammt aus dem Jahre 1040, als die Stadt im Rahmen einer Schenkung von Heinrich III. auf den Bischof von Utrecht überging [2].

Groningen liegt am nördlichen Ende des „Hondsrug“ (nicht zu verwechseln mit dem Hunsrück), einer sandigen Erhebung mitten im ehemals ausgedehnten Moor, die sich vom „Drentschen Plateau“ bis ins Zentrum der Stadt zieht und in früherer Zeit die einzige Verbindung dieser beiden Gebiete war. Durch ihre Lage konnte die Stadt eine zentrale Bedeutung in der Region erlangen. Viele Kaufleute, die mit England und den Ostseeländern handelten, ließen sich hier nieder. 1422 schloss sich Groningen der Hanse an [2]. Bis zum 17. Jahrhundert – dem „Goldenen Zeitalter“ der Niederlande hatte Groningen sich zu einem blühenden Handelszentrum entwickelt, nicht zuletzt, da es hier ein Gericht gab, das auch für die umliegenden Gebiete zuständig war.

Das Bistum Groningen entstand 1559. Ab 1580 befand sich die Stadt unter spanischer Herrschaft. Nach Eroberung durch Moritz von Oranien 1594 wurde Groningen zusammen mit den umliegenden Gebieten ein Teil der Republik der Vereinigten Niederlande und damit auch protestantisch [3]. 1672 versuchte der Bischof von Münster, Christoph Bernhard von Galen, die Stadt durch Belagerung und Kanonenbeschuss zu besetzen. Sein Faible für die Artillerie brachte ihm den Spitznamen „Bommen Berend“ („Kanonenbernhard“) ein. Am 28. August 1672 konnte sein Angriff abgewehrt werden. An dieses Ereignis erinnert in Groningen bis heute ein lokaler Feiertag mit vielen Aktivitäten.

Im Zweiten Weltkrieg erlitt die Stadt erhebliche Schäden. Als im April 1945 die Alliierten Groningen erreicht hatten, stießen sie auf heftigen Widerstand der deutschen Besatzungstruppen. Ein Teil der Innenstadt musste durch heftige Straßenkämpfe erobert werden. Die Bauten, die danach im Rahmen des Wiederaufbaus entstanden waren, sind inzwischen Gegenstand heftiger Debatten. Viele wollen sie durch Schöneres ersetzen.

Sehenswürdigkeiten

Das Hauptgebäude der Reichsuniversität Groningen in der Innenstadt, das Akademiegebouw, ist sehr sehenswert. Es wurde 1909 vom Reichsbaumeister J.A. Vrijman entworfen. Das vorherige Universitätsgebäude war 1906 während Renovierungsarbeiten ein Opfer der Flammen geworden, woraufhin die Existenz der gesamten Universität auf dem Spiel stand. Gegenüber dem Akademiegebäude liegt die Universitätsbibliothek Groningen.

Außerdem gibt es den 96 m hohen Martiniturm, erbaut zwischen 1469 und 1482 aus Bentheimer Sandstein und die dazugehörende Martinskirche am „Grote Markt“. Von 1548 bis 1577 war der Turm 127 m hoch, bis die hölzerne Spitze anlässlich eines Freudenfeuers nach dem Abzug feindlicher Truppen abbrannte. Arp Schnitger baute bedeutende Orgeln in der Martinikerk (1692), der Aa-Kerk (1702) und der Pelster-Gasthuiskerk (1693), die noch alle erhalten sind.

Ebenfalls herausragend ist das 1994 eingeweihte und von dem Designer Alessandro Mendini in Zusammenarbeit mit den Architekten Michele de Lucchi, Philippe Starck und Coop Himmelb(l)au entworfene Groninger Museum. Sein eigenwilliges Design und die interessante Lage im Wasser sorgten für internationales Aufsehen. Gezeigt werden, neben wechselnden Ausstellungen, auch Exponate der Vor- und Frühgeschichte der Provinz Groningen und die sehenswerte Sammlung chinesischen Porzellans.

Politik

Der Gemeinderat hat 39 Sitze und wird für vier Jahre gewählt. Die sozialdemokratische PvdA ist die größte Partei mit zwölf Sitzen. Die SP ist, mit sieben Sitzen zweite. Seit dem 26. April 2006 sind sie zusammen mit GroenLinks (5 Sitze) in der Koalition. Die liberale VVD (5 Sitze) und das CDA (3 Sitze) sind nach der Gemeinderatswahl viel kleiner und führen die Opposition. D66, ChristenUnie und die Stadspartei haben je zwei Sitze, die Partei Student und Stadt einen.

Verkehr

Öffentlicher Nahverkehr

In der Stadt laufen Planungen für die Wiedereinführung der Straßenbahn. Man erhofft sich dadurch noch mehr Umsteiger vom Auto auf den umweltfreundlichen Nahverkehr.

Radverkehr

Nach einer europaweiten Untersuchung des VCÖ ist Groningen der Spitzenreiter, was den Anteil des Fahrrads am Verkehr betrifft. Etwa 50 Prozent der Wege werden hier mit dem Rad zurückgelegt, verglichen mit Amsterdam und Bremen (22 %) oder München (15 %) und Berlin (10 %).

Autoverkehr

Das eigentliche Stadtzentrum um den Großen Markt und Fischmarkt ist gänzlich autofrei, das äußere Zentrum ist in vier Sektoren unterteilt. Direkter Autoverkehr zwischen den Sektoren untereinander ist nicht möglich. Die Stadt ist umgeben von einem vierspurigen Ringweg, sowohl zur Anbindung der Außenbezirke als auch der Fernstraßen. Seit einigen Jahren wird daran gearbeitet, alle Anschlüsse ampelfrei auszuführen, mit dem Abschluss der Arbeiten wird 2015 gerechnet.

Straßenanbindung

In Ost-West-Richtung verläuft die Autobahn A7 und in Nord-Süd-Richtung die A28.

Wasserwege

In Groningen treffen bedeutende Binnenwasserwege aufeinander. Von Westen (Friesland/Amsterdam) der Van Starkenborghkanaal, von Delfzijl (Dollard, Emden) der Eemskanaal, vom Südwesten das Winschoterdiep, und der Noord-Willemskanal aus dem Süden.

Eisenbahn

Groningen liegt an der Eisenbahnstrecke von Leeuwarden nach Deutschland (Ost-West-Verbindung, Bahnstrecke Leer–Groningen) und Richtung Süden über Assen nach Meppel. Außerdem zweigen Richtung Norden zwei Nebenstrecken ab; die eine führt nach Delfzijl und die andere nach Roodeschool.

Flugverkehr

Groningen verfügt über einen Verkehrsflughafen, dem Groningen Airport Eelde.

Bildung

Die altehrwürdige Rijksuniversiteit Groningen (RUG) blickt auf eine nahezu vierhundertjährige Geschichte zurück (gegründet 1614) und hat sich als Forschungs- und Lehrstätte international einen guten Ruf erworben. Die Universität ist in neun Fakultäten untergliedert: Theologie, Philosophie, Medizin, Mathematik und Naturwissenschaften, Jura, Sprach- und Literaturwissenschaft, Sozialwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften und Raumplanung.

Außerdem gibt es in Groningen die staatliche Hanzehogeschool, die aber keine Hochschule im deutschen Sinn ist, sondern eine HBO-Ausbildung bietet, etwa mit einer deutschen Fachhochschule vergleichbar.

In Groningen leben 45000 Studierende.

Kultur- und Freizeit

Das Freizeitangebot in Groningen ist vielfältig. So hat die Stadt einige interessante Museen zu bieten. Neben dem oben erwähnten Groninger Museum können das „Natuurmuseum“, das „Noordelijke Scheepvaartmuseum“ mit Tabakmuseum, und das „Universiteitsmuseum“ besucht werden. Ein besonderer Höhepunkt ist auch das „Nederlandse Stripmuseum“ - das Niederländische Comic-Museum.

Deutsche Touristen können sich über den Fremdenverkehrsverein auch von deutschen Studenten durch die Stadt führen lassen.

Jedes Jahr locken das Popfestival „Noorderslag“ und das Theaterfestival „Noorderzon“ Tausende von Besuchern.

In der verkehrsberuhigten Innenstadt mit ihren vielen Fußgängerzonen und Straßencafés lässt es sich angenehm einkaufen.

Für Nachtschwärmer öffnen viele Lokale ihre Pforten. Im „Osterpoort“ und in der „Stadsschouwburg“ kommen Konzert- und Theaterinteressierte auf ihre Kosten. Die Discotheken der Stadt befinden sich am Grote Markt und in der Poelestraat. Vor allem donnerstags kommen die Nachtschwärmer auf ihre Kosten, denn dann lautet das Motto in sämtlichen Discotheken und Lokalen: „Studentenavond“ (Studentenabend). Die zahlreichen in Groningen Studierenden ziehen dann in großer Anzahl durch die Innenstadt, auf der Suche nach Amusement, bis in die frühen Morgenstunden. Direkt am „Grote Markt“ befindet sich das größte Lokal Europas, das Drie Gezusters. Auf 4 Etagen erstrecken sich 20 Bars, darunter eine 30 m lange Theke. Die bekanntesten Discotheken sind das Palace, der Blauwe Engel, De Tapperij und das Molly Malones.

Das Holland Casino betreibt hier eine seiner zwölf Filialen.

Die größte Tageszeitung von Groningen ist das Dagblad van het Noorden

Sport

Die Stadt Groningen wird im niederländischen Fußball durch den FC Groningen vertreten. Die erste Fußball-Herrenmannschaft spielt in der höchsten niederländischen Spielklasse, der Ehrendivision. Der FC Groningen trägt seine Heimspiele im heimischen Stadion Euroborg aus.

Persönlichkeiten

  • Johannes Corputius, gestorben 1611 in Groningen, Kartograf, Militär und zuletzt Hauptmann in Groningen. Sein Epitaph befindet sich in der Martinikirche.
  • Ubbo Emmius, geboren 1547 in Greetsiel, verstorben 1625 in Groningen, Pastor, Historiker, Pädagoge und Gründungsrektor der Universität Groningen
  • Aletta Jacobs studierte ab 1871 in Groningen Medizin und wurde die erste Ärztin der Niederlande, zudem war sie als Frauenrechtlerin aktiv [3]
  • Nico Rost, Antifaschist und Schriftsteller

Aus der Region Groningen stammt die Pferderasse „Groninger“.

Söhne und Töchter der Stadt

  • Jan Albert Sichterman (* 1672; † 15. Januar 1764 in Groningen), Seemann und Sammler
  • Tiberius Hemsterhuis (* 8. Januar 1685; † 7. April 1766 in Leiden), Philologe
  • Daniel Bernoulli (* 8. Februar 1700; † 17. März 1782 in Basel), Schweizer Mathematiker
  • Matthias Steevens van Geuns (* 2. September 1735; † 8. Dezember 1817 in Utrecht), Mediziner und Botaniker
  • John Goodricke (* 17. September 1764; † 20. April 1786 in York, England), englischer Astronom.
  • Jozef Israëls (* 27. Januar 1827; † 10. August 1911 in Den Haag), Maler
  • Heike Kamerlingh Onnes (* 21. September 1853; † 21. Februar 1926 in Leiden), Physiker
  • Johan Huizinga (* 7. Dezember 1872; † 1. Februar 1945 in De Steeg bei Arnheim), Historiker
  • Herman Nankman (* 3. März 1897; † 31. Dezember 1973), Radrennfahrer
  • Willem Hendrik Crouwel (* 21. November 1928), Grafiker
  • Maarten Schmidt (* 28. Dezember 1929), Astronom
  • Coosje van Bruggen (* 6. Juni 1942; † 10. Januar 2009 in Los Angeles), niederländisch-amerikanische Bildhauerin, Kunsthistorikerin und Kunstkritikerin
  • Herman van Dijk (* 17. Januar 1947), Ökonometriker
  • Herman Franke (* 13. Oktober 1948 in Groningen; † 14. August 2010 in Amsterdam), Kriminologe und Schriftsteller
  • Rutger Smith (* 9. Juli 1981 in Groningen), Leichtathlet
  • Arjen Robben (* 23. Januar 1984 in Bedum), Fußballspieler
  • Ben Woldring (* 1985), IT-Unternehmer
  • Jan Marinus Wiersma (* 26. August 1951), Politiker
  • Noisia, Musikgruppe

Städtepartnerschaften

Die 11 Partnerstädte sind, in der zeitlichen Reihenfolge des Schließens der Partnerschaft:

  • Newcastle-upon-Tyne (Großbritannien)
  • Oldenburg (Niedersachsen, Deutschland)
  • Odense (Dänemark)
  • Graz (Österreich, 1964)
  • Tianjin (Volksrepublik China, 1986)
  • San Carlos (Nicaragua, 1986)
  • Murmansk (Russland, 1989)
  • Kaliningrad (Russland)
  • Tallinn (Estland, 1993)
  • Zlín (Tschechien, 1996)
  • Kattowitz (Polen)

Literatur

  • Th. Schumacher (Hg.): Grenzenlos an Deich und Dollart, 1. Auflage, Edition Temmen, Bremen 2003, ISBN 3-86108-903-3

Einzelnachweis

  1. ↑ Bevölkerungsstatistik, 1. März 2010 – Centraal Bureau voor de Statistiek, Niederlande
  2. ↑ a b Th. Schumacher (Hg.): Grenzenlos an Deich und Dollart, 1. Auflage, Edition Temmen, Bremen 2003, S. 194
  3. ↑ a b Th. Schumacher (Hg.): Grenzenlos an Deich und Dollart, 1. Auflage, Edition Temmen, Bremen 2003, S. 195

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Roermond

Roermond ([ʁuːʁˈmɔnt], limburgisch: Remunj, französisch: Ruremonde) ist eine Stadt mit 54.488 Einwohnern in der niederländischen Provinz Limburg an der Grenze zu Deutschland und nahe Flandern in Belgien.

Geographie

Lage

Die Stadt liegt an der Mündung der Rur( niederländisch Roer) in die Maas, am rechten Maasufer. Die Innenstadt liegt unmittelbar an der Rur. Das Gemeindegebiet besteht im wesentlichen aus dem rund 5 Kilometer breiten Streifen zwischen Maas und der Grenze zu Deutschland.

Durch Kiesabtragungen sind im Gemeindegebiet zahlreiche miteinander verbundene Seen entstanden, die sogenannten Maasplassen (dt. Maasseen oder Maastümpel). Das rund 3.000 Hektar große Gebiet ist das größte Binnen-Wassersportgebiet der Niederlande.

Geologie

Schlagzeilen erhielt Roermond am 13. April 1992, weil 4 km südwestlich der Stadt das Epizentrum des Erdbebens von Roermond lag, eines Erdbebens der Magnitude 5,9 auf der Richter-Skala. Es war damit das stärkste Erdbeben in Mitteleuropa seit dem Jahre 1756 (siehe dazu auch: Erdbebengebiet Kölner Bucht).

Stadtteile

Roermond gliedert sich in insgesamt 24 Stadtteile. Zum Jahresbeginn 2007 wurde die nördliche Nachbargemeinde Swalmen mit 8.826 Einwohnern eingemeindet. Die Gemeindefläche vergrößerte sich durch die Eingemeindung erheblich von 46,65 auf 69,61 km².

Die sechs Stadtbezirke haben folgende Einwohnerzahlen (Stand 1. Januar 2007):

  •                                2006      2007
  • Roermond (Stadt)     34.311   34.311
  • Swalmen                     *        8.826
  • Herten                       5.496    5.496
  • Maasniel                    3.724    3.724
  • Leeuwen                    1.070   1.070
  • Asenray                        883     883
  • Gesamt                    45.484   54.310

Nachbargemeinden

  • Beesel
  • Leudal
  • Maasgouw
  • Roerdalen
  • Brüggen (Deutschland)
  • Niederkrüchten (Deutschland)

Name

Der Stadtname „Roermond“ legt zwar nahe, dass die Mündung (ndl. monding) der Rur (ndl. Roer) in die Maas gemeint ist (wie Rijnmond), hat aber einen anderen Ursprung, allein da die Mündung der Rur in die Maas vor 1338 etliche Kilometer weiter westlich fern der Stadt lag. Die zweite Silbe mond stammt wahrscheinlich von der Bezeichnung „monte“ für eine Erhebung. Gemeint ist ein Burgberg, eine alte Befestigungsanlage, genannt Motte – Roermond bedeutet demnach „Rurburg“. Nach anderer Lesart (siehe frz. wikipedia) ist „mond“ von lateinisch mundium - Stadt hergeleitet, also „Stadt an der Rur“ oder „Rurbrücke“ mit keltisch-germanisch „monde“ = „Brücke“.

Geschichte

Die städtischen Ursprünge reichen bis zu den Römern zurück. Ein der Göttin Rura geweihter Altarstein, der im Stadtgebiet gefunden wurde, stammt aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. Cäsar soll den römischen Ort „Villa Optima“ - „bester Wohnplatz“ genannt haben.

1130 wird die Stadt erstmals urkundlich erwähnt. Sie gehört zum Herzogtum Geldern. Im Jahr 1213 wird sie vom deutschen Kaiser Otto IV. zerstört. Beim anschließenden Wiederaufbau beginnt man auch 1224 mit dem Bau der Münsterabtei, von der noch heute die Liebfrauen-Münsterkirche erhalten geblieben ist.

1232 erhält Roermond ein eigenes Siegel sowie das Recht, Steuern zu erheben und zur Rechtsprechung. 1441 wird Roermond Hansestadt. 1472 erhält die Stadt das Recht zur Münzprägung.

1338-1342 wurde der Lauf der Maas künstlich um ca. 7 km an die Stadtgrenze verlegt und damit auch die Rurmündung.

1543 kam Nimwegen (und das so genannte Oberquartier Gelderns) durch den Vertrag von Venlo unter spanischer Herrschaft. 1554 ereignet sich der erste große Stadtbrand. 1559 wird erstmals das Bistum Roermond gegründet, das 1801 wieder aufgelöst wird. 1665 ereignet sich der zweite große Stadtbrand.

Von 1702 bis 1716 ist Roermond ein selbstständiger Staat. Anschließend gehört es bis 1794 zu Österreich, wobei die Stadt im Dezember 1792 erstmals von den Franzosen unter Francisco de Miranda erobert wird. Im März 1793 erobern die Österreicher Roermond zunächst zurück, bevor es im April 1794 endgültig von den Franzosen besetzt wird, welche die Stadt in Rurmonde umbenennen. Die Besetzung durch die Franzosen währt bis 1814, als es durch die Russen befreit wird.

Von 1815 bis 1830 ist die Stadt niederländisch, anschließend gehört sie bis 1839 zu Belgien. Es folgt eine Doppelzugehörigkeit Ostlimburgs zu den Niederlanden und zum Deutschen Bund bis 1866. In dieser Zeit wird 1853 das Bistum Roermond wiederhergestellt. Seit 1866 ist die Stadt wieder ausschließlich niederländisch.

Beim Überfall der Deutschen Wehrmacht auf die Niederlande 1940 war Roermond eine der wenigen Städte, in denen für kurze Zeit militärischer Widerstand geleistet wurde. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs kam es angesichts der Nähe zur deutschen Grenze zu heftigen Kämpfen, die Bevölkerung war deportiert worden. Die deutschen Besatzer sprengten vor ihrer Flucht die Tore der Kathedrale. Das sogenannte Mahnmal Lüsekamp im Elmpter Wald, nur wenige Meter von der deutsch-niederländischen Grenze und der A 52 entfernt, erinnert daran, dass hier noch im Dezember 1944 von einem deutschen Erschießungskommando 14 Zwangsarbeiter aus Roermond hingerichtet wurden.

Wappen

Blasonierung: "Geteilt von Blau und Silber, oben ein doppelschwänziger, aufrechter, rotbezungter und -bewehrter, goldbekronter, goldener Löwe, unten eine rote heraldische Lilie. Der Schild ist mit einer goldenen Dreiblattkrone, geschmückt mit 2 Perlen, 3 roten Rautensteinen und 2 blauen Ovalsteinen, bedeckt."

Erklärung: Der Löwe repräsentiert den „Geldrischen Löwen“, das Wappentier Gelderns, an dem das Roermondsche Land, Obergeldern oder Oberquartier genannt, seit dem 13. Jahrhundert einen großen Anteil hatte. Die Lilie ist dem Wappen der Familie „van Wachtendonck“ (In Silber eine rote Lilie; siehe auch Wachtendonk mit Lilie im Wappen) entnommen, die etliche Vögte zu Roermond stellten. Ein Siegelstempel aus dem 13. Jahrhundert ist überliefert und zeigt die Lilie. Das älteste überlieferte Stadtsiegel Roermonds datiert von 1250 und stellt das Wappen der Herzöge von Geldern dar.

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Sehenswürdigkeiten

  • Liebfrauen-Münsterkirche (13. Jahrhundert). Im Inneren das Prunkgrab der Stifter Graf Gerhard IV. von Geldern und Gattin Margaretha von Brabant
  • Kathedrale St. Christophorus (15. Jahrhundert). Im Inneren: Dalheimer Kreuz aus dem 13. Jh.
  • Minderbroederskerk (15. Jahrhundert)
  • Rathaus aus dem Jahre 1700 mit einem Glockenspielturm
  • Yachthafen
  • Kapelle In 't Zand (Zum Sand), Marienwallfahrtsort
  • Beggardenkapel
  • Resort Marina Oolderhuuske, schwimmende Häuser auf dem Maassee Hatenboer (Zuidplas) mit eigener Marina (Hafen), Campingplatz und Restaurant

Museen

  • Städtisches Museum

Wirtschaft

Roermond ist als Einkaufsstadt bekannt, die besonders von Deutschen aus dem Ruhrgebiet und vom Niederrhein besucht wird. 2001 wurde in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt auf einem aufgegebenen Kasernengelände ein großes Einkaufszentrum mit dem Namen McArthurGlen Designer Outlet Center Roermond gebaut. Das Einkaufszentrum umfasst etwa 150 Geschäfte und lockt im Jahr rund 2,8 Millionen Besucher an. Entgegen ursprünglichen Befürchtungen besuchen rund 40 % davon auch die Roermonder Innenstadt, die seitdem einen erheblichen Aufschwung erlebt. Durch die Anziehungskraft des Outlet Centers ist Roermond dabei, dem wesentlich größeren Venlo unter den deutschen Besuchern den Rang abzulaufen.

Roermond ist Sitz der Peek & Cloppenburg Düsseldorf Komplementär B.V.

Verkehr

Schienenverkehr

Roermond hat einen Bahnhof im Stadtzentrum. Die Stadt liegt an der Bahnhauptstrecke Maastricht - Eindhoven, über die Intercity-Züge bis Amsterdam verkehren. Ferner beginnt in Roermond eine Nahverkehrs-Bahnstrecke entlang der Maas nach Venlo und über die Maaslinie nach Nijmegen.

Durch Roermond führt außerdem die Bahntrasse Eiserner Rhein von Antwerpen nach Mönchengladbach. Die Strecke ist derzeit auf den 16,5 Kilometern zwischen Roermond und Dalheim an der deutsch-niederländischen Grenze außer Betrieb. Es existieren Pläne, sie für den Güterverkehr zu reaktivieren, gegen die es allerdings erheblichen Widerstand gibt.

Ausflugs-Schiffsverkehr

Buslinien

Mit einer Reihe von Stadt- und Landbussen werden sowohl die Stadtteile als auch benachbarte Orte an den Roermonder Bahnhof angebunden. Seit April 2008 hat die Stadt außerdem „Shopbusse“ eingerichtet, die als Pendelbusse die Stadtmitte mit dem Outlet Center und dem neu errichteten Retail Center verbinden.

Radwege

Roermond verfügt inner- und außerorts über ein umfangreiches Fahrradwegenetz.

Straßenverkehr

Seit Anfang 2008 ist Roermond direkt an das niederländische Autobahnnetz angeschlossen. Der Rijksweg 73 (A 73) führt entlang der Maas von Nijmegen über Venlo und Roermond nach Maasbracht. Von dort verlängert der Rijksweg 2 (A 2) die Strecke weiter nach Maastricht und Lüttich).

Die Autobahnanbindung an die deutsche Bundesautobahn 52 nach Mönchengladbach und Düsseldorf wurde am 18. Mai 2009 zwischen der niederländischen Grenze und Elmpt freigegeben. Auf niederländischer Seite ist die N 280 bis zur Grenze bereits autobahnähnlich fertiggestellt.

Die N 280 stellt nach Westen die Verbindung nach Weert und zur A 2 Richtung Eindhoven her. Die einer deutschen Bundesstraße entsprechende N 271 verläuft in etwa parallel zur A 73 und bedient nun vorwiegend den Nahverkehr.

Hochwasserschutz

Die exponierte Lage der Stadt an Rur und Maas ist Ursache häufiger Überschwemmungen nach langanhaltendem Regen sowie der Schneeschmelze in der Eifel bzw. den Ardennen. Der Wasserverband Waterschap Roer en Overmaas hat zum Schutz Roermonds vor Hochwasser seit 2008 Hochwasserschutztore in die Rur verbaut, die bei Bedarf (erstmals im Januar 2011) die Rur im Stadtkern über die Hambeek umleitet. Zudem riegeln sie das Maaswasser zur Stadt hin ab.[2]

Persönlichkeiten

Söhne und Töchter des Ortes

  • Pierre Cuypers (* 16. Mai 1827 in Roermond; † 3. März 1921 in Roermond), Architekt
  • Henri Gisbert Geene (* 19. Juli 1865 in Roermond, † 29. Mai 1950 in Luzern/Schweiz), Bildhauer
  • Marleen Gorris (* 9. Dezember 1948 in Roermond), Drehbuchautorin und Filmregisseurin
  • Louis Motké (* 31. Mai 1918 in Roermond, † 31. Dezember 1988), Radrennfahrer
  • Johannes Murmellius, (* um 1480 in Roermond, † 2. Oktober 1517 in Deventer), Pädagoge, Philologe, Dichter und Humanist

Persönlichkeiten, die vor Ort gewirkt haben

  • Gerhard IV. (* um 1185; † 22. Oktober 1229), Graf von Geldern
  • Dionysius von Roermond (* 1402/03 in Rijkel; † 12. März 1471 in Roermond), Philosoph, Theologe, Mystiker und Scholastiker

Städtepartnerschaften

  • Koszalin (Polen)
  • Marktredwitz (Deutschland), seit 2007; davor Partnergemeinde von Swalmen
  • Mönchengladbach (Deutschland), seit 1971
  • Nepomuk (Tschechien), seit 2007; davor Partnergemeinde von Swalmen
  • Vinkovci (Kroatien)

Einzelnachweise

  1. ↑ Bevölkerungsstatistik, 1. März 2010 – Centraal Bureau voor de Statistiek, Niederlande
  2. ↑ animierte Website der Waterschap Roer en Overmaas zu den Hochwasserschutzmaßnahmen (niederländisch)

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Stettin

Stettin, poln. Szczecin ([ˈʂt͡ʂɛt͡ɕin], ist die Hauptstadt der polnischen Woiwodschaft Westpommern und liegt rund 120 km nordöstlich von Berlin an der Odermündung zum Stettiner Haff. Stettin ist einer der größten Seehäfen des Ostseeraums und siebtgrößte Stadt Polens. Die Stadt beherbergt mehrere Hochschulen, eine Universität und ist zusammen mit Kamień Pomorski Sitz des katholischen Erzbistums Stettin-Cammin.

Geographie

Odermündung

Der größte Teil der Stadt liegt am linken Westoderufer, das vor allem im Norden der Stadt von bewaldeten Hügeln geprägt ist (bis 130 m ü. NN). Auch die Stadtteile Dąbie (Altdamm), Podejuch (Podjuchy) und Colbatz (Kołbacz) östlich der Oder sind von Waldgebieten umgeben, der Buchheide (Puszcza Bukowa, bis 149 m ü. NN) und der Gollnower Heide (Puszcza Goleniowska).

Zwischen diesen beiden Stauchmoränen verläuft das bis fünf Kilometer breite Flusstal – begrenzt von den Hauptarmen Westoder und Ostoder (Odra Zachodnia und Odra Wschodnia). Die in zahlreiche Flussarme geteilte Oder mit zahlreichen Flussinseln reicht bis in das Stadtgebiet. Unmittelbar südlich der Stadt beginnt der deutsch-polnische internationale Park Unteres Odertal, der aus dem polnischen Landschaftsschutzpark Unteres Odertal und dem deutschen Nationalpark Unteres Odertal besteht und sich über Schwedt/Oder bis nahe Hohensaaten erstreckt.

Nördlich der Kernstadt weitet sich die Oder zu einem großen Binnensee, dem Dammschen See (Jezioro Dąbie), auf. In der Höhe von Police (Pölitz) findet der Fluss wieder in ein (sehr breites) Bett zurück, bevor er sich wieder aufweitet (Roztoka Odrzańska) und bei Trzebież (Ziegenort) ins Stettiner Haff mündet. Über den Kanał Piastowski (Kaiserfahrt) und die Swine (Świna) wird bei Świnoujście (Swinemünde) die offene Ostsee erreicht.

Stettiner Flussinseln

Im engeren Stadtgebiet liegen zwischen den beiden Hauptarmen des Flusses, der Westoder (Odra Zachodnia) und der Ostoder (Odra Wschodnia), sowie den alten Querverbindungen Parnitz und Dunzig, zahlreiche Flussinseln:

  • Der Altstadt direkt gegenüber liegt die Insel Lastadie (Łasztownia), die über die Hansabrücke erreicht wird. Der Stadtteil Lastadie grenzt unmittelbar an das Gebiet des Seehafens.
  • Nördlich davon liegt, zwischen Westoder, Duńczyca und Oder-Dunzig-Kanal (Kanał Grodzki), die kleine, unbebaute Insel Schlächterwiese (Wyspa Grodzka).
  • Südlich von Lastadie liegt die Insel Silberwiese (Kępa Parnicka), umgeben von Westoder, Grünem Graben (Kanał Zielony) und Parnitz (Parnica). Die Silberwiese ist vollständig bebaut. Die Insel war früher durch die Bahnhofsbrücke mit dem direkt gegenüber liegenden Hauptbahnhof verbunden, die Brücke reicht heute nur noch bis zur kleinen Ahrensinsel in der Westoder. Durch weitere Brücken ist die Silberwiese mit Lastadie und mit der Neuen Silberwiese verbunden.
  • Die südlich angrenzende Neue Silberwiese (Wyspa Zielona) ist nur zu einem geringen Teil bebaut, die Insel entstand durch den Bau des Parnitz-Durchstichs.
  • Östlich des Parnitz-Durchstichs liegt die Insel Vorbruch, die nur im Norden bebaut ist (Siedlung Vorbruch) und ansonsten weitgehend aus Kleingärten besteht. Östlich davon liegt der Hafensee (Jezioro Portowe), der über den Vorflutkanal (Kanał Rybny) mit der Parnitz verbunden ist.
  • Nördlich von Lastadie liegt der Grabower Werder (Wyspa Ostrów), der ursprünglich eine ungefähr dreieckige Form besaß und von Westoder, Dunzig und Möllnfahrt begrenzt wurde. Da die Insel mitten im Gebiet des Seehafens liegt, wurden die Flussarme beim Bau der Hafenbecken stark verändert. So wurde ein Teil der Dunzig zugeschüttet, wodurch eine direkte Landverbindung mit Lastadie entstand. Die nach Norden offene Breslauer Fahrt (Kanał Dębicki) wurde damit zu einer Sackgasse. Durch den Oder-Dunzig-Kanal im Westen der Insel wurde die schon genannte Schlächterwiese abgetrennt. Der Dunzig-Parnitz-Kanal schuf eine Verbindung zwischen den beiden Flussarmen. Im Westen des Grabower Werders bedecken Kleingärten und Wald.
  • Nördlich davon liegt der Bredower Werder (Wyspa Gryfia), der ganz vom Hafen eingenommen wird. Ihn umgibt im Westen die Westoder, im Osten die Grabower Fahrt (Kanał Grabowski) und die Oderfahrt (Przekop Mieleński).
  • Die nördlich anschließenden Inseln Schwarzer Ort (Czarnołęka) und Großer Oderbruch (Wyspa Dębina) liegen bereits im Dammschen See.
  • Im Mündungsbereich der Ostoder in den Dammschen See liegen zwei weitere Inseln. Die nördliche Insel Mönne war bis 1945 Naturschutzgebiet. Im süd-westlichen Eck der Mönne befand sich eine der ältesten Vogel- und Naturschutzstationen Deutschlands, die Naturwarte Mönne. Auf dem Fundament des 1945 zerstörten Stationsgebäudes steht heute eine Gedenktafel, die auf polnisch und deutsch an den Gründer der Naturwarte, Paul Robien, erinnert.

Politik und Gesellschaft

Hoheitszeichen

Das Wappen der Stadt Stettin zeigt den Kopf des roten Greifen, des Wappentiers im Wappen Pommerns, mit der goldenen Krone im blauen Feld.[2] Das Wappen hat sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg inhaltlich nicht geändert. In dieser offiziellen Form findet sich das Wappen auch auf der Stadtflagge Stettins wieder.[3]

Stadtgliederung

Der historische Stadtkern, die Altstadt, liegt am westlichen Ufer der Westoder. Um sie herum legt sich die gründerzeitliche Neustadt. Das von diesen beiden eingenommene dicht bebaute Innenstadtgebiet hat einen Durchmesser von etwa drei Kilometern.

Die angrenzenden Stadtteile sind lockerer bebaut. Jenseits der Westoder liegen die Stadtteile Lastadie und Silberwiese auf den gleichnamigen Flussinseln. Auf dem linken Flussufer grenzt südlich an die Innenstadt Pommerensdorf (Pomorzany), westlich die Stadtteile Schwarzow (Świerczewo), Torney (Turzyn), Braunsfelde (Pogodno), und nördlich Grünhof (Bolinko) und Grabow (Grabowo)[4]. Die meisten dieser zentrumsnahen Stadtteile sind ehemalige Dörfer, außerdem gibt es Villenkolonien der Vorkriegszeit und Plattenbausiedlungen der 1960er bis 1980er Jahre.

Auch in den Außenbezirken liegen zahlreiche gewachsene, eingemeindete Dörfer. Vor 1945 war Stettin mit 460 km² Fläche die flächenmäßig drittgrößte Stadt des Deutschen Reiches, das Stadtgebiet umfasste zahlreiche noch recht ländlich geprägte Ortschaften. Eine Sonderrolle innerhalb der Außenbezirke nimmt die ehemalige Stadt Altdamm (Dąbie) auf dem östlichen Oderufer ein. Sie besitzt einen eigenen mittelalterlichen Stadtkern und ist bis heute das Zentrum des Stettiner Stadtgebiets rechts der Oder.

Die Stadt Stettin gliedert sich in vier Stadtbezirke, diese wiederum in Ortschaften (Stand 2010)[5]:

  • Deutscher Name                     Polnischer Name                   Einwohner Stadtbezirk            Sitze im Ortsrat
  • Sandbäk-Nemitz                     Arkońskie-Niemierzyn             11.703      West                    15
  • Buchheide-Hökendorf              Bukowe-Klęskowo                 14.261       Rechtes Oderufer 15
  • Buchholz                                Bukowo                                 3.591       Nord                   15
  • Zentrum                                 Centrum                                21.252       Stadtmitte           21
  • Altdamm                                Dąbie                                    13.266       Rechtes Oderufer 15
  • Bredow-Grabow                     Drzetowo-Grabowo               17.184       Stadtmitte           15
  • Glambeck-Polchow                 Głębokie-Pilchowo                  1.232      West                   15
  • Frauendorf-Gotzlow                Golęcino-Gocław                    3.442       Nord                  15
  • Scheune                                 Gumieńce                             19.048      West                   15
  • Neu Rosengarten                     Kijewo                                   3.124       Rechtes Oderufer 15
  • Kreckow-Brunn                       Krzekowo-Bezrzecze               3.590      West                   15
  • Westend                                 Łękno                                     3.533       Stadtmitte           15
  • Majowe                                  Majowe                                  7.820       Rechtes Oderufer 15
  • Mitteloder-Vorbruch                Międzyodrze-Wyspa Pucka      1.111       Stadtmitte           15
  • Zabelsdorf                              Niebuszewo                          17.678       Nord                  15
  • Zabelsdorf-Grünhof                 Niebuszewo-Bolinko              22.657       Stadtmitte           21
  • Neustadt                                 Nowe Miasto                          7.969       Stadtmitte           15
  • Wussow                                 Osów                                    3.328      West                    15
  • Buchholz-Mühlenbeck-Jeseritz  Płonia-Śmierdnica-Jezierzyce    3.911       Rechtes Oderufer 15
  • Podejuch                                 Podjuchy                                9.063       Rechtes Oderufer 15
  • Braunsfelde                             Pogodno                              25.713      West                    21
  • Pommerensdorf                      Pomorzany                           22.186      West                    21
  • Scholwin                                Skolwin                                  3.328       Nord                   15
  • Hökendorf                               Słoneczne                            14.088       Rechtes Oderufer 15
  • Altstadt                                   Stare Miasto                           4.902       Stadtmitte           15
  • Stolzenhagen                           Stołczyn                                4.542       Nord                  15
  • Stadtmitte-Nord                       Śródmieście-Północ              12.665       Stadtmitte           15
  • Stadtmitte-West                       Śródmieście-Zachód              16.256       Stadtmitte           15
  • Schwarzow                            Świerczewo                          17.017      West                    15
  • Torney                                   Turzyn                                 20.736       Stadtmitte            21
  • Warsow                                 Warszewo                              7.184       Nord                  15
  • Augustwalde-Franzhausen        Wielgowo-Sławociesze            3.687       Rechtes Oderufer 15
  • Arnimswalde                           Załom                                    3.657       Rechtes Oderufer 15
  • Zawadzki                                Zawadzkiego-Klonowica        13.091       West                   15
  • Finkenwalde                            Zdroje                                    8.868       Rechtsufer          15
  • Züllchow                                 Żelechowa                           14.013       Nord                   15
  • Sydowsaue-Klütz                     Żydowce-Klucz                      2.455       Rechtes Oderufer 15

Stadtbild

Altstadt

Die Altstadt wurde nach schweren Kriegszerstörungen nur teilweise wiederaufgebaut. Bis heute prägen zahlreiche Brachen das Stadtbild im ältesten Teil Stettins. Zwischen erhaltenen oder nach alten Unterlagen rekonstruierten alten Bauwerken stehen zahlreiche sehr einfache Wohnhäuser der 1950er Jahre.

Den höchsten Punkt der Altstadt nimmt das Schloss der Herzöge von Pommern ein. Zu seinen Füßen, südlich angrenzend, entstand die bürgerliche Stadt rund um die ehemalige Nikolaikirche und das heutige, gotische Alte Rathaus am Heumarkt. Das mehrfach erweiterte Gebiet der mittelalterlichen Stadt lag ungefähr zwischen dem Oderufer und den heutigen Straßen Dworcowa („Bahnhofstr.“, früher Grüne Schanze), aleja Niepodleglości, („Unabhängigkeitsallee“, früherParadeplatz), plac Zołnierza Polskiego (Pl. des polnischen Soldaten, früher Königsplatz) und der neuen Schnellstraße Trasa Zamkowa („Schloss-Trasse“). Ziemlich genau in der Mitte dieses alten Stadtgebiets steht die größte Kirche der Stadt, die gotische Jakobikirche.

An die mittelalterliche Stadtmauer erinnert heute nur noch der Siebenmäntel- oder Frauenturm (Baszta Siedmiu Płaszczy/Baszta Panieńska) an der nordöstlichen Ecke des damaligen Stadtgebiets. Die beiden erhaltenen barocken Festungstore, das Berliner Tor (poln. Brama Portowa, „Hafentor“) im Westen und das Königstor (poln. gleichbedeutend Brama Królewska) im Norden, entstanden erst im Zuge des Festungsausbaus nach dem Übergang an Preußen unter König Friedrich Wilhelm I. zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Sie wurden vom preußischen Festungsbaumeister Gerhard Cornelius von Wallrave entworfen und dienten neben militärischen auch repräsentativen Zwecken, so dokumentieren die Inschriften am Königstor die Inbesitznahme der Stadt durch Preußen.

Zwei weitere gotische Kirchen sind erhalten geblieben, die Johanneskirche, ursprünglich die Kirche des Franziskanerklosters, am südlichen Rand der Altstadt und die Kirche St. Peter und Paul im Norden. Dagegen sind die Marienkirche zwischen Kleiner und Großer Domstraße und die Nikolaikirche neben dem Alten Rathaus am Heumarkt (Rynek Sienny) bereits am Ende des 18. bzw. zu Beginn des 19. Jahrhunderts aus dem Stadtbild verschwunden. Zwischen Jakobikirche und Königstor liegen mehrere barocke Stadtpaläste, etwa der ehemalige pommersche Landtag in der Staromłyńska („Altmühlenstr.“, früher Luisenstraße) das Wolkenhauerhaus am Plac Orła Białego („Pl. des weißen Adlers“, früher Rossmarkt), heute Musikhochschule, oder das ehemalige Generalkommando, heute Nationalmuseum, am plac Żołnierza Polskiego, früher Königsplatz.

Neustadt

Nach 1945 übernahm die gründerzeitliche Neustadt anstelle der fast völlig zerstörten Altstadt die meisten Zentrumsfunktionen. Die Anlage der Neustadt ging auf die Initiative des langjährigen Oberbürgermeisters Hermann Haken zurück.

Ein echter Stadtmittelpunkt ist heute nicht erkennbar, jedoch kann man den Bereich um aleja Niepodległości („Unabhängigkeitsallee“) und plac Wyzwolenia („Befreiungsplatz“), vor dem Krieg zusammen Paradeplatz, zwischen Berliner Tor (poln. Brama Portowa/„Hafentor“) und dem Hotelhochhaus Radisson SAS als wichtigsten Straßenzug der heutigen Innenstadt ansehen. Direkt neben dem Hotelgebäude befindet sich die Shopping-Mall Galaxy, das größte Einkaufszentrum der Stadt.

Am der aleja Niepodległości stehen einige Prachtbauten der Gründerzeit; etwa ein neobarockes Gebäude, als gebaut als Sitz der staatlichen Bank Pommersche Landschaft, heute wieder Niederlassung einer Bank, die neugotische Oberpostdirektion und mehrere Kaufhäuser.

Am Berliner Tor stößt rechtwinklig der plac Zwycięstwa („Siegesplatz“, bis 1945 Hohenzollernplatz) auf den genannten Straßenzug. Den Platz schmücken repräsentative Grünanlagen, in denen sich, am westlichen Ende die im Jugendstil errichtete Bugenhagenkirche (poln. św. Wojciecha, „Adalbertkirche“) erhebt. Aus der gleichen Zeit stammt die benachbarte Garnisonkirche, heute Herz-Jesu (poln. N. Serca Pana Jezusa).

In der südlichen Neustadt, zwischen Altstadt und Hauptbahnhof, entstanden vor dem Ersten Weltkrieg weitere repräsentative Großbauten, die heute, nach der Zerstörung ihrer städtebaulichen Umgebung, als Solitäre in einer Abfolge großer Grünanlagen stehen.

Nördlich des Bahnhofs, unmittelbar am Oderufer (Bollwerk/poln. Bulwar Piastowski) steht die Hauptpost, ein Backsteinbau in maßvoller Neorenaissance. Die westlich anschließende Freifläche heißt plac Tobrucki („Tobrukplatz“). Das ehemalige Neue Rathaus am plac Stefana Batorego („Stephan-Báthory-Platz“, früher Rathausplatz) wurde nach Berliner Vorbild Rotes Rathaus genannt, es beherbergt heute Einrichtungen der Hafenverwaltung. Das nahe ehemalige Stadthaus mit seinem hohen Jugendstilturm ist heute Sitz der Pommerschen Medizinhochschule (Pomorska Akademia Medyczna).

Die äußere Neustadt erinnert in ihrem städtebaulichen Grundriss an Pariser Vorbilder, in der Architektur der Einzelgebäude dagegen an Berlin. Große, gerade Straßenachsen schneiden sich an repräsentativen Sternplätzen, deren bekanntester der plac Grunwaldzki (ehem. Kaiser-Wilhelm-Platz) im Norden der Neustadt ist. Die Bebauung der einzelnen Parzellen erfolgte wie in Berlin mit Vorderhäusern, Seitenflügeln und Quergebäuden, wodurch zahlreiche enge Hinterhöfe entstanden. Die Bebauung der Neustadt ist überwiegend viergeschossig. Eine der größten Straßenachsen ist die al. Jedności Narodowej (ehem. Kaiser-Wilhelm-Straße), an deren Endpunkt das heutige Rathaus von Szczecin steht, ehemals als Landeshaus Sitz der Provinz Pommern. Hinter dem Rathaus liegt die Jasne Błonia („Helle Brache“, früher Quinstorp-Aue), in der ein Denkmal Papst Johannes Paul II. bereits zu dessen Lebzeiten errichtet wurde.

Nördlich der Altstadt, zwischen Oderufer und Grabower Anlagen, entstand von 1902 bis 1921 das bekannteste Bauensemble Stettins, die Hakenterasse. Drei monumentale Großbauten stehen an dieser Uferstraße: die Seefahrthochschule, das Stadtmuseum (heute Theater und Meeresmuseum) sowie das Gebäude der Regierung von Pommern, das heute als Sitz der Wojewodschaft Westpommern weiterhin seiner ursprünglichen Funktion dient. Die flussseitige Straßenseite schmücken zwei Jugendstilpavillons und eine große Freitreppe zum tiefer liegenden Fluss.

Äußere Stadtteile

Die äußeren Stadtteile Stettins sind von großen Grünanlagen durchzogen. Zu diesen gehört der Hauptfriedhof, im Stadtteil Scheune (poln. Gumieńce) an der ulica Ku Słońcu („Straße zur Sonne“, früher Pasewalker Chaussee, mit 1,7 km² Fläche einer der größten Friedhöfe Europas. Er wurde auf Initiative des schon erwähnten Oberbürgermeisters Haken angelegt, der hier auch begraben liegt.

Der nördlich angrenzende Stadtteil Pogodno, die frühere Villenkolonie Braunsfelde, ist Heimat des Fußballvereins Pogoń Szczecin. Nördlich dieses Stadtteils liegt der Park Leśny Arkónski („Arkona-Waldpark“, früher Eckerberger Wald), ein wichtiges Ausflugsziel. Nicht weit davon liegt der schöne jezioro Głębokie („Tiefer See“, früher Glambecksee) im Park Leśny Głębokie.

Größere Plattenbausiedlungen liegen am westlichen Rand von Pogodno (Zawadzkiego, Somosierry), im Süden von Pogodno (Kaliny, Przyjaźni), in Niebuszewo (Zabelsdorf, Książąt Pomorskich) sowie im südlichen Stadtteil Pomorzany (Wzgórze Hetmańskie).

Geschichte

Stettin entwickelte sich Ende des 12. Jahrhunderts aus einer wendischen und zwei benachbarten deutschen Siedlungen, denen der pommersche Herzog Barnim I. 1243 das Stadtrecht verlieh. Danach wuchsen die Stadtteile schnell zusammen und Stettin wurde zu einem bedeutenden Handelsplatz. 1278 erfolgte die Aufnahme in den Hansebund. Herzog Otto I. machte Stettin 1309 zur Residenzstadt Pommerns.

1451 und 1464 wütete die Pest in der Stadt. Nach Einführung der Reformation wurde in Stettin die erste weltliche Hochschule Pommerns, das Pädagogium, gegründet. 1570 fand hier der so genannte Stettiner Friedenskongress statt, der den Nordischen Siebenjährigen Krieg beendete. Herzog Johann Friedrich (reg. 1569–1600) baute das Schloss zu einer Residenz im Renaissancestil aus und verlieh ihm im Wesentlichen das heutige Erscheinungsbild. 1637 starb hier Herzog Bogislaw XIV. als letzter Greifenherzog. Von 1630/37 bis 1713/20 war Stettin in schwedischer Hand. Als Sitz der schwedischen Provinzialverwaltung und wichtige Festung, die den nördlichsten Oderübergang sicherte, wurde sie in den Kriegen der schwedischen Großmachtzeit mehrmals belagert. 1659 widerstand sie den Belagerern, aber 1677 während des Schwedisch-Brandenburgischen Krieges eroberte Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg die Stadt, musste sie aber wieder abgeben. 1713 besetzte der preußische König Friedrich Wilhelm I. die Stadt und erwarb sie endgültig durch den Stockholmer Frieden von 1720. Die Preußen siedelten wichtige Verwaltungseinrichtungen an und bauten Stettin weiter zu einer Festungsstadt aus. Das Altpreußische Infanterieregiment No. 7 wurde nach Stettin verlegt und Stettin wurde so zur preußischen Garnisonsstadt. Während der napoleonischen Kriege wurde die Festung 1806 von den Franzosen kampflos eingenommen, die die Stadt bis 1813 besetzt hielten.

1815 wurde Stettin Hauptstadt der preußischen Provinz Pommern. Mit der Eröffnung der Eisenbahnlinie Stettin–Berlin und der Erweiterung des Hafens entwickelte sich die Stadt auch zu einem wichtigen Industriestandort. Nach der Entfestung ab 1870 vergrößerte sich die Stadt durch neue Wohngebiete und Eingemeindungen. 1879 wurde auf einer Anhöhe vor der Stadt ein Krankenhaus mit 300 Betten eröffnet. Stettin beherbergte verschiedene Verwaltungsbehörden, die zum Teil auch als Schulen dienten.

An Bildungs- und Lehranstalten verfügte Stettin im Jahre 1909 über[6] drei Gymnasien, zwei Realgymnasien, zwei Lehrerinnenseminare, eine Maschinenbauschule, eine Baugewerkschule, eine Seemannsschule, eine Navigationsschule, eine Landwirtschaftsschule, eine Handelsschule, eine Hebammenlehranstalt mit angeschlossener Frauenklinik, eine Taubstummenanstalt und eine Blindenanstalt. Auf Beschluss des pommerschen Provinziallandtags von 1929 wurde die überalterte und nicht mehr ausbaufähige Provinzial-Hebammen-Lehranstalt und Frauenklinik in der Innenstadt (Karkutschstraße) in die Landesfrauenklinik der Provinz Pommern (LFK) umgewandelt. Unter Leitung des Gynäkologen und Institutsdirektors Siegfried Stephan wurde für die LFK zwischen 1929 und 1931 in einem ruhigen Außenbezirk (Roonstraße 7, südöstliche Ecke des Quistorparks und des Westendsees) ein großzügiger Neubau errichtet.[7] Die Synagoge zu Stettin wurde 1938 bei den Novemberprogromen zerstört.

1939 wurde durch die Eingemeindung der Städte Altdamm und Pölitz sowie weiterer 36 Gemeinden Groß Stettin geschaffen. Die rund tausend Stettiner Juden waren die ersten auf deutschem Gebiet, die von den Nationalsozialisten ins nun besetzte Polen deportiert wurden: am 12. Februar 1940 erfolgte ihre Verhaftung im ganzen pommerschen Regierungsbezirk Stettin. 1944 richteten Bombenangriffe des Bomber Command der Royal Airforce große Schäden an, denen die Altstadt inklusive des Hafengebiets zu 90 Prozent,[8] das übrige Stadtgebiet zu 70 Prozent zum Opfer fielen. Am 26. April 1945 wurde Stettin von der Roten Armee erobert.

Nach Kriegsende war der genaue Verlauf der Demarkationslinie zwischen der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands und den unter polnische Verwaltung gestellten deutschen Gebieten im Stettiner Raum noch unklar, so dass die Sowjetunion zunächst davon absah, das westlich der Oder gelegene Stettin den polnischen Behörden zu übergeben, und in der Stadt eine neugebildete deutsche Verwaltung einsetzte, zunächst ab dem 2. Mai 1945 unter Erich Spiegel als Bürgermeister, der am 26. Mai 1945 durch den KPD-Politiker Erich Wiesner abgelöst wurde. Am 5. Juli 1945 wurde Stettin jedoch – unter Bruch bestehender alliierter Vereinbarungen, die einen Grenzverlauf „unmittelbar westlich von Swinemünde und von dort die Oder entlang bis zur Einmündung der westlichen Neiße“[9] vorsahen, die Oder-Neiße-Linie – von der sowjetischen Besatzungsmacht an Polen übergeben und von diesem in Szczecin umbenannt. Gleichzeitig erfolgte die Ablösung der deutschen Stadtverwaltung unter Absetzung des Bürgermeisters Wiesner, und es begann die Ansiedlung von Polen, die mit der Vertreibung der deutschen Zivilbevölkerung einherging. Stettin wurde als Hauptstadt der gleichnamigen Woiwodschaft und unter Reaktivierung von Industrie, Bildungseinrichtungen etc. wiederaufgebaut. Der Hafen wurde erst 1955 von der Sowjetunion in polnische Verwaltung übergeben.

1970 wie 1980 kam es zu Arbeiterunruhen, und neben Danzig wurde Stettin zur Keimzelle der Gewerkschaftsbewegung Solidarność. 1972 machte die katholische Kirche Stettin zum Bistumssitz. Am 27. Mai 1990 wurde die erste demokratische Kommunalwahl durchgeführt. 1999 wurde Stettin im Zuge einer Verwaltungsreform Hauptstadt der neuen Woiwodschaft Westpommern.

Ortsname

Der Ortsname ist slawischer Herkunft. Ursprünglich lautete er Stetin, so in Urkunden aus den Jahren 1140[10] und 1123.[11] Ab dem 15. Jahrhundert kam es zur Verdoppelung des zweiten „t“, die bald allgemein üblich wurde und zum Ortsnamen Stettin führte.[12] Ungefähr gleichzeitig wurde die Stadt zur Unterscheidung von dem 1310 gegründeten Neustettin immer allgemeiner auch Alten-Stettin genannt.[12][13] Bis Anfang des 19. Jahrhunderts traten die Schreibweisen Alt-Stettin, Altstettin und Stettin nebeneinander auf,[14] bis man schließlich zu dem einfacheren Stettin zurückkehrte, was seitdem der Ortsname in deutscher Sprache ist.[12] Der nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführte polnische Ortsname Szczecin ist seit dem 19. Mai 1946 offiziell gültig.[15]

Religion

Die Einwohner Stettins, so wie ganz Pommerns, wurden mit der Reformation fast ausschließlich evangelisch. 1905 waren 93,3 % der Stettiner evangelisch und 3,9 % katholisch. Die Eintragungen über Taufen, Eheschließungen und Todesfälle der evangelischen Kirchenmitglieder in Stettin sind seit 1603 vorhanden und wurden nach 1920 von der HLT-Kirche („Mormonen“) aufgezeichnet. Mit der Vertreibung der deutschen Bevölkerung 1945 bis 1948 endete auch die evangelische Zeit in Stettin: von ehemals 15 Stadtgemeinden besteht noch eine, deren Zentrum die ehemalige Gertrudenkirche (heute: Św. Trójce/St. Trinitatiskirche) an der Großen Lastadie (heute: ul. Energetyków) ist. Sie gehört zur Diözese Breslau der Evangelischen Kirche Augsburger (lutherischer) Konfession in Polen, die etwa 0,3 % der Gesamtbevölkerung umfasst.

Da die heutigen polnischen Bewohner mehrheitlich dem katholischen Glauben angehören, wurde 1972 ein katholisches Bistum mit Sitz in Stettin eingerichtet, das 1992 zum Erzbistum Stettin-Cammin erhoben wurde. Die Jakobikirche im Zentrum der Stadt wurde zur katholischen Kathedrale.

Die in großer Zahl in Stettin lebenden Ukrainer gehören überwiegend der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche aber auch der Polnisch-Orthodoxen Kirche an. Kirchen dieser beiden christlichen Religionsgemeinschaften byzantinischen Ritus befinden sich auf dem früheren Gelände des Bethanienstifts an der ul. Mickiewicza.

Den Altkatholiken gehört die älteste Kirche Stettins und Pommerns, die im Zweiten Weltkrieg nur gering beschädigt wurde: die St.-Peter-und-Paul-Kirche.

Stettin gilt auch als eines der Zentren des polnischen Buddhismus. Unter anderem befindet sich hier der Sitz der 'Misja Buddyjska' (Buddhistischen Mission), einer Dachorganisation buddhistischer Gruppen in Polen. Mit der Eröffnung einer 'Buddhistischen Bibliothek' im Rahmen der Pommerschen Bibliothek durch den Dalai Lama im Mai 2000 wurde die Bedeutung Stettins gewürdigt. 2005 fanden auf Einladung der polnischen Buddhisten der Jahreskongress der Europäischen Buddhistischen Union und das Treffen der 'Buddhist Teachers in Europe' in Stettin statt.

Kultur

Stettin ist Kandidat als Kulturhauptstadt Europas für das Jahr 2016.[16]

Wichtige Bauwerke, Straßen und Plätze

In der Altstadt

  • Das Schloss der Herzöge von Pommern (Zamek Książąt Pomorskich) wurde im Zweiten Weltkrieg fast völlig zerstört. Erst in den 1980er Jahren wurde es im Stil der Renaissance rekonstruiert, als Orientierung dienten unter anderem Stiche aus dem 17. Jahrhundert. Das Schloss liegt an der nordöstlichen Ecke der Altstadt, besitzt einen großen, quadratischen und einen kleineren, länglichen Hof sowie zwei Türme. Zum Schloss gehört das Gebäude der Schlosskirche zu Stettin. Im großen Schlosshof finden im Sommer Freiluftkonzerte statt. Ein Flügel des Schlosses dient als Stettiner Opernhaus.
  • Der benachbarte Frauen- oder Siebenmäntelturm (Baszta Panieńska/Baszta Siedmiu Płaszczy) verdankt seinen Namen der Legende nach einem Schneider, der dem Herzog von Pommern sieben Mäntel nähen sollte, aber mit dem wertvollen Stoff zu fliehen versuchte und nach seiner Festnahme in diesem Stadtmauerturm seine Strafe absitzen musste.
  • Der gotische Loitzenhof (Dom Loitzów, 16. Jahrhundert) unterhalb des Schlosses war der Sitz der bedeutenden Kaufmannsfamilie Loitz, die durch den Salzhandel zu großem Reichtum kam und als Bankiers in vielen Städten Nordeuropas vertreten waren. Das Handelsimperium, dessen wichtigste Zentren außer Stettin auch Danzig und Lüneburg waren, brach 1572 zusammen, als große Kredite an den König Sigismund II. von Polen und Kurfürst Joachim II. von Brandenburg nach deren Tod nicht zurückgezahlt wurden. Die Familie Loitz konnte dadurch ihre eigenen Gläubiger nicht mehr bezahlen und musste aus Stettin fliehen.
  • Die spätgotische Peter-und-Paul-Kirche (Kościół Piotra i Pawła) steht an der Stelle des ersten christlichen Gotteshauses der Stadt, in dem bereits der Missionsbischof Otto von Bamberg 1124 die Messe feierte.
  • Die Jakobikirche (Katedra pw. Św. Jakuba) wurde von den Bürgern der stolzen Hansestadt nach dem Vorbild der (allerdings unerreichten) Lübecker Marienkirche errichtet. Die dreischiffige Hallenkirche war sehr reich ausgestattet, sie wurde jedoch 1677 durch Kriegsereignisse zerstört. 1894 stürzte der zuvor aufgestockte Westturm ein, wurde jedoch wiederaufgebaut. Luftangriffe während des Zweiten Weltkriegs hatten einen erneuten Einsturz des damals 119 Meter hohen Turms und große Schäden am Kirchenschiff zur Folge. Die Kirche wurde erneut wiederaufgebaut, die Nordwand erhielt dabei eine moderne Fassade im Stil der 1950er Jahre. Sie ist heute die Kathedrale des katholischen Erzbistums Stettin-Cammin.
  • Das Alte Rathaus stammt aus dem 14. Jahrhundert und wurde ab 1677 im barocken Stil wieder aufgebaut. Nach der Zerstörung während des Zweiten Weltkrieges erfolgte die Rekonstruktion der ursprünglichen gotischen Gestaltung. Die Nordfassade zum Neuen Markt (Rynek Nowy) erhielt einen vereinfacht rekonstruierten, durchbrochenen gotischen Ziergiebel, die Südfassade zum Heumarkt zeigt Formen der Renaissance. Im Alten Rathaus befindet sich heute das Museum für Stadtgeschichte. Im Ratskeller befindet sich ein Restaurant.
  • Der Heumarkt (Rynek Sienny) erhält zur Zeit seine historische Gestalt wieder. An seiner Ostseite entstehen Neubauten, deren Platzfassade am historischen Vorbild orientiert ist. Die westliche Platzseite ist noch nicht geschlossen.
  • Den Plac Orła Białego („Platz des weißen Adlers“, früher Roßmarkt) nördlich der Jacobikirche ziert eine Grünanlage mit einer Statue der Göttin Flora (18. Jh.) und dem barocken Roßmarktbrunnen. Das große Gründerzeitbauwerk auf der Westseite des Platzes war die Preußische Nationalversicherung. Im Vorgängerbau (1723–26) wurde 1759 Maria Feodowora geboren. In dem benachbarte Barockhaus, erbaut vom niederländischen Kaufmann Georg Christian Velthusen, produzierte vor dem 2. Weltkrieg die Firma C. Wolkenhauer Klaviere. Heute beherbergt es eine Musikhochschule. Ebenfalls an der Westseite des Platzes steht das Grumbkow-Palais, erbaut 1724/25 als Sitz des damaligen Oberpräsidenten der Provinz Pommern, Philipp Otto von Grumbkow. Wegen seines Giebelaufsatzes wird es heute Pałac pod Globusem („Palais unter dem Globus“)[17] genannt.
  • Der barocken Palast des Architekten G. C. Wallrave in der ulica Staromłyńska („Altmühlenstr.“, früher Luisenstraße) Nr. 27 beherbergte früher das pommersche Provinzparalment (Landhaus), heute einen Teil des Muzeum Narodowe w Szczecinie (Nationalmuseums Szczecin). Im ehemaligen preußischen Generalkommando direkt gegenüber befindet sich heute das Museum für polnische Kunst des frühen 20. Jahrhunderts.
  • Das barocke Königstor (Brama Królewska, 1725–27) an der nördlichen Begrenzung der Altstadt und das Berliner Tor (Brama Portowa, 1725–29) am plac Zwycięstwa („Siegesplatz“, früher Hohenzollernplatz) sind prächtige Schmuckbauten. Die Wandreliefs im Torgebäude erinnern an den Kauf Pommerns durch Preußen.

In der Neustadt

  • Die Hakenterrasse (Wały Chrobrego) ist das bekannteste Bauensemble der Stadt. Die baumbestandene, hoch über der Oder gelegene Uferstraße entstand zwischen 1900 und 1914 auf dem Gelände des aufgegebenen Forts Leopold nördlich der Altstadt. Drei monumentale öffentliche Gebäude stehen hier. Die Seefahrthochschule, das südliche Bauwerk, ist ein Bau der deutschen Neurenaissance. Ihr folgt ein heller Jugendstilbau mit markantem, kupfergedeckten Mittelturm. Er beherbergt einen Theatersaal, Spielstätte des Teatr Współczesny („Theaters der Gegenwart“), und das Meeresmuseums, eine Abteilung des polnischen Nationalmuseums, früher war hier das Museum der Stadt Stettin. Das dritte Großbauwerk, in nordischer Renaissance für Regierung von Pommern errichtet, hat heute die gleiche Funktion als Sitz der Wojewodschaft Westpommern. Vor dem mittleren Bau öffnet sich die Allee zwischen zwei Jugendstilpavillons zur Oder, eine breite Freitreppe führt hinunter zum Fluss.
  • Der Hochhauskomplex PAZIM wurde 1992 fertiggestellt, er beherbergt ein Hotel der Radisson-Kette sowie Büronutzungen. Das Hochhaus hat 22 Etagen und ist 92 m hoch. Es ist damit aber nur das zweithöchste Bauwerk der Stadt. Der 2008 wiederhergestellte Turm der Jacobikirche hat eine Höhe von 110,18 m. Neben dem PAZIM befindet sich das 2003 eröffnete Einkaufszentrum Galaxy Center (al. Wyzwolenia).
  • Die aleja Jedności Narodowej („Allee der nationalen Einheit“, früher Kaiser-Wilhelm-Straße) ist die größte der Straßenachsen der Neustadt. Auf ihr liegen zwei große Plätze, der plac Grunwaldzki (sinngemäß „Tannenbergplatz“, früher Kaiser-Wilhelm-Platz) und der plac Lotników („Platz der Flieger“, früher Augustaplatz). Das Reiterstandbild auf letzterem stellt den Condottiere Bartolomeo Colleoni dar. Es wurde 1913 als Kopie eines italienischen Vorbildes geschaffen und stand bis zum 2. Weltkrieg im Kuppelsaal des Theater- und Museumsbaus an der Hakenterrasse.
  • Der plac Jasne Blonia, früher Quistorp-Aue, am nördlichen Ende der Straße wurde der Stadt von einem Bürger, dem Großunternehmer und Zementfabrikanten Johannes Quistorp unter der Bedingung geschenkt, dass sie für immer von Bebauung freizuhalten sei. Hier feierte Papst Johannes Paul II. 1987 mit rund einer Million Gläubigen die heilige Messe.
  • Die aleja Niepodległości („Unabhängigkeitsallee“, früher Paradeplatz) ist heute der wichtigste Straßenzug der Innenstadt. Auf der östlichen Straßenseite gibt es Geschäfte und Restaurants, auf der westlichen Seite repräsentative bis pompöse Großbauten, darunter der neobarocke Sitz der Pekao-Bank, erbaut 1891–1895 von Emil Drews als Sitz der staatlichen Pfandbriefanstalt Generallandschaft und die benachbarte neugotische Oberpostdirektion (1903–1905).
  • Am südlich angrenzenden plac Zwycięstwa („Siegesplatz“, früher Hohenzollernplatz) stehen außer dem Berliner Tor zwei große Kirchen, die Bugenhagenkirche (neugotische und Jugendstilformen, 1906–1908) und die ehemalige Garnisonkirche (1913–1915, Jugendstil).
  • Neues Rathaus (1879 vollendet), neugotisch.
  • Auf dem Rathausplatz der Manzelbrunnen (1898). An der Stelle der früheren Brunnenfigur Sedina, einer allegorischen die Stadt Stettin verkörpernden Frauenfigur, steht derzeit ein Anker; es gibt aber konkrete Bestrebungen zur Wiedererrichtung der Sedina.[18] In der Nähe steht das ehemalige Stadthaus, heute medizinische Akademie, ein monumentaler Jugendstilbau mit hohem Turm.
  • Der unten beschriebene Hauptbahnhof hat ein ansehnliches schlichtes Empfangsgebäude aus den 1950er Jahren. Das Innere ziert eine große Landkarte Pommerns.

In den äußeren Stadtteilen

  • Dammscher See (Jezioro Dąbie)
  • Hauptfriedhof
  • Jezioro Szmaragdowe („Smaragdsee“, früher Herta-See)
  • Kartäuserkloster Grabow

Partnerstädte

  • Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin (Deutschland)
  • Bremerhaven (Deutschland)
  • Dalian (Volksrepublik China)
  • Esbjerg (Dänemark)
  • Greifswald (Deutschland)[19][20]
  • Kingston upon Hull (Großbritannien)
  • Klaipėda (Litauen)
  • Lübeck (Deutschland)
  • Malmö (Schweden)
  • Murmansk (Russland)
  • Rostock (Deutschland)
  • St. Louis (Vereinigte Staaten)

Persönlichkeiten

Ehrenbürger

  • Hermann Haken (Politiker), (1828–1916), Oberbürgermeister von Stettin zwischen 1878 und 1907
  • Friedrich Ackermann Oberbürgermeister von Stettin von 1907 bis 1931
  • Lech Wałęsa (* 1943), Staatspräsident Polens (20. April 2009)
  • Nikita Chruschtschow (1894–1971), sowjetischer Staats- und Parteichef

Söhne und Töchter der Stadt

Persönlichkeiten, die in der Stadt gewirkt haben

  • Otto Jageteufel († 1412), Bürgermeister, begründete die Jageteufelsche Stiftung
  • Peter Artopoeus (1491–1563), eigentlich Peter Becker, Pastor Primarius an der Marienkirche, Reformator
  • Philipp Dulichius (1562–1631), deutscher Komponist, ab 1587 Kantor am Fürstlichen Pädagogium in Stettin
  • Daniel Cramer (1568–1637), lutherischer Theologe, Chronist und Autor
  • Georg Wehling (1644–1719), deutscher Schullehrer und Schriftsteller, Leiter der Ratsschule in Stettin von 1682 bis 1719
  • Christian Zickermann (1672–1726), Pfarrer an der Stettiner Peter-Paulskirche und Geschichtsforscher
  • Jacob Schimmelmann (1712–1778), deutscher lutherischer Geistlicher, lebte seit 1765 in Stettin und übersetzte hier die altisländische Edda ins Hochdeutsche
  • Joachim Bernhard Steinbrück (1725–1789), Pfarrer an der Stettiner Peter-Paulskirche und Geschichtsforscher
  • Karl Friedrich Wilhelm Hasselbach (1781–1864), deutscher Historiker und Gymnasiallehrer, Leiter des Marienstiftsgymnasiums von 1828 bis 1854
  • Carl Loewe (1796–1869), deutscher Komponist, Gymnasiallehrer und städtischer Musikdirektor in Stettin
  • Theodor Wehrmann (1819–1892), deutscher Gymnasiallehrer, wirkte in Stettin als Provinzialschulrat von 1856 bis zu seinem Tode
  • Hermann Grieben (1822–1890), deutscher Journalist und Dichter, arbeitete 1850/1851 an der Ostsee-Zeitung und von 1853 bis 1859 an der Pommerschen Zeitung in Stettin
  • Johannes Quistorp (1822–1899), deutscher Industrieller, Wohltäter der Stadt
  • Friedrich Wilhelm Gesenius (1825–1888), deutscher Pädagoge, gründete in Stettin die Geseniussche Höhere Mädchenschule
  • Gottfried von Bülow (1831–1907), deutscher Archivar und Historiker, Leiter des Staatsarchivs Stettin
  • Hugo Lemcke (1835–1925), deutscher Historiker, Direktor des Stadtgymnasiums von 1881 bis 1906
  • Heinemann Vogelstein (1841–1911), deutscher liberaler Rabbiner, wirkte ab 1880 in Stettin
  • Hugo Rühl (1843–1922), Turnlehrer, Stadtschulrat und Sportfunktionär
  • Fritz Godow (1851–1932), plattdeutscher Schriftsteller, Mittelschullehrer in Stettin
  • Karl August Schuchardt (1856–1901), deutscher Chirurg und Gynäkologe, arbeitete ab 1889 an der chirurgischen Klinik des Städtischen Krankenhauses
  • Hildegard Voigt (1856–1936), deutsche Schriftstellerin, lebte seit früher Jugend in Stettin
  • Fritz Herbert (1860–1925), Gründer der Zeitung Volksbote, Reichstagsabgeordneter, Konsumgenossenschafter, Aufsichtsrat der GEG
  • Alfred Haas (1860–1950), deutscher Historiker, Volkskundler und Gymnasiallehrer; Sammler pommerscher Sagen
  • Ulrich Hildebrandt (1870–1940), deutscher Kirchenmusiker, Organist an der Schlosskirche
  • Otto Bollnow (1877–1959), deutscher Schullehrer und Heimatforscher, arbeitete von 1902 bis 1914 in Stettin, zuletzt an der 2. Mädchenmittelschule
  • Erwin Ackerknecht (1880–1960), Leiter der Stadtbücherei Stettin von 1907 bis 1945
  • Paul Robien (1882–1945), Vordenker der Umweltbewegung, lebte in der Naturwarte Mönne an der Ostodermündung in den Dammschen See
  • Otto Kunkel (1895–1984), deutscher Prähistoriker, bis 1945 Direktor des Pommerschen Landesmuseums in Stettin
  • Hermann Czirniok (1903–?), deutscher Politiker (NSDAP), Bürgermeister von Stettin 1934
  • Piotr Zaremba (1910–1993), polnischer Stadtplaner und Architekt, erster Stadtpräsident von Stettin

Öffentliche Einrichtungen

Garnison

Seit dem 18. September 1999 liegt der Stab des Multinationalen Korps Nord-Ost in den „Baltischen Kasernen“ in Stettin.

Hochschulen

  • Zachodniopomorski Uniwersytet Technologiczny (Abk. ZUT)
  • Pomorska Akademia Medyczna Szczecin
  • Uniwersytet Szczeciński
  • Akademia Morska
  • Akademia Sztuki
  • Arcybiskupie Wyższe Seminarium Duchowne w Szczecinie
  • Wyższa Szkoła Administracji Publicznej w Szczecinie
  • Wyższa Szkoła Ekonomiczno-Turystyczna
  • Wyższa Szkoła Humanistyczna TWP
  • Wyższa Szkoła Pedagogiczna TWP
  • Wyższa Szkoła Integracji Europejskiej
  • Wyższa Szkoła Języków Obcych
  • Wyższa Szkoła Techniczno-Ekonomiczna w Szczecinie
  • Szczecińska Szkoła Wyższa - Collegium Balticum
  • Wyższa Szkoła Zawodowa „OECONOMICUS“ PTE
  • Wyższa Szkoła Zarządzania
  • Zachodniopomorska Szkoła Biznesu

Wirtschaft und Verkehr

Seehafen Stettin-Swinemünde

Der Seehafen an der Odermündung in das Stettiner Haff ist für die gesamte polnische Wirtschaft wichtig – der Hafen Stettin-Świnoujście ist nach Danzig der zweitgrößte Seehafen des Landes. Die Lage an der Odermündung macht Stettin zum natürlichen Seehafen für das gesamte Einzugsgebiet dieses Stroms. Dies betrifft seit 1945 zuallererst die Produktion des Oberschlesischen Industriegebiets um Kattowitz, des größten Ballungsraums des Landes. Ähnlich wie im Ruhrgebiet bildet der örtliche Steinkohlebergbau die wirtschaftliche Grundlage dieser Region, die dortige Stahlindustrie benötigt außerdem Eisenerz. Das für Oberschlesien bestimmte Eisenerz wird deshalb über Stettin-Swinemünde importiert und dort auf Binnenschiffe verladen, die zu exportierenden fertigen Stahlprodukte nehmen den umgekehrten Weg, ebenfalls über Stettin.

Bis 1945 war Stettin außerdem der Ein- und Ausfuhrhafen für Berlin, die zeitweise größte Industriestadt Europas war über den bereits 1605 (und nach Zerstörung 1743 wieder) eröffneten Finowkanal sowie ab 1917 über den moderneren Oder-Havel-Kanal mit der Oder verbunden. Die enge wirtschaftliche Symbiose zwischen beiden Städten riss nach Krieg, Vertreibung und Grenzziehung weitgehend ab. Durch den europäischen Einigungsprozess kann für die Schiffsverbindung zwischen Berlin und Stettin jedoch perspektivisch wieder eine größere Bedeutung angenommen werden.

Der Seehafen Stettin-Swinemünde hatte 2004 einen Gesamtumschlag von 15,5 Millionen Tonnen und 27.700 Containern. Der Fährhafen (die meisten Verbindungen beginnen in Swinemünde) zählte 740.000 Passagiere, die die Verbindungen nach Skandinavien benutzten.

Zwischen Stettin und Swinemünde besteht über das Stettiner Haff und die Oder eine Schiffsverbindung mit einem Tragflügelboot, die die rund 65 Km lange Strecke in ca. 75 Minuten befährt

Stettin ist außerdem ein bedeutender Schiffbaustandort, die Werft ist mit rund 10.000 Beschäftigten die größte in Europa.

Eisenbahnverkehr

Stettin ist bereits seit 1843 an das Eisenbahnnetz angebunden. In diesem Jahr erreichte die am 1. August 1842 zwischen Berlin und Eberswalde eröffnete Stettiner Bahn ihren Endpunkt in der pommerschen Hauptstadt. Die Strecke begann im Stettiner Bahnhof an der Berliner Invalidenstraße und führt über Bernau, Eberswalde und Angermünde nach Stettin. Es war die erste Bahnverbindung der preußischen Hauptstadt mit einem Seehafen. Der Endbahnhof am Oderufer hieß demnach zunächst Berliner Bahnhof; aus ihm entwickelte sich der heutige Hauptbahnhof (Szczecin Główny). Auch das heutige Empfangsgebäude steht an der Uferstraße (Ulica Krzysztofa Kolumba) gegenüber dem Oderkai. Stettin war Sitz einer Eisenbahndirektion, der späteren Reichsbahndirektion. Neben der Strecke nach Berlin gibt es heute die Eisenbahnstrecke von Stettin über Pasewalk, Neubrandenburg und Güstrow nach Lübeck, entlang der Oder nach Süden (Gryfino, Küstrin, Zielona Góra, Breslau), nach Osten (Stargard Szczeciński–Posen–Warschau und Stargard–Koszalin) sowie entlang der Ostseeküste über Kołobrzeg und Koszalin nach Danzig. Regionalzüge verkehren über Goleniów nach Kamień Pomorski sowie zur Insel Wollin bis nach Świnoujście. Auf dem linken Oderufer verkehren Vorortzüge quer durch das Stettiner Stadtgebiet nach Police und Trzebiez.

Die Strecken nach Angermünde und Lübeck Hbf werden von Zügen der Deutschen Bahn bedient. Ab Berlin-Hauptbahnhof ist Stettin ca. alle zwei Stunden erreichbar. Meistens besteht eine Anschlussverbindung über Angermünde, es gibt wenige durchgehende Züge. Täglich verkehrt ein EuroCity über Berlin hinaus nach Dresden und Prag. Die Regionalexpresszüge über Pasewalk stellen eine durchgehende Verbindung – ebenfalls im Zwei-Stunden-Takt – über Bad Kleinen nach Lübeck dar. Das Wochenendticket und Ländertickets gelten bis Stettin.

Die Bahnstrecke führt unmittelbar nördlich des Hauptbahnhofs in einem weiten Bogen über die Oder, die Insel Silberwiese (Kępa Parnicka) und die Parnitz. Jenseits dieses Oderarms erreicht die Bahn das Hafengebiet, ein großer Güterbahnhof (Port Centralny) schließt sich dort an.

Flughafen Stettin-Gollnow

Der Flughafen in Goleniów (35 km nordöstlich) hatte 2003 rund 90.000 Passagiere und etwa 7.500 Flugbewegungen, bei stark steigender Tendenz. Die meisten Linienflüge gehen mit LOT nach Warschau, die irische Billiglinie Ryanair fliegt außerdem einmal täglich nach London.

Oderbrücken

In Stettin befinden sich die letzten festen Querungen der Oder vor ihrer Mündung. Im Stadtgebiet und der näheren Umgebung kreuzen vier Straßen und zwei Eisenbahnstrecken den in viele Flussarme geteilten Strom.

  • Südlich der Stadt, bereits im Bereich des Landschaftsschutzparks Unteres Odertal gelegen, verläuft die Autostrada A6, ein Teil der Europastraße 28, die von Berlin nach Danzig führt.
  • Am südlichen Stadtrand verläuft die Schnellstraße DK31 nach Posen (Autostrada Poznańska), die auch vom Stadtbus benutzt wird. Direkt parallel zur Straße verläuft eine Eisenbahnstrecke, die von Güterzügen zur Umfahrung des Hauptbahnhofs genutzt wird. Straße und Eisenbahn kreuzen West- und Ostoder jeweils auf gemeinsamen Brücken.
  • Die im Krieg zerstörte Bahnhofbrücke wurde nicht wiederaufgebaut, ihre Reste verbinden heute nur noch die Ahrensinsel mit der Silberwiese.
  • Die Eisenbahn quert unmittelbar nördlich des Hauptbahnhofs die Westoder, die anschließende Insel Silberwiese und die Parnitz.
  • Die traditionelle Stadtbrücke in der Altstadt war die Hansabrücke, an ihrer Stelle steht heute die Lange Brücke (Most Dlugi). Es ist die Querung der Landesstraße 10.
  • Zwischen Schloss und Hakenterrasse kreuzt die am Königstor beginnende, autobahnähnliche Schloßstraße (Trasa Zamkowa) als Droga wojewódzka 115 die Oder. Sie ist die letzte Oderbrücke vor der Mündung.

Stadtverkehr

Die von der Stettiner Straßen-Eisenbahn-Gesellschaft 1879 als Pferdebahn eröffneten und ab 1897 elektrifizierten Straßenbahnlinien fuhren im Stadtgebiet und in einige nördliche Nachbarorte.

Der städtische Verkehrsbetrieb MZK betreibt heute den öffentlichen Verkehr innerhalb des Stadtgebiets in Form eines umfangreichen Straßenbahnnetzes und ergänzender Buslinien. In der Stadt verkehren elf Straßenbahnlinien. Die wichtigsten Umstiegsknoten sind am Berliner Tor sowie am Radisson-Hotel (pl. Rodła). Zwei Linien fahren über die Lange Brücke auf das östliche Ufer der Westoder, enden dort jedoch nach einigen Kilometern im Hafengebiet. Der Bezirk Altdamm rechts der Ostoder wird nicht von der Straßenbahn erreicht.

Literatur

Belege

  • Fr. Thiede: Chronik der Stadt Stettin – Bearbeitet nach Urkunden und den bewährtesten historischen Nachrichten. Müller, Stettin 1849, 936 Seiten; bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts reichende detaillierte Stadtchronik (Volltext).
  • Heinrich Berghaus: Geschichte der Stadt Stettin, der Hauptstadt von Pommern – Topographisch-statistisch beschrieben nach allen Richtungen ihres politischen, bürgerlichen, merkantilischen und kirchlichen Lebens. 2 Bände, Berlin/Wriezen 1875-76 (1. Band 1102 Seiten, 2. Band 1115 Seiten).
  • Otto Kunkel, Hans Bernhard Reichow: Stettin – so wie es war, Fotografierte Zeitgeschichte Droste, 2. Auflage, Droste, Düsseldorf 1975, ISBN 3-7700-0351-9
  • Gustav Kratz: Die Städte der Provinz Pommern – Abriß ihrer Geschichte, zumeist nach Urkunden. Berlin 1865 (Nachdruck 1996 durch Sändig Reprint Verlag, Vaduz, ISBN 3-253-02734-1), S. 376–412 (Volltext). (Bis in die 1860er Jahre reichende Stadtchronik mit zahlreichen Quellenangaben.)
  • Martin Wehrmann: Geschichte der Stadt Stettin. Weltbild, Augsburg 1993 (unveränderter Nachdruck der Ausgabe von Stettin 1911), ISBN 3-89350-119-3. (Letzte größere Stadtchronik in deutscher Sprache.)
  • Ernst Völker: Stettin – Daten und Bilder zur Stadtgeschichte. G. Rautenberg, Leer 1986, ISBN 3-7921-0317-6.
  • Stettin – Ein Führer durch die Hafen- und Industriestadt im Grünen, Hrsg. Stettiner Verkehrsverein GmbH (1929), Stettin, Berliner Tor Nr. 5, Reprint dieser Ausgabe durch den Verlag G. Rautenberg, Leer 1989, ISBN 3-7921-0387-7.
  • Stettin-Szczecin 1945–1946, Dokumente-Erinnerungen, Dokumenty-Wspomnienia. Hinstorff, Rostock 1995, ISBN 3-356-00528-6. Dokumente und Augenzeugenberichte aus der Zeit 1945–1946

Allgemeine Darstellungen

  • Grażyna Kling, Wolfgang Kling: Polen: Ostsee & Masuren. Peter Meyer Verlag, Frankfurt 2007, ISBN 978-3-89859-139-3. (Darin 48 Seiten zu Stettin und der Insel Wollin)
  • Herman Schulze: Der Stettiner Hafen. Sonderabdruck in: Jahrbuch Hafenbautechnischen Gesellschaft 1922/23. Hamburg 1926. (Digitalisat (DjVu-Format)
  • Eckhardt Wendt (Hrsg.): Stettiner Lebensbilder. Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Pommern, Reihe 5, Bd. 40. Böhlau, Köln 2004, ISBN 3-412-09404-8.
  • Ernst Zahnow: Wanderziele in und um Stettin. Ein Ratgeber für Schulen, Jugendverbände und Heimatfreunde. Leon Saunier, Stettin 1933.

Einzelnachweise

  1. ↑ Główny Urząd Statystyczny, „LUDNOŚĆ – STAN I STRUKTURA W PRZEKROJU TERYTORIALNYM“, Stand vom 31. Dez. 2009 (WebCite)
  2. ↑ Eduard August Pitzschky: Das Wappen der Stadt Stettin. In: Baltische Studien, AF, Band 14, Nr. 1, Stettin 1850, S. 26–41.
  3. ↑ Regulamin Insygniów Miasta
  4. ↑ Gustav Kratz: Die Städte der Provinz Pommern – Abriss ihrer Geschichte, zumeist nach Urkunden. Berlin 1865, 163–164.
  5. ↑ http://xxx
  6. ↑ Meyers Konversationslexikon, 6. Auflage, Leipzig und Berlin 1909, 19. Band, S. 10.
  7. ↑ Günter Köhler: Die Geschichte der Landesfrauenklinik Stettin, Stettiner Bürgerbrief Nr. 24 (1998), 40–52.
  8. ↑ Atlantica: Der neue grosse Satelliten-Weltatlas. S. 67
  9. ↑ Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin („Potsdamer Abkommen“)
  10. ↑ Pommersches Urkundenbuch. 1. Band. 2. Auflage. Böhlau, Köln / Wien 1970, Nr. 30
  11. ↑ Pommersches Urkundenbuch. 1. Band. 2. Auflage. Böhlau, Köln / Wien 1970, Nr. 213
  12. ↑ a b c Martin Wehrmann: Geschichte der Stadt Stettin. S. 5
  13. ↑ Fr. Thiede: Chronik der Stadt Stettin. S. 10
  14. ↑ Gustav Kratz: Die Städte der Provinz Pommern. S. 376
  15. ↑ M. P. z 1946 r. Nr 44, poz. 85
  16. ↑ SZCZECIN 2016
  17. ↑ Polnische Wikipedia: Pałac pod Globusem w Szczecinie
  18. ↑ Die Pommersche Zeitung. Nr. 29/2008, S. 4.
  19. ↑ Liste Greifswalder Partnerstädte
  20. ↑ Die Pommersche Zeitung. Nr. 34/2010, S. 1–2.

    xxx – Entsprechend unserer Statuten werden uns unbekannte Webadressen nicht veröffentlicht .Für eine weiterführende Recherche gehen Sie bitte auf die entsprechende Wikipediaseite. Mehr Informationen lesen Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Geschichte der Stadt Stettin

Die Geschichte der Stadt Stettin reicht bis in das 8. Jahrhundert zurück. Das heute in Polen liegende Stettin (polnisch Szczecin) hat eine über 700 Jahre dauernde Geschichte als deutsche Stadt.

Vorzeit

Während für die bis zur Völkerwanderungszeit in der Gegend ansässigen Odermündungsgermanen kaum Siedlungsspuren gefunden wurden, kann für das 8. Jahrhundert eine slawische Siedlung auf einem Hügel oberhalb des linken Ufers der Odermündung in das Stettiner Haff nachgewiesen werden. Im Laufe des 9. Jahrhunderts entwickelte sich daraus ein mit Palisaden geschützter Burgwall. 967 wurde das Gebiet gemeinsam mit Pommern von dem polanischen Herzog Mieszko I. in Lehnsabhängigkeit gebracht. Weitere hundert Jahre später war unterhalb der Burg eine neue wendische Siedlung namens Kessin entstanden, die rasch zu einem bedeutenden Handels- und Hafenplatz wurde. Zu dieser Zeit war das umliegende Land Teil des polnischen Königreiches, von dem es 1091 erobert worden war. Unter Herzog Boleslaw III. von Polen wurde Pommern erneut unterworfen, so rief man Anfang des 12. Jahrhunderts Bischof Otto von Bamberg ins Land, um die heidnischen Wenden zum Christentum zu bekehren. Von 1124 bis 1128 kam er zweimal ans Stettiner Haff, und bei seiner letzten Visite zerstörte er die heidnischen Tempel, um an ihrer Stelle eine hölzerne Kirche zu errichten. Während des Wendenkreuzzuges des Bischofs Anselm von Havelberg wurde die Burg 1147 belagert, die Einnahme konnte aber durch das Eingreifen des Camminer Bischofs abgewendet werden. Er hatte geltend gemacht, dass die Bewohner bereits zum Christentum übergetreten waren. 1173 eroberten die Dänen die Burg, zerstörten sie, bauten sie 1190 aber wieder auf. Die Dänen herrschten bis 1227 im Land.

Mittelalter

Inzwischen hatten sich südlich und westlich der Wendensiedlung deutsche Siedler niedergelassen, die zuerst die so genannte Oberstadt, später die Unterstadt gründeten. In der Oberstadt wurde von 1180 bis 1187 die Jakobikirche erbaut, gestiftet von dem Kaufmann Beringer von Bamberg. Mit dem Machtantritt der Herzöge aus dem Geschlecht der Greifen im zweiten Drittel des 12. Jahrhunderts hatte sich Pommern mehr und mehr zu einem eigenständigen Staatsgebilde entwickelt, dessen Politik unter Barnim I. von 1226 bis 1278 einen ersten Höhepunkt erreichte. Barnim I. ging als Städtegründer in die Geschichte ein und verlieh auch der Wendensiedlung Kessin zusammen mit den deutschen Vorstädten als „oppidum Stetin“ 1243 das Stadtrecht, eine Stettiner Variante des Magdeburger Stadtrechtes. Die Tatsache, dass bereits 1220 mit Bogislaw II. erstmals ein pommerscher Herzog in der Jakobikirche beigesetzt worden war, belegt die Sonderstellung Stettins als Machtzentrum Pommerns. Sie wurde unter Barnim I. durch Zollerlass, Handelsprivilegien und Fischereirechte weiter gefördert, sodass die Stadt auch wirtschaftlich erstarkte. Zusätzlich wurde in Stettin der Oberhof für all